Unsicherheitsbetrachtungen bei Kreismessungen in der Fertigungsmesstechnik



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Unsicherheitsbetrachtungen bei Kreismessungen in der Fertigungsmesstechnik 1 Bedeutung der Messunsicherheit für das Prüfergebnis Neben den klassischen Geräten der Fertigungsmesstechnik wie Koordinatenmessgeräten oder Formmessgeräten kommen heute zunehmend geodätische Messmethoden wie z. B. die Nahbereichsphotogrammetrie oder Theodolitmesssysteme für die Prüfung der Funktion (=Aufgabe) von Werkstücken zum Einsatz. Für die Entscheidung, ob Form-, Lage- oder Positionsabweichungen noch innerhalb vorgegebener Toleranzen liegen, ist Kenntnis um die Messunsicherheit dieser ermittelten Abweichung von Bedeutung (Abb. 1). Um in den meisten Fällen eine eindeutige Entscheidung treffen zu können, wird in der Goldenen Regel der Messtechnik [DIN 2257] empfohlen, dass die Messunsicherheit u bezogen auf die Toleranz t etwa im Bereich von 1 u 1 oder t u t liegen soll. 10 t 20 10 20 Konstruieren außerhalb der Spezifikation Spezifikation außerhalb der Spezifikation Prüfen Nicht- Übereinstimmung Unsicherheit Übereinstimmung Unsicherheit Nicht- Übereinstimmung Abb. 1: Einfluss der Unsicherheit des Messergebnisses auf die Entscheidung, ob ein Werkstück die geforderte Spezifikation erfüllt [DIN EN ISO 14253]. Abb. 2 verdeutlicht am Beispiel der Durchmesserprüfung den Einfluss der Messunsicherheit auf die Entscheidungsfindung. 100 ± 0.002 + Messgerät mit U = 0,001 mm -0.004-0,003-0,002-0.001 100,000 +0.001 +0.002 +0.003 +0.004????

Abb. 2: Einengung des Bereichs eindeutiger Entscheidungen über die Teilespezifizierung durch die Messunsicherheit u Nachfolgend werden für die besonders wichtigen Kreismessungen und den damit verbundenen Prüfungen kreisförmiger Werkstücke einige Einflussfaktoren auf die Unsicherheit der Ersatzkreisberechnung betrachtet. Sie lassen sich auf andere Standardformelemente wie z. B. Ebene oder Zylinder leicht übertragen. Abb. 3: Wirkungsweise der vier verschiedenen Auswertestrategien zur Ersatzkreisberechnung in der Fertigungsmesstechnik (a) MCCI, b) MICI, c) MZCI, d) LSCI) 2 Ursachen für die Unsicherheit der Kreismessung 2.1 Wahl des Approximationskriteriums Die an einer kreisförmigen Kontur aufgenommenen Messpunkte werden durch einen geometrisch idealen Ersatzkreis approximiert, dessen Mittelpunktskoordinaten (x M,y M) und Radius R nach einem vorgegebenen Approximationskriterium ermittelt werden. Die Differenz aus maximalem und minimalem Abstand (R max - R min ), der zwischen den Messpunkten und dem Kreismittelpunkt auftritt, ist die Rundheitsabweichung f bezogen auf den Ersatzkreis. Erst diese Parameter können mit den vorgegebenen Spezifikationen verglichen werden. In der Fertigungsmesstechnik sind heute vier unterschiedliche Strategien zur Ersatzkreisberechnung möglich (Abb. 3 u. a. [Weckenmann 1995, Weber 2000]): Arithmetischer Mittelkreis = Gauss-Kreis = Least square circle = LSCI Minimumkreis = Tschebyscheff-Kreis = Minimum zone circle = MZCI

