Was ist sexuelle Gewalt? Begriffe und Definitionen



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Transkript:

Was ist sexuelle Gewalt? Begriffe und Definitionen Sexuelle Gewalt Sexuelle Gewalt ist der Überbegriff für jede Form von grenzverletzendem Verhalten mit sexuellem Bezug. Sexuelle Gewalt liegt vor, wenn an einer anderen Person gegen ihren Willen eine sexuelle Handlung vorgenommen wird, welche diese erniedrigt, verletzt und/oder schädigt. Die Gewalt kann von einer oder mehreren Personen ausgeübt werden. Selbst wenn keine physische Gewalt angewendet wird, hat die Verletzung der sexuellen, körperlichen und psychischen Integrität für das Opfer gravierende Folgen: Sie kann zum Beispiel zu Selbstabwertung oder Angstzuständen führen. 1 Sexualisierte Gewalt Der Begriff wird häufig synonym für sexuelle Gewalt benutzt. Er betont, dass es in erster Linie um Gewalt und Machtausübung geht, welche mittels Sexualität ausgeübt wird und nicht um die Befriedigung von sexuellen Bedürfnissen. 2 Sexismus Sexismus ist jede Art von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Wer jemanden wegen seiner Zugehörigkeit zum weiblichen oder zum männlichen Geschlecht verspottet oder anzügliche Bemerkungen macht, zum Beispiel über das Aussehen, das Verhalten oder die sexuelle Orientierung, verhält sich sexistisch. 3 Sexuelle Belästigung Als sexuelle oder sexistische Belästigung gilt jede Handlung respektive jede Äusserung mit sexuellem Bezug, die eine Person oder eine Personengruppe aufgrund ihres Geschlechts herabwürdigt. Darunter fallen Annäherungs- oder Abwertungsversuche, sei dies durch Worte, Gesten oder Taten, welche die Betroffenen als unerwünscht, beleidigend und unangebracht empfinden. Die Belästigung kann von einer Einzelperson oder von Gruppen ausgehen.

2/12 Beispiele für sexuelle Belästigungen: scheinbar zufällige Körperberührungen, unerwünschter Körperkontakt anzügliche, zweideutige Bemerkungen über Aussehen, Figur, Kleidung und/oder über die sexuelle Orientierung, z.b. Homosexualität Verfolgungen innerhalb und ausserhalb (der Schule) Annäherungsversuche, die mit Versprechen von Vorteilen oder Androhen von Nachteilen einhergehen erzwungene sexuelle Beziehungen, Nötigung, Vergewaltigung Beispiele für sexistische Belästigungen: taxierende Blicke anzügliche oder peinliche Bemerkungen sexistische Sprüche und Witze Vorzeigen, Aufhängen, Auflegen oder Versenden von pornografischem Material 4 Die Wahrnehmung und die Empfindungen des Opfers sind zentral. Kinder und Jugendliche müssen lernen, dass sexistische Bemerkungen oder sexuelle Belästigungen beim Gegenüber mehr auslösen können, als ihnen bewusst ist oder als sie erwarten würden. Sexuelle Ausbeutung «Sexuelle Ausbeutung von Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Der Täter/die Täterin nutzt seine/ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um die eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.» 5 Häufig wird synonym auch der Begriff «sexueller Missbrauch» verwendet.

