Aktualisierungen zum Insolvenzrecht



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Transkript:

Aktualisierungen zum Insolvenzrecht Betrifft folgenden Band der Reihe Wirtschaft verstehen Zukunft gestalten : HAK V, S. 148 ff. Gerichtliches Verfahren zur Krisenbewältigung bei Unternehmen Seit Juli 2010 ist ein neues Insolvenzrecht in Kraft, das das Ziel verfolgt, mehr und raschere Sanierungen in einem einfacheren Verfahren zu ermöglichen. Basis ist ein einheitliches Insolvenzverfahren, das wiederum drei Verfahrensarten beinhaltet: n ohne Eigenverwaltung (Ziel: Sanierung des Unternehmens) n mit Eigenverwaltung (Ziel: Sanierung des Unternehmens) n Konkursverfahren (Ziel: Verwertung des vorhandenen Vermögens und Schließung des Unternehmens Alle drei Verfahrensarten im Insolvenzverfahren werden auf den folgenden Seiten in ihren Grundzügen erklärt. Bei allen drei Verfahren sind nicht alle Forderungen gleich. Bestimmte Forderungen und Ansprüche werden bevorzugt behandelt und sind zuerst zu erfüllen. Dazu zählen: n Gegenstände, die sich beim Schuldner befinden, jedoch im Eigentum anderer Personen sind (Aussonderungsansprüche), können von diesen zurückgefordert werden: z. B. Firmen-Pkw, der unter Eigentumsvorbehalt verkauft wurde. n Pfandrechte, die der Sicherung von Forderungen dienen, bewirken Absonderungsansprüche. Der Erlös aus der Pfandsache steht ausschließlich den berechtigten Gläubigern zur Verfügung. Dazu zählt z. B. eine auf ein Grundstück eingetragene Hypothek. Das Erfüllen von Absonderungsansprüchen kann im Insolvenzverfahren die Fortführung des Unternehmens gefährden. Deshalb darf vor Ablauf von sechs Monaten ab Eröffnung des Verfahrens die Erfüllung von Absonderungsansprüchen (mit wenigen Ausnahmen) nicht gefordert werden. n Forderungen wie die Kosten des Insolvenzverfahrens, Löhne und Gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Beiträge zur Sozialversicherung und andere öffentliche Abgaben (Masseforderungen). Alle sonstigen Forderungen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon bestanden haben, zählen zu den Insolvenzforderungen. Von diesen Forderungen erhalten die Gläubiger je nach Verfahrensart einen unterschiedlich hohen Anteil (= Quote). Diese Quote kann je nach Ausgang des Verfahrens zwischen 0 und 30 % betragen. Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass die Regelungen des neuen Insolvenzrechts den Schuldnern sehr weit entgegenkommen, um den Bestand der Unternehmen und somit auch der Arbeitsplätze zu sichern. Gläubigerinteressen müssen dabei manchmal zurückgestellt werden. Allerdings profitieren auch die Gläubiger davon, wenn Unternehmen bestehen bleiben und Quoten ausgeschüttet werden. 1

ohne Eigenverwaltung (Sanierungsplan) Hannes T. (32) ist Einzelunternehmer und arbeitet als Fotograf und Betreiber einer Werbeagentur. Er verfügt über die neueste EDV-Ausstattung und hat die beste digitale Spiegelreflexkamera samt perfektem Zubehör. Was ihm fehlt, sind Aufträge und das Geld, um seine offenen Rechnungen zu bezahlen. Nachdem er den Ernst der Lage erkannt hat und befürchtet, die Situation selbst nicht bewältigen zu können, strebt er ein ohne Eigenverwaltung an. Um dieses Verfahren in Anspruch nehmen zu können, hat Hannes T. einen Sanierungsplan erstellt. Im Rahmen des Verfahrens sind folgende Phasen zu durchlaufen: Insolvenzantrag Ein ohne Eigenverwaltung muss Hannes T. (der Schuldner) innerhalb von 60 Tagen bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit beim zuständigen