Clusterstrategien als neues Paradigma der Wirtschaftsförderung in Sachsen



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Sonderdruck (erscheint 2007 in: Jurczek, Peter und Ilona Scherm [Hrsg.]: Sachsen und Tschechien - zwischen Konkurrenz und Zusammenarbeit aus geographischer Sicht. (= Beiträge zur Kommunal- und Regionalentwicklung, 44). Chemnitz.) Clusterstrategien als neues Paradigma der Wirtschaftsförderung in Sachsen 1 Wirtschaftsförderung im Wandel Die Aufgaben der Wirtschaftspolitik und -förderung in Ostdeutschland waren bis in die 1990er Jahre hinein geprägt durch die Bereitstellung von Gewerbeflächen und die Unterstützung ansiedlungswilliger Betriebe. Inzwischen haben sich das Aufgabenspektrum, aber auch die maßgeblichen Akteure vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen deutlich erweitert. Abnehmende Ansiedlungsdynamik, wirtschaftlicher und unternehmerischer Strukturwandel, die zunehmende Bedeutung von Innovationen und Wissen sowie die Abnahme der Gestaltungs- und Steuerungsmöglichkeiten des Staates führen dazu, dass klassische Strategien der Wirtschaftspolitik, die vor allem angebotsorientiert sind (z.b. Bereitstellung von Gewerbeflächen und Fördermitteln), sich als immer weniger wirksam erweisen um die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig positiv zu entwickeln (vgl. Beckord, Jurczek 2004). Das Paradigma der Wirtschaftsförderung hat sich verändert. Das Ziel der Wirtschaftsförderung besteht immer weniger darin neue Betriebe anzusiedeln, sondern setzt verstärkt auf die Pflege und Vernetzung bereits angesiedelter und bestehender Betriebe. Stadt- und Regionalmarketing, Innovationsförderung, Netzwerkbildung, Finanzierungs- und Gründerberatung stellen heute bedeutende Aufgabenfelder dar, die längst nicht mehr ausschließlich durch kommunale Institutionen wahrgenommen werden (können). Neben den kommunalen Wirtschaftsförderungen entstehen neue Institutionen und Akteure außerhalb der staatlichen Sphäre, deren Einfluss auf die Förderung und Entwicklung der lokalen und regionalen Wirtschaftsstruktur zunehmend bedeutender wird. Folglich ist für die Wirtschaftsförderung eine stark differenzierte Akteursstruktur entstanden, die unter anderem durch divergierende Grundinteressen (z.b. Gewerkschaften vs. Arbeitgeberverbände) oder konkurrierende Steuerungsansprüche (Landesregierung vs. Kommunen) gekennzeichnet ist. Letztlich vereint die Interessen jedoch ein gemeinsames Ziel: die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes und damit verbunden den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Eine diesen Rahmenbedingungen und Akteurs- und Aufgabenvielfalt angepasste Strategie muss daher folgende Ziele vorrangig erreichen: Integration der Akteure der Wirtschaft, Gesellschaft und des Staates Effektiver Mitteleinsatz von Kapital und Personal Nutzung endogener Potenziale der Standorte und Regionen Steigerung der Innovationsfähigkeit der Unternehmen Abbildung 1: Aktuelle Situation und zukünftige Anforderungen an die Wirtschaftsförderung 2 Cluster als Objekt der Wirtschaftsförderung Zur Erreichung der ökonomischen Ziele kursieren zurzeit eine Vielzahl von wirtschaftpolitischen Strategien und Instrumenten. Förderung von Wachstumskernen bzw. Wachstumspolen und sog. Leuchttürmen einer Strategie die vor allem mit der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur verfolgt wird oder die Förderung von Wachstumsregionen, also die Konzentration der Förderung auf ausgewählte Räume sowie die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen, in denen besondere rechtliche und fiskalische Regelungen gelten, sind nur wenige der für Ostdeutschland diskutierten Strategieansätze (vgl.

