Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/1236 02.07.2012 Gesetzentwurf Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit Sehr geehrter Herr Präsident, als Anlage übersende ich gemäß Artikel 77 Abs. 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt den von der Landesregierung am 26. Juni 2012 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit nebst Begründung mit der Bitte, die Beschlussfassung des Landtages von Sachsen- Anhalt herbeizuführen. Federführend ist das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt. Mit freundlichen Grüßen Dr. Reiner Haseloff Ministerpräsident (Ausgegeben am 02.07.2012)
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3 Entwurf Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit. 1 In Artikel 3 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit vom 13. November 2003 (GVBl. LSA S. 318), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (GVBl. LSA S. 452), wird nach der Angabe 11 Abs. 2 Nr. 1 die Angabe Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 eingefügt. 2 Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in Kraft.
4 Begründung Allgemeines: Mit dem Gesetz soll klargestellt werden, dass die Landkreise und kreisfreien Städte nicht nur für Linienverkehre, die ausschließlich in ihrem Bezirk betrieben werden, sondern auch für kreisübergreifende Linienverkehre zuständig sind. Zu diesem Zweck soll das Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit (FSVwG LSA) rückwirkend zum 1. Januar 2005 geändert werden. Mit dem FSVwG LSA hat der Landtag die Übertragung verschiedener Zuständigkeiten auf die Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte beschlossen. Eine dieser Zuständigkeitsverlagerungen betraf die Aufgabe der Genehmigungsbehörde für den Straßenbahn- Obus- und Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen nach 11 Abs. 2 Nr. 1 und 29 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Nicht betroffen von der Zuständigkeitsverlagerung war die Aufgabe der Genehmigungsbehörde für den Gelegenheitsverkehr nach 11 Abs. 2 Nr. 2 PBefG, da diese bereits den Landkreisen und kreisfreien Städten oblag. Durch das OVG Magdeburg wurde in einem Beschluss vom 3. März 2010 (Beschluss vom 3. März 2010, Az. 3 R 284/09, juris, Abs.-Nr. 5), der erst jetzt bekannt wurde, hierzu festgestellt, ohne dass es dort entscheidungserheblich war, dass sich durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der kommunalen Verwaltungstätigkeit an der Zuständigkeitsregelung für bezirksübergreifende Linienverkehre nichts geändert habe, denn die gesetzliche Zuständigkeitsverlagerung betreffe nur 11 Abs. 2 Nr. 1, nicht aber 11 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 PBefG. Nach Auffassung des OVG bezwecke die Bezugnahme auf 29 PBefG erkennbar, den Landkreisen und kreisfreien Städten die Aufgaben als Genehmigungsbehörden nur insoweit zu übertragen, als der Verkehr bei einer Straßenbahn, ausschließlich in dem Bezirk der Stadt bzw. des Landkreises betrieben werden soll. Das Gericht führt hierzu weiter aus: Von der Übertragung der sachlichen Zuständigkeit ausgenommen sollen damit die Angelegenheiten sein, in denen der Verkehr in den Bezirken mehrerer Genehmigungsbehörden desselben Landes oder in mehreren Ländern betrieben werden soll. Nach den Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung zum Entwurf des ersten Funktionalreformgesetzes sollten die Landkreise und die kreisfreien Städte die Zuständigkeit für die Linienkonzessionen für Straßenbahnen und Omnibusse sowie für Planfeststellungsverfahren bei Straßenbahnen nach 28 PBefG erhalten. (LT-Drs. 4/1686 S. 18.) Der Verwaltungsvollzug bei diesen staatlichen Aufgaben sollte durch Gesetz übertragen werden. Wollte man die Regelung dagegen in der Weise verstehen, dass mit 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a FSVwG nur die örtliche Zuständigkeit geregelt würde, so wäre die gesetzliche Regelung eines vernünftigen Zweckes beraubt, weil es keinen Sinn macht, die örtliche Zuständigkeit der Kommunen für Verfahren nach dem PBefG zu regeln, wenn den Kommunen die sachliche Zuständigkeit nicht übertragen ist.
