Das TTIP-Freihandelsabkommen



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Transkript:

Das TTIP-Freihandelsabkommen - Arbeits- und Sozialrechtsinfo, Stand 07/2014 Eine kritische Bewertung aus Arbeitnehmersicht Mit TTIP wird nicht nur ein klassisches Freihandelsabkommen verhandelt, sondern die generellen Verfahrensregeln unserer demokratischen Systeme stehen auf dem Spiel. Es geht hier nicht um einen Vertrag, den Staaten miteinander abschließen wollen, oder den die USA der EU aufdrücken wollen. Es geht unserer Ansicht nach um einen Vertrag, den das internationale Kapital, also transnationale Konzerne und deren Lobbygruppen, auf Kosten der staatlichen Handlungsfähigkeit durchsetzen wollen. Um Vorteile, die ein Handelsabkommen durch gegenseitige Anerkennung einzelner technischer Standards, z.b. für kleine und mittlere Unternehmen bringen könnte, zu erreichen, ist ein solch umfassendes Abkommen wie TTIP nicht nötig. Diesen Preis müssten die Politik und damit am Ende wir als Bürger einer demokratischen Staatengemeinschaft nicht zahlen. Kernforderungen der Arbeitskammer Der Verhandlungsprozess muss transparent und nachvollziehbar werden. Das Europaparlament muss konkrete Möglichkeiten zur Einwirkung auf die Verhandlungsergebnisse (auch im Einzelnen) haben. TTIP darf keine Gefahren für Arbeits-, Umwelt-, Sozial oder Verbraucherschutz-Standards mit sich bringen. Der zunehmenden Dominanz des Marktes gegenüber gesamtgesellschaftlichen Interessen muss Einhalt geboten werden. Demokratische Verfahren dürfen nicht umgangen werden und staatliche Handlungsspielräume müssen erhalten bleiben. 1

Das bedeutet: Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen aus dem Abkommen herausgenommen werden. Auch für das öffentliche Beschaffungswesen dürfen keine Regelungen erfolgen, die zu weiterer Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen führen. Die AK lehnt die Einsetzung eines Regulierungsrates, der Konzerne und US-Behörden zu Co-Gesetzgebern der EU machen würde, ab. Die AK lehnt außerdem Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren im TTIP ab. Die Rechtsordnungen beider Wirtschaftsräume bieten ausreichenden Schutz für Investoren. Ein Freihandelsabkommen mit den USA muss dazu dienen, kleine und mittlere Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu stärken und darf nicht dazu missbraucht werden, die Macht multinationaler Großkonzerne weiter auszubauen. Grundsätzlich gilt: Arbeitnehmerrechte müssen geschützt werden; sie müssen auch zukünftig im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterentwickelt werden können: Eine Voraussetzung für ein Freihandelsabkommen muss die vollständige Ratifizierung aller ILO-Sozialstandards inklusive durchsetzbarer Regeln zur Umsetzung in der EU wie in den USA sein. Mitbestimmungs- und Arbeitnehmerrechte in transatlantischen Unternehmen müssen auf dem höchsten Standard gesichert werden. Wenn Beschäftigte zur Arbeit in die USA oder nach Europa entsandt werden, dann muss das Ziellandprinzip gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Wenn diese Mindestanforderungen an ein transatlantisches Freihandelsabkommen nicht erfüllt werden, dann bleibt nur die Ablehnung. Wichtig ist es, ökonomische und demokratische Alternativen im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung und Handelspolitik zu entwickeln, die nicht versuchen, Wirtschaftsräume und Standorte gegeneinander auszuspielen. TTIP Das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA 1. Was ist TTIP und welche grundsätzlichen Ziele werden