Ossenkopf, Lo, Eggers et al. 2005; Heidenreich, Miljak 2004; Sachverständigenrat 2005). Eine Strategie findet jedoch in der aktuellen Debatte, nicht nur in Ostdeutschland und Sachsen sondern bundesweit, eine besondere Fokussierung: die Clusterbildung. Cluster sind regionale und sektorale Ballungen von Unternehmen einer oder mehrerer strukturbestimmender Branchen, die über direkte und indirekte Beziehungen miteinander verbunden sind und die gemeinsam mit spezialisierten Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie weiteren Akteuren ein enges Netzwerk bilden. Die Idee zur Entwicklung und Förderung von Clustern fußt auf der Erkenntnis, dass die weltweit erfolgreichsten Regionen über genau solche sektoralen Ballungen von Unternehmen einer oder mehrerer strukturbestimmender Branchen verfügen. Cluster sollen letztlich, einhergehend mit einer Steigerung der Innovationsfähigkeit der Unternehmen, zu einer umfassenden wirtschaftlichen Dynamik in der Region führen (vgl. Porter 1998). Das Konzept, solche regionalen und sektoralen Ballungen, also Cluster, zu fördern, ist unter den Praktikern der Wirtschaftsförderung mittlerweile ein weitgehend konsensfähiger Strategieansatz. Die gemeinsame Vision zur Entwicklung von Clustern könnte somit den Baustein einer kooperativen und integrierten Wirtschaftsförderung liefern, die Interessen und Akteure gleichermaßen zur Erreichung eines gemeinsamen Leitbildes zusammenführt. Zugleich besteht jedoch die Gefahr die Potenziale von Clusterstrategien zu überschätzen. Nicht jede Konzentration von Unternehmen stellt jedoch ein Cluster dar. In many of these instances, however, what are claimed to be clusters often turn out, on closer empirical inspection, to be small and only loosely connected collections of similar or related firms, and sometimes have more to do with local policy aspirations than with realities on the ground (vgl. Martin, Sunley 2003, S. 21). Für die erfolgreiche Umsetzung clusterbasierter Entwicklungsstrategien sind daher einige Grundvoraussetzungen zu erfüllen, die keinesfalls in allen Fällen, in denen von Clustern gesprochen wird vorliegen und deren Identifikation mitunter Schwierigkeiten bereitet. Zu den strukturellen Voraussetzungen gehören: Das Vorhandensein einer Branchenkonzentration. Diese sog. Kritische Masse bezeichnete Mindestkonzentration von Unternehmen. Bislang ist der Begriff jedoch nur unzureichend operationalisiert, so dass die Identifizierung von Clustern oftmals im Auge des Betrachters liegt (vgl. Ossenkopf, Lo, Eggers et al 2005, S. 24). Regionale Nähe zu Leitnachfragern, spezialisierten Zulieferern und Dienstleistern. Dabei darf die reine Koexistenz kein Kriterium für die Bestimmung von tatsächlichen

Verflechtungen darstellen. Um diese nachzuweisen sind umfangreiche Untersuchungsschritte notwendig (vgl. Krätke, Scheuplein 2001). Innovationsdruck durch direkte Konkurrenz. Nach Porter stellt die direkte Konkurrenz die zentrale Triebfeder der Clusterentwicklung dar. Fehlt diese, gewinnen entstehende Cluster keine Entwicklungsdynamik (vgl. Porter 1998). Der Austausch mit Hochschul- und Forschungseinrichtungen stellt eine wesentliche Triebkraft der Innovationsfähigkeit des Clusters dar. Aus Möglichkeiten direkter (informeller) Kontakte entsteht eine Atmosphäre in der Vertrauen zwischen den Akteuren aufgebaut und Wissen ausgetauscht werden kann. Die so entstehenden Austauschbeziehungen intensivieren die Entwicklungsdynamik des Clusters und führen zur Ausbildung des sog. buzz, einer Atmosphäre in der Informationen und Wissen durch intensive Kommunikation fließen (vgl. Bathelt, Malmberg, Maskell 2004, S. 38) Cluster leben von Austauschprozessen zwischen den Akteuren und Institutionen. Diese funktionalen Beziehungen von Produktionsclustern können der amtlichen Statistik nicht unmittelbar entnommen werden (Ossenkopf, Lo, Eggers et al, S. 24). Diese kann lediglich erste Anhaltspunkte über die Konzentration von Branchen im Raum liefern und stellt damit einen ersten Schritt zur Analyse der Clusterstrukturen dar. Zur tatsächlichen Identifikation sind Befragungen notwendig, um Informationen über die Verflechtungsbeziehungen theoretisch erfassen könnten. Diese sind teuer und erfordern sehr detaillierte Informationen von den Unternehmen (vgl. Barjak 2004, S. 10). Sollen Cluster gezielt gefördert und entwickelt werden ergeben sich weitere institutionelle Anforderungen. Eine auf Cluster konzentrierte Förderungs- und Entwicklungsstrategie setzt zum einen die Kenntnis über die Entstehung und Wirkungszusammenhänge des Cluster voraus. Zum anderen erfordern clusterbasierte Entwicklungsstrategien eine langfristige Konzentration der Anstrengungen auf einige wenige mit dem Cluster verbundenen Branchen und Institutionen. Dies setzt den politisch Willen der Verantwortungsträger voraus. Drittens müssen die relevanten Akteure die Bereitschaft und Fähigkeit zur Zusammenarbeit aufweisen. Im Folgenden sollen einige dieser Voraussetzungen am Fallbeispiel der Förderung der Automobilindustrie in Sachsen näher betrachtet werden.

