Entwicklung schallmindernder Maßnahmen beim Bau von Offshore-Windenergieanlagen 2013



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Transkript:

Entwicklung schallmindernder Maßnahmen beim Bau von Offshore-Windenergieanlagen 2013 Dipl. Biol. Sven Koschinski Dipl. Biol. Karin Lüdemann Studie im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) Aktualisierter Bericht: Februar 2013

Autoren: Dipl. Biol. Sven Koschinski Meereszoologie Kühlandweg 12 24326 Nehmten sk@meereszoologie.de Dipl. Biol. Karin Lüdemann Wissenschaftsbüro Telemannstr. 56a 20255 Hamburg info@wissensbuero-hh.de Fachbetreuung (BfN): Thomas Merck Titelfotos: oben links: Hydroschalldämpfer (Foto: PATRICE KUNTE, Quelle: ELMER et al. 2012) oben rechts: unten links: Großer Blasenschleier im OWP Borkum West II (Foto: Trianel GmbH/LANG) Kleiner geführter Blasenschleier der Fa. Weyres Offshore (Foto: PATRICE KUNTE, Quelle: WILKE et al. 2012) unten Mitte: Kofferdamm (Quelle: THOMSEN 2012) unten rechts: IHC Noise Mitigation System 6900 im OPW Riffgat (Quelle: www.riffgat.de) Dieser Bericht ist durch das Bundesamt für Naturschutz im Rahmen des Projekts Erstellung einer Studie zum Stand der Entwicklung schallminimierender Maßnahmen beim Bau von Offshore-Windenergieanlagen gefördert worden. Die Verantwortung für den Inhalt liegt jedoch allein bei den Autoren. Der Bericht gibt die Auffassung und die Meinung der Autoren wieder, diese müssen nicht mit der Meinung des Auftraggebers übereinstimmen. Der Eigentümer behält sich alle Rechte vor. Insbesondere darf dieser Bericht nur mit Zustimmung des Auftraggebers zitiert, ganz oder teilweise vervielfältigt bzw. Dritten zugänglich gemacht werden. Nehmten und Hamburg, 1. Februar 2013

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis... I Abkürzungsverzeichnis... 1 Zusammenfassung... 1 2 Einleitung... 6 3 Definition der Kategorien des Entwicklungsstands... 8 3.1 Konzeption... 8 3.2 Erprobung (Labor-/Versuchsstadium)... 8 3.3 Pilotstadium... 8 3.4 Erprobte Technik... 8 3.5 Marktverfügbarkeit/Marktreife... 8 4 Schallminderungsverfahren für Impulsrammungen... 9 4.1 Vorbemerkungen zur inhaltlichen Ausrichtung... 10 4.2 Blasenschleier... 12 4.2.1 Großer Blasenschleier (Big Bubble Curtain, BBC)... 13 4.2.2 Kleiner Blasenschleier (verschiedene Varianten)... 16 4.2.3 Bewertung des Blasenschleiers... 20 4.3 Schallschutzmantel (Pile Sleeve)... 26 4.3.1 Schallminderungsrohr (IHC Noise Mitigation System)... 26 4.3.2 BEKA Schale... 28 4.3.3 Erfahrungswerte mit Schallschutzmänteln... 28 4.3.4 Bewertung der Schallschutzmäntel... 32 4.4 Kofferdamm... 34 4.4.1 Kofferdamm... 34 4.4.2 Pfahl-in-Pfahl-Rammung... 35 4.4.3 Erfahrungswerte mit dem Kofferdamm... 36 4.4.4 Bewertung des Kofferdamms... 36 4.5 Hydroschalldämpfer (HSD)/ Gekapselte Blasen... 38 4.5.1 Erfahrungswerte mit dem Hydroschalldämpfer/ Gekapselte Blasen... 40 4.5.2 Bewertung der Hydroschalldämpfer/ Gekapselte Blasen... 43 4.6 Akustische Optimierung des Rammvorgangs... 45 4.6.1 Erfahrungswerte mit der akustischen Optimierung des Rammvorgangs... 46 4.6.2 Bewertung der akustischen Optimierung des Rammvorgangs... 48 5 Schallärmere Gründungsvarianten... 51 5.1 Einrütteln mit Vibrationsrammen... 51 5.1.1 Erfahrungswerte mit Vibrationsrammen... 51 5.1.2 Bewertung des Einrüttelns mit Vibrationsrammen... 54 5.2 Gebohrte Fundamente... 55 5.2.1 Ballast Nedam... 56 5.2.2 Offshore Foundation Drilling (OFD) (Herrenknecht/Hochtief)... 57 5.2.3 Fugro Seacore... 58 5.2.4 Bewertung gebohrter Fundamente... 59 5.3 Schwergewichtsfundament... 64 5.3.1 Erfahrungswerte mit Schwergewichtsfundamenten... 64 5.3.2 Bewertung von Schwergewichtsfundamenten... 68 5.4 Schwimmende Fundamente... 69 5.4.1 Bewertung von Schwimmfundamenten... 75

5.5 Bucketfundamente (suction bucket / suction caisson)... 78 5.5.1 Erfahrungswerte mit Bucketfundamenten... 79 5.5.2 Bewertung des Bucketfundaments... 82 6 Aktuelle Forschungsvorhaben in Deutschland... 85 7 Forschungsbedarf... 87 8 Fazit und Ausblick... 88 9 Literaturverzeichnis... 90

Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung Abs. Absatz AWZ Ausschließliche Wirtschaftszone B Belgien BBC Big bubble curtain, großer Blasenschleier BfN Bundesamt für Naturschutz BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz BMU Bundesumweltministerium BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BORA Berechnung von Offshore Rammschall (Forschungsprojekt) BS Blasenschleier BSH Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie bzw. beziehungsweise d.h. das heißt db Dezibel DK Dänemark EEH Equal energy hypothesis ESRa Evaluation von Systemen zur Rammschallminderung an einem Offshore-Testpfahl (Forschungsvorhaben) et al. et alii (und andere) F&E Forschung und Entwicklung FLOW Far and Large Offshore Wind FKZ Förderkennzeichen GICON-SOF Schwimmendes Offshore Fundament der Firma GICON GWh Gigawattstunden HSD Hydro Sound Dampers Hz Hertz i.d.r. in der Regel Inc. Incorporated (Aktiengesellschaft) k.a. keine Angabe Kap. Kapitel khz Kilohertz kj Kilojoule km Kilometer kw Kilowatt LBC Little bubble curtain, gestufter Blasenschleier Leq äquivalenter Dauerschallpegel m Meter max. maximal mm Millimeter MOAB Mobile Application Platform ms Millisekunden MW Megawatt NL Niederlande NMS Noise Mitigation System, Schallminderungsrohr Nr. Nummer OFD Offshore Foundation Drilling OFT Offshore Test (der Firma BARD) o.g. oben genannt OWEA Offshore-Windenergieanlage OWP Offshore-Windpark peak Spitzenpegel (L peak ) pers. Mitt. persönliche Mitteilung PTJ Projektträger Jülich rd. rund rms Root mean square (entspricht äquivalentem Dauerschallpegel Leq) S Schweden SBC Small Bubble Curtain, Kleiner Blasenschleier der Fa. MENCK und BARD SDP Submerged Deepwater Platform SEL 1 Single event sound pressure level, Einzelereignis-Schalldruckpegel SFOBB San Francisco Oakland Bay Bridge SIWT Self-installing wind turbine der Fa. SPT Offshore s.o. siehe oben sog. sogenannt StUK Standarduntersuchungskonzept (des BSH) s.u. siehe unten t Tonne(n) Tab. Tabelle TU Technische Universität VSM Vertical Shaft Machine u.a. unter anderem / und andere UBA Umweltbundesamt u.u. unter Umständen WEA Windenergieanlage z.b. zum Beispiel z.t. zum Teil 1 Teilweise wird SEL auch als sound exposure level bezeichnet

