Der schwierige Umgang mit Sexualstraftätern Sexualdelikte, Bestrafung, Straf- und Maßnahmenvollzug Fußfessel 3. Mai 2013, Wien Klaus Schwaighofer



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Transkript:

Der schwierige Umgang mit Sexualstraftätern Sexualdelikte, Bestrafung, Straf- und Maßnahmenvollzug Fußfessel 3. Mai 2013, Wien Klaus Schwaighofer

Sexualdelikte gelten als besonders verwerflich und sind es - zum Teil - auch viele sind schwer traumatisierend Ruf nach besonders strengen Strafen, lebenslang wegsperren, keine bedingte Entlassung, Pranger (öffentliches Verzeichnis) große Ängste in der Bevölkerung (geschürt durch Medienberichte) Die Furcht ist groß, aber die Gefahr relativ gering Rückfallstatistiken sehr uneinheitlich Wie gut sind Sexualtäter therapierbar? Therapieerfolge sind nicht großartig, aber doch vorhanden (Senkung der Rückfallquote um ca. 30 %) Verbreitete Auffassung: Inhaftierung allein nützt gar nichts Probleme: Fehlende Therapieeinrichtungen, Mangel an Spezialisten, hohe Kosten Ist der Therapieaufwand gerechtfertigt? Nachbetreuung und Kontrolle nach Entlassung und Therapie ist wichtig Also lebenslange Therapie? Wer soll Kosten dafür tragen?

Übersicht I. Die wichtigsten Sexualdelikte Häufigkeit, Verurteilungszahlen II. Sanktionierung Allgemeines zur Strafzumessung Arten von Sanktionen Strafen Vorbeugende Maßnahmen Rechtsfolgen Strafzumessung, bedingte Nachsicht, bedingte Entlassung, gerichtliche Aufsicht III. Sonderform des Strafvollzugs: Fußfessel IV. Sexualstraftäterdatei, Tilgung von Sexualdelikten

Häufigkeit von Sexualdelikten insgesamt: In Österreich entfallen auf Sexualdelikte insgesamt ( 210 220b StGB): ca. 7 8 % aller Anzeigen (4000 4500 Anzeigen von insgesamt ca. 550.000 Anzeigen pro Jahr) ca. 15 % aller Verurteilungen (ca. 600 von insgesamt ca. 38.000 Verurteilungen pro Jahr)

I. Überblick über die wichtigsten Sexualdelikte (Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung)

Vergewaltigung ( 201) Ausführungshandlungen: (auch zwischen Personen des gleichen Geschlechts, auch in der Ehe) Nötigung zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs = klassischer vaginaler GV oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung Oralverkehr, Analverkehr, Penetrationen der Scheide und des Anus mit besonderen Tatmitteln: Gewalt Entziehung der persönlichen Freiheit Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

Grundstrafdrohung (Abs 1): derzeit 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitstrafe demnächst Anhebung der Untergrenze auf 1 Jahr Qualifikationen (Abs 2): schwere Körperverletzung, Schwangerschaft, qualvoller Zustand, besondere Erniedrigung: 5 bis 15 Jahre Freiheitstrafe Problem: regelmäßig posttraumatische Belastungsstörung bei Tod: 10 bis 20 Jahre oder lebenslang Häufigkeit: Ca. 800 1300 Anzeigen pro Jahr, ca. 100 Verurteilungen (Verurteilungsquote 10 15 %) Zahlreiche Falschanzeigen und Verleumdungen!

Geschlechtliche Nötigung ( 202) Nötigung zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung = objektiv erkennbare, nach Intensität und Dauer erhebliche sexualbezogene (auf Geschlechtsorgane ausgerichtete) Handlung (Körperkontakt nötig) nicht bloß flüchtige Berührungen eines Geschlechtsorgans (zb Griff auf die Brust) Nicht: Schläge auf Gesäß, Oberschenkel, Po-Grapschen, Zungenküsse, Umarmungen, Nötigung zum Telefonsex Tatmittel: Gewalt und gefährliche Drohung Überraschender Griff auf Brust oder Geschlechtsteil: keine Gewalt = sexuelle Belästigung ( 218)

