Was kann man Kindern zumuten? Kinderbetreuung aus entwicklungspsychologischer Sicht



Ähnliche Dokumente
Entwicklung des Heimrechtes unter Berücksichtigung des Pflege- Neuausrichtungsgesetzes. Hannover im September Axel Merschky, BP-LWTG

erstmalig erwähnt 1048 Bedarfsabfrage 09/2015 GEMEINDE BIBURG Bedarfserhebung

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Bedarfsgerechte Angebote in der Kindertagesbetreuung

Kommunalwahl 2014 Stolberg

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Wie ist das Wissen von Jugendlichen über Verhütungsmethoden?

WdF Manager Monitoring Büroarbeitsplätze 2014

kinderbetreuung Wir fördern Vereinbarkeit

Seminar für Führungskräfte

Elternzeit Was ist das?

ANE Elternbriefe. Ihr Baby ist nun ein Kleinkind. Arbeitskreis Neue Erziehung e. V. in Leichter Sprache 2

Zwischenergebnisse der Befragung der Träger der Jugendarbeit in Worms

Online Befragung Familienfreundliche Region Mitte Februar Ende April 2008

2. Krippenpädagogik im Kontext historischer und sozialer Entwicklungen...13

Insiderwissen Hintergrund

Infos: / Tel:

Der Elternkurs Starke Eltern Starke Kinder der Stiftung Kinderschutz Schweiz

Konzeption & Umsetzung eines länderübergreifenden IKZM - Prozesses

Die ersten Tage in der Kinderkrippe

Weiterbildungen 2014/15

Zertifizierte Weiterbildung. Case Management

Darum geht es in diesem Heft

Inhaltverzeichnis: 1. Die Krippe stellt sich vor. 2. Öffnungszeiten. 3. Aufnahmekriterien. 4. Das Kind und seine Bedürfnisse

Information zum Projekt. Mitwirkung von Menschen mit Demenz in ihrem Stadtteil oder Quartier

Der BeB und die Diakonie Deutschland fordern: Gesundheit und Reha müssen besser werden. So ist es jetzt:

1 Einleitung. Lernziele. automatische Antworten bei Abwesenheit senden. Einstellungen für automatische Antworten Lerndauer. 4 Minuten.

Tipps für die praktische Durchführung von Referaten Prof. Dr. Ellen Aschermann

Betreuungsbedarfe zwischen Wunsch und Angebot. Die

Arbeitshilfe "Tipps für Gespräche mit Vorgesetzten und KollegInnen" Was gilt für mich?

EINE UNI FÜR ALLE. Universität Luzern, Montag, 5. Mai Uhr

Sailing Events, Teambuilding, Matchraces. Trivia GmbH, Rothenbaumchaussee 69, Hamburg; Tel.:

Das Recht auf gesundheitliche Versorgung ein Menschenrecht!

Die Bedeutung von Breitband als Standortfaktor für Unternehmen

Bewerbungsformular für das Förderprogramm Teamwork gefragt! Beteiligung von Personen aus anderen Kulturen in der Gemeinde

Die richtigen Partner finden, Ressourcen finden und zusammenführen

Pressegespräch. Kundenbefragung der Evangelischen Heimstiftung. im Karl-Wacker-Heim am 11. April 2012

Schnorrenberger Immobilien Gruppe

Nick Kratzer Arbeit und Leben unter Druck: Auf dem Weg in eine Reproduktionskrise?

Abwesenheitsnotiz im Exchange Server 2010

Eingewöhnung. Wie ein guter Start gelingt

Schön, dass ich jetzt gut

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Was ist Journalismus? Basis-Stilform: Die Nachricht. Metall. Macht. Medien. Eine Plattform der IG Metall Jugend

Ergebnisse zur Umfrage GC MARKT-BLITZLICHT No. 6 Mitarbeiter gewinnen. 08. August 2014

Das Institut für berufliche Aus- und Fortbildung stellt sich vor

AUFGABE 1 - INTERAKTION AUFGABENSATZ 1

Was erwartet Sie beim Einstellungstest?

Jahresbericht des Patientenfürsprechers aus dem HELIOS Klinikum Berlin-Buch für den Zeitraum bis

Meinungen zum Sterben Emnid-Umfrage 2001

LVR - Integrationsamt. Herzlich. Willkommen! Folie 1

Checkliste zur Vorbereitung für die Führungskraft

II. Daten sichern und wiederherstellen 1. Daten sichern

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

dem Vater der Mutter des betreuten Kindes/der betreuten Kinder. Mein Kind/ Meine Kinder wird/werden in der Woche durchschnittlich Stunden betreut.