1 Zusammenfassung Ziel dieser Studie ist es, Schallminderungsverfahren für Tiefgründungen von Fundamenten für Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) im Meer mithilfe von Impulsrammungen sowie alternative schallarme Gründungsvarianten darzustellen und ihre Eignung zu analysieren. Die erste Fassung der vorliegenden Studie wurde im Juli 2011 veröffentlicht. Die vielfältigen aktuell durchgeführten Untersuchungen und technischen Weiterentwicklungen im Bereich des Unterwasser-Schallschutzes erforderten im November 2012 eine Aktualisierung. Um auch dem internationalen Kontext der Fragestellung Rechnung zu tragen, wurde parallel eine englische Fassung der Studie erstellt. Der Schwerpunkt der Recherchen lag dabei jedoch auf Deutschland. Aus Sicht des Naturschutzes ist es grundsätzlich notwendig, Schallimmissionen in Meeresökosysteme auf ein naturverträgliches Maß zu verringern. Um bei Impulsrammungen den Grenzwert von 160 db (Einzelereignis-Schalldruckpegel, SEL) / 190 db (peak-to-peak 2 ) in 750 m Entfernung einzuhalten, sind bei den heute üblichen Gründungsvarianten technische Schallschutzmaßnahmen nötig. Erst in den letzten Jahren hat die Industrie größere Anstrengungen unternommen, bestehende Schallschutzverfahren für die Anwendung bei der Fundamentierung von OWEA weiterzuentwickeln oder neue Verfahren zu konzipieren. Viele der Schallminderungsverfahren können eine Schallreduzierung erzielen, die - in Abhängigkeit u.a. von Pfahldurchmesser, Bodenverhältnissen und Schlagenergie - geeignet ist, den Grenzwert einzuhalten. Alle technischen Verfahren zur Schallminderung haben Einfluss auf die Offshore-Logistik, da sie vor Beginn der Rammarbeiten installiert werden müssen oder bestimmte technische Anforderungen an die Errichterplattform und den Arbeitsablauf stellen. Die mögliche Verzögerung des Bauablaufs ist einer der wesentlichen Faktoren, der den wirtschaftlichen Einsatz der Verfahren betrifft. Dies gilt für Blasenschleier (Kap.4.2), Schallschutzmäntel (Kap. 4.3) und Kofferdämme (Kap. 4.4) ebenso wie für Hydroschalldämpfer (Kap. 4.5). Da bislang noch nicht für alle Verfahren Erfahrungen im routinemäßigen Einsatz vorliegen, lässt sich die erforderliche Zeit für die Installation der unterschiedlichen Verfahren noch nicht konkret abschätzen. Die bestmögliche Integration in die Arbeitsabläufe vor Ort ist jedoch bei allen Methoden ein wichtiges Ziel der weiteren Entwicklungsarbeiten. Die im Rahmen dieser Studie vorgestellten Schallminderungsverfahren mit ihrem Schallminderungspotential und dem derzeitigen Entwicklungsstand sind in Tab. 1 im Überblick dargestellt. Hinweis Während in der ersten Fassung dieser Studie vom Juni 2011 für die verschiedenen Methoden prognostiziert wurde, wann jeweils das Erreichen des Stands der Technik zu erwarten sei, beschränkt sich die vorliegende Überarbeitung nach Maßgabe des Auftraggebers auf eine rein technische Beschreibung bzw. Einschätzung des Entwicklungsstands der verschiedenen Schallminimierungsmaßnahmen und alternativen Gründungsvarianten sowie der erreichbaren Schallminderungspotenziale. Eine rechtliche Bewertung ist hiermit nicht verbunden. 2 Abweichend von der DIN 1320 verwendet das UBA für die Angabe des Spitzenpegels den peak-to-peak Wert, der bis zu 6 db höher als der entsprechende peak-wert liegt. Seite 1

Tab. 1: Entwicklungsstand der beschriebenen Schallminderungsverfahren sowie deren gemessene oder modellierte Schallminderung und die nächsten Entwicklungsschritte. (k.a. = keine Angaben, SEL = Einzelereignisschalldruckpegel, peak = Spitzenpegel) Achtung: Die Angabe der Schallminderung als Breitbandwerte bzw. als Wert in einzelnen Dritteloktavbändern ist nicht miteinander vergleichbar! Verfahren Großer Blasenschleier Schallminderung Einfacher Großer Blasenschleier: FINO 3: 12 db (SEL), 14 db (peak) (GRIEßMANN et al. 2010), OWP Borkum West II: 11-15 db (SEL), 8-13 db (peak) (BELLMANN 2012) Doppelter Großer Blasenschleier (2 Halbringe): 17 db (SEL), 21 db (peak) (HEPPER 2012) Entwicklungsstand 1 ) Erprobte Technik, noch optimierbar 160 db-grenzwert unter bestimmten Umweltbedingungen erreichbar Offene Fragen; nächste Schritte In praktischer Anwendung in verschiedenen kommerziellen Offshore-Windparks (OWPs) Einsatz in größeren Wassertiefen und bei größeren Pfahldurchmessern Optimierung bzgl. Handhabung und Effektivität möglich Blasenschleier Varianten des kleinen Blasenschleiers Gestuftes Ringsystem (OWP alpha ventus): 12 db (SEL), 14 db (peak) (GRIEßMANN 2009); OWP Baltic II:.15 db (SEL) (Schutz-VON GLAHN 2011) bzw. 11-13 db (SEL) (ZERBST & RUSTEMEIER 2011) Geführter Kleiner Blasenschleier (ESRa): 4-5 db (SEL) (WILKE et al. 2012) 2 ) Pilotstadium mit Full-Scale-Test abgeschlossen Praktischer Einsatz; derzeit keine konkreten Projekte bekannt Kleiner Blasenschleier mit vertikalem Schlauchsystem, OWP Bard Offshore I: 14 db (SEL), 20 db (peak) Schallschutzmäntel IHC Noise Mitigation System BEKA-Schale ESRa-Projekt: 5-8 db (SEL) (WILKE et al. 2012) 2 FLOW-Projekt: OWP Nordsee Ost: 9 db (SEL), Ijmuiden: 11 db (SEL) OWP Riffgat: 17 db (SEL) (GERKE & BELLMANN 2012) 3 ) ESRa-Projekt: 6-8 db (SEL) (WILKE et al. 2012) 2 ) Pilotstadium abgeschlossen Erster Einsatz in einem kommerziellen Projekt (Riffgat) 160 db-grenzwert für kleinere und mittlere Pfähle in geringen Wassertiefen erreichbar PiIotstadium abgeschlossen Bei weiterem Einsatz möglichst Durchführung einer direkten Vergleichsmessung mit und ohne Schallschutzsystem Einsatz in größerer Wassertiefe und bei größeren Pfahldurch - messern Full-Scale Test unter Offshore- Bedingungen Derzeit keine kommerzielle Anwendung bekannt Kofferdamm Kofferdamm Bucht von Aarhus: 23 db (SEL), 17 db (peak) Pilotstadium für freistehendes System abgeschlossen Erste kommerzielle Projekte geplant Full-Scale Test für große Monopiles (ca. 5 m Durchmesser) Praktischer Einsatz in kommerzielle Projekten HelWin A, BorWin und Sylvin A geplant Weiterentwicklung des teleskopierbaren Systems und des klappbaren Systems Seite 2

