6 Lungenfunktionsprüfung



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Transkript:

Indikationen und Kontraindikationen 6 Lungenfunktionsprüfung 6.1 Indikationen und Kontraindikationen 6.2 Spirometrie 71 Indikationen * Funktionelle Diagnostik von bronchopulmonalen Erkrankungen * Beurteilung von Schweregrad bzw. Progression einer bekannten Lungenerkrankung * Differentialdiagnose obstruktiver/restriktiver Ventilationsstörungen * Beurteilung der Therapieeffektivität * Beurteilung d. Grade d. körperl. Beeinträchtigung (Erwerbsunfähigkeit, Invalidität) * Einschätzung perioperativer Komplikationen Kontraindikationen * Schlechte Zusammenarbeit bzw. Unfähigkeit (sehr alte oder sehr junge Patienten) * Ansteckende Erkrankung (z. B. TB) * Pneumothorax * Aneurysmen * Hernien * Angina pectoris oder kürzlich erlittener Herzinfarkt * Vor kurzem durchgeführte OP am Auge, abdominale oder thorakale Eingriffe Inspirationskapazität IC Funktionelle Residualkapaz. FRC Inspiratorisches Reservevol. IRV Atemzugvolumen V T Exspiratorisches Reservevol. ERV Residualvolumen RV max. Einatemlage Max. Ausatemlage Atemruhelage 4,8 l 3,8 l 3,6 l 1,2 l 1,5 l 1,0 l Volumen 1s Forc. exspir. Volumen FEV 1 Vitalkapazität VC Totalkapazität TLC TLC Totalkapazität RV Residualvolumen 20 30J. 50 60J. 60 70J. Abb. 9 Normales Spirogramm Abb. 10 FEV 1 Zeit www. media4u.com

72 6 Lungenfunktionsprüfung Ventilation AF AMV CC C dyn sc dyn C stat CV Atemfrequenz: [12-20/min] Atemminutenvolumen: V E =V T x AF [5 6 l/min] "Closing capacity", Verschlusskap.: [1.9l] CC/TLC (%): 0.53 x A + 14.35 [32%] Dyn. Compl.: C dyn = V/ P tp [0.2 0.25 l/cm H 2 O] Spezif. dyn. Compl.: sc dyn =C dyn /IGV [0.05 0.06 l/cm H 2 O] Statische Compliance Lunge: [0.2 l/cm H 2 O] Thoraxwand: [0.2 l/cm H 2 O] Zusammen: [0.1 l/cm H 2 O] FVC G aw sg aw IC IF IGV "Closing volume": CV=CC-RV [400 ml] IRV CV/VC (%): CV/VC=K x (0.318 x A + 1.919) [9%], K=1.0 (mitt.), 1.092 (grenzw.) Forcierte exspiratorische Vitalkapazität: M: 5.76 x L-0.026 x A-4.34 (±0.61) [> 4 l] F: 4.43 x L-0.026 x A-2.89 (±0.43) [> 3 l] "Conductance", Atemleitfähigkeit: G aw =1/ R aw [0.66 l (cm H 2 O s) -1 ] spezifische Atemleitfähigkeit: sg aw =G aw /IGV [0.15 0.3 (cm H 2 O s) -1 ] Inspirationskapazität: IC=V T + IRV [2 4 l] "Inspiratory force", Inspirationskraft: [75 100 cmh 2 O] Intrathor. Gasvol.: norm: IGV=FRC [2 4 l]; M: -7.5110 + 0.0167 x A + 6.9810 x L- 1,7332 x BI, F: -1.4004 + 0.0035 x A + 3.4558 x L- 1.4044 x BI Inspiratorisches Reservevolumen: [2.5 l] E Lungenelastiz.: E= P tp / V [4 5 cm H 2 O/l] MEF Maximaler exspiratorischer Fluss, s. FEF ERV Exspiratorisches Reservevolumen: [1 2l] MEP "Maximal expiratory pressure": [M: >150 cm H 2 O], [F: >120 cm H 2 O] FEF Forcierter exspiratorischer Fluss (=MEF) MIP "Maximal inspiratory pressure": [M: >90 cm H 2 O], [F: >50 cm H 2 O] FEF 25- (zur Hälfte der FVC): 75 M: 1.94 x L -0.043 x A + 2.70 (±1.04) F: 1.25 x L-0.034 x A + 2.92 (±0.85) M: [>2 l s -1 ], F: [>1.6 l s -1 ] PEF "Peak expiratory flow", exspirat. Spitzenfluss: M: 6.15 x L-0.043 x A+0.54 (±1.21) F: 5.50 x L-0.03 x A-1.11 (±0.90); [5 10 l s -1 ]