Kleinster umschriebener Kreis = Hüllkreis = Minimum circumscribed circle = MCCI Größter einbeschriebener Kreis = Pferchkreis = Maximum inscribed circle = MICI Die Wahl des Approximationskriteriums hängt vom Ziel der Kreisprüfung ab: Ermittlung der Rundheitsabweichung einer Kreiskontur MZCI Paarungsfähig einer Welle mit einer Bohrung MCCI Paarungsfähig einer Bohrung mit einer Welle MICI Abstand zweier Kreismittelpunkte MCCI bzw. MICI Der vielfach als Universal-Kreis eingesetzte Gauss-Kreis ist nie am Prüfziel orientiert und liefert häufig Kreisparameter, die ein Werkstück fälschlicherweise als Ausschuss- oder Gutteil deklarieren. Das Prüfergebnis ist also um den Unterschied der Parameterwerte zwischen korrektem und verwendetem Auswertekriterium unsicher. In dem in Tab. 1 aufgeführten Beispiel erkennt man gut, dass die Unterschiede der verschiedenen Kreisberechnungsverfahren bei falscher Anwendung schnell zu einer vorgetäuschten Toleranzüberbzw. unterschreitung oder auch Toleranzhaltigkeit führen können. In diesem Fall der photogrammetrischen Aufnahme einer Bohrung liegen die Unterschiede im Bereich von 30 % bis 40 % der tatsächlichen Rundheitsabweichung der Werkstückkontur. Tab. 1: Unterschiede in den berechneten Kreisparametern abhängig vom gewählten Auswertekriterium (Beispiel einer photogrammetrischen Kreismessung mit ca. 2200 Punkten [Weber2000]). Kriterium x M in mm y M in mm R min in mm R max in mm f in mm LSCI 54,5870 49,0880 34,5459 34,6115 0,0656 MZCI,5894,0802,5504,6064 0,0560 MCCI,6021,1012,5264,6023 0,0759 MICI,5779,0866,5523,6195 0,0672 Spanne in mm 0,0242 0,0210 0,0259 0,0172 0,0199 f / Spanne 43 % 37 % 46 % 30 % 35 % 2.2 Messstrategische Einflussfaktoren In der Messtechnik wird unterschieden zwischen zufälligen und systematischen Messabweichungen, wobei letztgenannte in bekannte und unbekannte unterteilt werden. Während die bekannten systematischen Messabweichungen kalibriert und als Korrekturwerte an das Messergebnis angebracht werden, bewirken die verbleibenden zufälligen und die unbekannten systematischen Messabweichungen die Messunsicherheit des Messergebnisses. 2.2.1 Zufällige Messabweichungen Im Vermessungswesen werden Messergebnisse meist durch Ausgleich zufälliger Messabweichungen gewonnen. Dieser Ansatz liegt auch der Berechnung des LSCI zugrunde: Die Summe der Quadrate der Abweichungen, die zwischen den Messpunkten und dem Ersatzkreis