Verfahren Schallminderung Entwicklungsstand 1 ) Offene Fragen; nächste Schritte QuadJack mit Pfahl-in-Pfahl- Rammung Modellierung: 27 db (SEL) (FRÜHLING et al. 2011) Validiertes Konzeptstadium k.a. sonstige Hydroschalldämpfer (HSD)/ gekapselte Blasen ESRa-Projekt: 4-14 db (SEL) (WILKE et al. 2012) 2 OWP London Array: k.a. Machbarkeitsstudie USA: In einzelnen Frequenzbändern bis zu 18 db (kein Breitbandwerte angegeben) (LEE et al. 2012) Pilotstadium, Einsatz in kommerziellen Projekt OWP London Array Weiterer Offshore-Test (OWP Dan Tysk 2013) geplant Optimierung der HSD Elemente Zusätzliche HSD Elemente und Netz-Schichten Tests zur Verringerung des Bodeneinflusses sonstige Verlängerung der Impulsdauer Modellierung 4 db (SEL), 9 db (peak) (ELMER et al. 2007a) Schall 3: Modellierung für MENCK-Testpfahl: 5 db (SEL), 7 db (peak). Modellierung FINO 3: 11 db (SEL), 13 db (Peak) (NEUBER & UHL 2012) Messung Drahtseil als Piling Cushion: bis zu 7 db (SEL) 4 ) (ELMER et al. 2007a) Messung Piling Cushions aus Micarta: 7-8 db, Nylon 4-5 db 5 ) (LAUGHLIN 2006) Bei sehr kleinen Pfahldurchmesser 160 db-grenzwert erreichbar, Einsatz vor allem zur Materialschonung Für große Pfahldurchmesser: Versuchsstadium (numerische Modellrechnung und Simulation) k.a. Optimierung des Zusammenspiels der einzelnen Ramm- Komponenten k.a. Im Erprobungsstadium Abschluss des Forschungsprojekts BORA und Veröffentlichung der Ergebnisse 1 ) Bezogen auf Offshore-Bedingungen in der Nordsee mit Wassertiefen um 40 m 2 ) Für die Interpretation der ESRa Ergebnisse sind jedoch die in Kap. 4.1 dargelegten Probleme zu berücksichtigen 3 ) Dieser Wert beruht auf einem nur prognostizierten Wert der Schallimmission ohne Schallschutzsystem; vgl. Kap. 4.3.4.1. 4 ) FINO 2 Plattform (Pfahldurchmesser 3,3 m) 5 ) Cape Disappointment (Pfahldurchmesser 0,3 m) Darüber hinaus gibt es - teils auch erst in der Entwicklung oder Erprobung - eine Anzahl alternativer Gründungsvarianten ohne Impulsrammung, die geringere Schallimmissionen in die Meeresumwelt erwarten lassen. Hierzu zählt das Vibrations-Rammverfahren (Kap. 5.1), Gebohrte Fundamente (Kap. 5.2), Schwergewichtsfundamente (Kap. 5.3), Schwimmfundamente (Kap. 5.4) und Bucketfundamente (Kap. 5.5) (Tab. 2). Allerdings liegen nicht zu allen Technologien Angaben zu den resultierenden Schallemissionen vor. Aufgrund der Einschätzung verschiedener Fachleute oder der anbietenden Firmen selbst kann aber angenommen werden, dass Schallimmissionen in 750 m Entfernung den Grenzwert von 160/190 db einhalten werden. Oft ist mit kontinuierlichem Schall zu rechnen, dessen Pegel in Bezug auf seine möglichen Auswirkungen auf die Meeresfauna allerdings nicht direkt mit impulshaftem Schall verglichen werden kann. Abschließend werden aktuelle Forschungsvorhaben benannt (Kap. 6) und der resultierende Forschungsbedarf (Kap. 7) beschrieben. Seite 3

Tab. 2: Vibrationsramme Entwicklungsstand der im vorliegenden Bericht beschriebenen schallarmen Gründungsvarianten sowie (soweit bekannt) die bei ihrer Errichtung entstehenden Schallemissionen (k.a. = keine Angaben, Leq = äquivalenter Dauerschallpegel) Verfahren Projekte / Firmen Einrütteln mit Vibrationsramme Schallemission bei Gründung Schallpegel um 15-20 db niedriger als bei vergleichbarer Impulsrammung (EL- MER et al. 2007a) Nordsee, OWP alpha ventus: Summenpegel 142 db in 750 m Entfernung; aber hochfrequente tonale Komponenten (BETKE & MATUSCHEK 2010), OWP Riffgat: 145 db Leq (GERKE & BELLMANN 2012) Verringerung der Anzahl der Rammimpulse Entwicklungsstand 1 ) Erprobte Technik bei geringem Pfahldurchmesser, geringer Einbindetiefe sowie im Vorfeld der eigentlichen Rammung (OWP Riffgat) Offene Fragen; nächste Schritte Lassen sich die Pfähle über die gesamte Einbindetiefe einrütteln? Lässt sich dieselbe Standfestigkeit erreichen? Ballast Nedam k.a. Im Konzeptstadium Technische Machbarkeit nachgewiesen (VAN DE BRUG 2011) Pilotstadium geplant im Rahmen des FLOW- Projekts geplant Gebohrte Fundamente Herrenknecht Fugro Seacore Messungen an wassergefülltem U-Bahnschacht in Neapel: 117 db in 750 m Entfernung (AHRENS & WIE- GAND 2009) k.a. Technische Machbarkeit nachgewiesen (AHRENS & WIEGAND 2009) Onshore Tests Prototyp im Bau Erprobte Technik bei bestimmten Bodenverhältnissen (Fels, Kalkund Sandstein) und in Kombination mit Rammung Versuche zur Tragfähigkeit Herstellung Prototyp 2013 Nearshore-Test 4. Quartal 2013 Offshore Prototyp-Test Anfang 2014 Versuche zur Strandfestigkeit bei durchgehender Bohrung Anwendbarkeit bei Sandböden? Schwergewichtsfundament Schwergewichtsfundamente Konkrete Messungen liegen nicht vor Schallemissionen bei evtl. nötigen bodenvorbereitenden Arbeiten (Baggerung, Planierung etc.) voraussichtlich geringer als Impulsrammungen Für WEA erprobte Technik in Wassertiefen bis etwa 20 m, in größeren Wassertiefen: Pilotstadium Full Scale Testfundament an Land Bei Öl und Gas erprobte Technik auch in größeren Wassertiefen Detailfragen des Kolkschutzes Schwimmende Fundamente Schwimmende Fundamente allgemein HYWIND Konkrete Messungen liegen nicht vor Schallimmissionen voraussichtlich geringer als bei Impulsrammungen k.a. Bei Öl- und Gasplattformen erprobte Technik Für OWEA Versuchsbzw. Pilotstadium Pilotphase, Full-Scale- Test in Norwegen, zweijähriges Untersuchungsprogramm abgeschlossen Wie erfolgt die Verankerung? Gegenüber anderen Verfahren möglicherweise höhere Schallemissionen bei Betrieb der WEA? k.a. Seite 4