Spirometrie 73 FEF 200-1200 ml (zwisch. 0.2 1.2l der FVC): M: [> 3.5 l s -1 ], F: [> 3.0] MEF 25 (bei 25% der VC): M: 2.61 x L-0.026 x A - 1.34 (±0.78) F: 1.05 x L-0.025 x A + 1.11 (±0.69) FEF MEF 50 (bei 50% der VC): (Forts.) M: 3.79 x L-0.031 x A-0.35 (±1.32) F: 2.45 x L-0.025 x A + 1.16 (±1.10) M: [>2.5 l s -1 ], F: [>2.0 l s -1 ] FEV FEV 1 / %VC (rel.) FRC MEF 75 (bei 75% der VC): M: 5.46 x L-0.029 x A-0.47 (±1.71) F: 3.22 x L-0.025 x A + 1.60 (±1.35) M: [>1.5 l s -1 ], F: [>1.0 l s -1 ] Forciertes exspiratorisches Volumen: FEV 1 (1. Sek.) FEV 1 =L 3 /K x (0.82-((A-22)/100) 2 ) M: K=1.o (mittel), K=1.2 (grenzw.) [>3 l] F: K=1.1 (mittel), K=1.37 (grenzw.) [>2 l] (rel. Sekundenkapazität): M: -0.179 x A+87.21(±7.17) [>60%] F: -0.192 x A+89.10 (±6.51) [>70%] R aw sr aw R L "Airway resistance", Widerstand: R aw = P A / F [1.2 2.5 cm H 2 Osl -1 ] spezif. Atemwegswiderst.: sr aw =R aw x IGV; [M: 3.3 5.7 cmh 2 Os, F: 2,1 4.9cmH 2 Os] "Lung resistance", Lungenwiderst.: [<3 cm H 2 Osl -1 ] RV Residualvolumen: RV=K x L 3 x (0.202 + 0.00288 x A), [1.2 1.5 l], 25% der Totalkap. M: K=1.0 (mitt.), K=1.3 (grenzw.) F: K=0.9 (mitt.), K=1.17 (grenzw.) TLC "Total lung capacity", Totalkapazität: TLC=RV + VC [6 7 l] unt. Grenzwert: TLC=9.33 x L -10.4 [5 6 l], (F: 10% niedriger) V A Alveol. Ventilation: V A =V E -V D xaf [4.2 4.5l/min] V A /Q VC Vent.-Perfus.-Verhältnis: V A / Q [0.8] Vitalkapazität: VC=L 3 /K x (1.03-((A-25)/100) 2 x 0.75) M: K=1.0 (mitt.), K=1.2 (grenz.) [4 5 l] F: K=1.1 (mitt.), K=1.33 (grenz.) [3 4 l] FEV 3 /%VC (rel., erste 3 Sek.): [97%] V D Totraumventilation: V D =138 + 0.777 x V T [150 ml] FIF 25-75 : forc. mid-inspir. Fluss: [5 l/s] V D /V T Totraumquotient: V D /V T =0.246 + 0.17 x A [<0.35, unter Belast. <0.2] Funktionelle Residualkapazität: FRC=RV + ERV [2 4 l] Mittelwert: M: 2.348 x L + 0.009 x A-1.232 (±0.60) F: 2.245 x L + 0.001 x A-1.003 (±0.50) V E V T W Atemminutenvolumen: V E =V T x AF [5 6 l/min] Atemzugvolumen (tidal vol.): [0.5 0.7 l] Atemarbeit: [0.1 0.3 mj/l] www. media4u.com

74 6 Lungenfunktionsprüfung 6.2.1 Messung von funktioneller Residualkapazität Residualvolumen und Totalkapazität Da das RV nach maximaler Exspiration in der Lunge verbleibt, kann es spirometrisch nicht erfasst werden. Folglich wird die FRC durch nichtspirometrische Methoden (Heliumdilution, Stickstoffauswaschmethode oder Bodyplethysmographie) ermittelt und RV und TLC können ausgerechnet werden. RV = FRC - ERV; TLC = FRC + RV Wird die FRC bodyplethysmographisch mittels Verschlussdruck gemessen, wird allgemein der Begriff "intrathorakales Gasvolumen" verwendet (ITGV). Heliumdilution (geschlossenes System) * Der Patient atmet eine Gasmixtur (10 % He, 21 % O 2, der Rest N 2, bis ein Gleichgewicht eintritt) ein; an diesem Punkt wird die FRC ermittelt. * benötigt ~ 7 min, falls > 7 min = Obstruktion Stickstoffauswaschmethode (offenes System) * Der Patient inhaliert 100 % O 2 für ~ 7 min bis N 2 aus der Lunge auf 1 % eliminiert ist. * Falls > 7 min = obstruktive Lungenerkrankung Bodyplethysmographie * Nach Boyle-Mariotte ist unter thermostabilen Bedingungen das Produkt Druck (P) x Volumen (V) konstant. Endexspiratorisch erfolgt bei normalem Atemmanöver der Verschluss des Atemventils in der geschlossenen Kammer. Der Patient führt die Atembewegung (Inspirationsversuch) durch, wodurch es zu alveolären Druckschwankungen kommt (dabei wird der Mund-(verschluss-)Druck P M dem Alveolardruck P A gleichgesetzt); trägt man dann den Munddruck P M gegen den Kammerdruck P K auf, kann man bei bekanntem Kammervolumen das ITGV berechnen: ITGV = P K / P M x (Kabinenvolumen - Körpervolumen) * Unter Anwendung des Boyle schen Gesetzes erhält man das thorakale Gasvolumen (TGV), welches am Ende der Exspiration alle Lungenteile (auch diejenigen, die nicht an der Atmung teilnehmen) umfasst. In die durch Fremdgas bestimmte Messung der FRC gehen nur ventilierte Lungenabschnitte ein. Aus der Differenz beider Werte lässt sich die sogenannte "Trapped Air" ermitteln, welche ein Maß für pulmonal "gefangene" Luft darstellt. Bei d. Heliumdilution u. Stickstoffauswaschmethode wird nur das Volumen der miteinander in Verbindung stehenden Luftwege erfasst. * Deshalb haben die mittels Bodyplethysmographie erhaltenen Werte für ITGV, RV und TLC einen höheren diagnostischen Aussagewert als die durch Heliumdilution und Stickstoffauswaschmethode gewonnenen Messdaten.

