Vordringliche Maßnahmen zur Beseitigung von Zerschneidungswirkungen von Verkehrswegen und Bauwerken im Biotopverbund in Thüringen

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Transkript:

Vordringliche Maßnahmen zur Beseitigung von Zerschneidungswirkungen von Verkehrswegen und Bauwerken im Biotopverbund in Thüringen Teilbereich Amphibien Christianna Serfling BÖSCHA GmbH Büro für ökologische Studien und chemische Analysen Hermsdorf

Aufgabenstellung Erstmalige zusammenfassende Ermittlung der Amphibienquerungen an Straßen in Thüringen Differenzierung nach Querungstypen (ungeschützt / temporär geschützt / dauerhaft geschützt) Darstellung des betroffenen Artenspektrums Diskussion und Bewertung der Effizienz der Schutzmaßnahmen und Darstellung spezieller Probleme Ermittlung der Lebensraumzerschneidung von Arten nach Anhang II bzw. IV FFH-RL Bewertung der Verbundsituation entsprechend Datenstand Erarbeitung von vordringlichen Maßnahmen zur Beseitigung von Zerschneidungs-wirkungen, Vorschläge für ENL-Projekte Grobkonzept zur weiteren Erfassung, Bewertung und Verbesserung der Verbundsituation für Amphibien in Thüringen

Methodik Datenrecherche bei den unteren Naturschutzbehörden, den Straßenbauämtern sowie den Verbänden (NABU, BUND) mittels speziell entwickeltem Fragebogen Auswertung weiterer Datenquellen wie z.b. die Schutzzaundatenbank im Internet unter www.amphibienschutz.de Entwicklung einer Datenbank (Vorgabe: unmittelbare Kompatibilität mit dem Arten-Erfassungsprogramm der TLUG), Eingabe aller ermittelten Daten Digitalisierung (ArcView 8.3) Umfang der Meldungen aus Thüringen An der Fragebogenaktion beteiligten sich ALLE unteren Naturschutzbehörden, der Kenntnisstand zu den Amphibienwanderungen ist jedoch regional sehr verschieden Meldungen von ehrenamtlichen Vertretern der Naturschutzverbände Von den angefragten Straßenbauämtern reagierte lediglich das SBA Südwestthüringen Insgesamt wurden 459 Querungsstellen gemeldet

Ergebnisse der Datenrecherche Auflistung der Amphibienquerungen an Straßen unterteilt nach dem Querungstyp

Gesamtnachweise wandernder Amphibienarten an allen gemeldeten 459 Querungsstellen in Thüringen

An ungeschützten Straßenquerungen nachgewiesene Amphibienarten (n = 203)

An temporär geschützten Straßenquerungen nachgewiesene Amphibienarten (n = 164)

An dauerhaften Schutzanlagen/Querungshilfen nachgewiesene Amphibienarten (n = 92)

Problemkreis Nachweis wandernder Amphibienarten und Schutzmaßnahmen Die meisten Amphibienarten unternehmen über den Verlauf der Vegetationsperiode mehrere, oft längere Wanderungen, da ein Habitatkomplex bewohnt wird, zwischen dessen Teilbereichen sich die Tiere bewegen. Erste und nur bei wenigen Arten auffällige Wanderung (Voraussetzung: viele Individuen wandern in kurzer Zeit) ist die Wanderung vom Winterquartier zum Laichgewässer. Alle anderen Wanderungen (Laichgewässer Sommerquartier, Streifzüge innerhalb des Sommerquartiers, Sommerquartier Winterquartier) sind unauffällig. Dies gilt auch bei den meisten Arten für die Abwanderung der Jungtiere vom Laichgewässer. Zerschneidet den Lebensraumverbund eine Straße, wird diese bei den verschiedenen Wanderungen in den allermeisten Fällen auch an verschiedenen Stellen gequert. Unser Wissen beschränkt sich fast ausschließlich auf die Wanderung vom Winterquartier zum Laichgewässer und hier ebenfalls häufig nur auf die in größerer Zahl ankommenden Frühlaicher. Noch weitaus unauffälliger und unbekannter sind die Wanderungen, die den Austauschbeziehungen zwischen den Populationen dienen. Für den Biotop- und Populationsverbund und den genetischen Austausch sind diese Wanderungen allerdings besonders wichtig. In Thüringen und auch andernorts fehlen systematische und flächendeckende Untersuchungen zum Themenkreis Amphibien und Straßenquerungen. Analysiert man den derzeitigen Zustand, wird schnell klar, dass vielerorts die Erdkröte das Flaggschiff der Schutzmaßnahmen an Straßen darstellt. Auch wenn die Schutzmaßnahmen häufig auch weiteren (meist ungefährdeten) Arten zugute kommen, ist zu konstatieren, dass ein Großteil nur einer der mindestens drei saisonalen Wanderungen dient, sich stark ein einer Art orientiert und die wichtigen