Verfahren Projekte / Firmen Schallemission bei Gründung Entwicklungsstand 1 ) Offene Fragen; nächste Schritte Blue H k.a. Pilotstadium Erprobungsphase mit 75% Modell abgeschlossen Teilprojekt wird in anderer Form von Blue H Engineering weiterverfolgt (s.u.) Blue H Engineering k.a. Konzeptstadium für 5 MW WEA Prototyp für 2016 geplant Erprobungsstadium GICON-SOF k.a. Entwicklung Planungstool für technische, ökologische und wirtschaftliche Auslegungsgrundlagen für geplante Forschungsanlage Prototyp geplant für 2014 Schwimmende Fundamente WindFloat Sway k.a. k.a. Versuche im Wellenkanal abgeschlossen 2011: Prototyp mit Vestas V80 in Portugal errichtet Versuchsstadium abgeschlossen: Dynamische Simulationen abgeschlossen In Pilotphase: Genehmigung für Prototyp erteilt 5 weitere WEA geplant Prototyp geplant für 2013 WINDSEA k.a. Erprobungsphase mit 1:40 Modell in Windund Wellenkanälen abgeschlossen Investoren gesucht Erprobungsstadium INFLOW k.a. Onshore Demonstrationsanlage im Maßstab 1:2 fertig (35 kw) Prototyp geplant für 2013 WINFLO k.a. Laufende Erprobung im Modell, Prototyp im Bau Prototyp geplant für 2013 Poseidon 37 k.a. Prototyp (37 m Breite) mit 3x11 kw Leistung errichtet größerer Prototyp (80 m Breite) geplant 2015 Anschließend 110 m breiter Prototyp 2016/2017 Bucketfundamente Bucketfundament für Umspannplattformen Bucketfundament für OWEA k.a. Keine Impulsrammung erforderlich, Schallemissionen beim Aussaugen durch Saugpumpen sind voraussichtlich geringer als bei Impulsrammungen Bei Öl- und Gasplattformen erprobte Technik Als Monopile im Pilotstadium: Prototyp in Frederikshavn Als dreibeiniges Jacket im Konzeptstadium Asymmetrische Dreibeinkonstruktion: Erprobungstadium (Modelltests abgeschlossen) Errichtung von Umspannplattformen in den OWPs Veja Mate und Global Tech 1 Tri-Jacket: Errichtung eines Full-Scale-Prototyps in virtuellem Testfeld geplant Asymmetrische Dreibeinkonstruktion: Errichtung eines Full-Scale-Prototyps geplant 1 ) Bezogen auf Offshore-Bedingungen in der Nordsee mit Wassertiefen um 40 m Seite 5

2 Einleitung Bei der Gründung von Fundamenten von Offshore-Windenergieanlagen werden Pfähle mithilfe von Impulsrammen in den Meeresboden eingebunden. Dabei treten hohe Schalldrücke auf, die sich über große Entfernungen auf die Meeresumwelt auswirken können. Aus Sicht des Naturschutzes ist es nötig, Schallimmissionen in Meeresökosysteme zu vermeiden oder zu verringern. Aufgrund der zunehmenden Erkenntnisse über die Auswirkungen von Unterwasserlärm auf Meeresorganismen unternehmen Industrie, Forschungsinstitute und Einrichtungen des behördlichen Natur- und Umweltschutzes derzeit gezielte Anstrengungen, effektive Methoden für den marinen Schallschutz zu entwickeln. Die Zielgröße dabei wird vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in seinen Leitsätzen für die Anwendung der Eingriffsregelung in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) allgemein für Rammungen vorgegeben (BSH 2010): Im Falle der Schallminderung bei Rammarbeiten auf See gilt der Immissionsstandard von 160 db (SEL) bzw. 190 db (peak-to-peak 3 ) in 750 m Entfernung (siehe auch: UMWELTBUNDESAMT 2011). Die Ergebnisse von Schallmessungen bei den Rammarbeiten verschiedener Offshore-Vorhaben wurden von NEHLS et al. (2007) zusammengetragen. Das Maximum in der spektralen Verteilung liegt in Frequenzbändern zwischen 125 und 300 Hz bei Rammarbeiten an den Forschungsplattformen FINO 1 und FINO 2 bzw. 200 Hz am Messpfahl von Amrumbank West bzw. im OWP alpha ventus (BETKE & MATUSCHEK 2010). Die einzelnen Rammstöße bestehen aus kurzen (50-100 ms) Pulsen. Abb. 1 zeigt die auf eine Entfernung von 750 m umgerechneten Spitzenpegel und SEL-Pegel in Abhängigkeit vom Pfahldurchmesser anhand von konkreten Schallmessungen. Abb. 1: Auf eine Entfernung von 750 m normierte Spitzenpegel (peak) und Einzelereignisschalldruckpegel (SEL) beim Rammen von Pfählen aus verschiedenen Projekten als Funktion des Pfahldurchmessers (Quelle: BETKE 2008, ergänzt durch Daten aus BETKE & MATUSCHEK 2010). Die Messergebnisse verschiedener Rammereignisse zeigen, dass die Schlagenergie und der entstehende Schalldruck mit dem Pfahldurchmesser korreliert sind (BETKE 2008, BETKE & MATUSCHEK 2010). Zusätzlich spielt die Beschaffenheit des Untergrundes und die verwendete Ramme eine Rolle. Der 3 Vgl. Fußnote 2 Seite 6

logarithmischen Trendlinie in Abb. 1 liegen Messungen von 14 verschiedenen Vorhaben mit Pfahldurchmessern von 0,9 bis 4,7 m zugrunde (BETKE 2008, BETKE & MATUSCHEK 2010). Mit jeder zusätzlichen Schallmessung erhält man genauere Vorstellungen über die Gesetzmäßigkeiten. Die Abbildung gibt eine Orientierung darüber, welche Schallminderung bei welchem Pfahldurchmesser erzielt werden muss. So kann in dieser modellhaften Betrachtung bei Pfahldurchmessern bis 3 m schon eine Reduzierung der Immissionen um 10 db (SEL) ausreichend sein, während bei einem Durchmesser von 5 m eine Minderung in der Größenordnung von 15 db erforderlich wäre. Der Pfahldurchmesser und die Gründungsart sind u.a. abhängig von Untergrund, Wassertiefe und Anlagentyp. Ziel dieser Studie ist es, Schallminderungsverfahren für Tiefgründungen von Fundamenten für OWEA mithilfe von Impulsrammungen darzustellen und ihre Eignung zur wirksamen Schallreduzierung zu analysieren. Für die verschiedenen Varianten soll v.a. überprüft werden, welchem Entwicklungsstand (Konzeption, Erprobung, Pilotstadium, Erprobte Technik, Marktverfügbarkeit) sie zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Studie zuzuordnen sind. Neben einer allgemeinen technischen Beschreibung wird darüber hinaus und das mögliche Potential zur Schallminderung dargestellt. Da die Diskussion um geeignete Grenzwerte auch weiterhin kontrovers geführt wird, insbesondere in Bezug auf Störungen und populationsrelevante Einflüsse, und weiterhin Abschätzungen vermuten lassen, dass der Grenzwert auch beim Einsatz technischer Minderungsverfahren nicht in allen Fällen eingehalten werden kann, werden in einem zweiten Teil Gründungsvarianten beschrieben, die erwarten lassen, dass deutlich geringere Schallemissionen auftreten als bei Tiefgründungen, die mit Impulsrammungen verankert werden. Dabei ist zu beachten, dass auch schallarme Gründungsvarianten Schallemissionen erzeugen, die zum Teil heute noch nicht genau quantifiziert werden können, da keine Schallmessungen unter Offshore-Bedingungen vorliegen oder die genaue Errichtungsmethodik noch nicht bekannt ist. Der Schwerpunkt der Recherchen lag dabei auf Deutschland. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit aller Verfahren und Anbieter. Andere mögliche umweltrelevante Auswirkungen der beschriebenen Verfahren wurden bei der Darstellung nicht berücksichtigt. Seite 7

