Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1701 10. 05. 2012 Antrag der Abg. Arnulf Freiherr von Eyb u. a. CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Ausbildungssituation im Weinbau in Baden-Württemberg Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie sich die Ausbildungssituation in den Weinbauberufen (Winzerin und Winzer, Winzermeisterin und Winzermeister, Küferin und Küfer, Weinbautechnikerin und Weinbautechniker, Önologin und Önologe) in den letzten zehn Jahren in Baden-Württemberg entwickelt hat; 2. seit wann es an der Hochschule Heilbronn Diplom-Studiengänge im Fachgebiet Wein gibt und welche Angebote es diesbezüglich bislang gab bzw. derzeit noch gibt; 3. wie sich die Studienanfänger- und Absolventenzahlen seit Einführung der weinspezifischen Studienangebote an der Hochschule Heilbronn entwickelt haben und welche Chancen die Absolventen in der Weinwirtschaft haben; 4. ob angesichts der demografischen Entwicklung der Bedarf an Weinbaufachkräften für die Familienbetriebe und das gesamte Weincluster in Baden-Württemberg durch die Abgänger und Absolventen gedeckt werden kann; 5. was sie unternimmt, um den Weinbaufachkräftebedarf in Baden-Württemberg zu sichern; 6. ob bereits Anstrengungen unternommen werden, auch in anderen europäischen Staaten Fachkräfte für den Weinbau anzuwerben; Eingegangen: 10. 05. 2012 / Ausgegeben: 06. 06. 2012 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Der Blaue Engel. 1
7. ob sie sowohl das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg als auch die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg erhalten wird und wie gegebenenfalls deren Aufgaben angepasst werden sollen. 09. 05. 2012 von Eyb, Rombach, Locherer, Rüeck, Brunnemer, Reuther, Dr. Rapp, Traub CDU Begründung Es gibt Signale aus der Weinwirtschaft, dass zukünftig Weinbaufachkräfte fehlen. Die gute Qualität der baden-württembergischen Weine und der wachsende Weintourismus im Land brauchen Fachlichkeit. Dafür hat die Landespolitik Sorge zu tragen. Stellungnahme Mit Schreiben vom 31. Mai 2012 Nr. Z(24) 0141.5 nimmt das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie sich die Ausbildungssituation in den Weinbauberufen (Winzerin und Winzer, Winzermeisterin und Winzermeister, Küferin und Küfer, Weinbautechnikerin und Weinbautechniker, Önologin und Önologe) in den letzten zehn Jahren in Baden- Württemberg entwickelt hat; Zu 1.: In der folgenden Tabelle ist die Entwicklung der Schülerzahlen in Fünfjahresetappen von 2000 bis 2011 dargestellt. Jahr 2000 2005 2010 2011 Erstausbildung Weinküfer/-in 1) 75 84 63 59 Winzer/-in 1) 150 202 196 184 Weiterbildung Techniker/-in für Weinbau 25 25 26 25 Winzermeister/-in 9 26 9 14 Wirtschafter/-in für Weinbau und Önologie 20 2) 29 32 3) 39 1) Anzahl der Schüler/-innen über alle drei Ausbildungsjahre 2) davon 5 Schüler/-innen aus 1999 3) davon 6 Schüler/-innen aus 2009 2
2. seit wann es an der Hochschule Heilbronn Diplom-Studiengänge im Fachgebiet Wein gibt und welche Angebote es diesbezüglich bislang gab bzw. derzeit noch gibt; Zu 2.: An der Hochschule Heilbronn wird der Studiengang Weinbetriebswirtschaft angeboten, der in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert. Der auf sieben Semester ausgerichtete Studiengang Weinbetriebswirtschaft ist als Praxis-Kompetenz-Studium angelegt. Analytisches und strukturiertes Denken sowie interkulturelle Kompetenzen werden während des Studiums trainiert. Ein Praxissemester ist integraler Bestandteil des Studiums. Außerdem können die Studierenden die theoretisch vermittelten Grundlagen in der studentischen Lehrfirma Perspektive Wein e. G. in die Praxis umsetzen. 3. wie sich die Studienanfänger- und Absolventenzahlen seit Einführung der weinspezifischen Studienangebote an der Hochschule Heilbronn entwickelt haben und welche Chancen die Absolventen in der Weinwirtschaft haben; Zu 3.: Die Studienanfänger- und Absolventenzahlen des Studiengangs Weinbetriebswirtschaft (1995 bis 2011) können aus der folgenden Tabelle entnommen werden: Jahr Studienanfänger Absolventen 1995 21 12 1996 21 11 1997 20 7 1998 20 13 1999 23 9 2000 21 15 2001 22 18 2002 30 11 2003 29 13 2004 37 20 2005 26 10 2006 28 27 2007 31 22 2008 29 31 2009 27 26 2010 33 31 2011 32 16 Die betriebswirtschaftlichen Studieninhalte ergänzt durch weinbauliche und önologische Kenntnisse sowie umfangreiche praktische Erfahrungen ermöglichen den Absolventen später ein breites Einsatzfeld in der Weinwirtschaft sowie in den verwandten Bereichen im In- und Ausland. Die Absolventen finden deshalb problemlos adäquate Arbeitsplätze in der Weinwirtschaft. 3