damit verfolgt? TTIP diese Abkürzung steht für die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (englisch: Trans-Atlantic Trade and Investment Partnership) zwischen den USA und der EU. Es geht also um ein Abkommen zur Erleichterung des Handels zwischen diesen beiden Wirtschaftsräumen und zur Förderung von Investitionen. Ein zentraler Aspekt dabei ist der Abbau von Zöllen. Da diese aber bereits sehr niedrig sind und den Handel folglich kaum beeinträchtigen, versprechen sich die Verhandlungspartner größere Effekte durch die Beseitigung von sogenannten nicht-tarifären Handelshemmnissen wie unnötige Regulierungen oder bürokratische Hindernisse. Auch unterschiedliche Gesundheits-, Umwelt-, Arbeits und Sozialstandards können von Unternehmen als Handelshemmnis betrachtet und damit als harmonisierungsbedürftig angesehen werden. 2

Machen Lobbyisten zukünftig Gesetze? Um solche Handelshindernisse dauerhaft zu beseitigen, sollen außerdem die europäischen und amerikanischen Regulierungsbehörden in Zukunft bei der Abfassung neuer Rechtsvorschriften eng zusammenarbeiten. Vor allem in dieser Hinsicht geht TTIP weit über ein typisches Freihandelsabkommen hinaus, da auch Einfluss auf zukünftige Möglichkeiten zur Regulierung genommen wird. Einem durchgesickerten Verhandlungsdokument ist zu entnehmen, dass ein Regulierungsrat eingesetzt werden könnte, in dem Lobbyisten gemeinsam mit EU- und US-Behörden Regulierungsmaßnahmen entwerfen oder über deren Gleichwertigkeit entscheiden. Bevor die EU-Kommission dem Parlament also neue Vorschläge übermittelt, sind diese dann bereits mit der US-Regierung und Lobbyisten abgestimmt. Diese werden so zu Co-Gesetzgebern in der EU. Wie ist der Verhandlungsprozess gestaltet? Besonders problematisch ist, dass die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, zivilgesellschaftlicher Akteure und sogar unter mangelhafter Mitwirkung der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments stattfinden. Selbst das Europaparlament wird lediglich über den Stand der Verhandlungen in Kenntnis gesetzt, hat aber keine Möglichkeiten zur Einwirkung auf die Verhandlungen. Von einer echten Beteiligung kann also keine Rede sein. Außerdem besteht für das Europaparlament am Ende nur noch die Möglichkeit, das Abkommen als Ganzes anzunehmen oder abzulehnen. Änderungen an einzelnen Teilbereichen oder Formulierungen werden nicht mehr möglich sein. Es ist davon auszugehen, dass der Druck zur Zustimmung zu einem über mehrere Jahre ausgehandelten Abkommen sehr hoch sein wird und Gefahren dann einfach in Kauf genommen werden. Wie kam es zur Aufnahme der Verhandlungen und wer verhandelt das Abkommen in wessen Auftrag? Im November 2011 wurde auf einem EU-USA-Gipfeltreffen eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Möglichkeiten für intensivere Wirtschaftsbeziehungen zwischen EU und USA ausloten sollte. Parallel zur Arbeit dieses Gremiums führte die EU-Kommission Beratungstreffen durch, die fast ausschließlich mit Industrievertretern stattfanden: Von allen Treffen, die die EU-Kommission zur Vorbereitung der Verhandlungen zwischen Anfang 2012 und Frühjahr 2013 durchführte, waren über 90 Prozent Treffen mit Konzernen oder deren Lobbyverbänden. Treffen mit Gewerkschaften und Verbraucherorganisationen gab es hingegen nur eine Handvoll. Nachdem sich die Arbeitsgruppe im Februar 2013 für die Aufnahme von weitreichenden Verhandlungen ausgesprochen hatte, forderte das Europäische Parlament mit der Mehrheit der Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialisten & Demokraten (S&D), der Liberalen (ALDE) und der konservativen EU-Kritischen Fraktion (ECR) den Europäischen Rat dazu auf, der Kommission einen Verhandlungsauftrag für TTIP zu erteilen. Lediglich Linke und Grüne stimmten gegen den sehr weitgehenden und unkritischen Auftrag. Im Frühjahr 2013 erteilte der Europäische Rat dann der Kommission den Auftrag, mit den USA Verhandlungen über TTIP aufzunehmen. Hauptverantwortlich für die Verhandlungen über das Abkommen ist auf Seiten der EU nun die Generaldirektion Handel der EU-Kommission. Personell vertreten wird diese durch den EU-Handelskommissar (aktuell: Karel de Gucht). Für die USA führt der US- Handelsbeauftragte (Michael Froman) die Verhandlungen. Die Richtlinien, an die die Generaldirektion Handel sich bei den Verhandlungen halten muss, wurden von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer im Europäischen Rat festgelegt. Noch immer ist nicht einmal dieser Auftrag 3

mit den Verhandlungszielen offiziell veröffentlicht. Dementsprechend ist die Öffentlichkeit nur ungenau darüber informiert, welche Zielsetzungen die EU bei den Verhandlungen verfolgt. Nachdem die Kritik an diesem vollkommen intransparenten Prozess immer lauter wurde, hat die Kommission versucht, den Eindruck von Geheimverhandlungen abzuschwächen, indem sie ein Beratungsgremium einberufen hat. So soll das Gefühl vermittelt werden, dass auch andere Interessenvertreter (wie Gewerkschaften) am Prozess beteiligt werden. In diesem Komitee sitzen Repräsentanten aus ganz unterschiedlichen Bereichen, allerdings scheint die Gruppe nach eigenen Angaben von Mitgliedern uninformiert und machtlos zu sein: Die Gruppe erhält keine Informationen aus erster Hand, insbesondere erhält sie keinen Zugang zu Verhandlungsdokumenten und die Mitglieder sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Außerdem veröffentlicht die Kommission nun verschiedene Dokumente auf einer Website, um den Prozess transparent aussehen zu lassen. Die wirklich relevanten Verhandlungsdokumente sind dort allerdings nicht zu finden. 2. Wirtschaftliche Aspekte Das Versprechen: Wachstum und Arbeitsplätze Die Verhandlungspartner von TTIP versprechen zusätzliches Wachstum und Beschäftigung. Dazu veröffentlichen Institutionen, die man zu den Befürwortern der TTIP zählen muss, fleißig Studien, die oft eine rosige Zukunft mit TTIP in Aussicht stellen. Obwohl in diesen Studien mögliche soziale Kosten wie Arbeitslosigkeit und Steuerverluste, die Senkung von Verbraucherschutz- und Umweltstandards oder ein Rückgang des Handels innerhalb der EU sogar vernachlässigt werden, sind die errechneten positiven Effekte auf Wachstum und Beschäftigung äußerst gering. Hinzu kommt die verschärfte Konkurrenz um Standortvorteile, die zu Arbeitsplatzverlusten und einem steigenden Druck auf die Arbeitsbedingungen führt. Eine im Auftrag der EU-Kommission erstellte Studie basiert auf einem sehr optimistischen Szenario und kommt dennoch nur auf ein Wachstumsplus von durchschnittlich 0,05 Prozentpunkten pro Jahr. Für die Beschäftigungswirkung werden lediglich zwischen 2.000 und 13.000 zusätzliche Arbeitsplätze pro Jahr in ganz Deutschland geschätzt. Unter Druck: Dienstleistungen, Daseinsvorsorge und öffentliches Beschaffungswesen Gleichberechtigter Marktzugang für alle, übrigens auch im öffentlichen Beschaffungswesen, das bedeutet einen enormen Liberalisierungsdruck. Es ist beispielsweise fraglich, ob im Zuge der Straffung der Verfahren Regelungen wie das saarländische Tariftreuegesetz bei der öffentlichen Auftragsvergabe noch