3 Automobilindustrie in Sachsen Eine der Leitbranchen Sachsens, die in einigen Teilregionen bereits Clusterstrukturen ausgebildet hat, ist die Automobilindustrie. Neben den OEM (Original Equipment Manufacturer) Volkswagen (Zwickau, Chemnitz, Dresden), BMW und Porsche (beide Leipzig) haben sich im regionalen Umfeld zahlreiche Zulieferunternehmen etabliert, die in die Wertschöpfungsketten der Automobilindustrie eingebunden sind. Regionale KMU nehmen hier jedoch eher die Rolle von Teilelieferanten ein, während die großen Systemzulieferer sich aus international tätigen Unternehmen (z.b. Bosch, Takata) rekrutieren, die Zweigbetriebe mit geringer Verankerung in der Region unterhalten. Insgesamt sind ca. 60.000 Menschen in der Automobilindustrie und in den mit ihr verbundenen Branchen in Sachsen beschäftigt. Dies sind ca. 4,3 % der Gesamtbeschäftigten in Sachsen. Tabelle 1: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Automotive-Cluster Sachsen SV-Beschäftigte SV-Beschäftigte im in SV-Beschäftigte in in gesamt Automotive-Cluster % produktiven % Branchen Sachsen 1.352.648 58.119 4,3 22242 1,6 Regierungsbezirk 476.952 29.636 6,2 15034 3,2 Chemnitz Regierungsbezirk 532.942 15.922 3,0 3189 0,6 Dresden Regierungsbezirk Leipzig 342.754 12.436 4,0 4009 1,2 Quelle: Eigene Berechnung nach Landesarbeitsagentur Sachsen 3.1 Räumliche Muster der Automobilindustrie in Sachsen Der größte Anteil der Beschäftigten entfällt auf den Regierungsbezirk Chemnitz. Abbildung 2 zeigt den Standortquotienten 1 der Beschäftigten in den produktiven Bereichen der Automobilindustrie (Produktion und Vorproduktion). Es wird deutlich, dass die Gemeinden mit einem hohen Standortquotienten in der Automobilindustrie sich auf die Region Chemnitz- Zwickau konzentrieren. Darüber hinaus existieren einige solitiäre Konzentrationen, die auf die starke lokale Bedeutung von Einzelunternehmen hindeuten (z.b. Takata in Elterlein, Al-ko in 1 Der Standortquotient misst die Bedeutung einer Branche in einer Gemeinde im Vergleich zum Gesamtraum (hier Sachsen). Ist er größer als 1 so hat die Branche in der Gemeinde eine höhere Bedeutung als im Landesdurchschnitt.