4. ob angesichts der demografischen Entwicklung der Bedarf an Weinbaufachkräften für die Familienbetriebe und das gesamte Weincluster in Baden-Württemberg durch die Abgänger und Absolventen gedeckt werden kann; Zu 4.: Die dargestellten Verläufe (siehe oben) zeigen einen stabilen Umfang in der Ausbildung. Der Betrachtungszeitraum ist hingegen, aufgrund des Strukturwandels, geprägt von einem Rückgang der Zahl weinbautreibender Betriebe. Die weinbauliche Struktur in den Nachbarregionen im In- und Ausland und der daraus resultierende Wettbewerbsdruck in Verbindung mit der zunehmend verbesserten Mechanisierbarkeit bedingen ein weiteres kontinuierliches Wachstum der Betriebe. Deshalb ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass der Bedarf an Weinbaufachkräften, von Einzelfällen abgesehen, zukünftig gedeckt werden kann. 5. was sie unternimmt, um den Weinbaufachkräftebedarf in Baden-Württemberg zu sichern; Zu 5.: Die Landesregierung hat bereits große Anstrengungen unternommen, um den Fachkräftebedarf auch in Zukunft decken zu können. Ein wichtiger Baustein zur Sicherung des Fachkräfteangebots in den verschiedenen Branchen ist die Allianz für Fachkräfte Baden-Württemberg, die am 15. Dezember 2011 unter dem Vorsitz des Finanz- und Wirtschaftsministeriums gegründet wurde. Die Fachkräfteallianz hat zum Ziel, dem prognostizierten Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Allianzpartner sind Wirtschaftsorganisationen, Gewerkschaften, Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit, die kommunalen Spitzenverbände, die regionalen Wirtschaftsfördergesellschaften, der Landesfrauenrat und das Land. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist Mitglied in der Allianz. Die Allianzpartner setzen bisher schon erfolgreich Maßnahmen um, die sie weiterentwickeln werden. In der Fachkräfteallianz wird vor allem ein Dialog über gemeinsam umsetzbare zusätzliche Maßnahmen geführt. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz übernimmt für die Wirtschaftszweige in seinem Ressortbereich die Federführung für das Land. Nähere Informationen sind unter www.fachkraefteallianz-bw.de eingestellt. Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs in Baden-Württemberg stellt das umfangreiche Aus- und Weiterbildungsangebot im Weinbau dar. Schulische Aus- und Weiterbildung findet u. a. in folgenden Einrichtungen statt: in den Berufsschulen Heilbronn und Freiburg für die Ausbildung zum/r Winzer/-in in der Berufsschule Heilbronn für die Ausbildung zum/r Weinküfer/-in in den Fachschulen Weinsberg und Emmendingen-Hochburg für die Fortbildung zum Wirtschafter für Weinbau und Önologie in der Fachschule Weinsberg für die Fortbildung zum/r Techniker/-in für Weinbau und Önologie Ergänzend gibt es für Nebenerwerbswinzer in Baden-Württemberg ein Weiterbildungsangebot in Teilzeitform. Die Teilnehmer dieses Kurses schließen mit dem Abschluss Staatlich geprüfte Fachkraft Nebenerwerbslandwirtschaft, Fachrichtung Weinbau ab. Ferner werden an den beiden weinbaulichen Landesanstalten Nachwuchskräfte für den Weinbau ausgebildet. Das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg (WBI) und die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO) sind in den jeweiligen Regionen die größten Ausbildungsbetriebe. Im Rahmen von internen und externen Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen werden an den beiden Institutionen sowohl hauptberufliche Winzer als auch Nebenerwerbswinzer und Weinbaufachkräfte weitergebildet. Dabei werden z. B. Fachinhalte aus den Bereichen Weinbau, Rebschutz, Sortenwesen und Kellerwirt- 4