Insolvenzgericht (Landesgericht bzw. Handelsgericht Wien) beantragen. Drohende Zahlungsunfähigkeit bedeutet dabei, dass die laufenden Zahlungen und die eingegangenen Verbindlichkeiten nicht bzw. nicht fristgerecht bezahlt werden können. Bei Kapitalgesellschaften und GmbH & Co KG ist dies auch bei Überschuldung notwendig (die Schulden übersteigen das Vermögen). Damit das Verfahren überhaupt eröffnet wird, muss entweder kostendeckendes Vermögen vorhanden sein (z. B. die Fotoausrüstung) oder ein Kostenvorschuss geleistet werden (max. 4.000,00 EUR). Hannes T. kann dank der Unterstützung seiner Eltern den Kostenvorschuss leisten und den Gläubigern eine Quote von mindestens 20 % anbieten. Er hat zwei Jahre Zeit, diese Quote zu erfüllen. Den erforderlichen Sanierungsplan hat er bereits vor Eröffnung des Verfahrens erstellt. Eröffnung des Insolvenzverfahrens Könnte er die Verfahrenskosten nicht decken, wird der Antrag auf das mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen und das Unternehmen geschlossen. Nachdem die Verfahrenskosten gedeckt sind, wird das Verfahren eröffnet und eine vom Gericht bestellte Insolvenzverwalterin übernimmt die Verfügungsgewalt über das Unternehmen. Somit kann Hannes T. nicht mehr Entscheidungen im Zusammenhang mit seinem Unternehmen treffen. Veröffentlichung Anmeldung der Forderungen durch die Gläubiger Prüfung des Sanierungsplans Im Anschluss wird das Insolvenzverfahren von Hannes T. veröffentlicht (www.edikte.justiz.gv.at) und seine Gläubiger (Banken und Lieferanten) werden aufgefordert, ihre Forderungen innerhalb einer festgelegten Frist anzumelden. Innerhalb von 90 Tagen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird eine Versammlung der Gläubiger abgehalten, bei der die Insolvenzverwalterin Informationen zur Verfügung stellt. Die Rechtmäßigkeit der angemeldeten Forderungen wird geprüft und es wird entschieden, ob das Unternehmen auf Basis des vorgelegten Sanierungsplans weitergeführt wird oder ob es geschlossen werden muss. 2

Annahme des Sanierungsplans Antrag auf Annahme des Sanierungsplans Scheitern des Sanierungsplans Hannes T. hofft, dass sein Antrag des Sanierungsplans angenommen wird. Dazu muss die Mehrheit der anwesenden Gläubiger zustimmen (Kopfmehrheit). Diese zustimmende Kopfmehrheit muss darüber hinaus mehr als die Hälfte der Forderungen gegenüber dem Schuldner besitzen (Kapitalmehrheit). Beide Voraussetzungen kann Hannes T. erfüllen. Aufhebung des Insolvenzverfahrens Auszahlung der Quote Restschuld erlischt Einleitung des Konkursverfahrens Somit wird der Sanierungsplan angenommen, es kommt zur Aufhebung des Verfahrens und Hannes T. kann wieder über sein Unternehmen verfügen. Mit der Erfüllung des Sanierungsplans erlöschen auch die Restschulden. Das Unternehmen bleibt bestehen. Wäre der Sanierungsplanantrag gescheitert, strebt er den Sanierungsplan nicht an oder zieht er ihn zurück bzw. erfüllt er die Quote nicht, wird ein Konkursverfahren eingeleitet. mit Eigenverwaltung Hannes T. hätte auch die Möglichkeit gehabt, die Verfügungsmacht über sein Unternehmen im zu behalten. Der Ablauf beim mit Eigenverwaltung ist im Wesentlichen ident. Folgende Abweichungen gibt es allerdings: n Im vorliegenden Sanierungsplan muss eine Quote von mindestens 30 % angeboten werden. Diese Quote ist innerhalb von zwei Jahren zu erfüllen. n Dem Insolvenzantrag sind aussagekräftige Dokumente (Vermögensverzeichnis, aktuelle und vollständige Übersicht über den Vermögens- und Schuldenstand sowie ein Finanzplan für