Spirometrie 75 6.2.2 Geläufige spirometrische Testverfahren Exspirationsparameter FVC Forcierte Vitalkapazität: Maximales Gasvolumen, das nach maximaler Inspiration so stark und so schnell wie möglich ausgeatmet werden kann. Weitere wichtige Messgrößen in Zusammenhang mit der FVC sind: FEV1, FEF 25 75 % und PEF. Erklärung * Normale Ausatmung 4 6 s * COPD-Patienten können m 8 15 s für die Ausatmung (F)VC benötigen. * o FVC sowohl bei obstruktiven wie auch restriktiven Erkrankungen. Beachte: Die inspiratorisch gewonnene Vitalkapazität (IVC), die nach einer maximalen Ausatmung durch anschließende langsame maximale Einatmung gemessen wird, sollte >/= der FVC sein, da es bei der Messung der FVC auch beim Gesunden (mehr noch beim COPD-Patienten) zu einem Bronchialkollaps kommen kann (Trapped Air). IVC >/= FVC = Gütekriterium der Mitarbeit! FEV 1 Einsekundenkapazität Volumen, das innerhalb der ersten Sekunde der FVC ausgeatmet wird. Oft Normal: m 80 % bzw. bis zu m 70 % bei älteren Patienten Obstruktion: (o FEV 1, o FEV 1 /FVC) ausgedrückt in Prozent der FVC * Leicht: 60 80 % des Sollwertes (FEV 1 /FVC-Quotient oder FEV 1% ). Nach dem 30. Lj. * Mäßig: 40 60 % des Sollwertes * Schwer: < 40 % des Sollwertes Verminderung um ~ 30 ml/jahr; Restriktion: bei COPD Patienten ca. 2 4-mal * (o FEV1, norm/mfev 1 /FVC) mehr (60 120 ml/j.) FEV 25-75% Forcierter exspiratorischer Atemfluss zwischen 25 % und 75 % des FVC: Durchschnittlicher Fluss im mittleren Abschnitt der FVC. Erlaubt Aussagen über den Zustand der kleinen bis mittleren Luftwege. Sehr variabler Test. Normal: 3.5 5 L/s (210 300 L/min) o FEF 25 75 % : Möglicher Hinweis auf frühes Stadium einer Erkrankung der kleinen Luftwege. Norm/o FEF 25 75 % : Restriktion www. media4u.com

76 6 Lungenfunktionsprüfung FEF 200 1200 PEF MVV Forcierter exspiratorischer Atemfluss 200 1200 ml: Durchschnittlicher Fluss zwischen 200 und 1200 ml der FVC. Gibt Aufschluss über den Zustand der großen Luftwege. Normal: 5.5 8 L/s (330480 L/min) o FEF 200 1200 : Obstruktion der großen Luftwege, restriktive Störungen. Exspiratorischer Spitzenfluss: Normal: Maximale Atemstromstärke bei M: 500 600 L/min forcierter Exspiration. (8 10 L/s) Gewöhnlich gemessen mit F: 350 450 L/min (6 8 L/s) tragbaren Peak-Flow-Metern im o PEF: Obstruktion, Restriktion, Rahmen der zirkadianen oder ältere Menschen Selbstüberwachung von Asthmapatienten. Ausgeatmetes Gasvolumen Normal: 120 180 L/min während maximaler o MVV: Obstruktion & Restriktion. Atemmanöver innerhalb eines Angenommenes MVV = 35 x FEV1. gewählten Zeitintervalls: Patient atmet so kräftig und schnell wie möglich innerhalb von 10, 12 oder 15 Sekunden. Das Volumen wird aufgezeichnet und mit 6, 5, oder 4 multipliziert und auf 1 Minute extrapoliert. Abweichungen bis zu 30 % sind im Toleranzbereich. Anmerkung: Die Normalwerte sind bezogen auf junge, gesunde Personen zwischen 20 und 30 Jahren.