auftreten, wird minimiert. Unterstellt man, dass die Abweichungen allein aus Messabweichungen resultieren und nicht durch Konturabweichungen überlagert werden, so zeigt [Lotze 1983] durch Anwendung des Varianzfortpflanzungsgesetzes, dass für die Standardabweichungen bei gleichmäßiger Anordnung der n Messpunkte gilt: u u x D M = u = y M = 2 u n u N ist die Standardabweichung in Normalenrichtung zur Kreiskontur im Antastpunkt. Mit zunehmender Anzahl n der Messpunkte wird der Einfluss zufälliger Messabweichungen auf die LSCI-Parameter stetig kleiner. Dies war über Jahrzehnte neben der leichten programmtechnischen Umsetzung der wichtige Grund für den ausschließlichen Einsatz dieses Berechnungsverfahrens. N 2 u n N Abb. 4: Verteilung der Parameter des MZCI bei Simulation von 5000 Wiederholungsmessungen (n = 145 Punkte) mit einer Standardabweichung von 2 µm Die Berechnungsverfahren der Minimum-, Hüll- und Pferch-Kreise orientieren sich ausschließlich an der zu prüfenden Funktion des Werkstücks (Durchmesser, Rundheitsabweichung) und nicht am Ausgleich zufälliger Messabweichungen. Das führt dazu, dass diese anliegenden Ersatzkreise nur durch die für die Werkstückfunktion relevanten Konturbereiche bestimmt werden: Hüll- und Pferchkreis werden durch drei Punkte, der Minimumkreis durch vier Punkte aus diesen Bereichen bestimmt. Diese tragenden Punkte werden also aus der Gesamtmenge aller Punkte ausgewählt und bestimmen allein die Kreisparameter, während beim Gauss-Kreis eine Mittelung über alle Messpunkte erfolgt. Es ist also unmöglich, für anliegende Ersatzkreise einen funktionalen Zusammenhang zwischen allen Messpunkten und den Kreisparametern herzustellen, der für die Anwendung des Varianzfortpflanzungsgesetzes erforderlich ist. Durch rechnergestützte Simulation von z. B. normalverteilten Wiederholungsmessungen kann man jedoch einen Eindruck gewinnen von der Auswirkung zufälliger Messabweichungen [Weber 1993]. In Abb. 4 wird deutlich, dass trotz normalverteilter Messabweichungen die Abweichungen der Kreisparameter nicht ebenfalls normalverteilt sein müssen. Weitere Simulationsberechnungen haben gezeigt, dass der Einfluss

zufälliger Messabweichungen nicht mit wachsender Anzahl n der Messpunkte kleiner wird [Weber 1993]. 2.2.2 Vollständigkeit der Konturerfassung Von großer Bedeutung für die Aussagekraft der Kreisprüfung ist die Vollständigkeit, mit der die reale Werkstückkontur in ihren Veränderungen erfasst worden ist. Je hochfrequenter die Anteile in der Gestaltabweichungen in Kreisumfangrichtung sind, desto dichter müssen die Messpunkte auf der Kontur gelegt werden. Nach dem Shannon schen Abtasttheorem muss der Abstand der Messpunkte Db mindestens um das Zweifache kleiner sein als der feinste noch aufzulösende Abstand λ zwischen zwei Konturänderungen. In nachfolgendem Beispiel wird der Einfluss der Anzahl gleichabständiger Messpunkte auf die Radiusprüfung am Beispiel des Gauss- und Pferchkreises demonstriert (Abb. 5 in Anlehnung an [Weckenmann 1995]). 1 10 100 1000 Anzahl n der Messpunkte 1 10 100 1000 Anzahl n der Messpunkte Abb. 5: Einfluss der Anzahl n gleichabständiger Messpunkte auf die Unsicherheit der Radiusbestimmung am Beispiel einer photogrammetrischen Kreismessung (vgl. Tab. 1). Dargestellt sind jeweils der mittlere sowie abhängig von der Messpunktanordnung kleinst- und größtmöglicher Radius. 2.2.3 Einfluss der mechanischen Tastkugelfilterung Die bisher genannten Einflussfaktoren sind weitgehend unabhängig von der eingesetzten Gerätetechnik, da sie sich lediglich auf die Anzahl n der (gleichabständigen) Messpunkte und deren anschließende Auswertung beziehen. Erfolgt die Erfassung der Kreiskontur berührend z. B. durch