die folgenden 90 Tage) beizufügen. n Hannes T. (der Schuldner) kann sein Unternehmen selbst weiterführen (Eigenverwaltung). Für bestimmte Tätigkeiten benötigt er die Zustimmung der Insolvenzverwalterin (Sanierungsverwalterin). Dazu zählen alle Rechtshandlungen, die nicht zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehören (z. B. der Kauf oder Verkauf eines Grundstücks) sowie der Rücktritt, die Kündigung und Auflösung von bestimmten Verträgen. Auch Handlungen, die der gewöhnliche Unternehmensbetrieb mit sich bringt, sind zu unterlassen, wenn der Sanierungsverwalter dagegen Einspruch erhebt. Es finden daher regelmäßig Besprechungen der Insolvenzverwalterin mit Hannes T. statt. n Die erste Gläubigerversammlung hat in der Regel innerhalb von drei Wochen ab Eröffnung des Verfahrens stattzufinden. 3

Arbeitsaufgabe: n Unter bestimmten Umständen wird dem Schuldner die Eigenverwaltung entzogen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Umstände bekannt sind, dass die Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führt, der Finanzplan nicht eingehalten werden kann, der Sanierungsplan von den Gläubigern nicht innerhalb von 90 Tagen angenommen wird oder die Entziehung der Eigenverwaltung vom Schuldner beantragt wird. Ein mit Eigenverwaltung kann somit zu einem ohne Eigenverwaltung werden, das letztendlich auch in einem Konkursverfahren enden kann. Nach Erfüllung des Sanierungsplans erlöschen die Restschulden und der Schuldner hat wieder die volle Verfügungsbefugnis über sein Unternehmen. Susanne Schweiger betreibt als Einzelunternehmerin ein kleines Hotel-Restaurant. Der Ort, in dem sich ihr Hotel-Restaurant befindet, ist seit mehreren Monaten eine einzige große Baustelle, weil die Kanalisation erneuert wird. Eine Zufahrt zu ihrem Unternehmen ist nur für Kenner sämtlicher Schleichwege möglich. Durch die Baustelle ist es bei Frau Schweiger zu massiven Umsatzeinbußen gekommen. Dementsprechend hat sie große Schwierigkeiten, ihren Verbindlichkeiten bei insgesamt fünf Gläubigern rechtzeitig und in vollem Umfang nachzukommen. Eine außergerichtliche Vereinbarung mit den Gläubigern ist leider nicht zustande gekommen. Frau Schweiger möchte ein in Anspruch nehmen und hat auch schon alle notwendigen Unterlagen gesammelt. Sie ist sich sicher, rund ein Drittel der Schulden bezahlen zu können. a) Welches sollte Frau Schweiger aus Ihrer Sicht anstreben? b) Innerhalb welcher Frist muss sie welche Quote erfüllen? c) Wer trifft in diesem Fall die Entscheidungen, wenn es sich um Dinge des gewöhnlichen Unternehmensbetriebs handelt? d) Nachdem Frau Schweiger erfahren hat, dass die Baustelle länger als geplant bestehen wird, befürchtet sie, dass sie ihr Vorhaben nicht umsetzen kann. Welche Möglichkeit im sehen Sie unter diesen Umständen für Frau Schweiger? Welche Auswirkungen hat das auf die zu zahlende Quote? Ändert sich dadurch etwas in Bezug auf das Treffen von Entscheidungen im Unternehmen? 4

Konkursverfahren Eröffnung Konkursverfahren Insolvenzantrag Abweisung mangels Kostendeckung Hannes T. hätte es auch schlimmer treffen können und es hätte ein Konkursverfahren eingeleitet werden müssen. Den Antrag zur Eröffnung eines Konkursverfahrens kann sowohl der Schuldner als auch ein Gläubiger stellen. Schuldner müssen innerhalb von 60 Tagen ab Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung diesen Antrag stellen. Stellt ein Gläubiger den Antrag, ist ein Vorverfahren notwendig. Bevor das Insolvenzverfahren (hier in Form eines Konkursverfahrens) eröffnet