3/12 Date Rape Häufig werden heute auch englische Ausdrücke für spezielle Formen von sexueller Gewalt verwendet. «Date Rape» steht für einen sexuellen Übergriff bei der ersten Verabredung («date») oder innerhalb einer festen Beziehung. Das Bundesamt für Gesundheit warnt z.b. vor der «date rape»-droge GHB (K.O.-Tropfen, Liquid Ecstasy), die einem Drink beigemischt das Opfer betäubt und widerstandsunfähig macht gegen sexuelle Übergriffe. Gang Bang «Gang Bang» setzt sich zusammen aus «gang» (Bande) und «bang» (Koitus) und bedeutet übersetzt Gruppenvergewaltigung. Der Begriff wird umgangssprachlich v.a. für freiwilligen Gruppensex verwendet. 6 Pornografie Das Wort Pornografie kommt aus dem Griechischen und bedeutet «unzüchtige Darstellung». 7 Es geht generell um Darstellungen oder Darbietungen mit grobem und vulgärem sexuellen Inhalt, die den Menschen zum blossen Sexualobjekt machen. Es werden zwei Formen von Pornografie unterschieden, wobei die Grenzen nicht immer scharf gezogen werden können. Charakteristisch für «weiche» Pornografie ist die Konzentration auf den Genitalbereich. Solche Formen von Pornografie sind nicht grundsätzlich verboten, aber strafbar, wenn sie Minderjährigen zugänglich gemacht werden. Als «harte» Pornografie gelten sexuelle Handlungen mit Kindern oder Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten. Solche pornografischen Materialien herzustellen, zu erwerben und zu verbreiten ist illegal. (vgl. dazu Art. 197 im Strafgesetzbuch, S. 7). 8

4/12 Gesetzesartikel Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB) Die Bestimmungen «Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität» von Artikel 187 200 des Strafgesetzbuches beziehen sich auf zwei Rechtsgüter: den Schutz Unmündiger, vor allem von Kindern, vor verfrühter und daher ihre Entwicklung möglicherweise schädigenden Sexualität und den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Bestraft werden kann nur, wer einen der im Gesetz umschriebenen Straftatbestände schuldhaft erfüllt hat. Delikte gegen die sexuelle Integrität sind Offizialdelikte, d.h. sie werden von Amtes wegen verfolgt. Ausnahmen bilden Art. 194 (Exhibitionismus) und Art. 198 (sexuelle Belästigung). Sie sind Antragsdelikte, d.h. sie werden von Polizei/Justiz nur verfolgt, wenn das Opfer einen Strafantrag stellt. 9 Lehrpersonen und andere von der Schule angestellte Fachleute (z.b. der Schulsozialarbeit) sind nicht verpflichtet, wohl aber berechtigt, Strafanzeige zu erheben, wenn ihnen Straftaten von SchülerInnen oder gegen SchülerInnen bekannt werden. Sie müssen jeweils im Einzelfall abwägen, ob sie Strafanzeige einreichen oder nicht. Wenn das Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht handeln bzw. dazu nicht imstande sind, hat die Schule hingegen die Pflicht, eine Meldung bei der Vormundschaftsbehörde zu machen. 10 (Siehe auch die Rechtsgrundlagen für sexuelle Belästigung an Schulen, S. 9ff.) Sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187) Wer an einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, es zu einer solchen verleitet oder es in eine sexuelle Handlung einbezieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. ( )

5/12 Auch unter 16-jährige Jungen und Mädchen machen sich strafbar, wenn das andere in die sexuelle Handlung involvierte Kind mehr als drei Jahre jünger ist. In einem solchen Fall kommt nur der Ältere als Täter bzw. die Ältere als Täterin in Betracht. Sexuelle Handlungen mit Abhängigen (Art. 188) Wer mit einer unmündigen Person von mehr als 16 Jahren, die von ihm durch ein Erziehungs-, Betreuungs- oder Arbeitsverhältnis oder auf andere Weise abhängig ist, eine sexuelle Handlung vornimmt, indem er diese Abhängigkeit ausnützt, wer eine solche Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit zu sexuellen Handlungen verleitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. ( ) Sexuelle Nötigung (Art. 189) Wer eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. ( ) Erfasst sind alle Nötigungen zu sexuellen Handlungen, die nicht unter Vergewaltigung (Art. 190) fallen, darunter auch alle anderen Formen von erzwungener Penetration. Vergewaltigung (Art. 190) Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft. ( ) Täter kann nach der Definition von Art. 190 (Penetration der Scheide mit dem Penis) nur ein Mann, Opfer nur eine Frau sein. Andere Formen sexueller Übergriffe oder die Fälle, wo das Opfer männlich ist, fallen unter den Straftatbestand der sexuellen Nötigung.

