Sommersemester 2004 Theorie und Politik des Arbeitsmarktes Thema 4 Arbeitslosigkeit Holger Bonin Juli 2004
Warum ist Arbeitslosigkeit ein Problem? Arbeitslosigkeit bewirkt Verlust von Humankapital bei den Betroffenen bewirkt psychische und physische Belastungen bei den Betroffenen bedeutet Verzicht auf Produktion und damit Wohlfahrt verstärkt ökonomische Ungleichheit in der Volkswirtschaft führt zu fiskalischen Kosten: Höhere Ausgaben für Transfers wie Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe, Einnahmeverluste bei Steuern und Sozialabgaben 1
Arbeitslosigkeit in Deutschland 3500 3000 2500 Arbeitslose (in 1000) 2000 1500 1000 500 0 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 Jahr Westdeutschland Ostdeutschland 2
Steigende Beschäftigungsschwelle 12 10 1998 8 1995 Arbeitslosenrate 6 1991 1982 4 1979 1975 2 1960 1967 0 2 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Sozialproduktslücke 3
Wachsende Dauerarbeitslosigkeit 25 20 Zugänge in Arbeitslosigkeit (% der Erwerbstätigen) 15 10 1980 1990 2000 5 0 10 15 20 25 30 35 40 Dauer der Arbeitslosigkeit (Wochen) Westdeutschland 1980-2001 4
Struktur der Arbeitslosigkeit Ohne Ausbildung Durchschnitt Ostdeutschland Lehr-/Fachschulabschluss Hochschul- /Fachholschulabschluss Ohne Ausbildung Durchschnitt Westdeutschland Lehr-/Fachschulabschluss Hochschul- /Fachholschulabschluss 0 10 20 30 40 50 60 5
Arbeitslosigkeit in Europa 12 10 Arbeitslosenrate (%) 8 6 4 2 0 NL USA IRL GB SWE D EU 15 F I 2000 2001 2002 2003 6
Gliederung 1. Motivation 2. Messung und Typisierung der Arbeitslosigkeit 3. Lohnkosteninduzierte Arbeitslosigkeit 3.1. Effizienzlohn-Theorie 3.2. Insider-Outsider-Theorie 4. Mismatch-Arbeitslosigkeit 5. Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarktinstitutionen 6. Aktive Arbeitsmarktpolitik als Instrument gegen Arbeitslosigkeit? 7
Ökonomische Definition 2. Messung der Arbeitslosigkeit Personen, die nicht beschäftigt sind und zum herrschenden Lohnniveau arbeiten würden, sowie aktiv nach Arbeit suchen Statistische Definitionen ILO: Personen ohne bezahlte Tätigkeit, die bereit sind innerhalb 2 Wochen Tätigkeit anzunehmen und/oder in letzten 4 Wochen aktiv gesucht haben Bundesagentur für Arbeit (BA) Erwerbslose Personen, die eine zumutbare Beschäftigung annehmen würden und zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen ohne Personen älter als 65 Jahre auf Suche nach Beschäftigung von weniger als drei Monaten auf Suche nach Beschäftigung unter 18 Wochenstunden die nicht beim Arbeitsamt registriert sind 8
Messung der Arbeitslosigkeit Amtlich registrierte Arbeitslosenzahl erfasst zu viele Arbeitslose wegen Personen, die nicht aktiv Arbeit suchen, aber gemeldet sind, um Ansprüche an die BA geltend zu machen geringfügig beschäftigt sind und sich arbeitslos melden Verdeckte Arbeitslosigkeit Personen, die sich in aktiven oder passiven Arbeitsmarktprogrammen befinden und ohne die Programmteilnahme arbeitslos wären. Umfasst nach Definition des Sachverständigenrates u.a. folgende Gruppen: Anzahl Empfänger von Kurzarbeitergeld ø Arbeitsausfall Teilnehmer an ABM und beruflicher Weiterbildung (Vollzeit) Personen, die Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit erhalten oder wegen Verminderung der Leistungsfähigkeit ab 58. Lebensjahr nicht mehr zur Vermittlung zur Verfügung stehen 9
