1. Handlungsoption ambulante Komplexleistung

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Transkript:

1. Handlungsoption ambulante Komplexleistung 1.1 Handlungsbedarf Leistungsanbieter müssen in die Lage versetzt werden folgende Behandlungsleistungen interdisziplinär, multiprofessionell und personenbezogen integriert als Komplexleistung zu realisieren. Die Leistungen sind in der Planung abgestimmt und im Verlauf verbindlich koordiniert zu erbringen: psychiatrisch/psychotherapeutische (fachärztliche) Behandlung, ambulante Psychotherapie, somatische ärztliche Behandlung, psychiatrische und somatische Krankenpflege, Soziotherapie, Heilmittel insbesondere Ergotherapie, Physiotherapie und weitere Therapien. Die auf den einzelnen Patientinnen und Patienten bezogene Gesamtverantwortung muss definiert sein. 1.2 Versorgungsrealität und rechtliche Ausgangssituation Zurzeit sind solche Komplexleistungen nur begrenzt möglich: im Bereich der Institutsambulanzen mit der Einschränkung auf eine bestimmte Patientengruppe und Einschränkungen im Leistungsumfang in Selektivverträgen nach 140 a SGB V als Besondere Versorgungsverträge in der Regelversorgung im ambulanten Bereich. In Modellvorhaben nach 64b SGB V werden aktuell Leistungsausweitungen der Institutsambulanzen erprobt. im Rahmen von Projekten im Innovationsfonds. Im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind durch die Sozialpsychiatrievereinbarung auf der Grundlage von 43 a und 85 Abs. 2 Satz 4 SGB V Möglichkeiten für ambulante Komplexleistung für psychisch erkrankte Kinder- und Jugendliche geschaffen worden und haben sich im Rahmen einer Evaluation bewährt. 1.3 Handlungsoptionen Zur Erbringung ambulanter Komplexleistungen sollten sozialpsychiatrische Schwerpunktpraxen im Bereich der fachärztlichen bzw. ambulanten Versorgung (vergleichbar SPV KiJu) ermöglicht werden, die multiprofessionell und teambezogen aufgestellt, sowie ärztlich geleitet sind und die Psychotherapie, Krankenpflege, Soziotherapie, Ergotherapie, ggf. Physiotherapie integriert anbieten können. Auch den Institutsambulanzen sollte in allen psychiatrischen Behandlungsbereichen die Möglichkeit der ambulanten Komplexleistung eröffnet werden, d.h. dass hier Einschränkungen der Behandlungsbefugnis für diesen Bereich entfallen müssen. Eine rechtliche Verankerung ist denkbar durch eine Einfügung eines 43 d SGB V in Anlehnung an 43 a SGB V. Auswirkungen auf die Bedarfsplanung sind zu beachten. Eine extrabudgetäre Leistungsvergütung sollte zur Optimierung der personenzentrierten Zugangssteuerung ermöglicht werden. Als Finanzierungsmodus sind gestufte, bedarfsbezogene Pauschalen denkbar. 1.4 Finanzielle Folgen Bei ca. 2-3 % der Patientinnen und Patienten mit einer F-Diagnose, die eine ambulante Komplexleistung benötigen, ist mit einem Finanzierungsaufwand von bis zu 500 600 Millionen Euro (bei ca. 12 Milliarden Euro Budgetvolumen im Bereich psychischer Erkrankungen) zu rechnen. Diese Kosten werden weitgehend durch Kostenreduzierungen kompensiert, die durch Vermeidung von Krankenhausbehandlung entstehen. 1

