Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements Jochen Löbbert Workshop für junge Mathematiker 06. September 2014
Agenda 1. Wertorientierte Steuerung von Versicherungsunternehmen 2. Zinsniveau aus Risikofaktor 3. Anwendungsgebiet Produktentwicklung 4. Säule I vs. Säule II 5. Fazit Chart 2 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Grundidee der Solvenzberechnung nach Solvency II Marktwertbilanz Stress -Marktwertbilanz 200 Jahresereignis ASM = Eigenmittel Best Estimate SCR = ASM Eigenmittel Stress SII Quote: ASM SCR Chart 3 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Was ist die Standardformel? Eigenkapitalanforderungen gemäß Standardformel Umsetzungshilfen des GDV GDV-Cashflowmodell Deterministische Fortschreibung der Kapitalanlage Berechnung der O&G über BS-Formel Deterministische Eingabe der Passivcashflows GDV-Simulationsmodell Stochastische Fortschreibung der Kapitalanlage Berechnung der O&G über CE-Szenario Deterministische Eingabe der Passivcashflows Quelle: BaFin / EIOPA Chart 4 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Aufgaben des Risikomanagements Ermittlung der Risikokapitalanforderung gemäß aufsichtsrechtlicher Anforderung Kapitalallokation der Kapitalanforderung auf die Lines of Business Identifikation werttreibender Geschäftsfelder Bestimmung und Steuerung der unternehmensindividuellen Kapitalanforderungen Festlegung von Limitsystemen Wertorientierte Bewertung neuer Produkte Risikoeinschätzung von strategischen Entscheidungen Internes & externes Reporting Bewusstsein für Risiko schaffen Chart 5 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Gesetzliche Vorgaben an das Risikomanagement z.b. MaRisk (2009) Gesamtverantwortlichkeit des Vorstandes Risikostrategie Aufbau und Aufgaben der Risikomanagements Berichterstattung Internes Steuerungs und Kontrollsystem z.b. Solvency II (2016, teilweise vorgezogen) Weiterentwicklung / Konkretisierung von MaRisk Schlüsselfunktionen (Complience / Risikomanagement / interne Revision / versicherungsmathematische Funktion) Fit & Proper Beurteilung des Gesamtsolvabilitätsbedarfs Use-Test Chart 6 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Steuerung nach Solvency II fiktive Zahlen zur Illustration Planungsbooklet Ist Ist Ist V-Ist Plan MOP MOP LOP LOP LOP 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 in TEUR in TEUR in TEUR in TEUR in TEUR in TEUR in TEUR in TEUR in TEUR in TEUR Solvabilität (Solvency II) Soll-Solva 800.000 750.000 746.875 743.750 740.625 737.500 734.375 731.250 728.125 725.000 Ist-Solva 950.000 766.000 946.667 933.333 920.000 940.000 960.000 980.000 1.000.000 1.020.000 Solva-Quote 119% 102% 127% 125% 124% 127% 131% 134% 137% 141% Über-, Unterdeckung 150.000 16.000 199.792 189.583 179.375 202.500 225.625 248.750 271.875 295.000 Mindestsolva gerissen gerissen ok ok ok ok ok ok ok ok Frühwarnschwelle - - - gelb rot gelb gelb gelb gelb grün Gesamtsolvabilitätsbedarf Soll-Solva - - 625.000 626.429 627.857 629.286 630.714 632.143 633.571 615.000 Ist-Solva - - 840.000 842.857 845.714 848.571 851.429 854.286 857.143 860.000 Solva-Quote - - 134% 135% 135% 135% 135% 135% 135% 140% Über-, Unterdeckung - - 215.000 216.429 217.857 219.286 220.714 222.143 223.571 245.000 Mindestsolva - - ok ok ok ok ok ok ok ok Frühwarnschwelle - - gelb gelb gelb gelb gelb grün grün grün Aufnahme der Solvabilitätskennzahlen in die Unternehmensplanung Die Einführung von SII am 01.01.2016 macht bereits heute die Steuerung nach SII zwingend erforderlich Problemstellungen: Datenkomplexität deutlich erhöht Instabilitäten bzw. hohe Sensitivitäten der Ergebnisse Mehr Annahmen fließen in die Fortschreibungen ein Risikomanagement Mindestsolva: 120% / 130% Schwelle gelb: 125% / 132% Schwelle grün: 140% / 135% Chart 7 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Vorteile der Standardformel in der Planung? Real-World Projektion der Marktwertbilanz Aktien Geringe Komplexitäts ersparnis Aktien 39% / 49% Aktien Vorteile der Standardformel Wenige Anlagekategorien Zinstitel Zinstitel 25% f Dur, Rating Immobilien Immobilien Immobilien Zinstitel Vordefinierte Stressfaktoren Pauschale Ansätze sind nur für Projektion der Kapitalanforderungen nutzbar, nicht zur Entscheidungsfindung! Kapitalanlage zum Bewertungsstichtag Kapitalanlage zum Projektionsstichtag Stressbilanz zum Projektionsstichtag Chart 8 