Arbeitslosenquoten Enge Definition: Bundesagentur u BA = Arbeitslose Arbeitslose + Abhängige zivile Beschäftigte Weite Definition: OECD u OECD = Arbeitslose Erwerbspersonen Erwerbpersonen = Arbeitslose + Erwerbstätige Erwerbstätige = Abhängige zivile Beschäftigte + Selbständige + Mithelfende Familienangehörige + Beamte + Militärisches Personal u OECD < u BA 10
Typisierunge der Arbeitslosigkeit Gesamtwirtschaftliches Teilwirtschaftliches Dauer Phänomen Phänomen kurzfristig Sockel- friktionell saisonal arbeitslosigkeit mittelfristig konjunkturelle (keynesianische) lohnkosteninduzierte langfristig klassische strukturelle gleichgewichtige 11
Saisonale Arbeitslosigkeit Sockelarbeitslosigkeit Folge jahreszeitlicher Produktionsschwankungen (Landwirtschaft, Bauwirtschaft) und Nachfrageschwankungen (Tourismus) kaum zu bekämpfen Friktionelle Arbeitslosigkeit Folge unvollständiger Information am Arbeitsmarkt, die Vermittlung von Arbeitsplätzen und Arbeitskräften verzögert, z.b. durch Zeit beanspruchende Sammlung von Informationen über geeignete Arbeitsstellen ( Suchtheorie) bwz. geeignete Bewerber Zufallsschwankungen der Auslastung einzelner Firmen, so dass es innerhalb von Sektorn gleichzeitig zu Einstellungen und Entlassungen kommt Bekämpfung durch Verbesserung der Vermittlungseffizienz ( Reform aktiver/passiver Arbeitsmarktpolitik?) 12
Konjunkturelle Arbeitslosigkeit = Keynesianische Arbeitslosigkeit: Folge konkunktureller Schwankungen während Phasen mit nur teilweiser Auslastung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzials Bekämpfung durch expansive Fiskalpolitik? (= Steigerung der öffentlichen Ausgaben, Steuersenkungen, temporäre Budgetdefizite) Probleme time lags (Diagnose, Implementation, Wirkung) crowding out bei schuldenfinanzierter Fiskalpolitik empirisch: geringe Multiplikatoreffekte, Mitnahmeeffekte durch expansive Geldpolitik? (= Zinssenkung) Probleme geringe Zinselastizität der Investitionsnachfrage sehr langer Wirkungslag 13
3. Lohnkostenbedingte Arbeitslosigkeit Das optimale (oder gleichgewichtige) Lohnniveau führt nicht zur Räumung des Arbeitsmarkts. Es handelt sich also nicht um ein Gleichgewicht bei vollkommener Konkurrenz 1. Effizienzlöhne: Shirking(=Drückeberger)-Ansatz: Arbeitskräfte bestimmen ihren Arbeitseinsatz (effort) selbst Gewinn des Arbeitgebers ( ) (+) U = U( Arbeitseinsatz, Lohn) Π(w, L) = f(e(w)l) wl Bei unvollständiger Information des Arbeitgebers über e Principal-Agent-Problem Löhne als Instrument, um Leistungsanreize zu setzen Optimaler Lohn minimiert Lohnkosten pro Effizienzeinheit Arbeit 14
3.1 Effizienzlohntheorien Implikationen: Bei markträumendem Lohn Arbeiter die beim shirking erwischt werden, würden sofort neue Beschäftigung finden alle Beschäftigten bringen geringst mögliche Leistung Bei nicht markträumendem Lohn: Leistungssteigerung durch drohenden Einkommenverslust bei Arbeitslosigkeit gleichgewichtige, unfreiwillige Arbeitslosigkeit Selbst Arbeitslose, die Effizienzlohn der Beschäftigten unterbieten, finden keinen Arbeitsplatz, denn Löhne unterhalb des Effizienzlohns verringern Unternehmensgewinn 15