122 8 Obstruktive Atemwegserkrankungen 8.3 Richtlinien der COPD-Therapie [GOLD] 8.3.1 Komponente 1: Diagnostik und differentialdiagnostische Abgrenzung Diagnose Eine COPD sollte bei jedem Patienten mit chronischem Husten, chronischer Schleimsekretion bzw. Auswurf, persistierender, progressiver Dyspnoe/Belastungsdyspnoe und anamnestisch erfassten Risikofaktoren (Zigarettenrauch, berufsbedingte Exposition gegenüber Stäuben und Dämpfen bzw. chemischen Noxen und/oder Rauch aus industriellen Verbrennungsprozessen) in Betracht gezogen werden. Eine Bestätigung der Diagnose erfolgt durch die Spirometrie. * Körperliche Untersuchung: Spielt eine eher untergeordnete Rolle in d. Diagnostik. Zeichen der Atemflusslimitierung sind gewöhnlich erst dann zu erkennen, wenn es zu einer signifikanten Verschlechterung der Lungenfunktion kommt. * Spirometrie: ) Um die Diagnose frühestmöglich zu stellen, sollte bei chronischem Husten und chronischer Sputumproduktion sowie anamnestisch bekannten Risikofaktoren, (auch bei fehlender Dyspnoe) eine Spirometrie durchgeführt werden. ) COPD-Patienten zeigen typischerweise eine verminderte FEV 1 und FVC. ) FEV 1 < 80 % des Sollwertes und FEV 1 /FVC-Quotient < 70 % nach Gabe eines Bronchodilatators bestätigt eine nicht komplett reversible Luftstromlimitierung. ) Folgende Untersuchungen können bei Patienten in Stadium II (mäßige COPD) hilfreich sein: - Bronchodilatator-Reversibilitätstest: Zum Ausschluss eines Asthma bronchiale hilfreich (bei COPD kaum Reversibilität). - Glukokortikosteroid-Reversibilitätstest: Über einen Versuchszeitraum von 6 Wochen bis 3 Monate werden inhalative Glukokortikosteroide verabreicht, um diejenigen Patienten zu finden, bei denen eine Langzeittherapie mit Steroiden erfolgversprechend scheint. FEVmum m 200 ml und 12 % = Glukokortikosteroidreversibilität * Röntgen-Thorax: Nicht zwingendes diagnostisches Verfahren, außer bei offensichtlichem Vorliegen einer bullösen Erkrankung. * Arterielle Blutgase: Sollten bei Patienten, deren FEV 1 < 30 % des Sollwertes ist oder die klinische Zeichen einer respiratorischen Insuffizienz oder Rechtsherzinsuffizienz aufweisen, bestimmt werden. * Alpha-1-Antitrypsinmangel-Screening: Kann für COPD Patienten, die jünger als 45 Jahre oder familienanamnestisch belastet sind, von Bedeutung sein.

Richtlinien der COPD-Therapie 123 Differentialdiagnosen Diagnose COPD Asthma Kongestive Herzinsuffizienz Bronchiektasen Tuberkulose Obliterative Bronchiolitis Diffuse Panbronchiolitis Mögliche Hinweise (nicht immer vorhanden) * Beginn im mittleren Alter * Langsam progrediente Symptomatik * Belastungsdyspnoe * Weitgehend irreversible Atemflusslimitierung * Früher Beginn (oft in der Kindheit) * Wechselnde Symptomatik * Symptome oftmals in der Nacht/am frühen Morgen * Allergien, Rhinitiden und/oder Ekzeme in der Anamnese * Familiäre Vorbelastung * Weitgehend reversible Atemflusslimitierung * Feines basales Knistern * Rö-Thorax: Herzdilatation, pulmonales Ödem * Lungenfunktionstests zeigen allenfalls eine Restriktion, keine Atemflusslimitierung * Voluminöses, eitriges Sputum * Häufig assoziiert mit bakteriellen Infektionen * Feuchte Rasselgeräusche, Trommelschlegelfinger * Rö-Thorax/CT: bronchiale Erweiterung, Verdickung der Bronchuswände * Altersunabhängig * Rö-Thorax: Lungeninfiltrate oder noduläre Verdichtungen * Mikrobiologische Bestätigung * Hohe örtliche TB-Prävalenz * Beginn in jüngerem Alter, Nichtraucher * Möglicherweise rheumatoide Arthritis in der Anamnese * Im CT exspiratorisch hypodense Zonen * Meistens Männer und Nichtraucher betroffen * Sehr häufig chronische Sinusitis in der Anamnese * Rö-Thorax und HR-CT zeigen diffuse, kleine, zentrilobuläre, knotige Infiltrate und Zeichen der Lungenüberblähung www. media4u.com

