Ethische Unternehmensverantwortung in der Gesellschaft aus Sicht der Hygiene Fulda, 6. Oktober 2015 Walter Popp 1
Verschiedene Determinanten und Einflüsse in der Hygiene Fachliche Vorgaben Rechtliche Regelungen Rechtsprechung Ökonomie Finanzierbarkeit? Ethik Handlungszwang und Ziele Was machen die anderen?
Verschiedene Determinanten und Einflüsse in der Hygiene Fachliche Vorgaben, z.b. KRINKO-Empfehlungen Fachgesellschaften Rechtliche Regelungen, z.b. IfSG Landeshygiene-Verordnungen Medizinproduktebetreiber-Verordnung
Verschiedene Determinanten und Einflüsse in der Hygiene Fachliche Vorgaben, z.b. KRINKO-Empfehlungen Fachgesellschaften Rechtliche Regelungen, z.b. IfSG Landeshygiene-Verordnungen Medizinproduktebetreiber-Verordnung werden oft nicht beachtet und eingehalten! Meist ohne Konsequenz.
Bericht der Bundesregierung über nosokomiale Infektionen und Erreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen Drucksache 18/3600 18.12.2014 Abfrage des RKI (bezogen auf 2013) 383 Krankenhäuser in NRW 86 % der Krankenhäuser begangen 3 Bußgelder angedroht, 0 verhängt
Aus Minderheitenvotum der Fraktion Die Linke in der Bremischen Bürgerschaft im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Krankenhauskeime
Die Philosophie im Gesundheitswesen ist das Rheinische Grundgesetz: Artikel 1: Et es wie et es. Artikel 2: Et kütt wie et kütt. Artikel 3: Et hätt noch emmer joot jejange. Artikel 7: Wat wells de maache? Artikel 9: Wat soll dä Kwatsch/Käu?
hat sich verschärft. Rechtsprechung
Darlegungs- und Beweislast bei Spritzenabszess nach Infektion durch eine Arzthelferin als Keimträgerin Klage eines Patienten auf Schadensersatz gegen eine orthopädische Praxis nach Spritzenabszess durch Staphylokokken, hervorgerufen durch eine Arzthelferin, die assistierte und an Heuschnupfen litt. Zeitgleich weitere Infektionen bei anderen Patienten. Gesundheitsamt von der Praxis eingeschaltet: Hygieneverhalten nicht in dem erforderlichen Umfang vermittelt und überprüft, Desinfektionsmittel umgefüllt und kontaminiert, Durchstechflaschen mit Injektionssubstanzen wurden mehrere Tage verwendet, Flächendesinfektionsmittel zur Hautdesinfektion eingesetzt, Händedesinfektion vor Aufziehen von Spritzen nicht üblich, Arbeitsflächen nur wöchentlich desinfiziert. BGH, 20.3.2007, AZ: VI ZR 158: Bei der Verwirklichung von Risiken, die nicht vorrangig aus den Eigenheiten des menschlichen Organismus erwachsen, sondern durch den Klinikbetrieb oder die Arztpraxis gesetzt und durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens objektiv voll beherrscht werden können, kommt der Rechtsgedanke des 282 BGB zur Anwendung, wonach die Darlegungs- und Beweislast für Verschuldensfreiheit bei der Behandlungsseite liegt. Hygiene zählt zu den voll beherrschbaren Risiken! Hygienefehler (auch unabhängig vom tatsächlichen Schaden) Beweislastumkehr! 10
BGH, Urteil vom 3.11.1981, VI ZR 119/80 Wird ein Krankenhauspatient an seiner Gesundheit geschädigt, weil die ihm verabreichte Infusionsflüssigkeit bei oder nach ihrer Zubereitung im Krankenhaus unsteril geworden ist, dann muß der Krankenhausträger dartun und beweisen, daß der Fehler nicht auf einem ihm zuzurechnenden Organisationsoder Personalverschulden beruht. Sachverständig beraten stellt das BerGer dazu fest, die Infusionsflüssigkeit dürfe, gerade um eine für den Patienten gefährliche Bildung von Bakterien in ihr zu vermeiden, äußerstenfalls eine knappe Stunde vor der Applikation angesetzt werden 11
Letztlich ökonomische Restriktionen verinnerlicht bei vielen Mitarbeitern und Gutachtern
Endogene Infektion Schicksalhafter Verlauf Andere Ausreden
Ökonomie
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Gewinnstreben und Gesundheit? Es geht durchaus: Labore Niedergelassene Ärzte Fragwürdig: Krankenhaus Entscheidend: Überwachung ÖGD? MDK? Zertifizierung?
