Aus der Professur für Geodäsie und Geoinformatik der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät Thesen der Dissertation Semantische und organisatorische Interoperabilität kommunaler Geodaten im Kontext von INSPIRE zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.) an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock vorgelegt von: Dipl.-Ing. Falk Würriehausen aus Nieder-Olm Verteidigung am 07. Juli 2015
Das Grundprinzip in der Geoinformationswelt, zur Umsetzung der Interoperabilität offene modellbasierte Ansätze anstelle von proprietären Dateiformaten zu verwenden ist nicht neu. Doch erst durch den Aufbau einer operativen Geodateninfrastruktur in einer Europäischen Region (RGDI) nach Rajabifard, Chan, & Williamson (1999) wurde es notwendig, ein verbindliches und herstellerunabhängiges Referenzmodell auf organisatorischer bzw. konzeptueller Ebene der Europäischen Gemeinschaft festzulegen. Mit der Entwicklung von Modellen der International Organization for Standardization (ISO) sowie des ORM- Referenzmodell 1 des Open Geospatial Consortium (OGC) stehen zudem formalisierte Regelungen aus dem Geoinformationssektor zur Verfügung. Dabei sollte mit einem Referenzmodell einer INSPIRE-Geodateninfrastruktur, die Interoperabilität über die Grenzen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gewährleistet werden. Dieses soll auf den bestehenden Standards aus dem Bereich der Geoinformation beruhen. Nur dort, wo aus diesem Bereich keine brauchbaren Vorgaben kommen, sollten spezielle Anwendungen aus für den Bereich der allgemeinen Informationstechnologie z.b. das Simple Object Access Protocol (SOAP) 2 angewendet werden. Es ist hierbei die Aufgabe von Referenzmodellen, die offene Nutzung und Anwendung von Geoinformationen zu verifizieren. Eine konsequente Umsetzung eines standardbasierten Referenzmodells für Geodaten ist im Modell XPlanung für kommunale Bauleitpläne oder dem AFIS-ALKIS-ATKIS-Modell der Vermessungs- und Katasterverwaltung in Deutschland zu finden. Dennoch sind diese Modelle in eine kommunale Geodateninfrastruktur einzubinden, die im Folgenden zum Nachweis der Interoperabilität als Thesen 1-4 definiert werden. 1. Bei Geodatennetzwerken bilden die Geo-Informationssysteme (GIS) die Basis der syntaktischen Interoperabilität. Durch diese wird die Interoperabilität der Daten sichergestellt, beispielsweise durch die Austauschmöglichkeiten von offenen Geodatenformaten (GML, etc.). 2. Auf der semantischen Ebene wird der Austausch über Datenmodelle wie XPlanung oder auch durch die Nutzung von ALKIS sichergestellt. Gleichzeitig gibt es auf der semantischen Ebene Überschneidungen mit INSPIRE-Datenmodellen zu den verschiedenen Datenthemen Annex I bis III der INSPIRE-Richtlinie. Die Prozessmodelle werden durch Verfahren oder zeitlichen Änderungen abgebildet. Beispiele für diese Prozesse sind Bauleitplanverfahren (vom Aufstellungsbeschluss bis zur Rechtskraft) oder Antragsverfahren. 3. Auf der untersten Ebene kann die technische Interoperabilität nachgewiesen werden, die über ein Zugriffsnetzwerk (Intranet, Internet) sowie einer (Server-)Hardware abgebildet wird. 1 http://www.opengeospatial.org/standards/orm 2 http://www.w3.org/tr/soap/ 1