Effizienzlohntheorien Testbare Hypothesen: Effizienzlöhne relevant für Arbeitsplätze, a) bei denen Arbeitsleistung schwer kontrollierbar, b) shirking besonders hohe Kosten nach sich zieht, d.h. insbesondere in Firmen mit kapitalintensiver Produktion Alternative Begründungen von Effizienzlöhnen: 1. Turnover-Ansatz Begrenzung der Fluktuationsrate, weil Einstellungen Kosten verursachen 2. Adverse Selektion-Ansatz Überwindung der Informationsasymmetrie hinsichtlich unbeobachteter Talente der Arbeitnehmer (Idee: Reservationslohn ist positive Funktion der Talente) 3. Gift Exchange-Ansatz Herstellung kooperativer Atmosphäre zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Herstellung fairer Arbeitsbedingungen Hinweis: Effizienzlohn unterscheidet sich von Senioritätsentlohnung = back loading der Löhne als Instrument zur Bindung an den Betrieb Einstiegslöhne liegen unterhalb der Produktivität (=durchschnittlicher Marktlohn), bei langer Beschäftigung oberhalb der Produktivität 16
Die Lohnkurve Effizienzlohnmodelle implizieren, dass Leistung der Beschäftigten mit dem Niveau der Arbeitslosigkeit und dem Effizienzlohn steigt Bei negativem Nachfrageschock (=Anstieg der Arbeitslosigkeit) kann Lohn sinken, ohne dass Arbeitseinsatz sinkt Lohnkurve (wage curve) - Blanchflower/Oswald (1994) Lohn Arbeitslosigkeit 17
3.2 Insider-Outsider-Theorie Lindbeck/Snower 1989: Arbeitnehmer zerfallen in drei Gruppen 1. Insider Beschäftigte, die schon eingearbeitet sind 2. Entrants Beschäftigte, die sich noch in Einarbeitung befinden 3. Outsider Arbeitslose Zwei Prozesse führen zu persistenter Arbeitslosigkeit 1. Insidereffekt Insider sind nur gegen Kosten durch Entrants zu ersetzen Insider besitzen Verhandlungmacht gegenüber Arbeitgebern. Sie haben Interesse, eigene Beschäftigung bei hohem Lohn zu sichern kein Interesse, Beschäftigung von Entrants zu sichern oder dass Arbeitslose neu beschäftigt werden bei negativem Nachfrageschock Bereitschaft der Insider zu Lohneinbußen, um Beschäftigung zu sichern, bei positivem Nachfrageschock Lohnsetzung zur Abwehr von Outsidern 18
2. Outsidereffekt: Insider-Outsider-Theorie Personen die arbeitslos geworden sind, verlieren bei andauernder Arbeitslosigkeit Humankapital Anschluss an aktuelle Produktionstechniken Motivation und für Produktivität relevante Eigenschaften (Sorgfalt, Pünktlichkeit) Outsider sind unvollständige Konkurrenz für die eingearbeiteten, produktiveren Insider Fehlender Wettbewerb zwischen Insidern und Outsidern führt insbesondere bei hoher Langzeitarbeitslosigkeit nicht zu markträumender Lohnsenkung 19
Ursachen der Insider-Macht Insidermacht entsteht durch Kostenfaktoren, die teilweise von Insidern beeinflussbar sind: Kosten der Personalfluktuation Einstellungs-/Entlassungskosten Kosten durch Verweigerung der Kooperation mit Entrants Kosten durch Demotivation Fluktuation erhöht Wahrscheinlichkeit des Arbeitsplatzverlusts und damit Wahrscheinlichkeit, für gute Leistung in Gegenwart nicht belohnt zu werden Grundmodell: max Π( L I, L E ) = f(l I + L E ) w I L I w E L e C I ( L I ) C E (L E ) L I,L E mit L I, L E Insider, Entrants L I Veränderung der Beschäftigung von Insidern f( ) Produktionsfunktion C( ) i i = E, I Anpassungskosten bei Insidern und Entrants w I ( L I = 0) = f ( L I = 0) w E + C E 20