3 Definition der Kategorien des Entwicklungsstands 3.1 Konzeption Eine Projektidee mit umfassender Zusammenstellung von Informationen, physikalischen Berechnungen und Begründungszusammenhängen für umfangreiche Planungen liegt vor. Die Aussagen zur Wirksamkeit basieren im Wesentlichen auf theoretischen Überlegungen und Analogieschlüssen. Eine validierte Konzeption umfasst zusätzlich erste Vorexperimente und Untersuchungen zur Durchführbarkeit, z.b. Belastungsversuche mithilfe von Modellen, etc. Ein Prototyp des Entwicklungsobjekts existiert noch nicht. 3.2 Erprobung (Labor-/Versuchsstadium) Die nächste Kategorie des Entwicklungsstands ist die Erprobung der Technik im Labor oder einer anderen Versuchsanlage (z.b. Wellenkanal). Ziel der Erprobung ist die Entwicklung eines Prototyps. Manche Entwicklungen basieren auf marktverfügbaren Komponenten, sind aber für neue Anwendungsgebiete entsprechend abgewandelt. 3.3 Pilotstadium In einer ersten Anwendung wird die im Versuch getestete Technik in einem realitätsnahen Umfeld eingesetzt. Sie ist schon über das Erprobungsstadium hinaus. Bei der Technik kann es sich noch um ein Einzelstück, z.b. einen Prototyp handeln, der noch nicht in Serie gefertigt wird. Der Nachweis der technischen und vor allem wirtschaftlichen Eignung kann das Ziel der Anwendung sein. Abschluss der Anwendung ist in der Regel die wissenschaftlich-technische Bewertung eines Full-Scale-Tests eines Prototyps bzw. einer Pilotanlage. Diese wird auch oft von Banken als Finanzierungsvoraussetzung gefordert. 3.4 Erprobte Technik Eine Methode zur Schallminimierung ist als erprobte Technik anzusehen, wenn sie im Rahmen des Baus eines kommerziellen Offshore-Windparks wiederholt zum Einsatz gekommen ist und sie sich dabei bewährt hat. Dies beinhaltet den Nachweis einer signifikanten Emissionsreduzierung, die mit hinreichender Sicherheit reproduzierbar erreicht werden kann, und der Handhabbarkeit. Die Reduzierung der Schallemissionen muss nicht zwangsläufig geeignet sein, um unter allen denkbaren Rahmenbedingungen hinsichtlich Pfahldurchmesser, Rammenergie, Wassertiefe, Sedimentverhältnisse usw. bereits alleinig das Einhalten eines Lärmgrenzwertes (z. B. 160 db SEL) zu gewährleisten. Es kann auch bei einem kommerziellen Einsatz dazu kommen, dass nicht bei allen Fundamenten dieselben Schallminderungen erreicht werden können, da i.d.r. noch weitere Optimierungen und Anpassungen der Methode notwendig sind. Entsprechend treten in dieser Phase oft noch Unwägbarkeiten auf. Im Verlauf der Bauarbeiten an einem OWP sind daher ggf. technische Anpassungen der Schallminderungsmaßnahme erforderlich. 3.5 Marktverfügbarkeit/Marktreife Die Marktverfügbarkeit beinhaltet, dass die Wirksamkeit einer Technologie nachgewiesen ist und diese zu wirtschaftlichen Konditionen am Markt erhältlich ist. Oft gibt es konkurrierende Anbieter mit unterschiedlich abgewandelter Technologie. Eine marktverfügbare Technik ist in der Regel die Voraussetzung für eine entsprechende Preiskalkulation. Im Erprobungsstadium und auch in den ersten Anwendungen treten oft noch Unwägbarkeiten auf, die sich auf die Kosten auswirken können. Seite 8

4 Schallminderungsverfahren für Impulsrammungen Im Folgenden wird eine Reihe fortschrittlicher Verfahren zur Schallminderung an praktischen Beispielen, Modellen und Konzepten dargestellt. Durch die Entwicklung immer größerer OWEA und den Bau von OWP an immer küstenferneren Standorten ist zu erwarten, dass die Pfahldurchmesser insbesondere von Monopiles immer größer werden. Auch ist die Industrie in der Lage, immer größere Impulsrammen bereitzustellen. Die Überwindung steigender Bodenwiderstände bei größerer Pfahldimensionierung durch Verwendung höherer Schlagenergien führt beim Rammen zu höheren Schallpegeln (Abb. 1), so dass bei größeren Pfahldurchmessern eine größere Schallminderung erzielt werden muss, um den Grenzwert einhalten zu können. Durch die weitere Optimierung von Schallschutzmethoden ist zukünftig voraussichtlich eine größere Dämpfung erzielbar als derzeit möglich. Jedoch lässt sich mit den im Folgenden dargestellten Methoden keine beliebig hohe Dämpfung erzielen. Dies hängt damit zusammen, dass die Schallausbreitung über verschiedene Wege erfolgt, zum Beispiel durch Übertragung des Körperschalls in die Wassersäule, die Luft und den Boden. Der Luftweg ist bei der Ausbreitung von Unterwasserschall zu vernachlässigen (Abb. 15). Vom Boden kann ein signifikanter Teil der Schallenergie in den Wasserkörper eingetragen werden (seismischer Übertragungsweg, Abb. 2). Die dargestellten Methoden sind i.d.r. nur in der Lage, die Übertragung vom Körperschall des Pfahls in das Wasser zu dämpfen. Da der seismische Übertragungsweg etwa 10 bis 30 db unter der kombinierten Schallübertragung aller drei Wege liegt (APPLIED PHYSICAL SCIENCES 2010), bleibt selbst bei einer deutlichen Optimierung von aktuellen Schallminderungsverfahren die maximal erzielbare Schallminderung auf etwa 30 db begrenzt, sofern der seismische Übertragungsweg nicht ebenfalls gedämpft wird. Abb. 2: Preblow im Zeitsignal des Unterwasserschalls unmittelbar gefolgt vom Rammimpuls (Entfernung: 750 m, Rammenergie 300 kj) ohne (oben) und mit (unten) Schallminderungsverfahren. Der Preblow ist das Signal des an das Wasser angekoppelten seismischen Schallimpulses, der sich im Boden mit größerer Geschwindigkeit ausbreitet als das eigentliche Unterwasserschallsignal. Es zeigt sich, dass nur der Wasserschall gedämpft wird (Quelle: Wilke et al. 2012). Um die breitbandige Dämpfung bei technischen Schallminderungssystemen zu optimieren, muss der Unterwasserschall speziell im Frequenzbereich von 100 bis 400 Hz (im Nahfeld 4 auch bis 800 Hz, vgl. WILKE et al. 2012) reduziert werden, da in diesem Bereich beim Rammschall am meisten Energie ent- 4 Das akustische Nahfeld ist frequenzabhängig und liegt für Luftschall bei der doppelten Wellenlänge. WILKE et al. 2012 vermuten für Wasserschall die Ausdehnung des Nahfelds im Bereich der doppelten bis zehnfachen Wellenlänge. Viele akustische Gesetzmäßigkeiten und Berechnungsmethoden gelten nur im Fernfeld. Seite 9

