Konversatorium zum Grundkurs Strafrecht I

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Grundkurs Strafrecht III Herzlich Willkommen Konversatorium zum Grundkurs Strafrecht I Juristin (Univ.) Wissenschaftliche Mitarbeiterin am E-Mail: Barbara.kruell@uni-wuerzburg.de Internet: www.jura.uni-wurzburg.de/lehrstuehle/schuster Büro: Paradeplatz 4 Raum-Nr. 410

Der dreistufige Verbrechensaufbau I. Tatbestand 1. objektiver Tatbestand äußere Begebenheiten tauglicher Täter strafrechtliche relevante Handlung (menschliches, willensgesteuerter Verhalten) Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges Kausalität objektive Zurechnung 2. subjektiver Tatbestand innere Begebenheiten Vorsatz ( 15 StGB) = Der Wille zur Verwirklichung einer Straftat in Kenntnis all seiner objektiven Tatbestandsmerkmale. Drei Formen des Vorsatzes: dolus directus 1. Grades dolus directus 2. Grades dolus eventualis

Der dreistufige Verbrechensaufbau II. Rechtswidrigkeit In der Rechtswidrigkeit wird geprüft, ob etwaige Rechtfertigungsgründe vorliegen Rechtfertigungsgründe sind solche, die in bestimmten Fällen ein eigentlich verbotenes Handeln erlauben Es wäre ungerecht, wenn B sich gegen den Angriff durch A nicht wehren dürfte und diesen dulden müsste. Er darf sich daher gegen den Angriff des A wehren und A dabei auch verletzen. Er macht sich nicht strafbar, weil er gerechtfertigt ist.

Grundkurs Strafrecht III Rechtfertigungsgründe Aufbau Aufbau folgt meist gleichen Strukturen: I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand 2. Subjektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit 1. Rechtfertigungslage (Wann gilt der RF-Grund) 2. Rechtfertigungshandlung (Wie ist er anzuwenden) 3. Rechtfertigungswille (Warum handelte der Täter)

Grundkurs Strafrecht III Rechtfertigungsgründe Problem: fehlender Rechtfertigungswille Grundverständnis: objektiver Tatbestand des Delikts verkörpert das sog. Erfolgsunwert Der subjektive Tatbestand verkörpert dagegen das sog. Handlungsunwert 1. Objektive Tatbestand = sinnlich wahrnehmbare Merkmale, beschreibt Täterkreis, Tatsituation etc. die äußere Welt Sog. Erfolgsunwert 2. Subjektiver Tatbestand = umfasst Motive des Täters, die innere Welt des Täters Sog. Handlungsunwert

Grundkurs Strafrecht III Rechtfertigungsgründe Problem: fehlender Rechtfertigungswille I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand 2. Subjektiver Tatbestand II. Rechtfertigungsgründe 1. Rechtfertigungslage 2. Rechtfertigungshandlung 3. Rechtfertigungswille Erfüllt das sog. Erfolgsunrecht Erfüllt das sog. Handlungsunrecht Tilgen das Erfolgsunrecht Tilgt das Handlungsunrecht

Grundkurs Strafrecht III Rechtfertigungsgründe Problem: fehlender Rechtfertigungswille I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand 2. Subjektiver Tatbestand Erfüllt das sog. Handlungsunrecht II. Rechtfertigungsgründe 1. Rechtfertigungslage 2. Rechtfertigungshandlung 3. Rechtfertigungswille Fehlt dem Täter jetzt der Rechtfertigungswille, so wird zwar das Erfolgsunrecht (obj. Tatbestand) durch die Rechtfertigungslage aufgehoben das Handlungsunrecht (subj.tatbestand) bleibt jedoch Also ist auch nur der subjektive Tatbestand zurechenbar Entspricht der Versuchs-Konstellation! (Sog. Versuchslösung)

Irrtümer Überblick über die wichtigsten Irrtümer Irrtum = Fehlvorstellung von etwas Tatbestandsirrtum 16 I 1 StGB - Error in persona - aberratio ictus - Irrtum über den Kausalverlauf Erlaubnistatbestandsirrtum Verbotsirrtum 17 I StGB

Der Tatbestandsirrtum 16 I S. 1 StGB Abgrenzung error in persona/ aberratio ictus Error in persona A kriegt eine drauf Zielt auf B, trifft auch B B Aberratio ictus A A kriegt eine drauf B