Insider-Outsider-Modell: Lohnsetzungsverhalten Negativer Produktivitätsschock f ( ) Insider können L I = 0 erreichen, indem w I Falls w I = 0, verlieren jüngste Insider ihre Arbeit L I < 0 Nachfolgender Aufschwung Rückkehr zur alten Grenzproduktskurve Rückkehr zum Lohn vor Rezession, so dass L I = 0 Falls Insider in Rezession arbeitslos wurden, könnten verbliebene Insider auf Lohnsteigerung verzichten, damit altes Beschäftigungsniveau wieder erreicht wird Szenario bei kurzfristigen Schocks Falls in Rezession arbeitslos gewordene Insider als Outsider betrachtet werden, können Löhne erreicht werden, die oberhalb des früheren Niveaus liegen L I, d.h. persistente Arbeitslosigkeit 21
Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen Um persistente Arbeitslosigkeit zu vermeiden, müsste Insider-Macht begrenzt werden. Mögliche Ansätze: Expansive Fiskal- oder Geldpolitik gegen dauerhafte Schocks? Verringerung des Kündigungsschutzes? Koppelung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge an Höhe der Arbeitslosigkeit Verringerung der Markteintrittsbarrieren für neue Firmen (=Arbeitsnachfrager) Maßnahmen zur Verbesserung bzw. zum Erhalt der Produktivität von Outsidern: Fortbildung und Umschulung 22
Strukturelle Arbeitslosigkeit 4. Mismatch-Arbeitslosigkeit Im Gefolge des wirtschaftlichen Wachstumsprozesses auftretende Form der Arbeitslosigkeit, die Beschäftigte derjenigen Branchen trifft, die an wirtschaftlicher Bedeutung verlieren, neue, arbeitssparende Techniken einführen oder längerfristige Anpassungsschwierigkeiten erleiden. (Gablers Wirtschaftslexikon) qualitative Inkongruenz von Arbeitsangebot und -nachfrage Strukturelle Arbeitslosigkeit ist durch Mismatch bedingt: qualifikationsbedingter Mismatch Mismatch von Lohnansprüchen und Lohnangeboten regionaler Mismatch Formen der durch Anpassungsprobleme bedingten Arbeitslosigkeit friktionelle und strukturelle Arbeitslosigkeit überlappen sich Hiervon leichter abzugrenzen ist gesamtwirtschaftlich oder konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit 23
Mismatch-Arbeitslosigkeit Mismatch-Arbeitslosigkeit hat dauerhaft Bestand nur bei inflexiblen Löhnen hohen Kosten beruflicher oder räumlicher Mobilität Ursachen struktureller Arbeitslosigkeit können auch institutionelle Bedingungen sein, die Mobilität und Lohnflexibilität verhindern: Sozialtransfers, gesetzliche oder tarifliche Mindestlöhne zu niedriger Rate bei Schaffung neuer Stellen führen: Kündigungsschutz, Bürokratie OECD-Definiton für strukturelle Arbeitslosigkeit: Arbeitslosigkeit, die auch in einem wirtschaftlichen Aufschwung nicht abgebaut wird und durch gesamtwirtschaftliche Politiken über die Gesamtheit des konjunkturellen Zyklus nicht beeinflusst werden kann 24
NAIRU Empirisches Maß für strukturelle Arbeitslosigkeit: Inflationsstabile Arbeitslosenquote Non Accelerating Inflation Rate of Unemployment (NAIRU) Intuitive Wirkungskette: Konjunktureller Aufschwung Produktion < reale Löhne und Gewinne Lohn-Preis-Spirale Disziplinierung der Akteure durch Arbeitslosigkeit NAIRU bringt Ansprüche an Produktion in Übereinstimmung NAIRU Konjunkturerholung baut Arbeitslosigkeit nicht ab; Arbeitsmarkt ist trotz hoher Arbeitslosigkeit eng, so dass Nachfrageüberhang Inflationstendenz erzeugt statt Mehrangebot durch Einstellungen 25
Arbeitslosigkeit und NAIRU in Deutschland 3500 10 3000 2500 8 1000 Arbeitslose 2000 1500 6 4 NAIRU (%) 1000 500 2 0 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 0 Arbeitslose (Westdeutschland) NAIRU 26