4. Die Punkte der Steuerung bzw. der Implementation der Interoperabilität bilden die Schnittstelle der Daten zu den Bürgern ab. Weitläufig wird dieser Punkt der IT- Governance auch oft als Voraussetzung für E-Government beschrieben. Zusammen mit den Regelungen auf rechtlicher und politischer Ebene bildet dies ein Modell für eine kommunale Geodateninfrastruktur allumfassend ab. In diesem in der Dissertation entwickelten Modell einer Geodateninfrastruktur für Kommunen (das sog. Geo-Government) können alle Ebenen der technischen, syntaktischen, semantischen und organisatorischen Interoperabilität nachgewiesen werden. Es ist kompatibel zu dem Modell nach Wang, Tolk, & Wang (2009), der ISO (International Organziation for Standardization, 2012), dem European Interoperability Framework (European Commission, 2010) sowie Kubicek, Cimander, & Scholl (2011). Letzteres Modell ist wichtig zu berücksichtigen, da die Implementierung im Rahmen der kommunalen E-Government- Architekturen untersucht und deren Kompatibilität mit INSPIRE erreicht werden soll. Dies gilt sowohl für Daten als auch für Metadaten, die INSPIRE-konform bereitzustellen sind. Durch die Anwendung des INSPIRE Generisch, konzeptuellen Framework (Drafting Team "Data Specifications", 2012) auf kommunale Geodateninfrastrukturen, können weitere Thesen nachwiesen werden: 5. Organisatorische Grenzen der semantischen Interoperation: Das Fehlen eines konzeptuellen/ organisatorischen Referenzmodells wirkt sich direkt auf die semantische Interoperabilität aus. Gleichzeitig kann das Fehlen eines semantischen Modelles bei kommunalen Geodaten, die Umsetzung des INSPIRE Generisch, konzeptuellen Framework erschweren. 6. Syntaktische Grenzen der semantischen Interoperation: Die Überführung eines syntaktischen Geodatenformates in eine semantische Information nach INSPIRE- Datenspezifikationen (European Commission, 2014a) ist möglich, wenn ein wohldefiniertes Ausgangsdatenformat auf syntaktischer Ebene existiert. Voraussetzung dabei ist, dass diese Daten mit Geo-Informationssystemen (geokodiert) erstellt worden sind. 7. Die Grenzen des Netzwerkzugangs liegen nicht in der INSPIRE-Interoperabilität, sondern nachweisbar in einer sicherheitsrelevanten Intranet-Internet Abgrenzung beim Datenmanagement in der Verwaltung. 8. Es kann nachgewiesen werden, dass INSPIRE keinen Einfluss auf die kommunale Selbstverwaltung bei der Beschaffung von Geo-Informationssystemen haben muss. Diese sind im Modell in Kubicek, Cimander & Scholl (2011) beschriebene IT- Governance of interoperability durch formale Vorgaben für Register, Codelisten, Vorgaben der Verfügbarkeit oder den Nutzungsbedingungen für Metadaten zu finden. Gleichermaßen bedeutet die Umsetzung von INSPIRE im Rahmen der IT-Steuerung auf kommunaler Ebene einen Aufwand. Dieser wird sich nicht nur im finanziellen, 2
sondern vor allem im personellen Aufwand bei den Kommunen ausdrücken. Trotz knapper werdender kommunaler Ressourcen sollte INSPIRE in der IT-Governance der kommunalen Verwaltung als fester Bestandteil integriert werden. 9. Basierend auf einer Analyse der vorhandenen Geodatensätze bei ausgewählten Kommunen kann nachgewiesen werden, dass Geodaten mit INSPIRE-Relevanz auf der kommunalen Ebene in Rheinland-Pfalz vorhanden sind. Daher besteht die Notwendigkeit, die beschriebene Komponente der Implementation of interoperability für INSPIRE zu realisieren. Hierfür werden in den INSPIRE-Implementation Rules die Rahmenbedingungen definiert, die im Rahmen kommunaler GDI als INSPIRE- Metadaten bzw. Netzdienste, als Such-, Darstellungs- und Downloaddienst, zu realisieren sind. Diese Bereitstellung von Geofachdaten über Dienste sind als Komponente der Implementierung und nicht der Geoinformationssysteme zu bewerten. 