angewendet werden dürfen. Zumindest die Weiterentwicklung solcher Gesetze wird dadurch ausgeschlossen. Zudem wird eine gezielte Förderung der lokalen Wirtschaft nicht mehr möglich sein. Aus dem durchgesickerten Verhandlungsmandat geht hervor, dass (private und öffentliche) Dienstleistungen auf dem höchsten Liberalisierungsniveau gebunden werden sollen, das EU und USA in all ihren bisherigen Abkommen eingegangen sind. Von einer Sicherung des höchsten Versorgungsniveaus kann also keine Rede sein. Ausdrücklich sind hierbei alle Sektoren erfasst, die einzigen explizit ausgenommenen Bereiche sind audiovisuelle Dienste (z.b. Film und Rundfunk) und die grundlegendsten staatlichen Aufgaben, wie die öffentliche Sicherheit. Zur Daseinsvorsorge ist lediglich der lapidare Satz enthalten: Die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung in der EU sollte [ ] gewahrt werden. Subventionen oder andere staatliche Förderung für bisher oder zukünftig als schützenswert angesehene Bereiche werden kaum noch möglich sein; eine weitere Privatisierungswelle im Bereich der 4

öffentlichen Daseinsvorsorge droht. Nicht nur in der EU könnten Standards gesenkt werden. Die Finanzmärkte sind in den USA beispielsweise strenger reguliert. In diesem Zusammenhang muss auch das momentan verhandelte Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen TiSA erwähnt werden, bei dem der gesamte Prozess noch intransparenter ist und die Auswirkungen sogar noch weitreichender sein könnten. Nationale Gesetzgebung bedroht: Sonderklagerechte für multinationale Konzerne Aktuell im Brennpunkt der handelspolitischen Diskussion steht das Investor-Staat- Streitbeilegungsverfahren ISDS (Investor- State Disputement Settlement). Damit soll Unternehmen eine Klagemöglichkeit gegen Regulierungen vor privaten Schiedsgerichten eingeräumt werden. Klagen auf Schadenersatz wären etwa zu erwarten, wenn Staaten Gesetze erlassen zum Schutz der Bürger, der Beschäftigten (z.b. eine Erhöhung des Mindestlohns) oder der Umwelt und Unternehmen deren Auswirkungen als potenziell gewinnschmälernd betrachteten. Diese Streitfälle würden dann unter Umgehung des nationalen Gerichtsweges verhandelt, vor privaten, nichtöffentlichen Schiedsgerichten, die nur dem internationalen Investitionsrecht verpflichtet sind. Die Firmen könnten teilweise Schadensersatz in Milliardenhöhe fordern, den letztlich der Steuerzahler aufbringen müsste. Geld, das an anderer Stelle fehlen würde: für Schulen und Kinderbetreuung, Gesundheitswesen und Straßenbau... Die nationale Gesetzgebung souveräner Staaten wäre damit bedroht bzw. könnte unterlaufen werden, da Regierungen von Vorneherein auf den Erlass von Schutzvorschriften verzichten könnten, wenn sie milliardenschwere Klagen erwarten müssten. Außerdem erhielten ausländische Investoren so Vorteile gegenüber inländischen Unternehmen, die nur die nationale Gerichtsbarkeit nutzen können. 3. Arbeits- und Sozialstandards Wettbewerb: Arbeitskosten im Wettbewerb; Arbeits- und Sozialstandards unter Druck Hauptziel des Abkommens ist die Intensivierung des Handels mit den Vereinigten Staaten. Wenn nun die USA, die über niedrigere Arbeits- und Sozialstandards verfügen, mehr Waren und Dienstleistungen in der EU absetzen, droht ein verstärkter Wettbewerb auf der Basis von Arbeitskosten. Historisch erkämpfte Standards im Arbeitsrecht (z.b. im Kündigungsschutz oder bei den Arbeitszeiten), im Arbeitsschutz und insbesondere in der betrieblichen Mitbestimmung wären bedroht, auch wenn diese offiziell nicht angetastet würden. Umgekehrt