Lastsynchrones Thermomanagement - Eine prototypische Anwendung für Hybridbusse Einleitung/Motivation/Abstract Eine zunehmende öffentliche Wahrnehmung erfahren praxistaugliche Elektromobilitätslösungen gegenwärtig insbesondere im Personennahverkehr in Form von Hybridbussen. Mittlerweile befinden sich in Deutschland 185 Hybridbusse im Einsatz, ca. 50 weitere sind bereits bestellt beziehungsweise ausgeschrieben [1]. Diese Entwicklung lässt sich unter anderem auf eine starke politische Förderung (ca. 20 Mio. Euro Anschaffungsförderung von Hybridbussen für den ÖPNV im Rahmen des Konjunkturpaketes II [2]) zurückzuführen. Ohne diese gezielten Subventionen könnten Hybridbusse bezüglich Investitions- und Betriebskosten ökonomisch noch nicht mit konventionellen Stadt-Bussen konkurrieren [3]. Um die Wirtschaftlichkeit der Hybridbusse im ÖPNV zukünftig zu steigern, bedarf es neben der Senkung der Investitionskosten einer bestmöglichen Steigerung der Energieeffizienz der Fahrzeuge. Dabei gewinnt die Optimierung der Nebenaggregate immer stärker an Bedeutung. Zu den größten Energiekonsumenten in Hybridbussen zählen u.a. elektrisch betriebene Klimatisierungsanlagen.
Hybridfahrzeuge weisen komplexe Heiz- und Kühlanforderungen auf: Fahrerarbeitsplatz, Fahrgastraum, Leistungselektronik, Antriebsaggregate und die elektrischen Energiespeicher erfordern exakte Temperierung auf höchstem Niveau in den unterschiedlichsten Klimaregionen. Um diese mit maximaler Effizienz zu erfüllen, bedarf es eines übergeordneten Thermomanagements. Vor diesem Hintergrund entstand in Zusammenarbeit der Spheros GmbH und mit dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) das Gemeinschaftsprojekt Lastsynchrones Thermomanagement. Dessen Ziel besteht darin, ganzheitliche hocheffiziente Klimatisierungskonzepte zu entwickeln, welche den Primärenergiebedarf und die Lebenszykluskosten der eingesetzten Systeme deutlich senken und somit die Reichweite im rein elektrischen Fahrbetrieb erhöhen, ohne Komforteinbußen für die Fahrgäste hinnehmen zu müssen. Prinzip/Konzept Das Prinzip des Lastsynchronen Thermomanagements veranschaulicht 1. Es übernimmt die übergeordnete Regelung aller für die Klimatisierung notwendigen Komponenten. Es zielt auf eine optimale Verteilung der thermischen Energieströme ab, um somit den zur Klimatisierung benötigten Primärenergiebedarf auf ein Minimum zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, lassen sich innerhalb des Thermomanagements beispielsweise Wärmepumpenfunktionen zur Rekuperation von Verlustwärmen bei kühlen Umgebungsbedingungen als auch Wärme- /Kältespeicher zum Ausgleich von Lastspitzen nutzen. Zusätzlich gewährleistet das Thermomanagement eine bedarfsgerechte, lastsynchrone Zufuhr von Heiz- und Kühlleistung zu den entsprechenden Komponenten und regelt dabei vorrausschauend und stabil die zulässigen Temperaturbereiche, wie das nachfolgende Anwendungsbeispiel veranschaulicht: Eine prädiktive Regelung des Klimatisierungssystems bei sommerlichen Umgebungstemperaturen kann die während des Fahrbetriebes auftretenden Lastspitzen der Traktionsbatterien bei starken