Mismatch und Dynamik der Arbeitslosigkeit Strukturelle Probleme des Arbeitsmarktes zeigen sich an langsamen Anpassungsprozessen am Arbeitsmarkt Aber: Bestandsmaße wie die Arbeitslosenquote zeigen nicht die Dynamik des Arbeitsmarktes Durchschnittliche jährliche Arbeitslosenrate von 10% kann dadurch zustandekommen, dass 10% der Erwerbspersonen am Anfang des Jahres arbeitslos werden und genau ein Jahr arbeitslos sind, oder dass 40% der Erwerbspersonen im Laufe des Jahres arbeitslos werden und genau drei Monate arbeitslos sind U t = Zugänge in AL in Periode t ødauer der AL (in Zeiteinheit t) Betrachtung von Stromgrößen: Arbeitsplätze oder Arbeiter 27
1. Arbeitsplätze Job Creation and Job Destruction Job Destruction (JD t ) vernichtet werden Job Creation (JC t ) geschaffen werden Zahl der Arbeitsplätze, die in Periode t V n = JC t JD t U t = U t U t 1 = JD t JC t mit V n Beschäftigungszuwachs in Periode t Hinweis: Aussage über U t gilt nur bei konstanter Partizipationsrate! Offensichtlich gibt keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Veränderung des Beschäftigungsniveaus bzw. der Arbeitslosenzahl U t = c JD t JC t = c [JD t + γ] [JC t + γ] = c γ U t = 0 JD t JC t = 0 γ[jd t JC t ] = 0 γ 28
Reallokationraten Reallokationsrate (job reallocation rate) R t = JC t + JD t = s R st R st = JC st + JD st s Sektor-Indikator Intersektorale Reallokation R E = s V ns V n Intrasektorale Reallokation R I = s R s V ns Konjunkturverlauf Job Destruction Job Creation Job Reallocation anti-zyklisch pro-zyklisch USA anti-zyklisch OECD häufig relativ konstant 29
Arbeitsplatz-Reallokation im internationalen Vergleich 30 25 20 Rate (%) 15 10 5 0 F (84-91) D (83-90) NL (84-91) GB (85-91) USA (84-91) Job Creation Job Destruction Job Reallocation 30
Arbeitsplatz-Reallokation zwischen Sektoren Land Zahl der Sektoren R E R E +R I Deutschland 24 0.03 Italien 28 0.02 Schweden 28 0.03 Frankreich 600 0.17 Vereinigte Staaten 980 0.14 Intersektorale Reallokation von Arbeitsplätzen ist unbedeutend im Verhältnis zur intrasektoralen Reallokation, selbst wenn Sektoren fein definiert sind 31
2. Arbeitnehmer Reallokation von Arbeitnehmern Ströme von Arbeitsplätzen und Arbeitnehmern unterscheiden sich, weil es Rotation auf dem gleichen Arbeitsplatz gibt Reallokation von Arbeitsplätzen geringer als von Arbeitnehmern Messung Zugänge und Abgänge aus Arbeitslosigkeit bzw. Zu- und Abgänge aus Beschäftigung in kurzen Perioden (z.b. Monate) Abgang aus Beschäftigung Trennung vom Arbeitsplatz (separation) a) freiwillige Kündigung (quit) b) Entlassung (lay-off) a) Arbeitslosigkeit b) Rückzug vom Arbeitsmarkt c) Aufnahme einer anderen Beschäftigung Abgang aus Arbeitslosigkeit a) Einstellung b) Rückzug vom Arbeitsmarkt Zugänge verhalten sich spiegelbildlich 32
Arbeitskräfte-Reallokation vs. Arbeitsplatz-Reallokation 35 30 25 Rate (%) 20 15 10 5 0 F D GB USA Job Creation Job Destruction Beschäftigungszugang Beschäftigungsabgang Arbeitskräfteströme: Zahl der Zugänge und Abgänge in Beschäftigung relativ zum durchschnittlichen Bestand an Arbeitsplätzen 33
Abgänge aus Beschäftigung vs. betriebsbedingte Kündigungen 30 25 Rate (%) 20 15 Deutschland Nur Freisetzungen durch Betriebsschließung! 10 5 0 D GB USA Abgangsrate aus Beschäftigung Freisetzungsrate (displacement rate) 34
