Thomas Rachel MdB. Redebeitrag zur Debatte des Deutschen Bundestages zum Thema. Sterbebegleitung

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Transkript:

Thomas Rachel MdB Redebeitrag zur Debatte des Deutschen Bundestages zum Thema Sterbebegleitung am 13. November 2014 1

Sehr geehrte Damen und Herren, 1. Wir diskutieren derzeit intensiv über Begriffe wie Sterbehilfe, Selbsttötung oder Beihilfe zum Suizid. Darin offenbart sich eine bedenkliche Engführung der Herausforderung, vor der wir ethisch und politisch eigentlich stehen: Denn Aufgabe eines Gesetzgebers kann es doch nur sein, die bestmöglichste Hilfe beim Sterben und 2

nicht die Hilfe zum Sterben zu organisieren und zu gewährleisten. Im Zentrum unserer Bemühungen schwerstleidende Mensch selbst. steht der Aber der schwerstleidende Mensch will ja in aller Regel überhaupt nicht selbst seinem Leben ein Ende setzen, sondern vielmehr sein Leiden und seine letzte Lebensstrecke auf ein erträgliches Maß gelindert wissen. Daher sollte sich unser ganzes Bemühen auch genau auf dieses Ziel konzentrieren: - Leiden und Schmerzen nach Menschenmöglichkeit zu mindern, - Fürsorge und persönliche Betreuung zu leisten 3

- und die beste palliativmedizinische und hospizliche Versorgung für alle sicher zu stellen. 2. Jede Ethik, jedes Nachdenken darüber, was der Mensch tun oder lassen soll, spiegelt immer auch das zugrunde liegende Menschenbild wider: Wie wir miteinander und mit uns selbst umgehen wollen, hat seinen Grund und Ausgangspunkt zu allererst in der Art, wie wir uns und die anderen Menschen sehen bzw. sehen wollen! Beim christlichen Menschenbild, dem wir uns als CDU und CSU verpflichtet fühlen, steht der leidende Mensch in besonderer Weise im Mittelpunkt. 4

Hier gehören Autonomie und Solidarität, Freiheit und Verantwortung, Selbst- und Nächstenliebe untrennbar zusammen! Selbstsorge und Fürsorge für andere sind hier untrennbar miteinander verbunden, weil der Mensch aus christlicher Sicht eben ein Beziehungswesen ist. Der Kranke, Leidende und Sterbende steht nicht singulär, mit seinem Schicksal allein, sondern darf auf die Unterstützung der Gemeinschaft bauen und hoffen. Und gerade diese, "not-wendige" Unterstützung - im Sinne von "die Not wirklich wendend" - dürfen wir ihm nicht versagen. 3. 5

In der evangelischen Ethik unterscheiden wir zwischen der individualethischen- und der sozialethischen Perspektive. In Grenzerfahrungen des menschlichen Lebens, in Situationen schweren Leidens wissen wir um die tiefen Gewissenskonflikte von Betroffenen und Angehörigen. Wir kennen Grenzfälle, in denen - auch wenn man dies selbst nicht bejahen kann - Beihilfe zum Suizid geleistet und persönlich verantwortet wird. Evangelische Ethik weiß, dass zu einem ethischen Handeln auch die Übernahme von Schuld gehört. Eine organisierte Form der Beihilfe zum Suizid muss aber unter sozialethischer Perspektive betrachtet werden: Denn eine solche Form hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. 6

Was allenfalls als Ausnahme aufgrund einer persönlich verantworteten Entscheidung in Frage kommen kann, darf nun nicht rechtlich geregelte Normalität werden! Der Vorschlag für solche Grenzfälle, die Möglichkeit des ärztlich assistierten Suizids rechtlich genauer zu regeln, birgt mindestens zwei Gefahren: Erstens würde Beihilfe zum Suizid, wenn auch nur in Ausnahmefällen, zur ärztlichen Aufgabe. Damit würde das Berufsbild des Arztes, der dem Leben verpflichtet ist, beschädigt. 7

Zweitens könnte sich die Einstellung in unserer Gesellschaft zum Suizid und zur Beihilfe zum Suizid verändern, die vermutlich nicht mehr als tragischer Einzelfall, sondern als eine normale Möglichkeit empfunden würde. Machen wir uns nichts vor, Suizid, in welcher Form auch immer, hinterläßt Spuren im Leben der Hinterbliebenen und in der gesamten Gesellschaft! 4. Sehr geehrte Damen und Herren, 8

ein Gesetz kann niemals der Ausnahmesituation persönlichen, individuellen Sterbens gerecht werden. Eigentlich ist der Gedanke sogar vermessen. Deshalb ist der Ruf nach gesetzlicher Regelung der Beihilfe zur Selbsttötung genauso irreführend. Aus der tragischen Not individueller Ausweglosigkeit kann keine gesetzgeberische Tugend, sprich: ein quasi einklagbarer Normallfall werden! Was wir brauchen ist ein Verbot von allen gewerbsmäßigen und organisierten Formen der Sterbehilfe. Denn hier wird Hilfe versagt, wo doch Hilfe notwendig wäre. 9

Mit Blick auf die Beihilfe zum Suizid benötigen wir keine Maßnahme des Gesetzgebers. Stattdessen brauchen wir einen flächendeckenden und konsequenten Ausbau von Hospizen und beste ambulante wie stationäre palliativmedizinische Versorgung. Jetzt geht es um Verantwortung für das Leben und nicht für den schnellen Weg aus dem Leben. 10