6/12 Schändung (Art. 191) Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustands zum Beischlaf, zu einer beischlafähnlichen oder zu einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. Keine Rolle spielen die Gründe, weshalb das Opfer urteils- oder widerstandsunfähig ist. Die Urteils- bzw. Widerstandsunfähigkeit kann zum Beispiel eine Folge übermässigen Alkoholoder Drogenkonsums sein. Ausnützung der Notlage (Art. 193) Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Exhibitionismus (Art. 194) Wer eine exhibitionistische Handlung vornimmt, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft. ( ) Der Täter/die Täterin muss die ausdrückliche Absicht haben, dass jemand anders die exhibitionistische Handlung bemerkt. Nicht erfasst sind Entblössungen ohne sexuellen Bezug wie das Nacktbaden, die Verrichtung der Notdurft oder das Vorzeigen der Sexualorgane zur Beschimpfung. Letzteres fällt unter Umständen bereits unter Art. 198, sexuelle Belästigung. Führt die exhibitionistische Handlung zu einer Beeinträchtigung der sexuellen Integrität des Opfers, kommen die schärferen Strafgesetzbestimmungen (z.b. Art. 189, Nötigung) zur Anwendung. Sexuelle Belästigung (Art. 198) Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt, wer jemanden tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.

7/12 Dieser Artikel verbietet physische, optische und verbale Zumutungen sexueller Art. Tätlichkeiten setzen den körperlichen Kontakt zum Opfer voraus. Darunter fällt z.b. das Grabschen am Po. Verbale Belästigungen müssen in grober Weise erfolgen, z.b. durch vulgäre Beschimpfungen mit sexuellem Inhalt, Bemerkungen über die Sexualität der anderen Person. Es kommt auf den Gesamteindruck an, wozu das soziale Umfeld gehört, in dem die Äusserung gemacht wird. Nicht erfasst sind anzügliches Anstarren oder Bedrängen durch Hinterherlaufen sowie Belästigungen in schriftlicher Form. (siehe auch die Unterscheidung zu Art. 4 Gleichstellungsgesetz, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, S. 10). Pornografie (Art. 197) 1. Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2. Wer Gegenstände und Vorführungen im Sinne von Ziffer 1 öffentlich ausstellt oder zeigt oder sie sonst jemanden unaufgefordert anbietet, wird mit Busse bestraft. Wer die Besucher von Ausstellungen oder Vorführungen in geschlossenen Räumen im Voraus auf deren pornografischen Charakter hinweist, bleibt straflos. 3. Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Gegenstände werden eingezogen. 3bis. Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder Tieren oder sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt. Die Gegenstände werden eingezogen. ( )

8/12 Gewaltdarstellungen (Art. 135) 1. Wer Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände oder Vorführungen, die, ohne schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert zu haben, grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere eindringlich darstellen und dabei die elementare Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 1bis. Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Gegenstände oder Vorführungen nach Absatz 1, soweit sie Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere darstellen, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt. 2. Die Gegenstände werden eingezogen. ( ) Der Konsum, das Anschauen von Pornografie ist nicht strafbar, hingegen aber Besitz, Weiterverbreitung und Herstellung. Beim Betrachten eines Bildes aus dem Internet wird dieses ins so genannte Temp-File auf der Festplatte des Computers geladen. Das Vorhandensein des Temp-File wird noch nicht geahndet. Illegal ist aber das Herunterladen (Downloading) von Pornografie und Gewaltdarstellungen (gemäss Art. 197, Ziffer 3 und Art. 135) auf einen Datenträger. 11 Strafbar macht sich auch, wer solche Materialien auf seinem Gerät belässt, Kindern oder Jugendlichen zeigt, zustellt oder im Filesharing austauscht, d.h. verbreitet. Dabei kann es sich um Bilder, Clips oder Spiele, je nachdem Comics, Cartoons und gespielte Szenen handeln; die Verbreitung kann auch per Mail, MMS, auf CD, DVD oder auf sonstigen Wegen erfolgen. Strafbar macht sich, wer Gewaltakte oder andere verbotene Szenen fotografiert, mit dem Handy oder anderen Aufnahme- und Speichergeräten aufnimmt, ins Internet stellt oder vom Internet herunterlädt. Computer, Handys, Spielkonsolen und andere Datenträger können bei Missbrauch eingezogen und vernichtet werden. 12