Energieeffizienz. Ergebnisse einer repräsentativen Telefonbefragung bei 400 B2B-Finanzentscheidern

Erfolgsfaktor Work-Life Balance? Ein Vergleich verschiedener Personengruppen

Kinderkrippe Die Schäfchen

Risikomanagement bei PPP Projekten: Erfahrungen aus Deutschland

Nina. bei der Hörgeräte-Akustikerin. Musterexemplar

Statuten in leichter Sprache

Erlebnisorientiertes Lernen mit Pferden

Unterschrift eines Erziehungsberechtigten

Integrierte Dienstleistungen regionaler Netzwerke für Lebenslanges Lernen zur Vertiefung des Programms. Lernende Regionen Förderung von Netzwerken

Dresdner Pflegestammtisch

Kinder zwischen 0 und 3 Jahren

Das Stationsportal der DB Station&Service AG - Das Rollenkonzept. DB Station&Service AG Vertrieb Stationsportal Berlin, Juli 2015

Übergänge- sind bedeutsame Lebensabschnitte!

pme Familienservice GmbH Internet:

teamsync Kurzanleitung

Wir beraten und vermitteln alle Formen der Kinderbetreuung.

Verkaufsgespräch. Der Umgang mit Kunden. Der Umgang mit Kunden. Der Umgang mit Kunden

Soziale Arbeit an Schulen im Landkreis Bad Kreuznach Ergebnisse der Online Befragung 2015

Liebe Interessierte an technischen Lösungen für die Sicherheit zu Hause,

Was sind die Gründe, warum die Frau, der Mann, das Paar die Beratungsstelle aufsucht?

P H I U S. Strategieentwicklung in Wissenschaft und Forschung

Wärmebildkamera. Arbeitszeit: 15 Minuten

Qualitätsbereich. Mahlzeiten und Essen

Sozialbegleitung für Familien in den Sozialen Diensten der Stadt Zürich

Fit & Sexy für erfolgreiche Kundenakquisition?

Meinungen der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und Berlin zu einer Bewerbung um die Austragung der Olympischen Spiele

Erfolg beginnt im Kopf

Sind wir attraktiv für Mitarbeiter? Employer Branding für Unternehmen auf Wachstumskurs.

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Entwicklung und Stärkung der persönlichen Kompetenzen!

Naturgewalten & Risikoempfinden

micura Pflegedienste München/Dachau GmbH

[Customer Service by KCS.net] KEEPING CUSTOMERS SUCCESSFUL

Frauen und ihr Verständnis von Schönheit

Vertretungsrollen QISPOS

Aktuell zu vergebende Themen für Abschlussarbeiten (Bachelor, Master und Diplom)

Test: Sind Sie ein Unternehmertyp?

Was man über das Perlenfinden wissen sollte...

Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am politischen Willensbildungsprozess und an politischen Entscheidungen. Bonn, Mai 2014

Motivationale Aspekte des gemeinsamen Lernens aus Sicht der Medizin- und Pflegestudierenden

Agile Prozesse und IKS-Maturität braucht es eine neue Art der Revision?

Pflegerisiko und Pflegeversicherung Status und Potenziale aus Sicht von Versicherungsmaklern und Verbrauchern

mehrmals mehrmals mehrmals alle seltener nie mindestens **) in der im Monat im Jahr 1 bis 2 alle 1 bis 2 Woche Jahre Jahre % % % % % % %

Anleitung für die Teilnahme an den Platzvergaben "Studio II, Studio IV und Studio VI" im Studiengang Bachelor Architektur SS15

Mit denken - nicht ausgrenzen Kinder und Jugendliche mit Behinderung und ihre Familien

Transkript:

Was kann man Kindern zumuten? Kinderbetreuung aus entwicklungspsychologischer Sicht Harald WERNECK, Fakultät für Psychologie Institut für Angewandte Psychologie: Gesundheit, Entwicklung und Förderung Impuls-Vortrag im Rahmen der Veranstaltung Familie 3.0 Impulse für Gesellschaft, Wissenschaft und Politik Wien, 20. November 2014 Liebiggasse 5/1 A-1010 Wien Tel.: +43 1/4277 472-62 Fax: +43 1/4277 8 472-62 e-mail: harald.werneck@univie.ac.at www: http://homepage.univie.ac.at/harald.werneck

Wie viel Betreuung braucht ein Kind? in welchem Alter? Welche Betreuung braucht ein Kind? welches Kind? Wer soll das Kind betreuen? Wie viele Bezugspersonen sind optimal für ein Kind? in welchem Alter? Wie viel Freiräume brauchen welche Kinder wann? Was sollte man Kindern zutrauen/zumuten, was nicht? Folie 2 (von 15)