Effizienz mobiler Zäune für den Amphibienschutz Vorrangig Einsatz zum Schutz der Frühjahrswanderung zum Laichgewässer, selten beidseitige Zäune. Standort, Gestaltung der Zäune und Fangeinrichtungen sind überwiegend erdkrötenlastig und oft für andere Amphibienarten überwindbar. Die regelmäßige Kontrolle der Fangeinrichtungen ist zeitlich aufwändig und nicht überall und immer ausreichend gesichert oft übernehmen dies ehrenamtliche Helfer, die maximal eine Aufwandsentschädigung erhalten. Vielerorts unbefriedigend ist der korrekte Aufbau der Zäune sowie das fachgerechte Einbringen der Fanggefäße sowie deren Wartung über die Expositionszeit. Durch die in den Fanggefäßen zusammengedrängten Amphibien kommt es zu Körperkontakten zwischen Individuen und Arten, die im Normalfall nicht stattfinden würden. Dies kann zu einer verstärkten Ausbreitung von Krankheiten führen. In vielen Fällen gehen die Bestände trotz hohem Aufwand für die mobilen Schutzzäune (erwartungsgemäß) zurück. Mobile Schutzzäune können nur eine Übergangslösung darstellen, um einerseits den Rückgang der Populationsgröße zu bremsen und andererseits Informationen zu den wandernden Arten und quantitativen Verhältnissen zu sammeln (mit den zuvor genannten Einschränkungen).

Typische Fehler an mobilen Schutzanlagen sind nicht bodenbündig abschließende Fanggefäße - hier 2 Eimer übereinander, um sich den Transport zu vereinfachen -, Schlupflöcher zwischen Zaun und Fanggefäß sowie das Fehlen von zumindest geringfügigem Übersteigschutz am Zaun. (Aufn.: 10.04.2008, mobile Schutzanlage zwischen Ranis und Brandenstein)

Effizienz dauerhafter Schutzanlagen/Querungshilfen Dauerhafte Schutzanlagen/Querungshilfen bestehen normalerweise aus Durchlässen oder Tunneln sowie Sperr- und Leiteinrichtungen. Es kommen verschiedene Bauweisen und Materialien zum Einsatz (Vorgaben im Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen MAmS). Das Merkblatt gibt einen Rahmen vor, der einerseits einen gewissen Spielraum lässt, andererseits jedoch auch dazu verführen kann, ohne gründliche Voruntersuchungen und Mindestkenntnisse zu Ansprüchen und Verhalten von Amphibien nach MAmS zu planen und zu bauen. Dauerhafte Anlagen schützen Amphibien (und andere Kleintiere ) ganzjährig vor dem Straßenverkehr und stellen damit ihre Funktionstüchtigkeit vorausgesetzt tatsächlich Entschneidungsmaßnahmen dar. Allerdings gilt auch für vorbildliche Anlagen, dass oft nur ein Teil der saisonalen Wanderungen geschützt wird, nämlich die zuvor meist mittels mobilen Zäunen ermittelte Frühjahrswanderung zum Laichgewässer. Auch dauerhafte Schutzanlagen sind daher selbst bei bester Planung und Ausführung letztlich kein Allheilmittel für den Amphibienschutz. Jedoch sind sie oft die einzige Chance, die verkehrsbedingte Mortalität nachhaltig zu senken und den Lebensraumverbund zu sichern.

Effizienzkontrollen, Einschätzung der Funktionstüchtigkeit sowie des Wartungszustandes an 92 dauerhaften Amphibienschutzanlagen in Thüringen *: Der Umfang der Effizienzkontrollen ist nicht bekannt. Es ist aber in vielen Fällen davon auszugehen, dass aufwendigere Untersuchungen nicht durchgeführt wurden.