9/12 Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (Art. 219) 1. Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer unmündigen Person verletzt oder vernachlässigt und sie dadurch in ihrer körperlichen oder seelischen Entwicklung gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2. Handelt der Täter fahrlässig, so kann statt auf Freiheitsstrafe oder Geldstrafe auf Busse erkannt werden. Neben den Eltern sind auch Lehrpersonen verpflichtet, das körperliche und seelische Wohl der ihnen anvertrauten SchülerInnen zu wahren und zu schützen. Auch bei Untätigkeit können sie zur Verantwortung gezogen werden. So machen sich die Verantwortlichen einer Schule der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht schuldig, wenn sie wissen, dass eine unmündige Schülerin durch andere Schüler sexuell missbraucht worden ist, aber keine geeigneten Massnahmen ergreifen, um die dringende und voraussehbare Gefahr einer Wiederholung zu verhindern. (BGE 125 IV 64) Jugendstrafrecht Das per 1. Januar 2007 in Kraft getretene neue Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht gilt für Personen vom vollendeten 10. Altersjahr bis zum vollendeten 18. Altersjahr. Kinder unter 10 Jahren sind nicht strafmündig, hingegen sind zivilrechtliche (vormundschaftliche) Massnahmen möglich. In der Untersuchung werden die Tat und die persönlichen Verhältnisse des Täters/der Täterin abgeklärt. Es können Zwangsmassnahmen wie Untersuchungshaft und vorsorgliche Schutzmassnahmen angeordnet werden. Eine Schutzmassnahme (persönliche Betreuung, ambulante Behandlung, Unterbringung in einer Pflegefamilie oder in einem Heim) wird in der Regel mit einer Grundstrafe verbunden. Strafen sind: Verweis, persönliche Leistung, Busse (Täter/Täterin über 15 Jahren), Freiheitsentzug (Täter/Täterin über 15 bis ein Jahr, Täter/Täterin über 16 bis zu vier Jahren). 13

10/12 Gleichstellungsgesetz (GlG) Diskriminierung durch sexuelle Belästigung (Art. 4) Diskriminierend ist jedes belästigende Verhalten sexueller Natur oder ein anderes Verhalten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt. Darunter fallen insbesondere Drohungen, das Versprechen von Vorteilen, das Auferlegen von Zwang und das Ausüben von Druck zum Erlangen eines Entgegenkommens sexueller Art. Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (GlG) ist am 1. Juli 1996 in Kraft getreten. Es richtet sich gegen Diskriminierungen im Erwerbsleben und nimmt die Arbeitgebenden in die Verantwortung. Diese haben die Pflicht, Arbeitsbedingungen zu schaffen und Massnahmen zu ergreifen, um sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz zu verhindern. Wer am Arbeitsplatz sexuell belästigt wird, kann gestützt auf das Gleichstellungsgesetz gegenüber den Arbeitgebenden Rechtsansprüche bei der Schlichtungssstelle bzw. beim Gericht oder der Verwaltungsbehörde geltend machen. Gegen die belästigende Person können Betroffene zudem Strafanzeige erstatten (z.b. gestützt auf Art. 198 StGB, sexuelle Belästigung). Lehrpersonen wie auch alle anderen Mitarbeitende von Schulen sind durch das Gleichstellungsgesetz geschützt, wenn sie an ihrem Arbeitsplatz, der Schule, sexuell belästigt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Belästigungen von Lehrpersonen, Mitarbeitenden der Schule oder SchülerInnen ausgehen. Auf SchülerInnen hingegen, die von Lehrpersonen oder MitschülerInnen sexuell belästigt werden, ist das Gleichstellungsgesetz nicht anwendbar. Den Schulleitungen obliegt, gestützt auf die einschlägigen Rechtsvorschriften, dennoch die Pflicht, für ein belästigungsfreies Schulklima und die nötigen Präventions- und Abhilfemassnahmen zu sorgen. Zudem können sich Betroffene auf das Strafrecht, auf Art. 28 des ZGB sowie kantonale Haftungsbestimmungen berufen. 14