124 8 Obstruktive Atemwegserkrankungen Einteilung (nach Schweregrad) Stadium I: Leichte COPD * Leichte Einschränkung des Atemflusses (FEV 1 /FVC < 70 % aber FEV 1 > 80 % des Solls), nicht obligatorisch * Chronischer Husten und Auswurf * In diesem Stadium ist sich der Patient oft nicht bewusst, dass seine Lungenfunktion nicht mehr im Normbereich liegt. Stadium II: Zunehmende Dyspnoe (FEV 1 /FVC < 70%, 50% [ FEV 1 < 80% des Mittelgradige COPD Sollwertes), gewöhnlich progrediente Symptomatik mit (typischerweise unter Belastung auftretender) Kurzatmigkeit Stadium III: Schwere COPD Stadium IV: Sehr schwere COPD * Weiter zunehmende Dyspnoe (FEV 1 /FVC < 70 %, 30 % [ FEV 1 < 50 % des Solls) * m Kurzatmigkeit und wiederholt auftretende Exazerbationen mit Auswirkung auf die Lebensqualität Sehr starke Einschänkung des Atemflusses (FEV 1 /FVC < 70 %, FEV 1 < 30 % des Solls) oder FEV 1 < 50 % plus chronische respiratorische Insuffizienz und/oder Rechtsherzinsuffizienzzeichen * In diesem Stadium ist die Lebensqualität des Patienten spürbar eingeschränkt, und Exazerbationen können lebensbedrohlich sein. COPD-Schweregrade Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD), Executive Summary: Global strategy for the diagnosis, management and prevention of COPD, 2006. (Based on April 1998 NHLBI/WHO Workshop), www.goldcopd.com

Richtlinien der COPD-Therapie 8.3.2 Komponente 2: Reduzierung von Risikofaktoren Raucherentwöhnung 125 Die effektivste Therapie der COPD bzw. die wirkungsvollste Methode, das Erkrankungsrisiko zu minimieren oder die Progression der Erkrankung zu verhindern, besteht in der Vermeidung von Risikofaktoren, v. a. des Nikotinabusus (führt NICHT zur Rückbildung bereits vorhandener Schäden).. Hilfsstrategien für den Patienten 1. FRAGEN: Identifizieren Sie jeden Raucher bei jeder Konsultation. Führen Sie auf der Station/in der Praxis...ein Verfahren ein, welches sicherstellt, dass JEDER Patient bei JEDER Konsultation nach Rauchgewohnheiten befragt wird und dies auch dokumentiert wird. 2. UNTERWEISUNG: Fordern Sie jeden Raucher nachdrücklich auf, das Rauchen zu unterlassen. Machen Sie jedem Raucher mit deutlicher, unmissverständlicher Wortwahl klar, dass er mit dem Rauchen aufhören muss. 3. EINSCHÄTZUNG: Stellen Sie fest, ob die Bereitschaft vorhanden ist, einen Entwöhnungsversuch zu probieren. Fragen Sie jeden Raucher, ob er gewillt ist, zu einem gesetzten Termin (z. B. innerhalb der nächsten 30 Tage) zu versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören. 4. HILFE: Unterstützen Sie den Patienten. Helfen Sie ihm mit einem Strategieplan, praktischen Ratschlägen und im Rahmen der Behandlung mit Gesprächen bzw. Hinweisen auf die Nutzung von Selbsthilfegruppen außerhalb der Behandlung, ggf. mit anerkannten medikamentösen Maßnahmen und Informationsbroschüren. 5. VEREINBARUNG: Wiedervorstellung. Vereinbaren Sie entweder persönlich oder telefonisch Folgetermine. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD), Executive Summary: Global strategy for the diagnosis, management and prevention of COPD, updated September 2005. (Based on April 1998 NHLBI/WHO Workshop), www.goldcopd.com Medikamentöse Therapie * Nikotinersatztherapie: In jeglicher Form (z. B. Nikotinkaugummis, inhalativ, sublingual, als Nasenspray oder transdermales Pflaster), führt langfristig zu einer Erhöhung der Erfolgsquote. * Antidepressiva: Bupropion (Zyban) und Nortriptylin erhöhen die Erfolgsquoten ebenfalls auf lange Sicht. www. media4u.com