Amphibienschutzanlagen an Straßen: Mehr Schaden als Nutzen? (Münch 1998) Keine ausreichende Einbeziehung fachkompetenter Amphibienexperten bei der Planung der Anlage. Jede Situation vor Ort ist speziell! Das MAmS empfiehlt detaillierte Untersuchungen über mindestens zwei Wanderperioden. Hier wird jedoch von den verantwortlichen Planungsträgern gerne verkürzt. Amphibienschutzanlagen werden oft von Bauingenieuren geplant, die sich mit der MAmS auf der sicheren Seite fühlen. In vielen Fällen hängt aber die Funktionstüchtigkeit einer Anlage an äußerlich unscheinbaren Details. Abstriche an der notwendigen Schutzanlagenlänge bzw. deren Ausführung aus finanziellen Gründen. Verwendung von Metall-Leiteinrichtungen und Stahlbeton-Durchlässen (zu große Temperaturschwankungen, Störungen des natürlichen Erdmagnetfeldes*). Mangelnde Pflege und Unterhaltung. Beton ist hygroskopisch. Ohne spezielle Beschichtung können Laufflächen (Leitwand, Tunnel) zu einer v.a. für Jungtiere tödlichen Bedrohung werden. Ungünstige mikroklimatische Bedingungen in den Tunneln v.a. Trockenheit, aber auch zugige Verhältnisse. Bis heute kontroverse Diskussion der Führung der Tunnel (senkrecht zur Straße als kürzeste Variante oder schräg in Wanderrichtung). Der Umfang wirklich umfassender Effizienzkontrollen ist sehr gering. Die Prüfung weniger Modell-anlagen reicht gerade wegen der Unterschiedlichkeit der konkreten Situationen für die Beurteilung nicht aus. Bedenkt man die Kosten für eine Amphibienschutzanlage, so ist es kaum nachvollziehbar, dass der Nachweis der Funktionalität nicht erbracht werden muss. Der Mangel an Effizienzkontrollen verhindert einen entsprechenden Lernprozess. Unter den nicht oder nur eingeschränkt funktionierenden Anlagen befinden sich sowohl ältere als auch *: Wolf & Igelmann (1995), Jehle & Sinsch (2007) ganz neue

Zustand einer nicht korrekt verlegten Amphibienleitwand an der Straße Plothen-Dreba. (Aufn.: 05.04.2007, Ch. Serfling)

Lebensraumzerschneidung von Arten nach Anhang II und IV der FFH-Richtlinie Nördlicher Kammmolch: Nachweise an 13,3 % aller gemeldeten Querungsstellen, an 6,9 % aller ungeschützten, 14,6 % aller temporär geschützten und an 25 % aller dauerhaft geschützten Straßenabschnitte. Moorfrosch: Nachweise an 4,1 % aller gemeldeten Querungsstellen, an 3,4 % aller ungeschützten, 1,3 % aller temporär geschützten und an 10,9 % aller dauerhaft geschützten Straßenabschnitte. Knoblauchkröte: Nachweise an 6,1 % aller gemeldeten Querungsstellen, an 2 % aller ungeschützten, 7,3 % aller temporär geschützten und an 13 % aller dauerhaft geschützten Straßenabschnitte. Europäischer Laubfrosch: Nachweise an 6,3 % aller gemeldeten Querungsstellen, an 4,4 % aller ungeschützten, 7,9 % aller temporär geschützten und an 7,6 % aller dauerhaft geschützten Straßenabschnitte. Springfrosch, Geburtshelferkröte, Gelbbauchunke, Kreuzkröte, Wechselkröte und Kleiner Wasserfrosch: Nur wenige bzw. keine Nachweise an den gemeldeten Querungsstellen. Generell gilt: Für alle Arten bestehen große Kenntnisdefizite. Die bisherigen Entschneidungs-maßnahmen sind selbst wenn alle optimal funktionieren würden nicht ausreichend, eine Verinselung der Bestände auf Dauer zu verhindern. Viele Maßnahmen nützen aufgrund ihrer Ausrichtung auf die eher häufigeren Arten der überwiegenden Zahl der streng geschützten Arten NICHT.