Antastung mit einer Tastkugel, so wirkt die verwendete Tastkugel mit ihrem Durchmesser D TK wie ein Tiefpassfilter, da sie nicht in die inneren Bereiche der Kreiskontur vordringen kann (Abb. 6). Abb. 6: Reduzierung der Ein tauchtiefe der Tastkugel auf grund der mechanischen FilteForm- rung durch die Tastkugel. DTK λ In Tab. 2 sind rein qualitativ die aus der Tastkugelfilterung resultierenden Abweichungen vom wahren Wert zusammengestellt. Bei einer Außenantastung wird der ermittelte Hüllradius, bei einer Innenantastung wird der Pferchradius nicht vom dieser mechanischen Filterung beeinflusst. Tab. 2: Einfluss des Tastkugelradius auf die ermittelte Rundheitsabweichung f Messung verglichen mit der tatsächlichen Rundheitsabweichung f real sowie auf den ermittelten Kreisradius R Messung verglichen mit dem tatsächlichen Radius R real. Welle Bohrung Rundheitsabweichung fmessung < freal fmessung < freal Radius des Hüllkreises RMessung = Rreal RMessung < Rreal Radius des Pferchkreises RMessung > Rreal RMessung = Rreal Abb. 7: Maximal zulässiger Durchmesser D TK.max einer Tastkugel ohne mechanische Filterung einer Kreiskontur abhängig von der Rundheitsabweichung und der Anzahl n der Sinuswellen pro Umfang.

Für eine kreisförmige Kontur mit dem Umfang U=pD, deren Rundheitsabweichung aus n umlaufenden Sinuswellen mit vorgegebener Amplitude besteht, kann man den Durchmesser D TK.max berechnen, den eine Tastkugel maximal besitzen darf, so dass keine mechanische Filterung aufritt [Bosse 1994]. 3 Zusammenfassung und Ausblick Sowohl die prüfzielorientierte Berechnung der Ersatzkreisparameter als auch die Abschätzung von deren Messunsicherheit sind für die Entscheidung über Ausschuss- und Gutteil in der Fertigungsmesstechnik von gleich großer Bedeutung. Auch wenn Minimum-, Hüll- und Pferchkreise trotz ausgereifter Algorithmen heute immer noch selten angewendet werden, so liegt die neue Aufgabe in einer realitätsnahen Abschätzung der Messunsicherheit. Neben einschlägigen Normen zur Abnahme von z. B. Koordinatenmessgeräten oder photogrammetrischen Messeinrichtungen werden Programmsysteme immer mehr an Bedeutung gewinnen, die den Einfluss unterschiedlicher Messstrategien auf die Messunsicherheit simulieren und dem Anwender eine an der Prüfaufgabe orientierte Messstrategie vorschlagen. In Projekten wie z. B. [FH OOW 2000] werden z. Z. solche interaktiven Beratungssysteme konzipiert. 4 Literatur [Bosse 1994] H. Bosse: Aspekte der Filterung in der Formmesstechnik. PTB-Labor 5.21, Januar 1994. [DIN 2257] Begriffe der Längenprüftechnik. Behandlung von Unsicherheiten bei der Auswertung von Messungen. Norm DIN 2257 Blatt 2, August 1974. [DIN EN ISO 14253] Geometrische Produktspezifikation (GPS). Prüfung von Werkstücken und Messgeräten durch Messen. Teil 1: Entscheidungsregeln für die Feststellung von Übereinstimmung oder Nicht übereinstimmung mit Spezifikation. DIN EN ISO 14253-1, 1999. [FH OOW 2000] Interaktives Beratungssystem für Mess- und Auswertestrategien in der Formmesstechnik. AGIP-Projekt an der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/ Wilhelmshaven zusammen mit der Mahr GmbH. 2000. [Lotze 1983] W. Lotze: Unsicherheit des Ausgleichskreises aus Koordinatenmessungen. Feingerätetechnik, Berlin 32 (1983), [Weber 1993] H. Weber: Fortpflanzung von Messabweichungen auf die Messunsicherheit und Zuverlässig keit anliegender Ersatzelemente in der Koordinatenmesstechnik. Diss. 1993 Universität der Bundeswehr Hamburg. [Weber 2000] H. Weber: Auswertestrategien für Kreismessungen in der Ingenieurvermessung. Ingenieurvermessung 2000, XIII. International Course on Engineering Surveying. [Weckenmann 1995]

A. Weckenmann, H. Eitzert, M. Garmer, H. Weber: Functionality-oriented evaluation on sampling strategy in coordinate metrology. Precision Engineering 17: 244-252, 1995.