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Agenda 1. Wertorientierte Steuerung von Versicherungsunternehmen 2. Zinsniveau aus Risikofaktor 3. Anwendungsgebiet Produktentwicklung 4. Säule I vs. Säule II 5. Fazit Chart 9 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Deckungsrückstellung & Marktwertrückstellung Deckungsrückstellung Kalkulatorische Cashflows der DR = ω t=1 CF t kalk 1 + rz t t Diskontierung mit Rechnungszins = Garantiezins Marktwertrückstellung Erwartete Cashflows der BW = ω erwartet CF t t=1 1 + r t t Diskontierung mit Marktzins Chart 10 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Duration und Durationsmismatch Marktwertrückstellung Absolute Duration Modified Duration Barwert Summe der partiellen Ableitungen Relative Duration BW = ω erwartet CF t t=1 1 + r t t Dur abs = ω t=1 erwartet t CF t 1 + r t+1 t Dur mod = Dur abs BW Problemstellung: Unterschiedliche Durationen Aktiv-und Passivseite Quellen: Aktivduration: GDV Passivduration: Schätzung für Markt Chart 11 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Musterbestand Informationen zum Musterbestand Deckungsrückstellung gesamt 5 Mrd. Durchschnittlicher Rechnungszins / Garantiezins: 3,25% Bestände aus Renten- / Kapital- und Risikoversicherungen, Einmal- und laufender Beitrag Alter der Teilbestände: 3,00% (bis 86), 3,50% (86-94), 4,00% (94-00), 3,25% (01-03), 2,75% (04-06), 2,25% (07-11), 1,75% (seit 12) Chart 12 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Einfluss des Zinses auf die Solvabilität Volatilität des 10j Zinses ca. 1% Bewertung des Musterbestandes mit Basiskurve zum 31.12.2004 31.12.2009 31.12.2010 31.12.2011 31.12.2012 31.12.2013 30.06.2014 10j. Zins in Kurve 4,0% 3,7% 3,5% 2,3% 1,5% 2,1% 1,4% Deckungsrückstellung in Mio. Marktwert des CF in Mio. Differenz in Mio. 5.000 5.000 5.000 5.000 5.000 5.000 5.000 4.128 4.271 4.385 5.012 5.315 5.042 5.412-872 -729-615 12 315 42 412 Chart 13 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Einfluss des Zinses auf die Solvabilität (II) Großer Einfluss auf die Bewertung der vt. Rückstellungen Einfluss auf die Solvabilität abhängig vom Durations Gap Konsequenz: Deutlich höhere Abhängigkeit der Solvabilität vom Zinsniveau Anzahl der zu betrachtenden gestressten Planszenarios steigt Konfliktsituation Reporting alles berichten Information Problemfelder aufzeigen Chart 14 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Agenda 1. Wertorientierte Steuerung von Versicherungsunternehmen 2. Zinsniveau aus Risikofaktor 3. Anwendungsgebiet Produktentwicklung 4. Säule I vs. Säule II 5. Fazit Chart 15 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Herausforderung der Niedrigzinsphase Garantiezinsen im Musterbestand (historischer Verlauf) Ausgleichsbedarf durch mehr Risiko Senkung des Garantiezinses wirkt sich nur verzögert auf die Zinsverpflichtungen im Bestand aus Anforderung an neue Produkte: Langfristige Beherrschbarkeit! Chart 16 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Produktentwicklung unter Solvency II Vertrieb: einfache Produkte Marktüberdurchschnittlich Provision Kunden: Hohe Rendite Geringe Kosten Sicherheit Flexibilität Produktentwicklung Risikomanagement: Ertrag Kostendeckung geringes Risiko Rating Wachstumsziele Know How Technische Möglichkeiten Chart 17 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Veränderungen in der Produktentwicklung Rückgang klassischer kapitalbildender Produkte Neue Produkte: Abschnittsgarantien Endfällige Garantien anstelle von laufenden Garantien Gesteigertes Angebot von kapitalmarktorientierten Produkten zwecks Renditesteigerung Rendite Sicherheit Lösung: Statische und dynamische Hybride kombinieren Sicherheit und Renditechancen Chart 18 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Konzept eines dynamischen Dreitopfhybriden Absicherung einer endfälligen Garantien durch den konventionellen Deckungsstock und einen Garantiefonds Aufgabe: Maximiere Rendite NB: DS + GF + FF = Vertragsvolumen DS + α% GF = BW Garantie BW Garantie = Garantie 1 + rz RLZ Quelle: Gothaer Leben Sicherheit zu jedem Vertragszeitpunkt Der Garantiefonds bringt im Erwartungswert weniger Ertrags Garantiebarwert Er sichert aber monatlich α% des Investmentvolumens ab. Garantieniveaus i.d.r. zw. 60% und 90%! Chart 19 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Vertragsverlauf eines Beispielvertrags