Bildung und Charakterisierung von tertiären Weinaromen BRETTANOMYCES/DEKKERA PFERDESCHWEISSTON



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HR Dipl.-Ing. Dr. Reinhard EDER Bildung und Charakterisierung von tertiären Weinaromen BRETTANOMYCES/DEKKERA PFERDESCHWEISSTON Wie kommt es zum Pferdeschweißton? Kann man den Pferdeschweißton von Wein objektiv feststellen? Wie werden derartige Weine sensorisch beschrieben? Gibt es Brettanomyces-Hefen, die den Wein positiv beeinflussen? Einleitung Beim Pferdeschweißton handelt es sich um ein Krankheitssymptom, das in österreichischen Weinen seit ca. zwei Jahrzehnten in nennenswertem Ausmaß auftritt, wobei in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme der Häufi gkeit festzustellen ist. Das Erkennen pferdeschweißiger Weine ist für den ungeschulten Weinkoster gar nicht so leicht möglich, da diese Produkte zusätzliche, teilweise auch interessante Aromen und Geschmackseindrücke (z.b. rauchig, teerig, würzig, speckig, erdig) aufweisen und aufgrund ihrer Herkunft - zumeist aus einem der traditionellen Rotweingebiete Europas - und ihres Preises eine hohe Qualität erhoffen lassen. Im Zuge der Untersuchung von vielen fehlerhaften Weinen wurde festgestellt, dass erhöhte Gehalte an fl üchtigen Phenolen die stoffl iche Ursache dieser Weinkrankheit sind. Die fl üchtigen Phenole stellen eine sehr vielfältige Substanzgruppe dar, wobei einige Vertreter (z.b. Vanillin, Eugenol, Syringaldehyd) einen positiven Einfl uss auf das Weinaroma ausüben. Die den Pferdeschweißton verur- sachenden Ethylphenole haben im Wein hingegen eine ambivalente Wirkung. Einerseits üben sie in niedrigen Konzentrationsbereichen eine förderliche Wirkung auf die Weinqualiltät aus (z.b. 4-Ethylphenol > 0,08 mg/l aber < 0,4 mg/l: rauchig, lederartig, würzig); andererseits verursachen sie bei Überschreitung kritischer Schwellenwertkonzentrationen unerwünschte, stechend-animalische Aromanoten ( Pferdeschweiß, Phenolton ). Charakteristische Leitsubstanzen für diese Weinkrankheit sind das 4-Ethylphenol und das 4-Ethylguajakol, deren Gehalte in fehlerfreien Weinen zwischen 0,001 und 6 mg/l bzw. 1,5 mg/l liegen. Eine negative Qualitätsbeeinfl ussung ist dann zu befürchten, wenn der effektive Gehalt an 4-Ethylguajakol einen Wert von 0,07 mg/l übersteigt (Stall, Schweiß) bzw. wenn der Gehalt an 4-Ethylphenol > 0,4 mg/l ist (Geselchtes, Stall) und wenn die Summe der Gehalte von 4-Ethylphenol und 4-Ethylguajakol größer als 0,425 mg/l ist (Schweiß, Räucherspeck). Im Jahre 2006 wurde erstmals das Vorkommen von 4-Ethylcatechol in Wein beschrieben, wobei diese Substanz für den charakteristischen Geruch nach Pferdeschweiß verantwortlich gemacht wurde. Die ProjektmitarbeiterInnen: OR Mag. Walter Brandes, Kathrin Sigl (Diplomandin) Wissensbericht 2010 165