investierten einige deutsche Unternehmen in den USA vornehmlich in den US-Bundesstaaten, die über niedrigste Arbeitsstandards und gewerkschaftsfeindliches Verhalten um ausländische Investoren konkurrieren. Hoffnungen von US-Gewerkschaften, Standards und Arbeitsbedingungen in den USA könnten auf ein höheres europäisches Niveau gehoben und harmonisiert werden, sind unrealistisch. Ein angestrebtes Verhandlungsergebnis zum Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse ist schließlich die gegenseitige Anerkennung von (technischen und sozialen) Normen und damit der Fortbestand unterschiedlicher Arbeits- und Sozialstandards. Selbst wenn die USA, die bisher nur zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert haben, sämtliche ILO-Kernarbeitsnormen (z.b. die über die Vereinigungs- und Kollektivverhandlungsfreiheit) unterschreiben würden, wäre damit nicht sichergestellt, dass dies Auswirkungen auf die realen Verhältnisse hat. 5

Auch das mit TTIP geplante Investitionsschutzabkommen zielt darauf, ausländischen Investoren Sonder-Klagerechte einzuräumen, wenn Investitionen durch nationale Gesetzesänderungen bedroht sind. In Ägypten etwa klagte ein französisches Unternehmen gegen die Erhöhung des Mindestlohnes. 4. Umwelt und Verbraucherschutz Was hat TTIP mit Umwelt und Verbraucherschutz zu tun? Nach den offiziellen Leitlinien der EU-Kommission für die Verhandlungen zu TTIP sind sogenannte gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen. Damit sind staatliche Regulierungen gemeint, die den Gesundheitsschutz von Menschen, Tieren und Pflanzen betreffen. Hierunter fallen etwa die Lebensmittelsicherheit oder Risikobewertungen sowie Zulassungsverfahren für Gentechnik, Pestizide, Antibiotika, Aromen und Zusatzstoffe. All diese Verfahren sollen durch gegenseitige Anerkennung oder Harmonisierung so weit dereguliert werden, dass sie keine unnötigen Handels- und Investitionshemmnisse mehr darstellen. Vorsorgeprinzip Risiken dürfen nicht auf die Verbraucher abgewälzt werden Bisher gilt in Europa das Vorsorgeprinzip. Bevor ein Produkt auf den Markt kommt, muss z.b. in Form einer Genehmigung bewiesen sein, dass von diesem Produkt keine Gefahr für den Konsumenten ausgeht. In den USA existiert keine Genehmigungspflicht, dafür gibt es jedoch ein sehr rigides Klagesystem. Droht in Folge von TTIP eine Anpassung beider Systeme, kann am Ende der Verbraucherschutz auf der Strecke bleiben. So könnten beispielsweise amerikanische Chlorhühnchen problemlos auf dem europäischen Markt verkauft werden. Daher sollte aus europäischer Sicht das Vorsorgeprinzip nicht zur Disposition gestellt werden. Bleibt der Tier- und Pflanzenschutz auf der Strecke? Mit der Vereinheitlichung von Standards dürften in den USA zugelassene Produkte auch in der EU verkauft werden ohne eine zusätzliche Prüfung und ohne eine politische Entscheidung. So könnten krebserregende und fruchtbarkeitsschädigende Pflanzenschutzmittel, deren Zulassung in der EU in den kommenden Jahren ausläuft, schnell wieder in die Landwirtschaft der EU zurückkehren. Gentechnisch veränderte Produkte auch im Saarland? Die saarländische Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen, dass das Saarland eine gentechnikfreie Anbauregion bleibt. Ein politisches Ansinnen, von dem in Folge von TTIP nicht mehr viel übrig bliebe, denn eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel aus genmanipulierten Pflanzen gilt als Handelshemmnis. Lebensmittel aus den USA, die gentechnisch veränderte Pflanzen wie Mais oder Soja enthalten, könnten im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung von Standards auf den europäischen Markt kommen, ohne dass dies gekennzeichnet ist. Eine Ausweitung der Kennzeichnungspflicht auf tierische Produkte, die mit genmanipulierten Futtermitteln entstanden sind oder auf Textilien aus gentechnisch veränderter Baumwolle, wäre unter den Bedingungen von TTIP nur noch mit Zustimmung der US-Regierung möglich. 6