2. Handlungsoption einzelfallbezogene Koordination 2.1 Handlungsbedarf Eine einzelfallbezogene Koordination und motivierende Begleitung psychisch kranker Menschen sind als Regelleistung erforderlich. Der Zugang zu diesen Funktionen muss besonders niedrigschwellig sein. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung sollte hinreichendes Kriterium zum Anspruch sein. Die Koordination sollte berücksichtigen: sektorübergreifend Leistungen (ambulante Behandlung, Krankenhausbehandlung, medizinische Rehabilitation) ärztliche Behandlung (Psychiatrie/Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie/- psychotherapie, Hausärzte, weitere FÄ) Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie Verordnete Behandlungsleistungen (häusliche (psychiatrische) Krankenpflege, Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie usw.) Pflegeleistungen nach SGB XI sonstige auf die psychische Erkrankung bezogene Leistungen (Sozialpsychiatrische Dienste, Leistungen zur Teilhabe und Krisendienste). 2.2 Versorgungsrealität und rechtliche Ausgangssituation 37a SGB V begründet den Anspruch auf Soziotherapie zur Koordinierung von Leistungen sowie der Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme, benennt dabei aber folgende Beschränkungen: Schwere psychische Erkrankung, fehlende Fähigkeit zur selbständigen Inanspruchnahme, Koordinierung verordneter Leistungen und Vorliegen von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit, die durch Soziotherapie aufgehoben wird. Die Leistung ist zuzahlungspflichtig. Die genannten Beschränkungen werden in Richtlinien des GBA aufgegriffen und tragen im Ergebnis dazu bei, dass Soziotherapie als verordnete Einzelleistung nur selten geleistet wird. Im Rahmen von einigen Verträgen zur Integrierten Versorgung wird Soziotherapie bei den eingeschlossenen Versicherten regelhaft eingesetzt. 2.3 Handlungsoptionen Neuformulierung des 37a SGB V dahingehend, dass diejenigen Beschränkungen des Anspruchs auf Soziotherapie entfallen, die den Zugang zur Soziotherapie erschweren. 2.4 Finanzielle Folgen Es ist davon auszugehen, dass etwa 5% der Versicherten mit einer F-Diagnose ohne Soziotherapie im ambulanten Behandlungsbereich entweder unzureichende oder zumindest unzureichend koordinierte Behandlungsleistungen erhalten. Die zusätzlichen Kosten einer einzelfallbezogenen Koordination werden durch Kostenreduzierungen kompensiert, da das Fehlen derselben zu vermeidbaren Krankenhausbehandlungen führt. Die Kosten der Soziotherapie lagen 2018 bei 12,2 Millionen Euro (hochgerechnet aus den Angaben für die Quartale 1-3). Im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung der Soziotherapie im Jahr 2000 wurden die Kostenfolgen auf 128 Millionen Euro / Jahr geschätzt. 2

3. Handlungsoption ambulante niedrigschwellige Hilfen bei psychischen Krisen 3.1 Handlungsbedarf Ein Leistungsbereich psychiatrische Krisenhilfe ist erforderlich, um Suizide, Gesundheitsschäden, Krankenhausbehandlung, Zwangsmaßnahmen (Unterbringung und Zwangsbehandlung), minderbares subjektives Leid sowie Belastung, ggf. Überlastung von Angehörigen und sonstigen Bezugspersonen zu vermeiden. Psychiatrische Krisenhilfe soll diagnostische Abklärung, Gefahrenabwägung, therapeutische Krisenintervention und verlässliche Weiterleitung zu nachfolgend erforderlichen Hilfen leisten. 3.2 Versorgungsrealität und rechtliche Ausgangssituation Niedrigschwellige Krisenhilfen werden im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes in der Regel nur tagsüber in den Arbeitszeiten der Sozialpsychiatrischen Dienste angeboten Insbesondere in den Abendstunden und am Wochenende sind die bestehenden Hilfen unzureichend. Sie werden eingeschränkt durch Institutsambulanzen an psychiatrischen Kliniken, ärztliche Bereitschaftsdienste der KV und Notfallambulanzen der Krankenhäuser geleistet (geringe Zeitkontingente, i.d.r. keine aufsuchende Hilfe und keine aufgrund Fremdmeldung). Psychische Krisen können im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen stehen oder Ausdruck einer temporären psychischen Überforderung sein, die zu einer Erkrankung führen. In diesen Fällen sind Leistungen nach SGB V zu erbringen. Psychische Krisen können auch in der Zuständigkeit anderer Leistungsträger stehen: im Zusammenhang mit einer seelischen Behinderung (SGB IX), bei sozialen, finanziellen oder sonstigen Lebensproblemen, ohne dass eine psychische Erkrankung vorliegt (allgemeine Daseinsvorsorge), ohne direkten Krankheitszusammenhang im Kindes- und Jugendalter (SGB VIII). In diesen Fällen sind andere Leistungsträger zuständig. 3.3 Handlungsoptionen Das BMG hat eine Neuordnung der Notfallversorgung angekündigt. In diesem Zusammenhang ist den besonderen Anforderungen an psychiatrische Krisenhilfe Rechnung zu tragen. Ein ergänzendes regionales System der niedrigschwelligen Hilfe bei psychischen Krisen und Notfallversorgung bei psychischen Erkrankungen ist erforderlich. Die Funktion Krisenhilfe soll kooperativ durch bestehende Einrichtungen und die Therapeutenschaft geleistet werden. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Leistung, die gesondert zu vergüten ist. Diese sollte in den Leistungskatalog des SGB V aufgenommen werden. Dabei ist eine anteilige Finanzierung durch die GKV gesetzlich zu regeln. Die Finanzierung durch die GKV soll extrabudgetär erfolgen. Daher sind gesetzliche Regelungen empfehlenswert, die ermöglichen, die psychiatrische Krisenhilfe auch im Rahmen einer Mischfinanzierung unter Einbeziehung der Träger der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe und der Kommunen bzw. Länder zu erbringen. 3.4 Finanzielle Folgen Die zusätzlichen Kosten einer psychiatrischen Notfallversorgung werden durch Kostenreduzierungen kompensiert, da das bestehende System der psychiatrischen Krisenhilfe zu vermeidbaren Krankenhausbehandlungen führt. Gemäß der Münchner Krisenstudie (Schleuning/ Welschehold 2000) könnten auf ganz Deutschland bezogen pro Jahr ca. 800.000 Menschen eine psychiatrische Krisenhilfe in Anspruch nehmen. 3