wird, kommt es zur Überprüfung, ob kostendeckendes Vermögen vorhanden ist bzw. ob ein Kostenvorschuss geleistet werden kann. Ist dies nicht möglich, kommt es zur Abweisung des Insolvenzantrags mangels kostendeckenden Vermögens. Anmeldung der Forderungen Versammlung Verwertung des vorhandenen Vermögens Ermittlung und Auszahlung der Quote Veröffentlichung Restschuldbefreiung Ja? Nein? Schließung des Unternehmens Unternehmen wird geschlossen Schulden bleiben bestehen Das anstehende Konkursverfahren wird veröffentlicht und die Gläubiger werden aufgefordert, ihre Forderungen anzumelden. Die Verfügungsgewalt über das Unternehmen geht auf einen Insolvenzverwalter über dieser führt jetzt die Geschäfte. Die Forderungen werden geprüft und im Rahmen einer Versammlung (innerhalb von 90 Tagen ab Eröffnung des Verfahrens) wird über die sofortige Schließung oder vorläufige Fortführung des Unternehmens entschieden. Das vorhandene Vermögen wird im Anschluss verwertet (Verkauf bzw. Versteigerung). Es wird die Quote (in der Praxis oft < 5 %) ermittelt, die an die Gläubiger ausgezahlt werden kann. Nach Auszahlung einer Quote an die Gläubiger wird das Verfahren aufgehoben. Kann keine Quote an die Gläubiger ausbezahlt werden, kommt es zu einer Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels vorhandenen Vermögens. Der Schuldner ist über sein Vermögen (sofern es noch vorhanden ist) wieder frei verfügungsberechtigt. Er wird nur insoweit von seinen Verbindlichkeiten befreit, als die Quote an die Gläubiger ausbezahlt wurde. Die Restschuld bleibt 30 Jahre lang aufrecht (die Wahrscheinlichkeit, dass Gläubiger auch noch den Rest bekommen, ist allerdings äußerst gering). Das Unternehmen wird geschlossen. 5

Arbeitsaufgabe: Konkursverfahren Sabine Klein betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Robert die Klein & Klein OG. Dabei werden Reinigungen aller Art durchgeführt. Die Reinigungsmaschinen wurden ausschließlich über Bankkredite finanziert. Sabine und Robert Klein besitzen eine Eigentumswohnung. Auf diese ist eine Hypothek in der Höhe von 60.000,00 EUR eingetragen. Den Kleinbus, der als Firmenauto dient, hat ein Autohändler über eine mit ihm zusammenarbeitende Bank mit Eigentumsvorbehalt an die Klein & Klein OG verkauft. Die Reinigungsmittel werden bei einem Großhändler bezogen. Die Auftragslage hat sich in den letzten Monaten leider nicht wunschgemäß entwickelt und einer der Hauptkunden (siehe Veröffentlichung des Konkursverfahrens) ist zahlungsunfähig. Insgesamt haben sich Bankschulden in der Höhe von 156.000,00 EUR und Schulden beim Reinigungsmittelgroßhändler von 13.800,00 EUR angehäuft. Leider können die Verbindlichkeiten derzeit nicht zurückgezahlt werden es ist auch keine Besserung in Sicht. Gespräche mit der Bank, die zur Entspannung der finanziellen Situation führen sollten, waren leider erfolglos. Auch ein Gespräch mit dem Lieferanten der Reinigungsmittel brachte keinen Erfolg. Die Kasse ist absolut leer, die Nerven liegen blank und Sabine und Robert Klein haben keine Ahnung, wie es weitergehen soll. a) Wer kann in diesem Fall einen Konkursantrag stellen? Innerhalb welcher Frist muss dieser Antrag gestellt werden? b) Um doch noch das Ruder herumzureißen, möchte die Klein & Klein OG eine neue Fensterputzmaschine kaufen. Wer entscheidet über den Kauf der Maschine? c) Welche/r Gläubiger werden/wird im eingeleiteten Verfahren bevorzugt behandelt? d) Was passiert, wenn kein kostendeckendes Vermögen vorhanden ist bzw. kein Kostenvorschuss geleistet werden kann? 6