Strafdrohung (Abs 1): 6 Monate bis zu 5 Jahren Freiheitstrafe Qualifikationen (Abs 2): Wie bei 201 schwere Körperverletzung, Schwangerschaft, qualvoller Zustand, besondere Erniedrigung derzeit: 1 bis 10 Jahre Freiheitstrafe wird demnächst erhöht auf: 5 bis 15 Jahre Freiheitstrafe Tod: 10 bis 20 Jahre oder lebenslang Häufigkeit: Ca. 300 350 Anzeigen pro Jahr, ca. 30 Verurteilungen (Verurteilungsquote knapp 10 %)

Sexueller Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person ( 205) = frühere Schändung : schützt wehrlose oder geistig behinderte Personen, die unfähig sind, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder danach zu handeln

Schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen ( 206) schützt unmündige Personen (unter 14) Tathandlung: Unternehmen des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung (wie 201) aber: keine Tatmittel nötig! auch mit Einverständnis des Kindes! aber Alterstoleranzklausel ( 206 Abs 4): soll verhindern, dass jugendliche Liebe kriminalisiert wird Täter bleibt straflos, wenn Opfer mindestens 13 Täter höchstens drei Jahre älter keine Penetration mit einem Gegenstand

Wichtig: Vorsatz auf Unmündigkeit! Irrtümer leicht möglich (Fall Bad Tölz)! Grundstrafdrohung (Abs 1): 1 bis 10 Jahre Freiheitstrafe Qualifikationen: schwere Körperverletzung, Schwangerschaft: 5 bis 15 Jahre Freiheitstrafe Tod: 10 bis 20 Jahre oder lebenslang Häufigkeit: Ca. 300 350 Anzeigen pro Jahr (2012 deutlich höher), ca. 90 Verurteilungen (Verurteilungsquote ca. 30 %)

Sexueller Missbrauch von Unmündigen ( 207) Ausführungshandlungen: Vornahme anderer geschlechtlicher Handlungen an einer unmündigen Person oder Vornehmen-Lassen an sich (körperlicher Kontakt nötig!) zb: Betasten der Geschlechtsteile, der (bereits entwickelten?) Brust Alterstoleranzklausel ( 207 Abs 4): Täter bleibt straflos, wenn: Opfer mindestens 12 Täter höchstens vier Jahre älter Wichtig: Vorsatz auf Unmündigkeit!

Grundstrafdrohung (Abs 1): 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitstrafe Qualifikationen: schwere Körperverletzung, Schwangerschaft: 5 bis 15 Jahre Freiheitstrafe Tod: 10 bis 20 Jahre oder lebenslang Häufigkeit: ca. 300 350 Anzeigen pro Jahr (2012 deutlich höher), ca. 60 70 Verurteilungen (Verurteilungsquote ca. 20 %) Besonders zu beachten bei 206 und 207: Verlängerung der Verjährungsfrist: 58 Abs 3 Z 3 Beginn erst mit Vollendung des 28. Lebensjahres des Opfers

Pornographische Darstellungen Minderjähriger ( 207a) Tatgegenstand = pornographische Darstellung einer minderjährigen Person : Realpornografie, Anscheinspornografie (Eindruck einer geschlechtlichen Handlung) Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend Virtuelle Pornografie (vollkommen künstlich hergestellt) Tathandlungen: Herstellen, überlassen, besitzen, auch bloß anschauen (im Internet wissentlich darauf zugreifen) Häufigkeit: Ca. 300 600 Anzeigen pro Jahr (stark schwankend, steigend) ca. 150 200 Verurteilungen (Verurteilungsquote 30 40 %)

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen ( 207b) Geschlechtliche Handlungen mit Personen unter 18 Jahren (neu) unter Ausnützung mangelnder Reife und altersbedingter Überlegenheit Geschlechtliche Handlungen mit Personen unter 16 Jahren unter Ausnützung einer Zwangslage Entgeltliche geschlechtliche Handlungen mit Jugendlichen (Abs 3) Häufigkeit: Ca. 70 80 Anzeigen pro Jahr, 5-10 Verurteilungen (Verurteilungsquote ca. 10 %)

Sittliche Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren ( 208) zb: vor einem Kind (unter 16) onanieren, harte pornografische Zeitschriften oder Pornofilme zeigen Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen ( 208a) - grooming Blutschande ( 211) Beischlaf mit Person in gerader Linie verwandt, mit Bruder oder Schwester Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses ( 212) 213 ff: Kuppelei, Zuführen der Prostitution, Zuhälterei

Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen ( 218) Abs 1: Belästigen durch eine geschlechtliche Handlung 1. an einer Person oder 2. vor ihr (und Eignung, berechtigtes Ärgernis zu erregen) Intensivere Berührung von Körperpartien, die zur Geschlechtssphäre gehören! (ohne Gewalt) daher nicht: auf das Gesäß schlagen Diskussion: auch andere Körperteile? (Po-Grapschen) Abs 2: öffentliche Vornahme einer geschlechtlichen Handlung und geeignet, berechtigtes Ärgernis zu erregen Häufigkeit: Ca. 1100 1400 Anzeigen pro Jahr, ca. 70 90 Verurteilungen (Verurteilungsquote nur ca. 7 %)

Weitere Tatbestände: Ankündigung zur Herbeiführung unzüchtigen Verkehrs ( 219) Werbung für Unzucht mit Tieren ( 220a) Verstoß gegen ein Tätigkeitsverbot ( 220b)

II. Sanktionierung Allgemeines: Festsetzung der Strafdrohungen, der Arten von Sanktionen ist politische Entscheidung Europa ist eher liberal, USA repressiv Präventionsstrafrecht (nicht Vergeltungsstrafrecht) Opferschutz als neuer Strafzweck Es gilt das ultima ratio-prinzip: schonendstes Mittel einsetzen, das die kriminalpolitischen Zwecke gerade noch erfüllen kann

Arten von Sanktionen: Strafen (Freiheitsstrafe, Geldstrafe, Nebenstrafen) vorbeugende Maßnahmen (insb. Anstaltsunterbringung, Tätigkeitsverbot) Rechtsfolgen (Amtsverlust) Andere Sanktionen haben bei Sexualstraftäter kaum Bedeutung vermögensrechtliche Anordnungen Diversion

Strafen spielen mit Abstand die größte Rolle Ca. 37.000 38.000 rechtskräftige Verurteilungen pro Jahr (1999: noch 62.000!) und etwa gleich viel diversionelle Erledigungen (2011: 33.000, deutlich sinkend: im Jahr 2000 noch über 50.000) Ca. 2/3 Freiheitsstrafen (23.000), davon 15 20 % unbedingt Ca. 1/3 Geldstrafen (13.000), davon 2/3 unbedingt Häftlingszahlen dennoch stark steigend derzeit ca. 9000, Auslastung 97 %, Gefangenenrate 115! Freiheitsstrafen werden immer länger

Vorbeugende Maßnahmen a) Notwendigkeit vorbeugender Maßnahmen: - wegen Gefährlichkeit des Täters - Täter handelte evt. nicht schuldhaft b) Unterschiede Strafe vorbeugende Maßnahme: Strafe: - setzt Schuld voraus - drückt Tadel aus, hat Übels-Charakter Vorbeugende Maßnahme: - keine Schuld nötig; Gefährlichkeit - kein Unwerturteil, Übel ist Begleiterscheinung c) Verhältnismäßigkeitsprinzip: nur bei hoher Gefährlichkeit (schwere Taten)

Arten von vorbeugenden Maßnahmen: Vorbeugende Maßnahmen mit Freiheitsentzug: Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ( 21 Abs 1 und 2) Die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher ( 22) Die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter ( 23) Vorbeugende Maßnahmen ohne Freiheitsentzug: Tätigkeitsverbot nach 220b StGB Einziehung von gefährlichen Gegenständen

Statistik zu freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahmen (praktisch nur 21 StGB): Ca 850 Häftlinge sind ständig im Maßnahmenvollzug, davon: Ca. 400 Zurechnungsunfähige ( 21 Abs 1 StGB), davon ca. 10 % Sexualstraftäter Ca. 440 Zurechnungsfähige ( 21 Abs 2 StGB), davon fast 50 % (knapp 200) Sexualstraftäter Zahlen steigen stark an! Gutachter werden vorsichtiger - bejahen eher die Gefährlichkeit Unterbringung in Sonderanstalten (Göllersdorf, Mittersteig), aber vielfach auch in psychiatrischen Krankenhäusern (Kosten von 400 650 pro Tag!)