10. Gleichermaßen kann erkannt werden, dass im Verwaltungsprozess diese INSPIRE- Dienste auch intern einen großen Nutzen haben können. Der Einfluss von INSPIRE schlägt sich in einem Nutzen wieder, der gewertet werden kann. Ergebnisse der Aufwand-Nutzen Analyse für kommunales E-Government mit INSPIRE zeigen hier nachweisbare Nutzenvorteile bei der Verfügbarkeit von Informationen, der Interoperabilität und bei der Qualität. Durch Transparenz und offener Datenpolitik wird mit INSPIRE für kommunales E-Government ein deutlicher Mehrwert erzielt. Die Untersuchungen dieser Arbeit können die Anwendungsfähigkeit der in der Literatur beschriebenen INSPIRE- Netzdienste wie Darstellungs- und Downloaddienste für umweltrelevante Geodaten der Kommunen im Untersuchungsgebiet bestätigen. Voraussetzung dafür ist ein gemeinsames Fachdatenmodell, wie es XPlanung für die Bauleitplanung darstellt. Zudem kann nachgewiesen werden, wie eine Modelltransformation auf der Ebene der Daten, der Dienste und einer Wissensebene mit Semantik implementiert werden kann. Zu diesem Nachweis der Implementierung der Interoperabilität sind folgende Thesen definiert: 11. Von einer Implementation spricht man, wenn die Datenaustauschbeziehungen als Netzdienste im Konzept der Implementierung berücksichtigt werden. Dieser Begriff eines Netzdienstes (z.b. Darstellungs- und Downloaddienst) erfüllt im INSPIRE- Kontext diese Anforderung, sodass diese für umweltrelevante Geodaten der Kommunen verpflichtend bereitzustellen sind. 12. Geodaten mit Relevanz für INSPIRE sollten nur dort erhoben werden und gepflegt werden, wo dies am effektivsten erfolgen kann. Dieses Prinzip der Subsidiarität kann für kommunale Geodaten nur erreicht werden, wenn eine Trennung der Erhebung in 3
einer Kommune (z.b. der Bauleitpläne) sowie einer Bereitstellung über View- und Downloaddienste mit Metadaten erfolgen kann. 13. Es besteht eine gesetzliche Zuständigkeit bei den Kommunen im Sinne einer öffentlichen Geodaten verarbeitenden Stelle nach Landesgeodateninfrastrukturgesetz. Die Bereitstellungsverpflichtung für INSPIRE-relevante Themen gilt, sobald Geodaten in elektronischer Form vorliegen (am Beispiel Rheinland-Pfalz). 14. Für die Datenerhebung kommunaler Geodaten sind die INSPIRE- Datenspezifikationen durch nationale Codelisten zu konkretisieren, wenn eine nationale Normierung für öffentliche Daten in Deutschland angewendet wird. Diese werden durch Standards für den elektronischen Austausch wie ALKIS oder auch XPlanung erfüllt. 15. Durch Modelltransformation kann eine nach INSPIRE-Datenspezifikation konforme Bereitstellung von umweltrelevanten Geodaten der Kommunen aus semantischer Ebene erreicht werden. Dies kann sowohl auf Datenebene, Serviceebene oder der Wissensebene erfolgen. 16. Durch semantische Technologien und Standards wie ResourceDescriptionFramework (RDF) bzw. der WebOntologyLanguage (OWL) können äquivalente Klassen und Regeln der Transformation zwischen heterogenen Modellen unterstützt werden. 17. Der semantische Zugriff auf INSPIRE-Datenmodelle ist derzeit noch nicht möglich, da Namespace-Festlegungen über eine URN einem semantischen Zugriff entgegenstehen. Die Einschränkungen können durch ein URI-basiertes Schema- Location Repository in der nationalen GDI oder der IT Governance of interoperability im Geo-Government aufgelöst werden. 18. Durch ein SemanticGIS können die Eigenschaften der (E)rfassung, (V)erwaltung, (A)nalyse, (P)räsentation, durch die Komponente (S)emantik ergänzt werden. Damit konnte über eine Implementierung der Interoperabilität der semantische Zugriff auf Daten über Dienste sichergestellt werden. Damit wird mit Semantik auf allen Ebenen ein harmonisierter Datenaustausch von Geodaten mit INSPIRE für Kommunen erreicht werden. Im Ergebnis kann mit dem Entwicklungsansatz der Dissertation zur semantischen und organisatorischen Interoperabilität kommunaler Geodaten im Kontext von INSPIRE ein nachhaltiger Beitrag der Wissenschaft und Forschung zur Interoperabilität in Europa geleistet werden. 4