126 8 Obstruktive Atemwegserkrankungen Berufliche Exposition Eliminierung, Reduzierung und/oder Kontrolle berufsbedingter Exposition gegenüber inhalativen Noxen (Partikel, Gase). Luftverunreinigung im Innen- und Außenbereich Messungen im Innen- und Außenbereich, um Luftverunreinigungen zu reduzieren und/oder zu vermeiden. Empfehlung, auf Durchsagen/Warnungen im Radio oder Fernsehen hinsichtlich der Luftqualität zu achten. 8.3.3 Komponente 3: Behandlung der stabilen COPD Pharmakotherapie (s. S. 132) * Bronchodilatatoren ) Nach Bedarf zur Erleichterung bei intermittierend auftretender oder stärker werdender Symptomatik und regelmäßig zur Verhinderung oder Reduzierung bestehender Symptomatik. ) Die Wahl zwischen β 2 -Sympathomimetika, Anticholinergika, Methylxanthinen und ihrer Kombination hängt von der Verfügbarkeit und dem Patienten (z. B. Besserung der Symptomatik bzw. auch Nebenwirkungen) ab. ) Regelmäßige Behandlung mit langwirksamen Bronchodilatatoren ist effektiver und angenehmer als mit kurzwirksamen Bronchodilatatoren, aber teurer. ) Die Kombinationstherapie führt zu wesentlich besseren therapeutischen Ergebnissen und weniger Nebenwirkungen (unterschiedliche pharmakologische Angriffspunkte und unterschiedliche Wirkdauer). ) Theophyllin ist ein effektives Therapeutikum bei COPD, sollte aber wg. der geringen therap. Breite nur als Mittel der zweiten Wahl in Betracht gezogen werden. Bei Verfügbarkeit sind inhalative Bronchodilatatoren vorzuziehen. * Glukokortikosteroide ) Die regelmäßige Behandlung mit inhalativen Glukokortikoiden ist bei Patienten mit einer FEV 1 < 50 % des Solls (Stadium III: schwere COPD und Stadium IV: sehr schwere COPD) sowie bei wiederholten Exazerbationen (z. B. 3 Exazerbationen innerhalb der letzten 3 Jahre) angezeigt. ) Die Behandlung mit inhalativen Glukokortikosteroiden über einen längeren Zeitraum kann zu einer Verbesserung der Symptomatik in dieser sorgsam ausgewählten Patientengruppe führen, verhindert aber auf lange Sicht nicht die Abnahme der FEV 1. Die Dosis-Wirk-Beziehungen und Langzeitwirkung von inhalativen Glukokortikosteroiden ist weitgehend unbekannt. Eine Langzeitbehandlung mit oralen Glukokortikosteroiden wird nicht empfohlen.

Richtlinien der COPD-Therapie Übliche Medikamente in der Therapie der COPD Wirkstoff Inhalator (µg) Inhalationslösung für Vernebler (mg/ml) 127 Oral Injektionen Wirkdauer (h) β 2 -Sympathomimetika, kurzwirksam (SABA) Fenoterol 100 (DA) 4 6 Salbutamol 100, 200, 400 1.25/2.5 Ret. Tabl 4, 4 6 (DA + PI) 2.5/2.5 (FA) 8 mg Terbutalin 500 (PI) Tabl. 2.5, 5, 0.5 mg/ml 4 6 7.5 mg Saft 0.3 mg/ml s.c. Reproterol 0.09 mg/ml 2 i. v. Bambuterol 10 mg 24 β 2 -Sympathomimetika, langwirksam (LABA) Formoterol 12 (DA + PI) 12 6 (PI) Salmeterol 25 (DA) 12 50 (PI) Anticholinergika: kurzwirksam Ipratropiumbromid 20 (DA) 0.25 (Lsg.) 0.5/2, 0.25/2 (FA) Anticholinergika: langwirksam Tiotropium 18 (PI) 24 Kombination: kurzwirksames β 2 -Sympathomimetikum + Anticholinergikum Fenoterol/ 20/50 (DA) 0.25 + 0.5 6 8 Ipratropium (Lsg.) Methylxanthine (therapeutischer Bereich d. Serumkonzentration 5 15 mg/l) Aminophyllin 125 mg Tbl. 120 mg/ml i. v. 6 8 Variabel, bis zu 24 www. media4u.com

128 8 Obstruktive Atemwegserkrankungen Salmeterol/ Fluticason 50/100 50/250 50/500 (PI) 25/50, 25/125, 25/250 (DA) Systemische Glukokortikosteroide Prednisolon 1, 5, 10, 20, 50 mg Tabl. Theophyllin 100 600 mg 200 mg/10 ml Variabel Tabl./Kaps., i. v. bis zu 24 retardiert u. unretardiert Inhalative Glukokortikosteroide Ciclesonid 80, 160 (DA) 24 Beclometason 50 400 12 (DA + PI) Budesonid 100, 200, 400 0.5, 1/2 12 (DA +PI) Fluticason 50 500 0.5, 2/2 12 (DA + PI) Mometason 200, 400 (PI) 12 14 Kombination: langwirksame β 2 -Sympathomimetika + Glukokortikosteroide Formoterol/ Budesonid 4.5/80 4.5/160 9/320 (PI) 12 Methylprednisolon 2, 4, 8, 16, 40 mg Tabl. 10 500 mg/ ml 1g/10 ml i.v. 16 32 mg/ml 250 mg/5 ml 1 g/10 ml i. v. 12 Variabel, HWZ 3 Variabel, HWZ 3 DA = Dosieraerosol; PI = Pulverinhalator; FA = Lösung in Fertigampullen Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD), Executive Summary: Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of COPD, updated September 2005. (Based on April 1998 NHLBI/WHO Workshop) www.goldcopd.com