Insolvenzverfahren Sanierungsplan vorhanden? ja nein Konkursverfahren Verfahrenskosten gedeckt? Verfahrenskosten gedeckt? nein ja ja nein gescheitert Nichteröffnung mangels kostendeckenden Vermögens Schließung des Unternehmens mit Eigenverwaltung (Quote: 30 %) ohne Eigenverwaltung (Quote: 20 %) Verstoß gegen Sanierungsplan Verwertung u. Schließung des Unternehmens (Quote meist < 5 %) Nichteröffnung mangels kostendeckenden Vermögens Schließung des Unternehmens Konkursverfahren Ziel Sanierung des Unternehmens Auflösung des Unternehmens Antrag bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung Antrag von Schuldner Schuldner oder Gläubiger Verfügungsmacht Quote Wirkung n bei ohne Eigenverwaltung: Insolvenzverwalter n bei mit Eigenverwaltung: Schuldner n bei ohne Eigenverwaltung: 20 % innerhalb von zwei Jahren n bei mit Eigenverwaltung: 30 % innerhalb von zwei Jahren Unternehmen bleibt bestehen, Teil der Schulden wird erlassen Insolvenzverwalter 0 20 % (theoretisch ist auch eine höhere Quote möglich; in der Praxis oft < 5 %) Unternehmen wird aufgelöst, Schulden bleiben bestehen 7

Gerichtliche Verfahren zur Krisenbewältigung bei Privatpersonen das Schuldenregulierungsverfahren Norbert K. hat eine typische Schuldnerkarriere hinter sich und sitzt bereits seit Jahren in der Schuldenfalle. Begonnen hat alles mit einem Kredit für ein sehr sportliches und sehr schönes Auto und einem insgesamt aufwendigen Lebensstil. Später sind dann noch die Unterhaltszahlungen für seine Tochter dazugekommen. Mit dem Geld ist es sich lange Zeit knapp, aber doch ausgegangen. Das Konto wurde immer stärker überzogen und Last Exit Privatkonkurs auch die Rechnung für das Mobiltelefon hat stark zu Buche geschlagen. Als er dann noch als Bürge für seinen Bruder, der mit seinem Unternehmen in Konkurs gegangen war, herhalten musste, hat sich die finanzielle Lage weiter angespannt. Der Jobverlust hat Norbert K. dann den Rest gegeben er war zahlungsunfähig. Als letzter Ausweg aus seiner finanziellen Lage blieb nur mehr der Privatkonkurs. Der umgangssprachliche Ausdruck Privatkonkurs wird im Gesetz als Insolvenzund Schuldenregulierungsverfahren bezeichnet. Ziel dieses Verfahrens ist es, privaten Schuldnern die Möglichkeit für einen wirtschaftlichen Neubeginn zu geben. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, sich aus eigener Kraft unter höchstmöglicher Anstrengung aus der entstandenen finanziellen Notsituation zu befreien. Um ein Schuldenregulierungsverfahren in Anspruch nehmen zu können, müssen natürlich bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu zählen: n tatsächliche Zahlungsunfähigkeit n regelmäßiges Einkommen n die Verpflichtung, keine neuen Schulden zu machen n Möglichkeit, monatlich einen bestimmten Betrag zur Rückzahlung zur Verfügung stellen zu können n Der Versuch einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern ist gescheitert. Der Antrag auf ein Schuldenregulierungsverfahren muss vom Schuldner innerhalb von 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gestellt werden. Ein Privatkonkurs kann auch ohne Kostenvorschuss auf die Verfahrenskosten eröffnet werden. In der Zeit der Rückzahlung soll nur eine bescheidene, aber menschenwürdige Lebensführung möglich sein. Im Gegenzug werden Exekutionen und Zinsen gestoppt. Die Schuldner/innen sind bei Einhaltung der vereinbarten Zahlungen wieder schuldenfrei und die Gläubiger erhalten einen Teil ihrer Forderungen zurück. Drei verschiedene Verfahren