Beschleunigungen oder Bergfahrten und gleichzeitigem Klimatisierungsbedarf für den Fahrgastraum und den Fahrerarbeitsplatz auf ein Minimum reduzieren und somit die Lebensdauer und die Leistungsfähigkeit der Batterie sicherstellen. Dabei prognostiziert das Lastsynchrone Thermomanagement anhand des bevorstehenden bekannten Streckenverlaufs und dem daraus resultierenden Lastprofil der Batterie die zu erwartenden Abwärmeströme und leitet eine entsprechende Vorkühlung der Batterie, des Fahrgastraumes, des Fahrerarbeitsplatzes und übriger Komponenten ein. Durch die Vorverlagerung der zum Betrieb der Klimatisierungseinheit benötigten elektrischen Last sinkt die Gesamtlastanforderung zum Zeitpunkt der Lastspitze. Ein simulationsbasierter Vergleich einer Standardregelung mit der prädiktiven Regelung ist in dargestellt. Umsetzung/aktueller Stand Eine prototypische Umsetzung erfolgt mittels eines speziell dafür entwickelten Klimatisierungssystems auf dem Elektromobilitäts- Versuchsträger AutoTram des Fraunhofer IVI. Die AutoTram verfügt über insgesamt drei Elektromotoren, die aus einer Diesel- Generator-Einheit, einer 40,0 kwh Batterie oder aus 2,6 kwh Superkondensatoren gespeist werden können. Über einen direktverdampfenden Kältemittelkreislauf lässt sich der Innenraum des Fahrerstandes im vorderen Wagenteil klimatisieren. Ein sekundärer Silikonölkreislauf, der über einen Plattenwärmetauscher mit dem Kältemittelkreislauf verbunden ist, erlaubt die Konditionierung der 40,0 kwh Traktionsbatterie. Die Einbindung optionaler Zuheizgeräte kann über integrierte Heizkreislaufplattenwärmetauscher erfolgen. Die Verschaltung erlaubt jederzeit eine individuelle, voneinander unabhängige Klimatisierung der Hybridkomponenten und des Fahrgastraumbereiches. 3 stellt beispielhaft zwei Klimatisierungsszenarien dar: Im Kühlbetrieb lassen sich der Silikonölkreislauf über den Plattenwärmetauscher und der Fahrgastraum über den Verdampfer auf die vorgegebene
Solltemperatur regeln. Die Wärmeabfuhr erfolgt über den Kondensator an die Umgebung. Im Wärmepumpenbetrieb kondensiert das Kältemittel über den Verdampfer. Als Wärmequelle dient die Umgebung über den Kondensator, der in diesem Betriebszustand als Verdampfer fungiert. Gleichzeitig gestattet der Heizkreis-Plattenwärmetauscher das Vorwärmen der Traktionsbatterie. Besteht für den elektrischen Energiespeicher Kühlbedarf, wird die in den Batterien entstehende Abwärme über den Kältekreis-Plattenwärmetauscher rekuperiert und dem Fahrgastraum über den im Wärmepumpenmodus arbeitenden Verdampfer zugeführt. Für die Entwicklung, Simulation und experimentelle Umsetzung der Regelungsalgorithmen entstand eine hardware-in-the-loop Testumgebung auf Basis von Matlab/Simulink. Sämtliche Aktuatoren und Sensoren können manuell gesteuert oder über den entsprechenden Algorithmus automatisch geregelt werden. Spezifische Informationen zu den Einzelkomponenten und den Randbedingungen, wie z.b. Wettersituation, Fahrzyklen bzw. - profile und Fahrzeugtypen, fasst eine Modell-Bibliothek zusammen, deren Validierung durch Abgleich mit vorhandenen Messdaten erfolgte. Auf dieser modellbasierten Komponentenbasis entstand das Konzept eines prädiktiven Reglers. Als Grundlage für vergleichbare Werte dient der Lastfall des NEFZ. Der entscheidende Unterschied des prädiktiven Reglers zum Standardregler besteht in der vorausschauenden Beurteilung zukünftiger Belastungszustände im zeitlichen Abstand T der entsprechenden Komponenten in unserem Beispiel: der Traktionsbatterie. In einem ersten Ansatz ließen sich für die Batterie drei Belastungszustände definieren: Vollast, Normallast und Rekuperation. Betrachtet man die Belastungszustände zum aktuellen Zeitpunkt T0 und einem späteren Zeitpunkt T0 + T so ergeben sich neun verschiedene Zustandsszenarien, die Tabelle 1 darstellt.