11/12 Zivilgesetzbuch Art. 28 II. Gegen Verletzungen Wer in seiner Persönlichkeit verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegend privates oder öffentliches Interesse oder durch das Gesetz gerechtfertigt ist. Standesregeln des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) Die auf dem Straf- und Zivilrecht basierenden Standesregeln des LCH fordern von Lehrpersonen den unbedingten Respekt vor der Menschenwürde, die Achtung der Persönlichkeit und das Wahren der körperlichen und seelischen Unversehrtheit. Verboten ist jede Art von Machtmissbrauch und Übergriffen, insbesondere auch jegliche Form von sexuellen Handlungen mit Lernenden. 15

12/12 1 Die Definitionen von sexueller bzw. sexualisierter Gewalt lehnen sich an die Erklärungen von Jael Bueno, Barbara Dahinden und Beatrice Güntert an, in: Mit mir nicht, mit dir nicht. Jugendliche und sexuelle Gewalt: informieren, hinterfragen, schützen. Hrsg. PLANeS Schweizerische Stiftung für sexuelle und reproduktive Gesundheit, 2008, S. 14/15. 2 do. 3 Definitionen von Sexismus und sexueller Belästigung gemäss Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann/Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Informationen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Bern 2008, www.sexuellebelaestigung.ch 4 do. 5 Bange, Dirk & Deegener, Günter: Sexueller Missbrauch an Kindern. Ausmass, Hintergründe, Folgen. Weinheim 1996, S. 105 6 Bueno, Jael u.a., Mit mir nicht, mit dir nicht, S. 16, und Erklärungen in: Wikipedia 7 Vgl. Fachstelle Lust und Frust, www.lustundfrust.ch Pornografie 8 Die Erläuterungen stützen sich im Wesentlichen auf die Workshop-Unterlagen von Rolf Nägeli, Kinderschutz Stadtpolizei Zürich (und Urs Baumgartner, Rechtsdienst Schul- und Sportdepartement der Stadt Zürich) für die Tagung «Sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen was kann die Schule tun?» vom 5.9.2007 9 do. 10 do. 11 Vgl. www.stopp-kinderpornografie.ch der Schweizerischen Kriminalprävention. Hier finden sich weitere nützliche Hinweise zum Internet, u.a. auch zu «chats» 12 Vgl. Fachstelle Lust und Frust, www.lustundfrust.ch 13 Nägeli, Rolf, Ausführungen an der Tagung vom 5.9.2007 14 Eine ausführliche Zusammenstellung der Rechtsgrundlagen in den verschiedenen Konstellationen findet sich in: Persönliche Grenzen respektieren. Sexuelle Belästigung ein Thema an Berufsschulen. Führungsinstrumente für Schulleitungen. Hrsg.: Fachstellen für Gleichstellung der Kantone BL, BE und ZH in Zusammenarbeit mit bildbar, August 2007, www.bildbar.ch 15 Die Standesregeln 9 und 10 des LCH im Wortlaut in: LCH-Merkblatt «Persönliche Grenzen kennen und respektieren», S. 21.