5. Kultur Bedroht TTIP die kulturelle Vielfalt? Kultur findet in Deutschland und Europa nicht unter marktwirtschaftlichen Bedingungen statt. Kultur wird vielerorts als staatliche Aufgabe betrachtet. Die öffentliche Hand ermöglicht, unterstützt, fördert, reguliert und begünstigt. Das fängt bei den Zuwendungen für Museen, Opern und Theatern an, geht über die großen Kulturfonds, die Filmfördertöpfe, die verminderten Mehrwertsteuersätze für Theaterkarten und Bücher, bis zum Rundfunkbeitrag und zur Buchpreisbindung. Wenn diese bestehenden Regelungen als Handelshemmnis angesehen und entsprechend dereguliert werden, würde dies gravierende Einschnitte für den bestehenden Kulturbetrieb in Europa bedeuten. Es ist zu befürchten, dass durch den marktwirtschaftlichen Druck das kleinteilige, regionale Kulturangebot auf Dauer einem einheitlichen Mainstream weichen wird. In den bisherigen Verhandlungen zu Handelsabkommen wurde der Kulturbereich stets ausgeklammert. Mit TTIP droht dieser Grundsatz erstmals aufgegeben zu werden. Ob dem so ist, lässt sich jedoch nicht belegen, da die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geführt werden. Was sagen andere? 1. Gewerkschaften Die bisherigen TTIP-Verhandlungen müssen ausgesetzt werden und eine andere Zielsetzung bekommen. Die Aussetzung soll dazu genutzt werden, einen transparenten Verhandlungsauftrag der Europäischen Union neu zu bestimmen, um damit einen grundsätzlichen neuen Ansatz in der globalen Handelspolitik zu etablieren. Im Mittelpunkt muss dabei stehen, eine faire Gestaltung von Handelsbeziehungen und damit einen gerechten politischen Ordnungsrahmen für die Globalisierung im Interesse der Beschäftigten und der Verbraucher zu schaffen, anstatt durch Markliberalisierung und Deregulierung allein den Wettbewerbsdruck zu erhöhen. (DGB-Bundeskongress, 15. Mai 2014) Wie das Abkommen derzeit angelegt ist, profitieren Wenige auf Kosten von Vielen. Deswegen steht für die IG Metall fest: Ohne eingebauten Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz kein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA! Die Gewerkschaft fordert Regeln, die Arbeitnehmerrechte, Sozial und Umweltstandards auf einem hohen Niveau schützen. Das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA braucht keinen eingebauten Investitionsschutz. Die Gewerkschaft würde einem Abkommen unter gewissen Bedingungen zustimmen. Für die IGM ist es eine unabdingbare Voraussetzung, dass die USA die Kernarbeitsnormen der ILO ratifizieren und umsetzen. Darüber hinaus darf das Abkommen nicht zu einer Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Bereiche führen, oder Reregulierungen behindern. Es darf nicht die Möglichkeit des Staates beschränken, sinnvolle Regelungen im Interesse der Bevölkerung oder der Umwelt zu erlassen. (IGM, Beitrag: Abkommen nur mit höchsten Arbeits- und Sozialstandards, 13. Mai 2014) 7