Tabelle 1: mögliche Zustandsszenarien der drei Belastungsprofile unter Berücksichtigung des Beobachtungszeitraumes T0 und T0 + T zukünftig (T0 + T) Volllast Normallast Rekuperation aktuell (T0) Volllast A1 A2 A3 Normallast Rekuperation B1 C1 B2 C2 B3 C3 Für jedes Zustandsszenario lässt sich nun für die Regelgröße eine individuelle Sollwertvorgabe in einem zulässigen Toleranzband generieren. So erscheint es sinnvoll, die Kühlleistung zum Zeitpunkt T0 für eine entsprechende Komponente bei hoher Batteriebelastung (Bergfahrt oder Beschleunigung) vorausschauend zu reduzieren, wenn bekannt ist, dass es zum Zeitpunkt T0 + T zu einer ausgeprägten Rekuperationsphase kommt (Talfahrt oder Bremsvorgang). Der umgekehrte Fall der vorausschauenden Vorkühlung ist mit dieser Methodik ebenfalls einfach darstellbar. Simulationsergebnisse Der Vorzug des prädiktiven Reglers im Vergleich zum Standardregler quantifiziert sich durch die möglichen Einsparpotentiale an elektrischer Energie. Die Simulation betrachtet beide Reglervarianten, standard und prädiktiv unter nachfolgenden Randbedingungen: Umgebungstemperatur: 20 C Innenraumtemperatur (T=0): 30 C Batterietemperatur (T=0): 30 C Fahrzyklus NEFZ T = 90s Solltemperatur Batterie: 25 C Solltemperatur Innenraum: 20 C Der Standardregler verfolgt nach einem festgelegten Sollwert die kontinuierliche Kühlung der Komponenten. Der prädiktive Regler
lässt in Abhängigkeit der in Tabelle 1 definierten Zustandsszenarien individuelle Veränderungen des Sollwertes zu. Den daraus resultierenden durchschnittlichen Leistungsbedarf der Klimaanlage in Abhängigkeit der verwendeten Reglervariante über den simulierten Fahrzyklus hinweg fasst Tabelle 2 zusammen. Als Resultat lässt sich festhalten, dass der Einsatz eines prädiktiven Reglers deutliche Einsparungen im Verbrauch elektrischer Energie zum Betrieb des Klimatisierungssystems ermöglicht, ohne dabei die funktionale Sicherheit und Lebensdauer der Traktionsbatterie zu beeinträchtigen. Tabelle 2: Leistungsbedarf der Anlage Standard- und prädiktiver Regler Standard- prädiktive Einsparung Regelstrategie Regelstrategie Leistungsaufnahme 1400 W 820 W 41,4 % Verdichter Leistungsaufnahme 78 W 27 W 65,4 % Verflüssiger-Gebläse Leistungsaufnahme 64 W 40 W 37,5 % Verdampfer-Gebläse Leistungsaufnahme 15 W 16 W -6,7 % Pumpe 1557 W 903 W 42,0 % Leistungsaufnahme Gesamt Batterietemperatur 30,0 C 29,3 C Ausblick/Fazit Eine erste prototypische Anwendung des Lastsynchronen Thermomanagements erfuhr auf dem Versuchsträger AutoTram ihre Umsetzung. Die parallel erstellte HIL-Simulations- und Testumgebung gestattet die Entwicklung und den Vergleich verschiedener, beispielsweise prädiktiver Regelstrategien zum Betrieb der Kombianlage. Neben der Gewinnung erster praktischer Erfahrungen sind weitere Anwendungsszenarien des Lastsynchronen Thermomanagements geplant. Schwerpunkte hierfür bilden beispielsweise die
Ausweitung des Lastsynchronen Thermomanagements auf weitere zu konditionierende Hybrid-Komponenten und die Einbindungen verschiedener Speicher- und Klimatisierungssysteme. Perspektivisch entsteht so eine flexible, ganzheitliche Klimatisierungslösung, die es gestattet, die thermisch-elektrischen Anforderungen unterschiedlichster Fahrzeugkonzepte mit höchst möglicher Energieeffizienz zu erfüllen. Quellen: [1] http://www.stadtbus2.de/magazin/m_fahrzeuge_hybrid.htm (abgerufen am: 7. Mai 2012 10:00) [2] Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Hybridbusse für einen umweltfreundlichen ÖPNV Fördergrundsätze [3] Uhlenhut, A.: Untersuchung ergibt: Hannoverscher Hybridbus ist sparsam und beliebt. In: Verkehr und Technik Jg.: 63 (2010), Nr.5, S. 169-172
1: Prinzip des Lastsynchronen Thermomanagements
2: Links: gelb Lastanforderung an die Batterie (bedingt durch Fahrmotor und das Strecken- bzw. Fahrprofil); rot (additiv) Lastanforderung der Klimaanlage (in Summe ca. 160 kw) Rechts: prädiktive Klimaregelung bewirkt Vorverlegung des Leistungsbedarfes für Klimatisierung Absenkung der maximal resultierenden Lastanforderung für die Batterie. 3: Anlagenschema (vereinfacht) Martin Rindsfüßer, Spheros GmbH, Gilching Stefan Kuitunen, Ulrich Potthoff, Fraunhofer Institut für Verkehrsund Infrastruktursysteme, Dresden