Vertragskonditionen Eintrittsalter: 30 Jahre Laufzeit: 30 Jahre mtl. Beitrag: 100 Beitragssumme: 36.000 Endstand: 68.243 Hohes Potential bei positiven Marktverlauf Für den Fondsanteil trägt das Unternehmen nur implizites Risiko (Umschichtungsrisiko) Rückumschichtung permanent möglich Chart 20 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Vertragsverlauf eines Beispielvertrags (II) Vertragskonditionen Eintrittsalter: 30 Jahre Laufzeit: 30 Jahre mtl. Beitrag: 100 Beitragssumme: 36.000 Endstand: 36.050 Je höher das Potential, desto höher ist das Umschichtungsrisiko Chart 21 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Vertragsverlauf eines Beispielvertrags (III) Wird dieser Sachverhalt richtig abgebildet? Vertragskonditionen Eintrittsalter: 30 Jahre Laufzeit: 30 Jahre mtl. Beitrag: 100 Beitragssumme: 36.000 Endstand: 61.345 Quod erat demonstrandum! Innerhalb kurzer Zeit werden große Volumina in den konventionellen Deckungsstock umgeschichtet Wiederanlagerisiko!!! Chart 22 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Abbildung in den GDV-Modellen Wie groß ist der Fehler? Deckungsrückstellung ist Inputparameter in den Modellen Fortschreibung der Kapitalanlage anhand der Bestandsabwicklung Deterministische oder stochastische Projektion der Erträge Eher für klassische Tarife geeignet Reale Abhängigkeit: Vertragstand Monatliche Umschichtungen Kapitalanlageentwicklung Neuanlagevolumen Deckungs rückstellung Garantiefonds Freier Fonds Nettoverzinsung Fondsentwicklung Portfolio entwicklung Chart 23 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Agenda 1. Wertorientierte Steuerung von Versicherungsunternehmen 2. Zinsniveau aus Risikofaktor 3. Anwendungsgebiet Produktentwicklung 4. Säule I vs. Säule II 5. Fazit Chart 24 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Bekannte Fehler der Standardformel In der Modellierung und Bestimmung der Kapitalanforderungen sind bekannte Fragwürdigkeiten Staatsanleihen unterliegen keinem Stress Stresshöhen sind auf ein europäisches Durchschnittsunternehmen kalibriert (im Details sind die einzelnen Referenzportfolios auf ihre Angemessenheit zu hinterfragen) Annahme einer multivariaten Normalverteilung Mehrfachzählungen sind durch die Aggregationsstruktur nicht ausgeschlossen Keine Berücksichtigung des Volatilitätsrisikos Welche Auswirkungen hat eine Investition in Griechische Staatsanleihen? Im Modell oder in der Realität? Chart 25 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Gesamtsolvabilitätsbedarf Gegenüber der (teilw. politisch getriebenen) aufsichtsrechtlichen Anforderung sollte die Solvabilität realitätsnäher betrachtet werden Berücksichtigung und Quantifizierung aller(!) relevanten Risiken Überprüfung der Angemessenheit der Standardformelstresse Zumindest qualitative Beschreibung aller nicht quantifizierbaren Risiken Quelle BaFin: Vorbereitung auf Solvency II: Beurteilung des Gesamtsolvabilitätsbedarfs und allgemeine Anforderungen für den ORSA Chart 26 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Steuerung nach dem Gesamtsolvabilitätsbedarf Sowohl die aufsichtsrechtlichen Anforderungen als auch der Gesamtsolvabilitätsbedarf sind ständig einzuhalten und die Ergebnisse zu reporten Granularitätsgrad ist im Gesamtsolvabilitätsbedarf deutlich niedriger Strategische Entscheidungen können sich in beiden Modellen unterschiedlich stark auswirken Die Frage der Steuerung des Unternehmens ist Teil der Risikostrategie und wird vom Vorstand festgelegt! Beinhaltend sind: Annahmen für Limitsysteme, Kapitalallokation etc. Wichtig: Akzeptanz in allen Unternehmensbereichen Chart 27 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Agenda 1. Wertorientierte Steuerung von Versicherungsunternehmen 2. Zinsniveau aus Risikofaktor 3. Anwendungsgebiet Produktentwicklung 4. Säule I vs. Säule II 5. Fazit Chart 28 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
Fazit Komplexitätsanstieg erfordert höheres Verständnis der Modelle bei den Entscheidungsträgern Anforderung an die Kommunikation und an das Asset-Liability Management steigen Modelle sind Entscheidungshilfen, keine Steuerungsmodule! Kreative Produktideen sind gefragt Solvency II ist Herausforderung und Chance zu gleich Zeit für Querdenker Chart 29 - Anwendung und Grenzen der Standardformel im Rahmen des Risikomanagements
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