Arbeitnehmer-Reallokation im Konjunkturverlauf Zugänge in Beschäftigung pro-zyklisch Abgänge aus Beschäftigung pro-zyklisch (!) Da Ströme zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit anti-zyklisch verlaufen, heißt das, dass Ströme zwischen Arbeitsplätzen pro-zyklisch verlaufen Zugänge in Arbeitslosigkeit anti-zyklisch Abgänge aus Arbeitslosigkeit anti-zyklisch (!) Da die Abgänge aus Arbeitslosigkeit anti-zyklisch verlaufen, obwohl die Zugänge in Beschäftigung pro-zyklisch verlaufen, heißt das, dass die pro-zyklische Bewegung der Ströme zwischen Arbeitsplätzen stärker ist Mit anderen Worten: In einer Rezession nehmen die Abgänge aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung zu, obwohl die Zahl der Einstellungen abnimmt, weil die Zahl der Wechsel aus Beschäftigung in Beschäftigung stärker zurückgeht 35
Die Beveridge-Kurve Die Beveridge-Kurve vergleicht die Arbeitslosenrate u t mit der Rate der offenen Stellen v t (vacancy rate) Idee: Über den Konjunkturzyklus bewegt sich die das ökonomische Gleichgewicht repräsentierende Kombination (u t, v t ) entlang der Beveridge- Kurve. Das ökonomische Gleichgewicht ist dadurch gekennzeichnet, dass Zu- und Abgang aus Arbeitslosigkeit, sowie Zu- und Abgang von offenen Stellen gleich groß sind Begründung der Beveridge-Kurve: regionale und berufliche Mobilitätskosten, Informationsdefizite Lage der Beveridge-Kurve zum Ursprung charakterisiert Fähigkeit des Arbeitsmarktes zur Reallokation von Arbeitnehmern Je näher Beveridge-Kurve am Ursprung, desto effizienter arbeitet der Arbeitsmarkt: Arbeitslosigkeit ist bei gleicher Zahl von offenen Stellen niedriger 36
Beveridge-Kurve v 45 -Linie Boom Matching-Effizienz.. Rezession u 37
Beveridge-Kurve Wirtschaftspolitische Implikationen Ist die Arbeitslosigkeit hoch,...... weil sich die Ökonomie unterhalb der 45 -Linie befindet, liegt ein Bestandsungleichgewicht am Arbeitsmarkt vor Beschäftigungspolitik zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage... obwohl sich die Beveridge-Kurve auf der 45 -Linie befindet, diese aber bei hoher Arbeitslosigkeit schneidet, ist das Arbeitslosigkeitsproblem ein Mismatch-Problem Arbeitsmarktpolitik, insbesondere aktive und passive Arbeitsmarktpolitik, zur Verbesserung der Vermittlungseffizienz 38
Empirische Beveridge-Kurve für Deutschland 3.5 3 2.5 1960 Vakanzquote 2 1.5 1980 2000 1 0.5 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Arbeitslosenrate 39
Neoklassischer Arbeitsmarkt mit Reallokation Kann das neoklassische Modell des Arbeitsmarkts makroökonomische Reallokationsströme erklären? Neoklassisches Wettbewerbsmodell: Agenten beider Marktseiten haben keine Preissetzungsmacht Löhne führen zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage Einführung von Friktionen durch Reallokationskosten Annahmen A1. große Zahl (N) von Erwerbspersonen A2. Reservationslöhne z mit Verteilungsfunktion H( ) A3. Produktionstechnologie f(l) L = y A4. Kosten der Beschäftigtenanpassung C = C( L) mit C > 0, C > 0 40
Neoklassischer Arbeitsmarkt mit Reallokation Arbeitsangebot L s = NH(w) mit L s w > 0 Arbeitsnachfrage max L Π = Ly [wl + C(qL)] q job destruction rate y = w + qc (ql d ) Ld w < 0 Arbeitsmarktgleichgewicht L s = L d w y = w + qc [qnh(w )] Dieses Arbeitsmarktgleichgewicht ist effizient. Es gibt keine Arbeitslosigkeit, nicht beschäftigte Individuen ziehen Nichtpartizipation vor. 41
Neoklassischer Arbeitsmarkt mit Reallokation w Angebot (inelastisch) y q C( ) Nachfrage L 42