5 Da also keine neue Zuständigkeit für bezirksübergreifende Linienverkehre festgelegt worden sein sollen, wäre hierfür weiterhin das Landesverwaltungsamt zuständig. Seit Inkrafttreten der Zuständigkeitsverlagerung am 1. Januar 2005 haben jedoch die Landkreise und kreisfreien Städte - wie vom Gesetzgeber beabsichtigt - tatsächlich diese Aufgabe wahrgenommen. In der Konsequenz dieser Rechtsprechung haben die Landkreise und kreisfreien Städte seit 2005 für kreisgebietsübergreifende Linienverkehre Genehmigungen trotz fehlender sachlicher Zuständigkeit erteilt. Auch waren sie als Aufsichtsbehörden tätig. Dieses Handeln wäre rechtswidrig. Mit dem Gesetz soll die umfassende sachliche Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte für den Straßenbahn-, Obus- und Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen klargestellt und etwaige formelle Fehler rückwirkend zum 1. Januar 2005 geheilt werden. Dies gilt sowohl für Verfahren, die nach dem 31. Dezember 2004 durch einen Antrag eingeleitet worden sind und über die noch nicht entschieden wurde als auch für Verfahren, die bereits bestandskräftig abgeschlossen sind. Grundsätzlich besteht zwar wegen des Verstoßes gegen die Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz ein Rückwirkungsverbot. Ausnahmen können jedoch dann gelten, wenn das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig, weil sachlich nicht gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 30, 367 ff.).dies liegt vor, wenn in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit einer solchen Regelung zu rechnen war. Auch bei unklarer oder lückenhafter Rechtslage entfällt ein Vertrauensschutz. In diesen Fällen erfordert das Rechtsstaatsprinzip selbst, dass die Rechtssicherheit und Gerechtigkeit durch eine klärende Regelung rückwirkend hergestellt wird. Das Auseinanderfallen von Genehmigungszuständigkeiten für bezirksinterne und bezirksübergreifende Linienverkehre ist sach- und systemwidrig. So werden von den Aufgabenträgern bezirksinterne und bezirksübergreifende Linienverkehre zu Linienbündeln zusammengefasst, um eine wirtschaftlich tragfähige und verkehrlich sinnvolle Lösung zu schaffen. Hier ist eine einzige Genehmigungsbehörde zwingend geboten. Andernfalls könnte es auch bei der von den Genehmigungsbehörden auszuübenden Aufsichtstätigkeit zu unterschiedlichen Ermessensausübungen kommen. Dies würde das Vertrauen der Verkehrsunternehmen in eine einheitliche und verlässliche Verwaltungspraxis nachhaltig beschädigen. So lag es auch außerhalb jeder Vorstellungskraft, dass der Gesetzgeber hier eine Teilung vorsehen wollte. Selbstverständlich sind deshalb die Behörden und Verkehrsunternehmen in den vergangenen Jahren von der umfassenden Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte ausgegangen. So haben die Verkehrsunternehmen ihre Anträge bei den Landkreisen/kreisfreien Städten gestellt. Auch in Gerichtsverfahren ist dies zu keinem Zeitpunkt gerügt worden. Ein Vertrauen auf das Auseinanderfallen der Genehmigungszuständigkeiten ist somit nicht schutzwürdig. Vielmehr ist sogar das Vertrauen auf die Zusammenführung der Zuständigkeiten zu beachten. Auf dieser Basis haben sich nämlich die Unternehmen und auch Aufgabenträger auf die Rechtmäßigkeit der Genehmigungen verlassen.
6 Entsprechend der zum 1. Januar 2005 vom Gesetzgeber beabsichtigten umfassenden Aufgabenübertragung durch das FSVwG LSA wurde auch das entsprechende Personal im Landesverwaltungsamt abgebaut und auf kommunaler Ebene verstärkt. Die Rückwirkung verschlechtert daher auch nicht die Rechtsposition der Genehmigungsinhaber, denn die ihnen erteilten Genehmigungen haben unverändert Bestand. Die Gesetzesänderung passt lediglich die gesetzliche Zuständigkeitsregelung an die tatsächliche Praxis an. Im Rahmen der auf der Grundlage des Kabinettsbeschlusses vom 15. Mai 2012 erfolgten Anhörung wurden keine Anregungen zur Änderung des Gesetzentwurfs gegeben. Im Einzelnen: Zu 1: Die Änderung der Vorschrift erstreckt die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte auf Genehmigungen für einen Straßenbahn-, Obus oder einen Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, der in den Bezirken mehrerer Genehmigungsbehörden und in mehreren Ländern betrieben wird. Zu 2: Die Regelung wird rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt, damit alle in der Zwischenzeit trotz fehlender Zuständigkeit von den Landkreisen und kreisfreien Städten erteilten Genehmigungen rechtmäßig erteilt sind.