halten ist (Abb. 3). Um in besonders empfindlichen Meereshabitaten Störungen bestimmter Tiergruppen (z.b. Meeressäugetiere) zu verringern, kann ein anderer Frequenzbereich von Interesse sein, der sich am Hörvermögen der Tiere orientiert. Abb. 3: Auf Basis von Schallmessungen verschiedener Impulsrammungen entwickeltes Modellspektrum für einen Rammschlag im Fernfeld (Quelle: itap GmbH, Wilke et al. 2012). 4.1 Vorbemerkungen zur inhaltlichen Ausrichtung Fußend auf den Ergebnissen erster Untersuchungen zur Schallminderung von Impulsrammungen durch Blasenschleier 1996 beim Bau einer Kerosin-Übernahmestation am internationalen Flugplatz von Hong Kong (WÜRSIG et al. 2000) gab es in Deutschland eine Reihe von Forschungsprojekten zur Schallminderung bei Impulsrammungen. Diese sind eine wesentliche Grundlage dieses Berichts. Dazu gehören u.a. Schallmessungen bei Tests unterschiedlicher Schallminderungsverfahren an einem Testpfahl in der Lübecker Bucht 2005 und 2011 im Rahmen des Umweltforschungsplans des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie des ESRa Projekts Evaluation von Systemen zur Rammschallminderung (SCHULTZ-VON GLAHN et al. 2006, WILKE et al. 2012). Untersuchung der Verlängerung der Impulsdauer bei Gründung der Messplattform FINO 2 (EL- MER et al. 2007b). Schallmessungen beim Einsatz eines großen Blasenschleiers bei Rammarbeiten an der Forschungsplattform FINO 3 (GRIEßMANN et al. 2009). Untersuchungen zur Konzeption, Erprobung, Realisierung und Überprüfung von lärmarmen Bauverfahren und Lärmminderungsmaßnahmen bei der Gründung von Offshore- Windenergieanlagen Schall 3 (RUSTEMEIER et al. 2012). Schallmessungen beim Test eines gestuften Blasenschleiers im Testfeld alpha ventus (BETKE & MATUSCHEK 2010). Schallmessungen bei den ersten kommerziell in deutschen Gewässern unter Verwendung von Schallminderungsmaßnahmen errichteten OWPs. Forschungen an der Universität Texas in Austin zum Verhalten von Luftblasen oder gekapselter Blasen im Wasser zur Verringerung von Wasserschall mit einer Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Seite 10

Die Forschungsprojekte umfassten dabei sowohl die Modellierung von Effekten als auch kleinskalige Laborversuche und die Erprobungen in der Anwendung auf See. Die Übertragbarkeit von Modellierungen und kleinskaligen (Vor-) Versuchen auf typische Offshore-Verhältnisse ist dabei nicht generell gewährleistet. Auch können Dämpfungswerte keineswegs garantiert werden. Dies betrifft nicht nur technische oder bauablauf- und wetterbedingte Unwägbarkeiten, sondern auch das Vorliegen bestimmter Bodenverhältnisse oder die Eigenschaften des Testpfahls. Bauablauf- und wetterbedingte Unwägbarkeiten zeigten sich z.b. bei der Errichtung des OWP alpha ventus in der Nordsee. Die gestufte Ausführung des vorgesehenen kleinen Blasenschleiers war nicht möglich. Wetterbedingt kam nur der untere Teil des Blasenschleiers zum Einsatz. Auf die zweite, mobile Schallschutzeinheit aus mehreren vertikal übereinander angeordneten ringförmigen Luftleitungen wurde verzichtet (BETKE & MATUSCHEK 2010), so dass der Blasenschleier von Anfang an nicht vollständig installiert war. Die nachfolgenden Beobachtungen ergaben, dass die Luftblasen durch die Strömung so verdriftet wurden, dass sie den zu rammenden Pfahl gar nicht vollständig umschlossen haben. Daher konnte der Blasenschleier seine Wirkung nur in Strömungsrichtung entfalten, wo die Blasen den Gründungspfahl tatsächlich abschirmten. Auch während des ESRa Projekts, bei dem neben einem gestuften Blasenschleier (Kap. 4.2.2), drei verschiedene Schallschutzmäntel (IHC Noise Mitigation System, BEKA Schale, Schlauchhülle 5, Kap. 4.3) und verschiedene Konfigurationen von Hydroschalldämpfern (Kap. 4.5) getestet wurden, ergaben sich einige Probleme (WILKE et al. 2012). Alle fünf relativ dicht am Pfahl (Wassertiefe 8,5 m) anliegenden Schallminderungssysteme erreichten breitbandige Schallminderungen von 4-6 db, die deutlich unter den Erwartungen lagen. Zurückgeführt wird dies u.a. auf linsenförmige Einlagerungen interglazialen Tons, die möglicherweise zu einer Reflektion des beim Rammen in diese Schicht eingetragenen Schalls in den Wasserkörper geführt haben. Darüber hinaus sind die Eigenschaften des Testpfahls nicht repräsentativ für weitere Projektstandorte, denn der Pfahl ist bereits ca. 65 m tief fest im Sediment eingebunden und stark verwachsen, so dass die Energieabstrahlung (auch Schallabstrahlung) des Pfahls anders ist als bei einem Pfahl, bei dem noch Vortrieb erfolgt. Dies drückt sich darin aus, dass der im Fernfeld (375 und 750 m) gemessene Anteil der an das Wasser angekoppelten seismischen Welle ( pre-blow, Abb. 2) am Testpfahl im Vergleich zu anderen Standorten besonders hoch (ca. 1/3 der Amplitude im Vergleich zu 1/10 an anderen Standorten). Neben der Verwachsung mit dem Sediment mag auch die auf dem Pfahl ruhende statische Last der Minderungssysteme diesen Effekt auf die Bodenkopplung noch verstärkt haben. Da die Bodenkopplung tieffrequent ist, wurden breitbandige Schallminderungswerte zur Beschreibung dieses Effektes auf den Frequenzbereich über 125 Hz beschränkt, wodurch die abgeleiteten Schallminderungspotentiale um 2 bis 3 db ansteigen. Die in Kap. 4 genannten Schallminderungswerte stellen jedoch die nicht korrigierte Messung im Fernfeld dar. Nahfeldmessungen ergaben deutlich höhere Schallminderungen (5-8 db im Messabstand 13 m bzw. 7-16 db im Messabstand 6 m) als Messungen in der für den 160 db-grenzwert relevanten Entfernung von 750 m. Möglicherweise ist nahe am Pfahl die Schallabstrahlung aus dem Sediment geringer. Allerdings sind Nahfeldmessungen aufgrund eines relativ hohen Blindanteils der akustischen Leistung, die keinen Beitrag zum Schalldruck im Fernfeld leistet, mit großen Messunsicherheiten behaftet, wenn lediglich der Schalldruck gemessen wird. Die Ankopplung der seismischen Welle an das Wasser ist derzeit Gegenstand wissenschaftlicher Forschung (z.b. Projekt BORA, gefördert vom BMU) (vgl. Kap. 6). Nur durch die Kenntnis des Nah- und Fernfeldes wird eine vollständige Modellierung/Simulation der Schallabstrahlung des Pfahls möglich. Über die Forschung in Deutschland hinaus sind für die Entwicklung wirksamer Schallminderungsmaßnahmen die Untersuchungen bei verschiedenen Brückenbauvorhaben zum Schutz bedrohter 5 Die Schlauchhülle wird als kommerzielles Schallminderungssystem nicht weiterverfolgt. Seite 11