können zur Anwendung kommen: n Sanierungsplan: Neben Unternehmen können auch Privatpersonen einen gerichtlichen Sanierungsplan anbieten (siehe Seite 2) Die Mindestquote im Sanierungsplan sowohl für natürliche als auch juristische Personen beträgt 20 %. Natürliche Personen, die kein Unternehmen betreiben, können eine Zahlungsfrist von 2 bis 5 Jahren in Anspruch nehmen. Die Gläubiger müssen mit Kopf- und Kapitalmehrheit dem Antrag zustimmen. Mit der Erfüllung des Sanierungsplans erlöschen die Schulden. In der Praxis wird dieses Verfahren allerdings von Privatpersonen kaum in Anspruch genommen. n Zahlungsplan: Scheitert der Antrag auf Abschluss eines Sanierungsplans, kann ein Zahlungsplan angestrebt werden. Den Gläubigern ist dabei eine Quote anzubieten, die der Einkommenslage der nächsten fünf Jahre entspricht. Die Zahlungsfrist darf maximal sieben Jahre betragen. Auch bei diesem Verfahren ist die Zustimmung der Gläubiger (Kopf- und Kapitalmehrheit) notwendig. Die Schulden erlöschen mit der Erfüllung der vereinbarten Quote. Die Mehrheit der Schuldner/innen nehmen dieses Verfahren in Anspruch. 8

n Abschöpfungsverfahren: Scheitert auch der Zahlungsplan, so ist ein Abschöpfungsverfahren der letzte Ausweg. Es kommt dabei unter strengen Auflagen für die nächsten sieben Jahre zur Pfändung auf das Existenzminimum. Die gepfändeten Beträge erhält ein gerichtlich bestellter Treuhänder, der sie an die Gläubiger verteilt. Die Zustimmung der Gläubiger ist bei diesem Verfahren nicht erforderlich. Eine Restschuldbefreiung erfolgt bei n Bezahlung von mindestens 10 % innerhalb von sieben Jahren oder n Bezahlung von mindestens 50 % innerhalb von drei Jahren oder n bei Nichterreichen der Mindestquote von 10 % kann vom Gericht der Fehlbetrag erlassen werden (bei geringfügiger Unterschreitung) oder die Zahlungsfrist kann um drei Jahre verlängert werden Hält sich ein Schuldner/eine Schuldnerin nicht an die Vereinbarung, kommt es zu keiner Restschuldbefreiung und alle Schulden leben wieder auf. Hilfestellungen beim Privatkonkurs erhält man unter www.schuldnerberatung.at, www.privatkonkurs.at bzw. www.klartext.at. Verfahrensablauf bei Annahme bei Scheitern Außergerichtlicher Schuldenerlass scheitert Eröffnung Schuldenregulierungsverfahren Vermögensverwertung (z. B. Wohnung, Auto, Sparbücher) Zahlungsplan Abschöpfungsverfahren Restschuldbefreiung Arbeitsaufgabe: Schuldenregulierungsverfahren Johanna M. ist 23 Jahre alt und liebt Shopping und Party. Leider stehen bei ihr seit längerer Zeit Einnahmen und Ausgaben in einem krassen Missverhältnis. Schulden in der Höhe von 26.000,00 EUR haben sich angehäuft. Gläubiger sind zwei Banken, mehrere Versandhäuser, vier Mobilfunkanbieter und drei Familienmitglieder, die ihr Geld geborgt haben. Außer einem vollen Kleiderschrank, vier Mobiltelefonen, einem Fernseher und abgewohnten Möbeln besitzt sie nichts. Vor drei Wochen hat Johanna ihren Job als Verkäuferin bei einer großen Bekleidungskette verloren. Ihre Aussicht auf einen neuen Job ist düster derzeit liegt sie lieber auf der Couch und macht gar nichts. a) Erfüllt Johanna K. aus Ihrer Sicht die Voraussetzungen, um einen Zahlungsplan oder ein Abschöpfungsverfahren durchführen zu können? Begründen Sie Ihre Antwort. b) Johanna hat Glück gehabt und nach zwei Monaten einen neuen Job gefunden. Sie möchte ihr Leben umkrempeln und ihre Schulden loswerden. Woran kann es scheitern, dass ein Zahlungsplan durchgeführt werden kann? Welche Möglichkeit steht Johanna dann noch offen? 9