DGKH-Forderungen 2015 Auf Basis verschiedener Forderungen wäre folgende Pflegepersonalausstattung notwendig: Intensivstationen mindestens 1 Pflegekraft auf 2 Patienten (in allen Schichten) u.u. 1:1-Betreuung z.b. bei Schwerbrandverletzten, ECMO- Therapie, hoher Anteil Beatmung und Dialyse, zusätzliche Aufgaben wie Reanimationsteam für das Krankenhaus (DIVI-Forderung) Intermediate-Care-Stationen 1 Pflegekraft auf 4 Patienten (BDA) Klinisch-geriatrische Reha-Einrichtungen 1 Pflegekraft auf 1,4-1,8 Patienten (BV Geriatrie) In einem ersten Schritt wäre generell in Deutschland eine Anhebung der Personalzahlen auf den Durchschnitt in Europa sinnvoll, nämlich 1 Pflegekraft versorgt 7 statt 10 Patienten im Tagdienst. Im Nachtdienst mindestens eine examinierte Pflegekraft für maximal 25 Patienten (derzeit häufig bis zu 60 Patienten). Um dies auch umzusetzen, muss eine gesetzliche Vorgabe von Patienten- Personal-Relationen vorhanden sein, da Empfehlungen nicht ausreichend sind.
Forderungen von Verdi an der Charite 2015: Pflege-Patienten-Relation: Intensiv 1 : 2 Überwachung 1 : 4 Normalstation 1 : 5 Nachtdienst immer 2
Ist das alles finanzierbar?
Weitere Beispiele Ewigkeitslasten des Bergbaus: 13 Mrd., Rückstellungen RAG 6 Mrd. (Stand 2006) Atommüll-Endlager: 70 Mrd. für nächste Jahrzehnte, Rückstellungen 40 Mrd. (Stand 2015, einschl. Abriss Kernkraftwerke)) Griechenland: Grexit 80 Mrd. Gesundheitsausgaben: 314 Mrd.
Ethische Anforderungen in den Berufsbildern z.b. Eid des Hippokrates: Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.
Ethische Anforderungen in den Berufsbildern z.b. Florence Nightingale
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Grundrechte Artikel 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar Artikel 2 (1) Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Artikel 3 (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Zwischenfazit: Verschiedene Determinanten und Einflüsse in der Hygiene. Teilweise chaotische Wechselwirkungen. Teilweise beeinflußbar, z.b.: Politik Medien Bürger Handlungszwang und Ziele
400.000 600.000 NI 20 30 % Reduktion möglich 10.000 15.000 Todesfälle
Realistische Abschätzung für Deutschland SepNet: 110.000-154.000 Sepsisfälle pro Jahr, davon 60 % nosokomial erworben. D.h. 62.000 87.000 nosokomiale Sepsis-Fälle pro Jahr. Bei mittlerer Letalität von 40 %: 25.000 35.000 nosokomiale Todesfälle pro Jahr. Nimmt man nur die schweren Sepsisfälle mit 55 % Letalität: 18.000 26.000 nosokomiale Todesfälle pro Jahr.