Fischarten wie Lachse in den USA relevant (u.a. CALTRANS 2001, 2003, 2007, 2009). In vielen Fällen erfolgten die Anwendungen dort jedoch in sehr flachem Wasser und die Messentfernungen waren in der Regel deutlich geringer als in den deutschen Untersuchungen, so dass sich die Ergebnisse nicht auf die Verhältnisse in der deutschen AWZ übertragen lassen. In den Ausführungen zu den einzelnen Schallminderungsverfahren in Kap. 4.2 bis Kap. 4.5 wird die gemessene Schallminderung - sofern vorhanden - als Breitbandpegel unter Angabe des Frequenzbereiches angegeben. Dieser beeinflusst den Pegel. In manchen Studien wird lediglich die maximal erreichte Dämpfung oder eine Spanne von Werten in bestimmten Frequenzbändern angegeben. Diese Werte sind nicht direkt vergleichbar. Wenn vorhanden, wird die erzielte Schallminderung darüber hinaus als Dritteloktavband-Spektrum dargestellt. Wenn möglich, entsprechen die verwendeten Pegelbegriffe den in der DIN-Norm 1320 definierten Werten. Da db-werte ganzzahlig sind und auf eine Nachkommastelle angegebene Werte in Originalberichten eine Genauigkeit suggerieren, die angesichts von Messungenauigkeiten nicht gegeben ist, werden db-werte in diesem Bericht gerundet angegeben. 4.2 Blasenschleier Blasenschleier bestehen aus Ringen perforierter Rohre oder Schläuche, die den Gründungspfahl umgeben. Durch Kompressoren wird Luft eingeblasen, die in Form von Blasen aufsteigt und einen Vorhang oder Schleier um den Gründungspfahl oder die komplette Fundamentstruktur bilden. Blasenschleier sind eine effektive und mittlerweile mehrfach in verschiedenen Varianten erprobte Methode, die Schallausbreitung im Wasser zu reduzieren (u.a. CALTRANS 2003, GRIEßMANN et al. 2009, BETKE & MATUSCHEK 2010). Bei den verschiedenen möglichen Varianten des Blasenschleiers wird in diesem Bericht zwischen eng am Gründungspfahl anliegenden (Kleine Blasenschleier-Varianten, Kap. 4.2.2) und im weiteren Umfeld des Gründungspfahls platzierten Systemen (Großer Blasenschleier, Kap. 4.2.1) unterschieden. Durch die verschiedenen Abstände zum Pfahl ergeben sich Unterschiede z.b. in der Handhabung, im Bauablauf und bei den Kosten. Außerdem bestehen Unterschiede in der Wirkweise, z.b. bezüglich der Effekte im akustischen Nah- oder Fernfeld oder der Schallminderung von Anteilen der seismischen Welle, die wieder an den Wasserkörper ankoppelt (WILKE et al. 2012). Durch Unterschiede in der Hydrologie des Standortes (z.b. Wassertiefe und Strömung) und in der Gründungsvariante (Monopile, Tripod, Tripile oder Jacket) und Rammablauf (Pre-Piling oder Post-Piling) kann die Wahl eines passenden Blasenschleier-Systems für die erreichbare Schallminderung entscheidend sein. Die physikalischen Prinzipien der Schallminderung sind jedoch bei allen Blasenschleiern gleich. Zwischen Wasser und Luft besteht aufgrund des großen Dichteunterschieds ein erheblicher Impedanzsprung. Da Luft im Gegensatz zu Wasser kompressibel ist, verändern Luftblasen im Wasser dessen Kompressibilität und damit die Schallausbreitungsgeschwindigkeit. Die Schallanregung der Blasen in oder in der Nähe ihrer Resonanzfrequenz führt zusätzlich durch Streuungs- und Absorptionseffekte zu einer sehr effektiven Reduzierung der Schallamplituden. Durch die Resonanz ist die effektive Streu- und Absorptionswirkung einer Gasblase im Meer etwa tausendmal größer als es ihrer geometrischen Größe entspricht. Zusätzlich führt die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Blasen zu einer Erhöhung ihrer Schalldämpfung, was die besondere Effektivität des Blasenschleiers begründet (ELMER et al. 2007a, GRIEßMANN et al. 2009). Weiterhin gibt es viele theoretische Betrachtungen wie Blasengröße, Wassertiefe, Luftmenge oder Blasenerzeugung auf die Effektivität wirken. Dazu liegen Ergebnisse von Simulationen, Laborversuchen und Tests in einem Tank und einem Teich im Rahmen des Forschungsprojekts Schall 3 vor (RUSTEMEIER et al. 2012). Es wird weiterhin vermutet, dass die gerichtet einstrahlende Schallenergie im Blasenschleier durch Mehrfachreflektionen ungerichtet abgestrahlt wird und somit eine Reduzierung der Schallenergie bewirkt. Durch die Mehrfachreflektion an mehreren nebeneinanderliegenden Luftbläschen im Was- Seite 12

ser werden vermutlich auch Wellenlängen reflektiert, die in einem Zusammenhang mit der Breite des Blasenschleiers stehen. D.h., je mehr sich der Blasenschleier zur Wasseroberfläche V-förmig verbreitert, desto tiefere Frequenzen können gedämpft werden. Eine exakte analytische Berechnung dieses Phänomens ist derzeit jedoch nicht möglich (WILKE et al. 2012). Über Erfahrungen mit dem experimentellen Einsatz verschiedener Blasenschleiersysteme (WÜRSIG et al. 2000; CALTRANS 2001; CALTRANS 2003, VAGLE 2003; PETRIE 2005) wurde in NEHLS et al. (2007) berichtet. Die Darstellungen an dieser Stelle beschränken sich im Wesentlichen auf neuere Ergebnisse. 4.2.1 Großer Blasenschleier (Big Bubble Curtain, BBC) Abb. 4: Konzept des großen Blasenschleiers (Quelle: ISD 2010). Für den Großen Blasenschleier wird ein einzelner perforierter Rohrleitungsring um die zu rammende Gründungsstruktur auf den Meeresboden gelegt. In diesen Ring wird über Kompressoren, die sich an Bord einer Plattform oder eines Schiffes befinden, Druckluft eingeleitet. Durch regelmäßig angeordnete Löcher strömt die Luft in Form von Blasen nach außen, steigt nach oben und ummantelt die gesamte Gründungsstruktur großräumig in Form eines Blasenschleiers (Abb. 4). 4.2.1.1 Erfahrungswerte mit dem Großen Blasenschleier In der deutschen Nordsee wurde der Große Blasenschleier seit 2008 in mehreren Projekten eingesetzt (Tab. 3). An der FINO 3-Plattform wurde eine Schallminderung von 12 db (SEL) und 14 db (peak) erzielt, wobei die größte Dämpfung im Frequenzband um 2 khz erreicht wurde (GRIEßMANN et al. 2009). Die aktuellsten verfügbaren Ergebnisse stammen aus dem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) geförderten Forschungsprojekt Hydroschall-OFF BWII im kommerziellen OWP Borkum West II (aktueller Name: Trianel Windpark Borkum). Dort wurde der Große Blasenschleier im Herbst 2011/Frühjahr 2012 in verschiedenen Testkonfigurationen im normalen Errichtungsprozess von 40 Tripods im Pre-Piling Verfahren eingesetzt (BELLMANN 2012, MENTRUP 2012, PEHLKE et al. 2012, VERFUß 2012). Da es sich um ein Forschungsprojekt in einem kommerziellen Projekt handelte, verliefen die Rammarbeiten unabhängig von der Einsatzfähigkeit des Blasenschleiers, so dass keine ständige Schallminderung gegeben war (PEHLKE et al. 2012). Das Verlegeschiff für den Großen Blasenschleier besitzt zwei komplette Düsenrohrsysteme an Bord (Abb. 5). Bevor die Arbeitsplattform eine Rammposition bezieht, positioniert das Verlegeschiff ein Düsenrohr um diesen Standort und verlegt das zweite System um die nachfolgende Baustelle. Dabei wird das von einer Kette beschwerte Rohr von der Winde abgetrommelt und über das Heck des Schiffes auf den Meeresboden abgesenkt. Das Schiff wird so positioniert, dass es die Luftversorgungsschläuche aufnehmen und den Blasenschleier mit Druckluft versorgen kann (Abb. 6) (PEHLKE et al. 2012). Seite 13