Hartha oder Autoliv in Döbeln). Diese starke Konzentration auf wenige Standorte lässt sich auch aus dem hohen Gini-Koeffizienten 2 der Automobilindustrie von 0,85 ableiten. Zumindest für die Region Chemnitz-Zwickau können somit Potenziale für die Existenz eines Clusters identifiziert werden. Untersuchungen über die tatsächlichen Verflechtungsbeziehungen liegen jedoch nur bedingt vor. Daher lassen sich lediglich Vermutungen über ein mögliches Cluster ableiten. Über die vorliegende quantitative Analyse kann zunächst lediglich eine regionale Spezialisierung der Produktion im Automobilbereich festgestellt werden. Der Schluss aus dem Vorhandensein lokal bedeutender Unternehmen auf deren Verflechtung mit anderen lokalen oder regionalen Unternehmen ist jedoch nicht in allen Fällen zulässig. Schamp (2000) weist für ein Unternehmen im Segment der Produktion von Gurtstraffern mit Sitz in Döbeln, eher die Integration in internationale denn in regionale Produktionssysteme nach. Von den rund 500 Zulieferern des BMW-Werkes in Leipzig kommen lediglich 20 aus der Region Leipzig (vgl. Rumpf 2006). Zahlreiche Netzwerke lassen jedoch darauf schließen, dass zwischen einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen der Automobilzulieferindustrie lokale und regionale Kooperationen existieren, mit dem die Unternehmen zum einen versuchen Größennachteile auszugleichen und zum anderen Forschungskompetenzen aufzubauen. Eben solche Netze von Unternehmen können ein wesentliches Merkmal von Clustern darstellen. 2 Der Gini-Koeffizienz ist eine Maßzahl für die regionale Ungleichverteilung eines Merkmales z.b. der Beschäftigten eines Sektors. Der Koeffizient kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Bei einem Wert von 1 konzentrieren sich alle Beschäftigten auf einen Teilraum, bei einem Wert von 0 verteilen sich die Beschäftigten gleichmäßig auf alle Teilräume.

Abbildung 2: Standortquotient der Automotive-Kerngruppe Zu den weiteren strukturellen Voraussetzungen der Clusterförderung zählt die Existenz von Wissens- und Forschungsinfrastruktur. Vor allem mit der Technischen Universität Chemnitz und der Westsächsischen Hochschule Zwickau stehen in Sachsen Forschungskapazitäten im Automobilbereich bereit, die Bausteine für die Entwicklung eines regionalen Innovationssystems darstellen können. Insgesamt betrachtet existieren vor allem in der Region Chemnitz-Zwickau Potenziale zur Ausbildung eines Automobilcluster. Dennoch stellen sich diese Strukturen im Vergleich zu den westdeutschen Automobilstandorten als wesentlich weniger stark ausgeprägt dar. Kennzeichen für diese strukturelle Schwäche sind vor allem die sehr kleinteilige Struktur der sächsischen Automobilzulieferer, die geringe Eigenkapitaldecke, die geringe Innovationsdynamik (z.b. gemessen am Anteil der FuE-Beschäftigte in der Industrie oder den Patentanmeldungen) und die nach wie vor geringere Produktivität der Unternehmen in Sachsen. 3.2 Akteure und Initiativen der Clusterförderung Die oben bereits angedeutete Vielfalt der fördernden Akteure lässt sich am gewählten Fallbeispiel besonders gut demonstrieren. Neben den kommunalen Wirtschaftförderern mehrerer

Kreise, kreisfreier Städte und Gemeinden, existieren Initiativen der Industrie- und Handelskammern, der Wirtschaft, des Freistaates sowie intermediärer regionaler Akteure, deren gemeinsames Interesse in der Förderung und Entwicklung des Automotive Clusters besteht (vgl. Beckord 2006). Abbildung 3: Initiativen und Akteure der Clusterentwicklung im Automobilbereich Dennoch ist die Situation in der Wirtschaftsförderung geprägt durch einen Konkurrenzkampf auf Strategien der Wirtschaftsförderung durch Globalisierung und EU-Integration sowie durch mangelnde Koordination regionaler Wirtschaftsentwicklung. Hieraus ergeben sich zum Teil konkurrierende Steuerungsansprüche, Koordinationsprobleme sowie Aufgabenüberschneidungen zwischen den einzelnen Institutionen und Akteuren. Cluster orientieren sich in den seltensten Fällen an Verwaltungsgrenzen, sie definieren ihren eigenen funktionalen Raum (vgl. Porter 1998, S. 79). Clusterstrategien implizieren somit geradezu eine überörtliche Betrachtung und Zusammenarbeit. Diese setzt den Willen und die Bereitschaft der entsprechenden Akteure voraus. Hier muss festgestellt werden, dass einige der bestehenden Initiativen in der Lage sind diese integrierende Kraft zu entfalten und sich damit die Chancen zur Entwicklung und Umsetzung einer integrativen Wirtschaftsförderungsstrategie erhöhen. Hervorzuheben sind diesbezüglich die vom Freistaat Sachsen initiierte Verbundinitiative Automobilzulieferindustrie (AMZ), das von der Wirtschaftsinitiative für