Folgerungen 400.000 600.000 NI Unterschätzung realistisch 2 bis vielleicht sogar 3 Mal so viele 15.000 Todesfälle Unterschätzung realistisch 30.000 bis 40.000
SSI 18 % Hospital rates varying from 4 to 25 %
Kassendaten (AOK, Barmer GEK) 2008, > 250 AOK-Versichrte operiert
Sepsis: Dramatische Reduktion möglich Pronovost-Studie: 108 Intensivstationen in Michigan, USA (2003-2005) Bundle: Händehygiene Schutzkleidung beim Legen Hautdesinfektion mit Chlorhexidin Kein Femoralkatheter Unnötige Katheter entfernen Pronovost et al: N Engl J Med 2006, 355, 2725
Land Jahr Teilnehmer Reduktion der ZVK-bedingten Sepsisraten um USA, Pennsylvania 2001-2005 69 Intensivstationen 68 % USA, 4 Staaten 2003-2009 24 Krankenhäuser 38 % USA, Rhode Island 2006-2008 23 Intensivstationen Spanien 2008-2010 192 Intensivstationen USA, Michigan 2003-2006 108 Intensivstationen 74 % 50 % SENKUNG auf 0
Reviews zu device-assoziierten Harnwegsinfektionen und Reduktion durch Bundles Harnwegsinfektionen Geeignete Reduktion Meddings et al. 2010 Artikel 14 52 % Meddings et al. 2013 30 53 % Rebmann and Greene 2010 17-69 % Pneumonien Krankenhäuser Reduktion Berenholtz et al. 2011 112 71 % Berenholtz et al. 2013 112 100 % Lambert et al. 2014 525 69 % Resar et al. 2005 35 45 %%
Folgerung Mindestens 50 % der wichtigsten nosokomialen Infektionen können verhindert werden.
Folgerung Mindestens 50 % der wichtigsten nosokomialen Infektionen können verhindert werden. und das wäre genug???
Was machen die anderen?
Das Beispiel Verkehrstote DVR: Bekanntlich gilt ja: Wer das Bestmögliche erreichen will, muss das unmöglich Scheinende fordern. (aus: DVR: Schriftenreihe Verkehrssicherheit 16. Vision Zero. Grundlagen und Strategien)
Maßnahmen 50er Jahre 60er Jahre TÜV Innerorts Limit 50 km/h Fällen von Alleebäumen Verbandkasten Pflicht 70er Jahre 0,8 Promille Mitnahmeverbot von Kindern auf Vordersitzen Antiblockiersystem Anschnallpflicht ABS, ESP (Elektronisches auf Vordersitzen Stabilitätsprogramm), Reifendruckkontrolle, Bremsassistent, Abstandsregelung, Kurvenlicht, Spurassistent, Nachtsichtgerät, Navi-Systeme, Einparkhilfen, Airbag, Kopfstützen auf allen Sitzen. Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Risk and mistake management in air traffic: Nautic decisions must be separated from economic decisions. If salary of pilot depends on economic success of flight company, 10 times more accidents happen. Decide as if your kid is on board! 2 qualified specialists are better than one for security. The 2nd pilot is only for security 4 eye principle
Erfolge sind möglich Medizinprodukte-Betreiber-VO Überwachung z.b. NRW: Übergang der Überwachung auf die Bezirksregierungen Mehr Personal Seitdem regelmässige Begehungen
Erfolge sind möglich Medizinprodukte-Betreiber-VO Überwachung z.b. NRW: Übergang der Überwachung auf die Bezirksregierungen Mehr Personal Seitdem regelmässige Begehungen Neues IfSG 2011 Mehr Hygienepersonal Verantwortung der Geschäftsführungen KRINKO-Empfehlungen verbindlich usw.
Mit der Qualität nehmen auch die Fragen zu Da Vinci Hypothermiegeräte HNO-Behandlungseinheiten Endoskop-Aufbereitung
Fazit Andere sind viel weiter als wir! Vision Zero/Null auch für nosokomiale Infektionen! Erfolge sind möglich und nicht limitiert auf 30 oder x %. Patienten und Medien einbeziehen Politik wird folgen. Ethik wieder als zentrale Maxime etablieren! Neue Wege denken!
Warum nicht im OP?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 65