Ursache für das lange unentdeckt Bleiben dieser Substanz im Wein liegt in der schwierigen Analytik, da sie bei der üblichen GC-Analytik aufgrund der vicinalen OH-Gruppe nicht erfasst wird. Die Beurteilung eines Weines hängt aber nicht nur vom Gehalt an Ethylphenolen, sondern auch von dessen allgemeiner Beschaffenheit (Körper, Phenolstruktur, Aromatik usw.) und dessen allgemeiner Wertschätzung ab. Da die für Pferdeschweiß typischen Ethylphenole aus Phenolen der Traubenschale gebildet werden, sind die Gehalte in Rotweinen üblicherweise deutlich höher als in Weißweinen. Die Bildung von Ethylphenolen im Wein stellt einen mehrstufi gen Abbauweg dar, bei dem Hefen der Gattungen Brettanomyces bruxellensis (Dekkera) eine bedeutende Rolle spielen. Als erster Reaktionsschritt, der in allen Weinen mehr oder weniger stark vorkommt, werden durch ein Enzym (Cinnamyl-Esterase Depsidase), das in der Gärhefe (Saccharomyces cerevisiae) bzw. Enzympräparaten vorkommt, die traubeneigenen Hydroxyzimtsäuretartrate abgebaut und die entsprechenden Hydroxyzimtsäuren (z.b. Cumar-, Ferula-, Sinapinsäure) freigesetzt. Hydroxyzimtsäuren können zusätzlich aus dem Holz von Barriques durch Pyrrolyse (Toasting) und anschließende Ethanolyse (Auslaugung) freigesetzt werden. Im Zuge des nächsten Reaktionsschrittes werden die Hydroxyzimtsäuren wiederum enzymatisch (Cinnamatdecarboxylase) zu Vinylphenolen abgebaut. Diese Reaktion kann durch die enzymatische Aktivität von Saccharomyces cerevisiae und Enzympräparaten, aber auch Milchsäurebakterien ausgelöst werden. Vinylphenole sind ebenfalls bereits stark aromawirksame Substanzen, die einen würzigen, herben Duft verursachen, wie er für Traminer und Gewürztraminer typisch und erwünscht ist. Da dieser Geruchseindruck in feingliedrigen, zartfruchtigen Weißweinen unerwünscht ist, wurden spezielle Hefen (z.b. Zymafl or VL 1) und Enzympräparate selektioniert, die eine sehr geringe Aktivität der Cinnamatdecarboxylase aufweisen. Im Rahmen aktueller Studien konnten wir feststellen, dass die Bildung von Vinylphenolen auch im Zuge der Rotweinmaischegärung sehr stark von der verwendeten Reinzuchthefe abhängig ist (Faktor 10!). Es ist daher anzunehmen, dass bereits durch die Wahl einer Reinzuchthefe mit hoher Cinnamatdecarboxylase-Aktivität die spätere Anfälligkeit für Pferdeschweiß mitbestimmt wird. Der letzte und entscheidende Reaktionsschritt ist die enzymatische Reduktion (Vinylphenolreduktase) von Vinylphenolen zu Ethylphenolen, die im wesentlichen auf die Aktivität von Brettanomyces-Hefen zurückzuführen ist. Grundsätzlich sind auch andere Mikroorganismen wie beispielsweise Pediococcen und Lactobacillen und unter gewissen Umständen auch Oenococcus oeni fähig, Ethylphenole zu bilden, es wird aber angenommen, dass ihr Beitrag bei der Entstehung von Pferdeschweißtönen eher gering ist. Ausgehend von den Hydroxyzimtsäuren entsteht somit aus para-cumarsäure zunächst 4-Vinylphenol und schließlich 4-Ethylphenol und aus Ferulasäure 4-Vinylguajakol und 4-Ethylguajakol. 166 Wissensbericht 2010