4. Handlungsoption Medizinische Rehabilitation 4.1 Handlungsbedarf Nach einer Behandlung in einer psychiatrisch/psychotherapeutischen oder psychosomatisch/psychotherapeutischen Klinik (stationär, teilstationär oder stationsäquivalent) reichen bei einem Teil der psychisch erkrankten Menschen mit erheblichen funktionellen Störungen ambulante Behandlung nicht aus, um Krankheitsfolgen zu überwinden bzw. eine drohende Behinderung zu vermeiden sowie Pflegebedürftigkeit zu verhindern. In diesen Fällen ist medizinische Rehabilitation angezeigt. Dabei kommt der therapeutischen Kontinuität, einschließlich der personellen Kontinuität der Therapeuten und zeitnaher Realisation, hohe Bedeutung zu. Bei der Leistungserbringung sind mobile, flexible, individualisierte, ambulante und (nachrangig) stationäre Angebote sicherzustellen. Der Grundsatz Rehabilitation vor Pflege ist zu beachten. 4.2 Versorgungsrealität und rechtliche Ausgangssituation Es bestehen Angebote zur medizinischen Rehabilitation für Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen einschließlich Suchterkrankungen. Für Menschen mit sonstigen schweren psychischen Erkrankungen wird nur punktuell medizinische Rehabilitation angeboten. Am wenigsten verbreitet bzw. regelhaft nicht vorhanden ist die mobile Rehabilitation. Nach 11 SGB V besteht bereits ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation. In 27 Abs.1 gibt der Gesetzgeber vor, die besonderen Bedürfnisse psychisch erkrankter Menschen bei der medizinischen Rehabilitation zu beachten. Diese Besonderheiten sind gesetzlich nicht konkretisiert. Die Zuständigkeit für die medizinische Rehabilitation mit den angeführten Zielsetzungen liegt nach 40 SGB V bei der Krankenversicherung. Sofern das Ziel der Rehabilitation die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ist, sind Leistungen der Rentenversicherung bei Erfüllung der leistungsrechtlichen Vorrausetzungen vorrangig. 4.3 Handlungsoptionen Sozialpsychiatrische Schwerpunktpraxen, psychiatrische Kliniken und geeignete Rehabilitationseinrichtungen müssen ermächtigt werden, mobile und ambulante medizinische Rehabilitationsangebote vorzuhalten, die auch auf komplexe psychische Störungsbilder ausgerichtet sind und Komorbiditäten berücksichtigen. Intensität und Dauer müssen individuell bestimmt werden. Der Zeitrahmen soll bis 12 Monate reichen. Im Rahmen der Behandlung sollte eine verpflichtende Bedarfsprüfung in Bezug auf medizinische Rehabilitation vorgegeben werden. Eine rechtliche Verankerung ist denkbar dadurch, dass: die besonderen Bedürfnisse psychisch Kranker ( 27 Abs. 1 SGB V) im Gesetz konkretisiert werden, die Vorhaltung mobiler Rehabilitation im häuslichen Umfeld und ärztlich verantworteter multiprofessioneller Rehabilitationsteams präzisiert wird, im Versorgungsmanagement Rehabilitationsangebote und die Rehaberatung einbezogen werden. 4

4.4 Finanzielle Folgen Es ist davon auszugehen, dass zusätzlich zu den bisherigen Inanspruchnahmen etwa 0,3 % der Patientinnen und Patienten mit einer F-Diagnose eine mobile, flexible ambulante bzw. nachrangig eine individualisierte stationäre medizinische Rehabilitation zu Lasten der GKV benötigen. Bisher liegt die Bewilligung von medizinischen Reha-Maßnahmen bei psychischen Erkrankungen einschließlich der psychosomatischen Rehabilitation zu Lasten der GKV insgesamt bei unter 0,1 %. Der Finanzierungsaufwand von bis zu 600 Millionen Euro (bei ca. 12 Milliarden Euro Budgetvolumen im Bereich psychischer Erkrankungen) würde teilweise kompensiert durch die Verkürzung und Vermeidung stationärer Behandlung. 5