schaft einschließlich spezieller Fragen des ökologischen Weinbaus, sowie aktuelle Erkenntnisse aus der Forschungstätigkeit präsentiert und diskutiert. Diese Veranstaltungen werden überregional angeboten. Für Interessenten mit entsprechender Qualifikation bietet die Hochschule Heilbronn den Studiengang Weinbetriebswirtschaft an (s. Frage 2. und 3.). Darüber hinaus werden auch an der Universität Hohenheim in unterschiedlichen Studiengängen Fachkräfte für die Weinwirtschaft ausgebildet. 6. ob bereits Anstrengungen unternommen werden, auch in anderen europäischen Staaten Fachkräfte für den Weinbau anzuwerben; Zu 6.: Eine Studie der Industrie- und Handelskammern Baden-Württemberg kommt zu dem Ergebnis, dass trotz der allgemeinen Mangelsituation Fachkräfte- bzw. Hilfskräfteüberschüsse in einzelnen Bereichen bestehen. In den Dienstleistungsbranchen zeichnet sich zukünftig der größte Mangel an Fachkräften ab; im Bereich der landwirtschaftlichen Berufe ist diese Lücke nicht so groß. Für den Weinbau ist aufgrund der dargestellten Schülerzahlen und Strukturentwicklung sowie der Attraktivität dieser Branche für Quereinsteiger kurz- bis mittelfristig kein Fachkräftemangel zu erwarten. Nach Auffassung der Landesregierung muss zur Sicherung des Fachkräfteangebots in erster Linie das inländische Beschäftigungspotenzial ausgeschöpft werden. Eine wesentliche Bedeutung zur Deckung des Fachkräftebedarfs wird den Fort- und Weiterbildungsaktivitäten beigemessen. Berufliche Weiterbildung dient dabei als Bestandteil des lebenslangen Lernens und zielt sowohl auf den Erhalt als auch auf die Erweiterung der Beschäftigungsfähigkeit. Angesichts der demografischen Entwicklung kann die Zuwanderung von Fachkräften aus anderen europäischen Staaten darüber hinaus auch helfen, zusätzliche Fachkräfte zu rekrutieren. Die Allianz für Fachkräfte Baden-Württemberg knüpft an den beiden aufgeführten Handlungsfeldern an. Außerdem erfolgt bereits seit vielen Jahren die Anwerbung von Saison-Arbeitskräften aus anderen europäischen Staaten für den Einsatz während der Arbeitsspitzen beim Rebschnitt, den Laubarbeiten und der Ernte. Anwerbungen für den Einsatz in Führungspositionen sind derzeit nicht bekannt. 7. ob sie sowohl das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg als auch die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg erhalten wird und wie gegebenenfalls deren Aufgaben angepasst werden sollen. Zu 7.: Die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg (LVWO) und das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg (WBI) sind für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Weinbaus in Baden-Württemberg unentbehrlich und genießen einen hervorragenden überregionalen Ruf. Das WBI Freiburg ist das Kompetenzzentrum für praxisrelevante Forschung in den verschiedenen weinbaulichen und kellerwirtschaftlichen Fragestellungen. Schwerpunkte der Arbeit des Weinbauinstitutes sind neben der Forschung zur Verbesserung der Weinqualität und Anpassung an klimatische Veränderungen u. a. die Züchtung resistenter Rebsorten mit hohem Qualitätspotenzial sowie die weitere Ökologisierung des Weinbaus. Der am WBI bestehende Öko-Weinbaubetrieb wird in den nächsten Jahren Schritt für Schritt ausgebaut. Die LVWO Weinsberg ist landesweit zentraler Bildungsstandort für den Weinbau. Im Bildungssektor erfolgt dort die überbetriebliche Ausbildung in den Berufen Winzer und Weinküfer. Beide Einrichtungen arbeiten als Landesbetrieb nach 26 der Landeshaushaltsordnung effizient. Sie sind in zahlreiche Netzwerkpartnerschaften in Bildung und Forschung eingebunden. Die jeweils integrierten 5
Staatsweingüter haben darüber hinaus Leitbildfunktion in Sachen Qualität und Marketing und tragen wesentlich dazu bei, dass Innovationen schnell in der Praxis umgesetzt werden. Die Arbeitsschwerpunkte der beiden Einrichtungen sind grundsätzlich verschieden und werden jährlich angepasst sowie in Zielvereinbarungen konkretisiert. Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz 6