Tätigkeitsverbot ( 220b StGB): Idee: Täter von Sexualdelikten an Minderjährigen (bis 18) sollen in Hinkunft von Tätigkeiten mit Minderjährigen ferngehalten werden Welche Tätigkeiten? Alle Tätigkeiten (erwerbsmäßig oder auch sonstige, zb ehrenamtliche) in der Erziehung, Ausbildung oder Beaufsichtigung von Minderjährigen Gefährlichkeitsprognose: Gefahr, dass der Täter unter Ausnützung dieser Tätigkeit ein weiteres Sexualdelikt gegen eine minderjährige Person mit nicht bloß leichten Folgen begehen werde Dauer des Tätigkeitsverbots: Befristet von einem bis zu fünf Jahren oder auf unbestimmte Zeit Wissentlicher Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot ist eigenes Delikt ( 220b Abs 6!)

Rechtsfolge Amtsverlust 27 StGB: Ein Beamter verliert sein Amt bei einer Verurteilung zu - mehr als 6-monatiger unbedingter Freiheitsstrafe - mehr als 12-monatiger (teil)bedingter Freiheitsstrafe - Verurteilung nach 212 StGB Seit 1. 1. 2013 (Dienstrechtsnovelle 2012): Amtsverlust für alle öffentlich Bediensteten (BDG, VBG, RStDG,..) - ohne Rücksicht auf die verhängte Strafe - bei jeder Verurteilung wegen eines Sexualdelikts (nach 201 217 StGB), 92 StGB, 312 StGB, Folter Unverhältnismäßigkeit!

Strafzumessung Grundlage der Strafbemessung ist die Schuld des Täters ( 32 Abs 1 StGB) Ausgangspunkt ist der Strafrahmen für das begangene Delikt Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe Bedingte Strafen: bedingte Strafnachsicht Möglich bei Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren teilbedingte Strafnachsicht Möglich bei Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren bedingte Entlassung Frühestens nach der Hälfte, mindestens 3 Monate Voraussetzung: spezial- und generalpräventiv vertretbar

Bedingte Entlassung aus vorbeugenden Maßnahmen Bedingte Entlassung ist jede Entlassung, bevor die maximal zulässige Höchstdauer der Anhaltung abgelaufen ist Daher: Aus der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach 21 Abs 1 und 2 gibt es nur bedingte Entlassungen (keine Höchstdauer!) Voraussetzung: Wegfall der spezifischen Gefährlichkeit keine Mindestanhaltedauer!

Bestimmung einer Probezeit Sonderregel für Sexualstraftäter: längere Probezeit (5 Jahre) bei bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr wegen eines Sexualdelikts ( 48 Abs 1) 10 Jahre Probezeit bei bedingter Entlassung aus Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ( 48 Abs 2) Mögliche Begleitmaßnahmen: Weisungen, zb Therapie (medizinische Behandlung mit Zustimmung) Bewährungshilfe zwingend bei bedingter Entlassung aus Sexualdelikten: 50 Abs 2 Z 2a zwingend bei bedingter Entlassung aus einer mehr als 5-jährigen oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe ( 50 Abs 2 Z 3 und 4) Widerruf möglich, wenn in der Probezeit neue Straftat begangen Weisungen aus bösem Willen nicht befolgt dem Einfluss des Bewährungshelfers entzogen

Gerichtliche Aufsicht bei Sexualstraftätern und sexuell motivierten Gewalttätern 52a StGB: Wird ein Sexualstraftäter aus einer Freiheitsstrafe oder vorbeugenden Maßnahme bedingt entlassen, so ist er für die Dauer der Probezeit unter gerichtliche Aufsicht zu stellen, soweit dies notwendig oder zweckmäßig ist, um ihn von weiteren solchen mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten. Überwachung mit Unterstützung der Bewährungshilfe, in geeigneten Fällen unter Betrauung der Sicherheitsbehörden oder anderer geeigneter Einrichtungen. Es gibt keine Führungsaufsicht oder Sicherungsverwahrung (wie in Deutschland) bei unbedingter Entlassung!