Kinderkrippen werden nicht als eine Einrichtung verstanden, die den Kleinkindern optimale Erziehungsvoraussetzungen schaffen sollen, sondern als Notlösung für Mütter, die ihre Kleinkinder wegen ihrer Berufstätigkeit oder aus anderen Gründen nicht betreuen können oder wollen (Bundeskanzleramt, 1979). Folie 3 (von 15)

Folie 4 (von 15)

National Institute of Child Health and Human Development (NICHD) Study of Early Child Care (Huston & Rosenkrantz Aronson, 2005): 1.053 Mütter (Zeitbudgetstudie; urspr. 7- bis 8-Monate alte Kinder); insg. keine signif. Zusammenhänge zwischen der gemeinsam verbrachten Zeit und Bindungssicherheit, sozialer Kompetenz und sprachlicher Entwicklung (15-36 Monaten); berufstätige Mütter nützen die (geringere) Zeit mit ihren Kindern anders (mehr mit sozialen Interaktionen); Folie 5 (von 15)

Australische Studie üb. mütterl. Erwerbstätigkeit und Bindungssicherheit (Harrison & Ungerer, 2002): Mütter, die vor der Geburt des Kindes positiver zu mütterlicher Erwerbsarbeit eingestellt waren, hatten - weniger Bedenken gegenüber außerfamiliären Betreuungsformen, - stiegen früher in den Beruf (wieder-) ein und hatten - eher sicher gebundene Kinder; Zusammenhang zwischen früher mütterlicher Erwerbstätigkeit und Bindungsunsicherheit wird stark beeinflusst/vermittelt durch die erhöhte Sorge bzw. Depressivität der Mütter; (Stifter, Coulehan & Fish, 1993) Folie 6 (von 15)

Qualität in der außerfamiliären Kindertagesbetreuung (Beckh, Mayer, Berkic & Becker-Stoll, 2014) Daten aus Nationaler Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit / NUBBEK (1956 Familien) - Krippengruppen (118) - Tagespflegestellen (164) - Altersgemischte Gruppe (139) - Kindergartengruppen (146) Folie 7 (von 15)

Pädagogische Qualität im Durchschnitt * * Ü3-Bereich U3-Bereich Folie 8 (von 15)

Pädagog. Qualität in den einzelnen Teilbereichen (U3) * * * * * Folie 9 (von 15)

Bindungsbeziehungen in Doppelbetreuungen: Kinder in Krippen und Tagespflege im Vergleich (Supper, Piskernik & Ahnert, 2014) Daten aus Wiener Krippenstudie (WiKi) Erzieherin / Krippe / (n = 100) Tagesmutter / -pflege (n = 196) ausschl. famil. Betreuung (n = 104) Folie 10 (von 15)

Bindungsbeziehungen in Doppelbetreuungen Folie 11 (von 15)

Zusammenfassung und Fazit (1): Die Einstellungen und auch der Stand der Forschung zur Kinderbetreuung (speziell < 3 J.) ändern sich. Die Idealvorstellungen und auch die gelebte Praxis der Kinderbetreuung unterscheiden sich regional beträchtlich. Verschiedene Betreuungsformen z.b. familiär vs. außerfamiliär bewirken nicht automatisch eine bessere od. schlechtere kindliche Entwicklung. Die Erwartungshaltungen moderieren wesentlich den Erfolg unterschiedlicher Betreuungsformen. Folie 12 (von 15)

Zusammenfassung und Fazit (2): Umfassenderes und vielfältigeres Angebot positiv; Aber: Qualitätsniveau der außerfamilialen Kindertagesbetreuung optimierbar; Fokus künftig mehr auf Verbesserung der Qualität (z.b. Gruppengrößen, Ausbildung); Im Detail gibt es Unterschiede zwischen einzelnen Betreuungsformen. In der Tagespflege entwickeln Kinder (< 3 J.) z.b. eher sichere Beziehungen zur Betreuungsperson als in Krippen; Vorteile in kog. Bereichen; Krippe: Vorteile bei soz. Kompetenzen; Es gibt nicht die einzig richtige Antwort auf die Frage nach der absolut besten Betreuungsform; hängt maßgeblich von persönlichen und gesellschaftlichen Erwartungen und Rahmenbedingungen ab. Passendstes Modell im Einzelfall finden Goodness of fit ; Folie 13 (von 15)

Danke für die Aufmerksamkeit. Folie 14 (von 15)