Richtlinien der COPD-Therapie 129 * Ergänzende medikamentöse Therapieansätze ) Impfungen: - Eine Influenza-Impfung kann das Risiko einer schweren oder tödlichen Erkrankung bei COPD-Patienten um ~ 50 % senken. Sollte jährlich im Herbst oder Winter erfolgen. - Pneumokokkenimpfung: Kommt ebenfalls zum Einsatz, jedoch sind weitere Studien erforderlich, um eine generelle Empfehlung bei COPD-Patienten zu rechtfertigen. ) Anhebung des Alpha-1-Antitrypsin-Serumspiegels: Junge Patienten mit angeborenem, schwerem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und bestehendem Emphysem sind mögliche Kandidaten; die Substitutionstherapie ist jedoch sehr teuer und in den meisten Ländern nicht verfügbar. ) Antibiotika: Nur im Fall infektiöser Exazerbationen ) Mukolytika: Einige Patienten mit eher zäher Schleimproduktion profitieren möglicherweise von Mukolytika. Keine generelle Therapieempfehlung. ) NICHT bei stabiler COPD empfohlen: Regelmäßige Einnahme von Antitussiva, Atemstimulantien, Narkotika, Immunmodulatoren, Antioxidantien, Nedocromil, Leukotrien-Rezeptorantagonisten und alternative Methoden wie Kräutermedizin, Akupunktur und Homöopathie. Vasodilatatorisch wirkende Substanzen (z. B. inhalatives Stickstoffmonoxid) sind kontraindiziert. Nichtmedikamentöse Behandlung * Pulmonale Rehabilitation: Therapieziel ist eine Reduktion der Symptome mit Verbesserung der Lebensqualität und Erhöhung der Leistungsfähigkeit und der physischen und emotionalen Alltagsstabilität. In allen Krankheitsstadien profitieren die Patienten von den Trainingsprogrammen durch Steigerung der Belastungstoleranz hinsichtlich Dyspnoe und Erschöpfungszuständen. Je länger u. konsequenter die Übungen durchgeführt werden, umso größer ihre Effektivität. * Sauerstofftherapie: ) Langzeit-Sauerstofftherapie (> 16 Stunden/Tag) ist normalerweise im Stadium IV indiziert: Sehr schwere COPD bei Patienten mit: -PaO 2 < 55 mmhg (7.3 kpa) oder SaO 2 [ 88 % mit oder ohne Hyperkapnie; oder -PaO 2 55 60 mmhg (7.3 8.0 kpa) oder SaO 2 89 % mit entsprechendem ph- Wert, periphere Ödeme deuten auf eine Stauungsinsuffizienz oder Polyglobulie (Hkt. > 55 %) hin. ) Ziel der Sauerstofflangzeittherapie ist die Sicherstellung eines stabilen PaO 2 von mindestens 60 mmhg (8.0 kpa) und / oder SaO 2 > 90 % www. media4u.com

296 20 Gastherapien 20 Gastherapien 20.1 Sauerstofftherapie Indikationen * Nachgewiesene Hypoxämie ) Hypoxämie liegt bei Erwachsenen, Kindern und Kleinkindern, die älter als 28 Tage sind, wenn PaO 2 < 55 mmhg oder SaO 2 bei Raumluft < 90 %. ) Bei Kleinkindern, die jünger als oder genau 28 Tage alt sind, liegt eine Hypoxämie vor, wenn PaO 2 < 50 mmhg und SaO 2 < 88 %. * Notfallsituationen wie z. B.: ) Respiratorische Insuffizienz ) Schock ) Kreislaufstillstand ) Kohlenmonoxidvergiftung ) Schweres Trauma * Koronarischämie

Algorithmus zur Langzeit-Sauerstofftherapie Algorithmus zur Langzeit-Sauerstofftherapie PaO ² in Ruhe [ 55 mmhg oder PaO ² in Ruhe 56-60 mmhg bei - Cor pulmonale oder - Polyglobulie oder PaO ² unter Belastung [ 55 mmhg oder Hypoxämie im Schlaf 1 Grunderkrankung adäquat therapiert? Nein Therapie optimieren 0 Hypoxämie vorhanden Sauerstofftherapie 15 16 17 Nein Ø Langzeit-O ² -Th. Ja Ja Nein 2 3 4 5 6 Langzeit-O Hypoxämie in O ² -Applikation PaO ² m 60 mmhg oder Patient ² -Th. Ja Ja Ja mit stationärem + Ruhe? in Ruhe Anstieg um 10 mmhg mobil mobilem O ² -Gerät 297 Nein Nein Langzeit-O ² -Th. mit stationärem Sauerstoffgerät 7 Hypoxämie nur bei Belastung? 8 O ² -Applikation bei Belastung 9 PaO ² m 60 mmhg oder Belastbarkeit verbessert? 10 Ja Langzeit-O ² -Th. mit mobilem Sauerstoffgerät 11 Nein Nein Keine Langzeit- O ² -Therapie 12 13 Hypoxämie nur im Schlaf Schlaflabor Der Begriff "Langzeit-Sauerstofftherapie" umfasst sowohl die tägliche Sauerstoffapplikation über mindestens 16 Stunden als auch die tägliche Therapie unter Belastung über einen langen (Monate, Jahre) Zeitraum. Magnussen, H., et al.: Leitlinien zur Langzeit-Sauerstofftherapie. Pneumologie 2001; 55: 454 464. Ziffern 1 17 = Reihenfolge des Vorgehens 14 www. media4u.com