Der Tatbestandsirrtum 16 I S. 1 StGB Irrtum über den Kausalverlauf Irrtum über den Kausalverlauf dann, wenn tatsächlicher Kausalverlauf vom vorgestellten abweicht Täter - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Zielobjekt Abgrenzung unwesentlich und wesentliche Abweichung Def: Wesentlich ist die Abweichung dann, wenn sie sich nicht mehr innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung befindet. Dann Irrtum erheblich! 16 I S.1 StGB Vorsatz entfällt

Irrtümer Der Verbotsirrtum 17 StGB Unrechtsbewusstsein fehlt Täter hat keine Einsicht, Unrecht zu tun bzw. gegen das Recht zu verstoßen Maßgeblich für Strafbarkeit: Vermeidbarkeitskriterium Fälle: Def: unvermeidbar, wenn Täter nach den Umständen und seinen Fähigkeiten keine Möglichkeit hatte, Recht einzusehen bzw. Auskunft zu holen Direkter Verbotsirrtum = Irrtum über Existenz eines Verbotes Erlaubnisirrtum = Irrtum über Existenz eines Rechtfertigungsgrundes, der nicht von der Rechtsordnung anerkannt ist.

Erlaubnistatbestandsirrtum Def: Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Täter irrige Umstände annimmt, die, wenn sie tatsächlich vorlägen, ihn rechtfertigen würden Beispiel: Die ängstliche A joggt abends durch den Wald. Da kommt ihr B entgegen, der irgendwie angsteinflößend wirkt. B läuft auf einmal los direkt in die Richtung der A. Dadurch denkt A, dass B vorhat, ihn auszurauben. Als B kurz vor A ist, haut dieser mit einem harten Schlag dem B ins Gesicht. Die Nase vom B bricht und fängt an zu bluten. B wollte eigentlich ebenfalls nur joggen gehen und lediglich an A vorbei laufen.

Erlaubnistatbestandsirrtum Def: Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Täter irrige Umstände annimmt, die, wenn sie tatsächlich vorlägen, ihn rechtfertigen würden Beispiel: Die ängstliche A joggt abends durch den Wald. Da kommt ihr B entgegen, der irgendwie angsteinflößend wirkt. B läuft auf einmal los direkt in die Richtung der A. Dadurch denkt A, dass B vorhat, ihn auszurauben. Als B kurz vor A ist, haut dieser mit einem harten Schlag dem B ins Gesicht. Die Nase vom B bricht und fängt an zu bluten. B wollte eigentlich ebenfalls nur joggen gehen und lediglich an A vorbei laufen. Wären die Vorstellung des A richtig, so würde 32 StGB greifen. Er wäre also durch die Notwehr gerechtfertigt. Dabei irrt er nicht über die Rechtslage, sondern nur um die tatsächliche Lage vor Ort! => Das ist der sog. Erlaubnistatbestandsirrtum

Erlaubnistatbestandsirrtum Def: Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Täter irrige Umstände annimmt, die, wenn sie tatsächlich vorlägen, ihn rechtfertigen würden Unterschied zum Erlaubnisirrtum 17 I StGB Erlaubnistatbestandsirrtum: Täter irrt über Vorliegen eines Rechtsfertigungsgrundes, den die Rechtsordnung nicht kennt Erlaubnistatbestandsirrtum: Täter irrt über tatsächliche Umstände

Erlaubnistatbestandsirrtum Lösung umstritten strenge Schuldtheorie - 17 I StGB direkt Täte weiß über tatbestandsmäßiges Handeln, insb. über eigentliches Verboten sein der Handlung Kein Unterschied zu Erlaubnisirrtum - Nicht sachgerecht - Täter will sich eigentl. Rechtstreu verhalten - Schussel nicht gleich Täter eingeschränkte Schuldtheorie - 16 I StGB analog Täter handelt an sich rechtstreu, steht demjenigen näher, der im Tatbestandsirrtum handelt Schussel nicht gleich Schurke böswillige Teilnehmer eben so straflos rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie - 16 I StGB entsprechend Tatbestandsvorsatz bleibt bestehen, aber die Vorsatzschuld entfällt Nur die Rechtsfolge des 16 StGB findet Anwendung Schuldvorsatz entfällt

Erlaubnistatbestandsirrtum Lösung umstritten strenge Schuldtheorie - 17 I StGB direkt eingeschränkte Schuldtheorie - 16 I StGB analog rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie - 16 I StGB entsprechend Prüfungsort: Niemals im Vorsatz, da tatsächliche Rechtswidrigkeit noch nicht geklärt Prüfungspunkt in der Schuld (mgl. auch extra Prüfungspunkt nach der Rechtswidrigkeit) Hier dann hypothetische Rechtfertigung nach Vorstellung des Täters prüfen