Mitteldeutschland angestoßene und mittlerweile selbständige Automotivecluster Ostdeutschland (ACOD), das InnoRegio-Projekt Industrie- und Automobilregion Westsachsen e.v. (IAW 2010) oder das von der Stadt Leipzig, dem getragene Projekt Cityregio. Insgesamt bleibt die Situation vor allem bei den durch die Kommunen getragenen Initiativen jedoch geprägt durch einen stark auf die kommunalen Eigeninteressen und das kommunale Territorium ausgerichteten Strategieansatz, der tatsächliche Verflechtungsbeziehungen zwischen den Unternehmen nur bedingt berücksichtigt. Dies lässt den Schluss zu, dass Bereitschaft und Fähigkeiten mancher Akteure, die tatsächlichen Potenziale von Clustern auszuschöpfen, nur bedingt vorhanden sind. Eine zu kleinräumige Sichtweise schränkt jedoch die Erfolgsausichten von Clusterstrategien erheblich ein. 4 Probleme und Potenziale clusterbasierter Wirtschaftsförderstrategien Obgleich die Entwicklung von Clustern heute scheinbar zum Standardrepertoire der Wirtschaftsförderung gehört, bewegt sich "die Mehrzahl dieser politischen Initiativen ( ) allerdings nach wie vor auf der experimentellen Ebene es gibt weder eine etablierte Methodik zur Bildung von Clustern noch anerkannte beispielhafte Verfahren für ihre Förderung" (Europäische Kommission 2003, S. 2). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Möglichkeiten der Identifizierung und Auswahl von Clustern bisher nur unzureichend geklärt sind (vgl. Ossenkopf, Lo, Eggers et al. 2004, S. 25), da einige zentrale Begriffe wie kritische Masse, geographische Nähe oder auch die Intensität von Beziehungen nur äußerst schwierig zu operationalisieren und quantifizieren sind (vgl. Martin, Sunley 2003, Barjak 2004). In der Praxis führt dies nicht selten dazu, dass kleinere räumliche Spezialisierungen zu Clustern hochstilisiert werden. Eine zielführende Strategie der Wirtschaftsförderung ist hinter einer solchen unrealistischen Bestandsaufnahme sicherlich nicht zu erwarten. Bisher ist ebenfalls noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen welche positiven Effekte tatsächlich für die Unternehmen im Cluster entstehen (vgl. Europäische Kommission 2003, S. 4, Meyer-Stamer 2000, S. 18f). Eine Reihe von Untersuchungen in Altindustrieregionen zeigt sogar die Gefahren für den Verlust der regionalen Wettbewerbsfähigkeit auf, die aus einer zu starken Ausbildung von Clustern herrühren (vgl. Grabher 1993). Dennoch lassen sich auch einige Potenziale aus dem Clusterkonzept herausarbeiten. Hierzu gehört vor allem die Verbesserung des Verständnisses für die mikroökonomischen

Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns. Der von Porter entwickelte Diamant lässt sich dabei als Analyseinstrument einsetzen, um die regionale Konfiguration der Wirtschaftsstruktur zu analysieren (vgl. Porter 1991, S. 151). Ein weiteres Verdienst besteht in der Heraushebung der Bedeutung von räumlicher Nähe und regionaler Vernetzung. Damit werden Faktoren aufgegriffen, die zwar schon seit den 1920er Jahren aus den Arbeiten zu den Wirkungen von Agglomerationen von Marshall und Hoover bekannt sind, denen jedoch lange Zeit nicht die aus regionalwissenschaftlicher Sicht notwendige Beachtung geschenkt wurde. Somit trägt das Clusterkonzept dazu bei, die Bedeutung der Region als unternehmerisches Handlungsfeld zu stärken. Große Bedeutung könnte der Leitbildwirkung des Clusterkonzeptes zu kommen. Damit könnte es einen Beitrag zur Überwindung von Kirchturmdenken und lokalen Einzelmaßnahmen leisten. Wie gezeigt wurde besteht durchaus eine Zielkongruenz zwischen den unterschiedlichen Akteuren. Letztlich verfolgen alle Akteure das Ziel die regionale Wirtschaft zu stärken und fortzuentwickeln. Damit können Clusterstrategien Leitbildfunktionen übernehmen. Somit könnten Synergieeffekte durch die Integration aller Akteure, Instrumente und Maßnahmen erreicht werden. Institutionen, die diese Integrationsarbeit leisten könnten existieren mit den oben dargestellten Organisationen (z.b. AMZ) bereits. Dennoch muss festgehalten werden, dass es eine Reihe von Regionen gibt, die über keine Clusterpotenziale verfügen. Das Clusterkonzept eignet sich daher keinesfalls zur Ableitung einer gesamträumlich anzuwendenden Förderstrategie. Es bleibt ein partieller Ansatz, der nur unter bestimmten Voraussetzungen Erfolg verspricht. Ein zwanghaftes Festhalten am Leitbild der Clusterentwicklung für alle Teilräume Sachsens führt daher eher zu einer Fehlallokation von Fördermitteln und Ressourcen (vgl. Küpper; Röllinghoff 2005, S. 69). Aber auch dort wo Clusterpotenziale vorhanden sind bleiben für die wirtschaftsfördernde Praxis noch einige Fragen offen, die hier nur ansatzweise skizziert werden sollen: Welche Ziele sollen durch eine Clusterstrategie erreicht werden? Kann und wenn ja wie kann die regionale Wirtschaftsstruktur gezielt entwickelt werden? Wer moderiert die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren aus Wirtschaft, Staat und Gesellschaft? Wer entscheidet auf welcher Basis über die Strategie? Welche tatsächlichen, messbaren positiven Wirkungen ergeben sich für die Unternehmen?

Kann der Erfolg von Clusterstrategien gemessen werden und wann ist die Clusterbildung erfolgreich abgeschlossen? Eine befriedigende Antwort auf die zuletzt angerissenen Fragenkomplexe steht jedoch bisher aus. 5 Literatur BARJAK, FRANK (2004): Analyse der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Branchenclustern in der Schweiz - State of the Art. Solothurn. (Reihe A: DiscussionPaper DPW, 7). BATHELT, HARALD; MALMBERG, ANDERS; MASKELL, PETER (2004): Clusters and knowledge: local buzz, global pipelines and the process of knowledge creation. In: Progress in Human Geography, Jg. 28, Nr. 1, S. 31 56. BECKORD, CLAAS (2006): Hintergründe und Akteure von Clusterstrategien in der Wirtschaftsförderung, aufgezeigt am Fallbeispiel der Automobilindustrie Sachsens. Chemnitz. (Kommunal- und regionalwissenschaftliche Arbeitsergebnisse Online, ). BECKORD, CLAAS; JURCZEK, PETER (2004): "Beleuchtete Wiesen" oder "Blühende Landschaften"? Zum Stand der Gewerbeflächenentwicklung und -vermarktung in der Region Südwestsachsen. In: Standort - Zeitschrift für Angewandte Geographie, Jg. 28, Nr. 2, S. 58 65. EUROPÄISCHE KOMMISSION (2003): Cluster von Clustern. In: Regionale Innovation in Europa, Nr. 5, S. 2. GRABHER, GERNOT (1993): The Weakness of Strong Ties: The Lock-in of Regional Development in the Ruhr Area. In: GRABHER, GERNOT [HRSG.]: The Embedded Firm. The Socio-economics of Industrial Networks. International Thomson Business Press, S. 255 278. HEIDENREICH, MARTIN; MILJAK, VEDRANA (2004): Die Erneuerung regionaler Fähigkeiten. Clusterpolitik in Leipzig und Nürnberg. In: INITIATIVE FÜR BESCHÄFTIGUNG OWL; UNIVERSITÄT BIELEFELD; SURVEY; BERTELSMANN STIFTUNG [HRSG.]: Net s work. Netzwerke und strategische Kooperationen in der Wirtschaft. Bielefeld. KRÄTKE, STEFAN; SCHEUPLEIN, CHRISTOPH (2001): Produktionscluster in Ostdeutschland: Methoden der Identifizierung und Analyse. Hamburg. KÜPPER, UTZ INGO; RÖLLINGHOFF, STEFAN (2005): Clustermanagement: Anforderungen an Städte und regionale Netzwerke. In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaft, Jg. 44, Nr. 1, S. 60 93.

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