298 20 Gastherapien 20.1.1 Hypoxämie vs. Hypoxie * Hypoxämie: o O 2 im Blut (opao 2, osao 2 bzw. o CaO 2 ) * Hypoxie: oo 2 im Gewebe * Anoxie: kein O 2 im Gewebe Wirksamkeit der Sauerstofftherapie bei verschiedenen Formen von Hypoxie Hypoxämische Hypoxie Ursachen und Beispiele * o höhenbedingter inspirierter Sauerstoffpartialdruck (o Luftdruck) bzw. Patient erhält nicht die erforderliche Sauerstoffmenge * Alveoläre Hypoventilation: Drogen-Überdosis, neuromuskuläre Schwäche, obstruktives Schlaf-Apnoe- Syndrom, Obesitas-Hypoventilations-Syndrom * Unausgeglichener Ventilations-Perfusions-Quotient: COPD, Asthma, Diffusionsstörung * Rechts-Links-Shunt: Lungenödem, ARDS, Pneumonie, Atelektase, Shuntvitien Reaktion auf O 2 Vorwiegend gut, außer bei Rechts-Links-Shunt Anämische Hypoxie Mechanismus Hypoxie aufgrund der verringerten Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes Beispiele Schwere Anämie, Kohlenmonoxidvergiftung, Hämoglobinopathien, schwerer Blutverlust Reaktion auf O 2 Keine; möglicherweise in Grenzsituationen Zirkulatorische (stagnierend oder nicht ausreichend perfundierend) Hypoxie Mechanismus Hypoxie durch verringerten Blutfluss im Körper Beispiele Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Schock, Hypovolämie Reaktion auf O 2 Gering Histotoxische Hypoxie Mechanismus Hypoxie durch inadäquate zelluläre Sauerstoffverwertung Beispiele Zyanidvergiftung (Beeinträchtigung der Zellatmung) Reaktion auf O 2 Schlecht

20.1.2 Gefahren der Sauerstofftherapie Resorptionsatelektase Sauerstofftherapie 299 * Verabreichung von Luft mit hoher FIO 2 u Ausspülung von N 2 aus den Alveolen (N 2 beträgt normalerweise ~ 80 % in Alveolen) * Sauerstoff wird schneller aus den Alveolen entfernt, als er durch normale Ventilation ersetzt werden kann u o Verkleinerung der Alveolen u Kollaps der Alveolen/Atelektase. Retinopathia praematurorum * Vaskuläre Proliferation der Netzhaut * Hoher PaO 2 verursacht Verengung der Blutgefäße hinter der Netzhaut u o des Blutflusses ) Ggf. permanente Gefäßverengung sich entwickelnder Gefäße u Nekrose (Vaso-Obliteration) ) Neue Gefäße entstehen, um das Auge mit Sauerstoff zu versorgen u Verschleierung und Vernarbung der Netzhaut ) Das durch Blutung verursachte Narbengewebe zieht sich zusammen u Netzhautablösung und Erblindung * m Risiko bei: ) Neugeborenen < 33 Wochen und < 1.5 kg Körpergewicht ) m Verabreichung von O 2 mit einem PaO 2 > 80 100 mmhg ) Unreife Netzhautgefäße * Therapie/Vorbeugung: ) Aufrechterhaltung eines PaO 2 von 50 80 mmhg ) o Expositionszeit von hoher FIO 2 (inspiratorischer Sauerstoffkonzentration) ) Laser-Behandlung für Glaukom Sauerstofftoxizität * Verabreichung von hohem FIO 2 (= 0.5 0.6) über längere Zeit (> 2 3 Tage), u möglicherweise zu einer Zerstörung der Pneumozyten vom Typ I und deren Ersatz durch Typ-II-Zellen. Folge ist ein Ödem und eine Zerstörung/Nekrose der Endothel- Zellen u Hyalin-Membranen. * Bei Neugeborenen werden diese pathologischen Veränderungen in Zusammenhang mit der Entwicklung einer BPD (bronchopulmonalen Dysplasie) gebracht. * o des Risikos von Sauerstofftoxizität durch PEEP-Beatmung, wenn die FIO 2 m 0.50 beträgt www. media4u.com