III. Sonderform des Strafvollzugs: Elektronisch überwachter Hausarrest ( Fußfessel ) Geregelt in 156a ff Strafvollzugsgesetz (StVG), seit 1. 9. 2010 = besondere Form des Strafvollzugs (Verbüßung einer unbedingten Freiheitsstrafe) Frontdoor -Variante, Backdoor -Variante Anstaltsleiter entscheidet, aber Gericht kann im Urteil Fußfessel ausschließen ( 266 Abs 1 StPO) - Fall Strasser Elektronische Überwachung durch einen Sender (derzeit in der Regel noch ohne GPS, daher nur in der Unterkunft) Aufenthalt in der Unterkunft, Verlassen nur zur Ausübung der Beschäftigung, zur Beschaffung des notwendigen Lebensbedarfs, zur medizinischen Versorgung (genauer Tagesablauf schriftlich festgelegt)

Ziel: Entlastung der Justizanstalten (sehr hohe Häftlingszahlen!) und damit des Budgets Dient der Resozialisierung (Vollzugsziel: 20 StVG) Erfolg durch vorgegebenen strukturierten Tagesablauf, sinnvolles Lebensführungstraining, soziale Stabilisierung, begleitende sozialarbeiterische Betreuung Über 1000 Mal gewährt (2 % Sexualstraftäter) kaum Rückfalle oder Missbräuche

Strafdauer: Grundvoraussetzungen o Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr zu verbüßen oder o voraussichtlich nur mehr ein Strafrest von maximal 12 Monaten zu vollziehen (vermutlich bedingte Entlassung) geeignete Unterkunft im Inland (technische Voraussetzungen) geeignete Beschäftigung ausreichendes Einkommen Kranken- und Unfallversicherung schriftliche Einwilligung der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen positive Prognose (kein Missbrauch): Tagesablauf einhalten, Bedingungen erfüllen (zb Kontaktverbot, Verbot bestimmter Örtlichkeiten), keine Flucht, keine Straftaten

Sonderregeln für Sexualstraftäter: Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) zur Prüfung der Risikofaktoren ist einzuholen neu: Opfer hat Äußerungsrecht keine Fußfessel bei Verurteilten wegen eines Sexualdelikts nach 201, 202, 205, 206, 207, 207a oder 207b StGB, bevor nicht die zeitlichen Voraussetzungen des 46 Abs 1 StGB (= bedingte Entlassung) erfüllt sind und nur, wenn aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten ist, dass der Verurteilte den elektronisch überwachten Hausarrest nicht missbrauchen werde (ebenso bei Verurteilung wegen anderer in 52a Abs 1 StGB genannter Delikte) = problematisch: Gleichheitsgrundsatz verletzt? Verstoß gegen Differenzierung und Individualisierung im Strafvollzug

Strafregistergesetz: IV. Sexualstraftäterdatei 2: Verurteilungen wegen eines Sexualdelikts sind im Strafregister besonders zu kennzeichnen (Abs 1a) Tätigkeitsverbote, gerichtliche Aufsicht und Weisungen an verurteilte Sexualtäter sind ebenfalls einzutragen (Abs 1 Z 7 und 8) 9a (1) Pflicht zur Auskunft über die gemäß 2 Abs. 1a gekennzeichneten Verurteilungen und Daten gemäß 2 Abs. 1 Z 7 und 8 an: Gerichte in Strafverfahren,, in Verfahren über die Annahme an Kindes statt und über die Regelung der Obsorge und Besuchsrecht, Staatsanwaltschaften, Sicherheitsbehörden für Zwecke der Strafverfolgung und der Überwachung der gerichtlichen Aufsicht und der Überprüfung von Tätigkeitsverboten Strafvollzugsbehörden für Zwecke des Strafvollzugs, Jugendwohlfahrtsträger, Schulbehörden, Dienstbehörden und Personalstellen der Gebietskörperschaften im Zusammenhang mit der Anstellung von Personen an Einrichtungen zur Betreuung, Erziehung oder Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen.

V. Tilgung von Verurteilungen wegen Sexualstraftaten 4a Tilgungsgesetz: (1) Im Fall einer Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung nach den 201, 202, 205, 206, 207, 207a oder 207b StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe oder im Fall einer Anordnung einer Unterbringung gemäß 21 Abs 1 StGB wegen einer solchen Tat verlängert sich die Tilgungsfrist ( 3) um das Einfache. (2) Im Fall einer Verurteilung wegen einer sonstigen im 10. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB bezeichneten strafbaren Handlung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe oder im Fall einer Anordnung einer Unterbringung gemäß 21 Abs. 1 StGB wegen einer solchen Tat verlängert sich die Tilgungsfrist ( 3) um die Hälfte.

Fazit