TTIP sollte nach Ansicht des IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis als Gelegenheit genutzt werden, die Globalisierung von Produktion und Handel politisch fair zu gestalten und nicht, die historische Chance zu verspielen, ein neues internationales Regelwerk zu entwickeln, das wirtschaftliche Dynamik fördert und soziale Verantwortung stärkt. Die Anerkennung von Tarifautonomie, Mitbestimmung und Betriebsverfassung nennt Vassiliadis unverzichtbar für ein Freihandelsabkommen mit den USA. (IG-BCE-Medieninformation XVIII/12, 2. April 2014) Soziale und ökologische Ziele müssen gleichrangig mit den wirtschaftlichen Zielen verfolgt werden.... Öffentliche Dienstleistungen sind aus dem Abkommen auszuklammern... Das in der EU geltende Subsidiaritätsprinzip muss strikt beachtet werden. Auch für das öffentliche Beschaffungswesen dürfen keine Regelungen erfolgen, die zu weiterer Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen führen... Wir lehnen Investoren/Staat-Streitschlichtungsverfahren im TTIP ab. Die Entscheidung der EU, nicht über audiovisuelle Dienstleistungen als Träger kultureller Vielfalt zu verhandeln, muss ebenso Bestand haben wie die UNESCO-Konvention zum Schutz der Vielfalt der Kultur. (ver.di-bundesvorstand, Information, Dezember 2013) 2. Bündnis TTIP unfairhandelbar Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt, Entwicklungs- und Handelspolitik haben in einer gemeinsamen Erklärung ihre Ziele und Forderungen dargelegt: www.ttip-unfairhandelbar.de 3. Die Politik Bundesregierung Wir sind fest entschlossen, das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP abzuschließen... Deutschland ist fest davon überzeugt,... dass es wichtig ist, dass wir dieses Abkommen auch zu einem Abschluss bringen. (Bundeskanzlerin Angela Merkel, 2. Mai 2014) Gerade ein Land wie Deutschland muss daran interessiert sein, dass die beiden größten Handelsbereiche... ihre Handelshemmnisse abbauen.... Es gibt ein besonders schwieriges Thema, das sind die Investitionsschutzabkommen.... Ich glaube, dass es solcher Investitionsschutzabkommen zwischen zwei Demokratien und zwei entwickelten Rechtsstaaten wie den USA und der EU eigentlich nicht bedarf. (Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, 5. Mai 2014) Saarländische Landesregierung Die Landesregierung begrüßt die Aufnahme der Verhandlungen. Ein solches Abkommen eröffnet Chancen für ein nachhaltiges Wachstum und die Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze. (Drucksache 15/896 vom 8. Mai 2014) 8

Das Freihandelsabkommen ist von großer Bedeutung für Europa und die USA. Das gilt besonders für die Exportnation Deutschland. Für die SPD bietet das Transatlantische Handelsabkommen (TTIP) Chancen für Wachstum, Beschäftigung und sozialen Ausgleich. Gleichzeitig birgt es auch Herausforderungen. Bündnis 90/Die Grünen lehnen TTIP derzeit ab. Verhandlungen müssen transparent und unter Einbezug der Parlamente und der Zivilgesellschaft ablaufen. Die Partei Die Linke lehnt TTIP ab. Es nutzt nach ihrer Meinung den großen Banken und Konzernen und nicht der europäischen Binnenwirtschaft. Die FDP befürwortet die transatlantische Freihandelszone mit den USA. Die Piraten fordern den Stopp des Freihandelsabkommens sowie Demokratie und Transparenz statt Geheimverhandlungen. 4. Die Industrieverbände Bundesverband der Deutschen Industrie e.v. (BDI) Der BDI setzt sich seit Mitte der 90er-Jahre für ein transatlantisches Freihandelsabkommen ein und hat deshalb auch die Empfehlung der High Level Working Group vom Februar für ein umfassendes transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen außerordentlich begrüßt. - Arbeits- und Sozialrechtsinfo, Juli 2014 Arbeitskammer des Saarlandes Körperschaft des öffentlichen Rechts Fritz-Dobisch-Straße 6-8 66111 Saarbrücken 9