Zusammenfassende Bewertung der Verbundsituation Zu wenige dauerhafte Schutzanlagen, von denen zudem mindestens ein Drittel nicht oder nur mit Einschränkungen funktioniert. Bei knapp 60 % der dauerhaften Schutzanlagen erfolgte keinerlei Effizienzkontrolle, d.h. ein Nachweis der Funktionsfähigkeit wurde nicht erbracht. Mangelhafte Wartung von mindestens 50 % aller dauerhaften Schutzanlagen. Die temporären Schutzzäune haben für die Arten nach Anhang II und IV FFH-RL kaum eine Bedeutung. Es werden hauptsächlich die Frühlaicher und hiervon wiederum die Erdkröte geschützt. Der einseitige Schutz der Erdkröte kann in Verbindung mit anderen Faktoren zum Problem für seltenere und empfindlichere Arten werden. Große Erdkrötenpopulationen können andere Amphibienarten verdrängen. Es muss ehrlicherweise festgestellt werden, dass insbesondere bei großen Erdkrötenpopulationen das Aufstellen von mobilen Zäunen zur Hauptwanderzeit v.a. eine Maßnahme der Verkehrssicherung darstellt (ansonsten droht Amphibienschmiere auf der Fahrbahn). Die Straßenbauverwaltungen lassen sich diese Dienstleistung gerne vom Naturschutz organisieren und finanzieren. Der allgemeine Kenntnisstand zu den Konfliktpunkten Amphibienwanderungen und Straßen und speziell zu den Wanderungen der nicht den Frühlaichern zuzuordnenden Arten sowie den streng geschützten Arten ist thüringenweit zu gering. Es bestehen des weiteren sehr starke regionale Unterschiede im Wissensstand. Geeignete Entschneidungsmaßnahmen können jedoch nur auf der Grundlage eines soliden Datenpools geplant werden. Dies gilt umso mehr für ein tragfähiges thüringenweites Biotopverbundkonzept.

Vordringliche Entschneidungsmaßnahmen, Vorschläge für ENL-Projekte Trotz der genannten Probleme wurde dennoch versucht, vordringliche Bereiche für Entschneidungsmaßnahmen zu definieren. Die Auswahl erfolgte nach folgenden Kriterien: Vorkommen von streng geschützten Arten, insbesondere individuenreiche Populationen. Bisher ungeschützte bzw. temporär geschützte Bereiche. (Nicht funktionierende dauerhafte Anlagen wurden nicht einbezogen hier muss eine generelle Lösung gefunden werden.) Wanderstrecken mehrerer Arten, insbesondere individuenreiche Bestände. Es wurden 22 Maßnahmen als vordringlich eingestuft, wobei 11 potenziell als ENL- Projekte umsetzbar wären. An den Landes- und Bundesstraßen müsste die Realisierung durch die Straßenbauverwaltungen erfolgen.

Grobkonzept zur weiteren Erfassung, Bewertung und Verbesserung der Verbundsituation für Amphibien in Thüringen Um eine umfassende Beurteilung der Verbundsituation für Amphibien vornehmen zu können, sind weitere wichtige, potenziell entschneidende Elemente zu erfassen und zu bewerten: Brückenbauwerke, Gewässerdurchlässe, wobei deren Größe und Gestaltung ausschlaggebend ist, Grünbrücken. Ausgehend davon sowie unter Einbeziehung der vorliegenden Daten ist eine Gesamtbewertung für Thüringen möglich, in deren Ergebnis ein Konzept zur Verbesserung der Verbundsituation vorgelegt werden kann. Wesentliche Eckpunkte eines solchen Konzeptes sind voraussichtlich: Bewertung der regionalen Verbundsituation, Darstellung von Defiziten. Allgemeine Empfehlungen zu Lebensraumverbundmaßnahmen, z.b. Gestaltung von Gewässerdurchlässen, eventuelle flankierende Schutzmaßnahmen. Integration des Schutzes wandernder Amphibien (und anderer Arten) soweit irgend möglich in die beim Straßenbau unabhängig vom Artenschutz notwendigen Bauten (z.b. Brücken, Gewässerdurchlässe, landwirtschaftliche Unterführungen etc.) Stärkere Berücksichtigung des Populationsverbundes sowie der Möglichkeiten zur Ausbreitung bzw. zur Wiederbesiedlung von Lebensräumen. Erarbeitung vordringlicher Maßnahmen in Vorkommensschwerpunkten v.a. der Arten nach Anhang II und IV der FFH-RL. Darstellung alternativer Lösungsvorschläge für Arten, deren Wanderungen mit den herkömmlichen Maßnahmen nicht oder nur unzureichend geschützt werden können.