Getestet wurden zwei verschiedene Schlauchkonfigurationen, die sich in Lochgröße und -abstand unterschieden ( Kleiner Lochabstand : Lochgröße 1,5 mm; Lochabstand 0,3 m; Großer Lochabstand : Lochgröße 3,5 mm; Lochabstand 1,5 m) (PEHLKE et al. 2012). Die besten Ergebnisse erzielte die Variante Kleiner Lochabstand mit einer Dämpfung von 11-15 db (SEL) und 8-13 db (peak) (BELL- MANN 2012). Die Verstärkung der Dämpfungswirkung durch Erhöhung der Luftmenge (Versorgung durch einen, zwei oder drei Kompressoren) zeigt Abb. 7 (BELLMANN 2012). Tab. 3: Bisherige Anwendung des großen Blasenschleiers (BS). Projekt (Bau) Wassertiefe (m) FINO 3 (2008) 23 Borkum West II (2012) Nordsee Ost (im Bau) Global Tech 1 (im Bau) Dan Tysk (Baubeginn 2012/2013) Meerwind Südost (im Bau) 26-33 22-25 4,7 m Monopile Tripods (Pre- Piling) mit Pfahldurchmesser von je 2,5 m 4-beinige Jackets (Post-Piling) Merkmale des BS Geschlossenes Sechseck im Abstand von 70 m Oval im Abstand 70-90 m, verschiedene Varianten getestet (z.b. Variation des Lochabstands, doppelter Halbkreis) Vom Schiff verlegter BS Gründungsstruktur Schallminderung (Breitbandpegel) 12 db (SEL) 14 db (peak) 11-15 db (SEL) 8-13 db (peak) k.a. 39-41 Tripods Vom Schiff verlegter BS k.a. 21-32 Monopiles ca. 6 m 23-26 Monopiles Vom Schiff verlegter doppelter BS im Abstand von 12-14 m Vom Schiff verlegter doppelter BS im Abstand von ca. 20 m k.a. k.a. Quelle GRIEßMANN (2009) BELLMANN (2012) www.rwenordse eost.com http://www.glob altechone.de/ http://www.dant ysk.de/ http://www.wind mw.de Abb. 5: Großer Blasenschleier, der beim Bau des OWP Borkum West II zum Einsatz kam. Links: Winde mit Düsenschlauch auf dem Verlegeschiff. Rechts: : Unterwasseraufnahme bei Test in der Ostsee (Quelle: PEHLKE et al. 2012). Seite 14

Abb. 6: Einsatz des Großen Blasenschleiers der Fa. Hydrotechnik Lübeck im OWP Borkum West II (Quelle: MENTRUP 2012, Foto Trianel GmbH/ Lang). Abb. 7: Einfluss der Luftmenge (in m³/min/m) auf die Schalldämpfungswirkung des Großen Blasenschleiers im OWP Borkum West II (Quelle: BELLMANN 2012). Abb. 8: Schema des doppelten, aus zwei Halbringen bestehenden Blasenschleiers. a) kleiner Abstand (beide Blasenschleier vereinen sich). b) großer Abstand (beide Blasenschleier sind separat) (Quelle: BELLMANN 2012). Seite 15

Zusätzlich erfolgte ein Test mit einem Doppelten Blasenschleier, der allerdings im vorliegenden Fall nur in Form von zwei Halbkreisen ausgelegt werden konnte. Die Ergebnisse zeigen, dass durch eine doppelte Anordnung die Schallminderung gegenüber dem einfachen Blasenschleier noch gesteigert werden kann. Die mit 17 db (SEL) bzw. 21 db (peak) höchste Schallminderung wurde erzielt, als der Abstand zwischen den beiden Düsenschläuchen (80 m) der dreifachen Wassertiefe entsprach und damit groß genug war, dass sich zwei getrennte Blasenschleier ausbilden konnten (Abb. 8). Bei einem Abstand von 25 m vereinten sich beide Blasenschleier und es ergab sich mit 16 db (SEL) bzw. 19 db (peak) ein Wert zwischen einfacher und doppelter Anordnung (HEPPER 2012). 4.2.2 Kleiner Blasenschleier (verschiedene Varianten) Der Kleine Blasenschleier unterscheidet sich in seinen verschiedenen Varianten vom Großen Blasenschleier dadurch, dass die perforierten Düsenrohr-Ringe nicht auf dem Meeresboden liegen, sondern eng am Gründungspfahl anliegen. Varianten des Kleinen Blasenschleiers: Gestuftes Ringsystem Beim gestuften kleinen Blasenschleier werden die perforierten Luftleitungen in mehreren Ebenen ringförmig um den Gründungspfahl angebracht (Abb. 9). Abb. 9: Konzept des gestuften Blasenschleiers (Quelle: ISD 2010). Abb. 10: Kleiner Blasenschleier, gestuftes Ringsystem. Links: Tripod der OWEA AV09 im OWP alpha ventus mit vorinstalliertem unteren Teil (Quelle: Hydrotechnik Lübeck GmbH in: GRIEßMANN et al. 2010). Rechts: Einschiffen der mobilen Einheit am OWP Baltic 2 (Quelle: ZERBST & RUSTEMEIER 2011). Seite 16

Ein aus zwei Einheiten horizontal angeordneter Ringe bestehender gestufter Blasenschleier sollte beim Bau des OWP alpha ventus eingesetzt werden. Eine vorinstallierte untere Einheit war fest mit dem Fundament verbunden, die zweite Einheit aus mehreren vertikal übereinander angeordneten ringförmigen Luftleitungen war mobil einsetzbar (Abb. 10). Diese kam erst später im OWP Baltic 2 zum Einsatz (Kap. 4.2.2.1). Je nach Wassertiefe, Ringabstand und Durchmesser der Ringe kann die gesamte benötigte Leitung dabei länger sein als beim großen Blasenschleier. Varianten des Kleinen Blasenschleiers: Geführter Blasenschleier 6 Geführte Blasenschleier sind dadurch gekennzeichnet, dass der Bereich der aufsteigenden Luftblasen zusätzlich von einer Hülle umgeben ist und ein Verdriften der Luftblasen verhindert wird. Diese Hülle besteht entweder aus einem flexiblen Material (Plastik, Gewebe) oder einem festen Rohr. Die schalldämpfenden Eigenschaften des Systems werden vom Material der einfachen Hülle nicht wesentlich beeinflusst, d.h. Stahl oder Gewebe sind gleichermaßen effektiv (CALTRANS 2009). Ein System, das die Verdriftung der Blasen und damit Schallbrücken verhindert, ist der teleskopierbare kleine, gestufte und geführte Blasenschleier der Firma Weyres Offshore (Abb. 11) (WILKE et al. 2012). Mit einem äußeren und einem inneren Luftaustrittsring an einem bis zu 50 cm breiten Flansch kann ein 1,8 m breiter Blasenkorridor erzeugt werden, der nach entsprechenden Berechnungen effektiver ist als bei nur einem Austrittsring. Bei diesem System ist der Blasenschleier rundherum mit Leitblechen versehen, auf deren Innenseite zusätzlich ein geschlossenporiges Schaumstoffmaterial (5 cm Styrodur) aufgebracht ist, um auch die Hülle in die Dämpfungswirkung einzubeziehen 7. Durch Verwendung einer Konstruktion, bei der das untere Düsenrohr am Boden einer ca. 2,6 m hohen Wanne (Abb. 11, rechts) gelegen ist, die somit als laterale Schallschutzwand wirkt, können mögliche Schallbrücken zwischen den Luftaustrittsöffnungen abgeschirmt werden (BERNHARD WEYRES, Weyres Offshore, Daleiden, pers. Mitt.). Abb. 11: Kleiner Blasenschleier der Fa. Weyres Offshore. Links: Prinzip der gestuften Auslassringe (Quelle: http://www.weyres-offshore.de/). Rechts: teleskopisch ausgefahrenes System mit schaumstoffbeschichteten Leitblechen ( Quelle: WILKE et al. 2012, Foto: Weyres). 6 7 Kombinierte Systeme (IHC Noise Mitigation System, Weyres BEKA Schale), die geführte Blasenschleier als Schallminderungskomponenten beinhalten, werden im Kap. 4.3 eingehend betrachtet. Durch dieses zusätzliche Element handelt es sich streng genommen um ein kombiniertes System. Seite 17