Material u. Methoden Ein mittels Wasserdampfdestillation hergestelltes Weindestillat wurde mit konz. Essigsäure zwei Mal mit Dichlormethan extrahiert. Die vereinigten Extrakte wurden mit wasserfreiem Natriumsulfat getrocknet, in Toluol aufgenommen und am Rotationsverdampfer das Dichlormethan abdestilliert. Von der verbleibenden Toluolfraktion wurden 100 μl in ein GC-Vial mit 0,2 ml Glaseinsatz überführt und gaschromatographisch (GC HP5890 Series II) auf einer polaren Trennsäule (PEG INNOWAX 19091N-213, Länge 30 m, 0,32 mm, Filmdicke 0,5 μm) separiert. Die einzelnen Substanzpeaks wurden mittels Flammenionisationsdetektor (FID) bei 260 C bestimmt. Im Rahmen von Schwellenwertprüfungen mittels BET-Verfahren wurden die sensorische Eindrücke von 4-Ethylphenol (4-EP), 4-Ethylguaiacol (4-EG), 4-Ethylcatechol (4-EC), 4-Vinylphenol (4-VP), 4-Vinylguaiacol (4-VG) und Isovaleriansäure (IVS) in Reinform und bei steigenden Konzentrationen sowohl in Wasser als auch in Rotweinen bewertet. Ergebnisse Es wurde eine leistungsfähige GC-Analysenmethode entwickelt, mit der es möglich war, vier der fünf relevanten fl üchtigen Phenole ohne Überlappung der Peaks einwandfrei und gut reproduzierbar zu detektieren. Die Gesamtlaufzeit pro GC-Analyse betrug 71,5 Minuten. Lediglich die Bestimmung von 4-Ethylcatechol war nicht möglich, sodass die Etablierung einer LC-MS Methode anvisiert wurde. Mit Hilfe der etablierten GC-Analysenmethode wurden zahlreiche Weine aus Beratung, Kontrolle und von Forschungsvorhaben untersucht. Beispielsweise wurden renommierte Weine aus Frankreich verkostet, die für eine gewisse Brett-Aromatik bekannt sind, und chemisch analysiert. Die Gegenüberstellung dieser Ergebnisse mit der Beurteilung dieser Weine durch die internationale Weinkritik ist höchst interessant. Weine, die vom Weinjournalisten Parker hoch bewertet wurden (93-96 Parker -Punkte), wiesen deutlich erhöhte Gehalte an 4-EP (1.600 4.500 μg/l) und an 4-EG (280-400 μg/l) auf und wurden von österreichischen Kostern als rauchig, medizinisch, animalisch und holzig abgelehnt. Im Zuge einer Diplomarbeit wurde untersucht, ob es möglich ist, durch Anwendung speziell selektionierter positiver Brettanomyces- Hefen eine Verbesserung der Weinqualität zu erreichen. So wurde ein Rotwein mit drei Brettanomyces-Stämmen, die von Prof. Henick-Kling in den USA aufgrund ihrer positiven Eigenschaften selektioniert wurden, gezielt infi ziert. Die Weine wurden mit verschiedenen Methoden chemisch und sensorisch analysiert, wobei sich aber die Auswertung als sehr schwierig erwiesen hat, da fast alle Weine neben der Brett-Infektion auch deutlich erhöhte Gehalte an fl üchtigen Säuren und Ethylestern aufwiesen, die die Sensorik dominierten. Ob diese negative sensorische Veränderung auf eine unerwünschte Kontamination mit Essigsäurebakterien zurückzuführen ist, oder ob diese Symbiose typisch für diese Brettanomy- Wissensbericht 2010 167

ces-hefen ist, konnte noch nicht geklärt werden. Weiters wurde auch die Fähigkeit von Brettanomyces zur Verstoffwechslung von Phenolsäuren untersucht. Die gefundenen sensorischen Wahrnehmungsschwellenwerte sind in Tab. 2 dargestellt. Mit steigenden Konzentrationen haben sich für die genannten Substanzen folgende Geruchseindrücke ergeben: 4-EP: Le- der, schweißig bis animalisch, Stall, Jauche; 4-EG: Gewürznelke bis Zimt; 4-EC: stechendchemisch (medizinisch) bis würzig-rauchig; 4-VP: medizinisch, Hustenbonbon bis Gewürz, Rauch; 4-VG: chemisch-medizinisch bis Speck, Gummi, Heu, Stall; IVS: gemüsig, fruchtig bis käsig, Schweiß. Versuchsweise wurde auch eine Mischung der Substanzen 4-EP, 4-EG und IVS (1:3,4:20,8) einem neutralen Rotwein in steigenden Konzentrationen zugesetzt und sensorisch beurteilt. Dabei haben sich wiederum olfaktorische Deskriptoren wie Standards c-anf c-end delta c delta c c-end delta c delta c mg/l mg/l mg/l mg/l % mg/l mg/l % Stämme CE 119 CE 119 CE 119 CE 120 CE 120 CE 120 Kaffeesäure 485 23 6 17 74 5 18 78 Ferulasäure 467 22 n.n. 22 100 n.n. 22 100 p-cumarsäure 407 19 6 13 66 5 14 74 o-cumarsäure 414 20 19 1 5 19 2 10 Syringasäure 474 23 22 1 4 22 1 4 Vanillinsäure 428 23 23 0 0 23 0 0 Gallussäure 504 24 20 4 17 21 3 12 Tab. 1: Metabolismus von Phenolcarbonsäure durch zwei Brettanomyces Stämme (n.n. = nicht nachweisbar) 168 Wissensbericht 2010

Brett-Substanz 1. Verkostung (Wasser) 2. Verkostung (Wasser) 3. Verkostung (Rotwein) 4. Verkostung (Rotwein) 4-EP 22,4 2,7 20,7 25,0 4-EG 6,3 1,2 1,6 31,0* 4-EC 70,7 92,2 7,1 92.0 4-VP 158,6 25,1 20,0 22,1 4-VG 4,5 12,0 1,3 47,4** IVS 12,5 4,9 13,3 nicht verkostet Tab. 2: Schwellenwerte (μg/l) für Brettanomyces Leitsubstanzen in verschiedenen Medien schweißig-rauchig, ledrig-rauchig bzw. mistigrauchig ergeben. Besonders auffällig war die hohe Flüchtigkeit der genannten Substanzen, sodass das Dekantieren bzw. auch längeres Belüften eines Weines den Charakter eines vorhandenen Brett-Tones wesentlich verändern kann. Publikationen Knapp, W. und Eder, R. 2007: Pferdeschweiß und Parkerpunkte. In: Der Winzer 09/2007, S. 14-17 Sigl, K. : 2008. Einfl uss des ph-wertes und der freien Schwefeldioxid-Konzentration auf das Wachstum und den Metabolismus von Brettanomyces in österreichischem Rotwein. In: Diplomarbeit Universität für Bodenkultur. Eder, R. 2009: Warum schmeckt der Wein nach Ziegenbock und Pferdeschweiß. In: Die Presse, 15.10.2009. Hütterer, EM., Ramharter, M., Haindl, M. und Philipp, P. 2007: Brettanomyces-Hefen bei Rotwein: Chemische, mikrobiologische und sensorische Analyse von Brettanomyces-Infektionen. In: Bakkalaureatsarbeit I. Universität für Bodenkultur. Knapp, W., Schmudermayer, W. und Seiberl, W. 2008: Über den Einfl uss von Hefen der Gattung Brettanomyces auf die Weinaromatik. In: Bakkalaureatsarbeit I. Universität für Bodenkultur Eder, R. 2007: Vermehrtes Vorkommen fehlerhafter Aromaveränderungen durch Klimaextreme und andere Faktoren. In: Großriedenthaler Weinbautag Knapp, W., Schmudermayer, A., Seiberl, W., Sigl, K. und Eder, R. 2010: Über den Einfl uss von Hefen der Gattung Brettanomyces auf die Weinaromatik. In: Mitteilungen Klosterneuburg (in Druck) Hütterer, EM., Ramharter, M., Haindl, M., Philipp, P., Sigl, K. und Eder, R. 2010: Vergleich klassischer mit molekularbiologischen Methoden zum Nachweis von Brettanomyces Hefen und deren Verstoffwechslung von Phenolcarbonsäuren. In: Mitteilungen Klosterneuburg (in Druck) Wissensbericht 2010 169

Zusammenfassung Die Beurteilung des Weinfehlers Pferdeschweißton ist ausschließlich anhand sensorischer Urteile sehr schwierig, da die individuelle Empfindlichkeit und Toleranz sehr unterschiedlich sind. Um objektive Beurteilungskriterien zu erhalten, wurde daher eine sensitive GC-Methode zur präzisen Analyse der Fehlaroma-verursachenden fl üchtigen Phenole entwickelt. Um die Analysenwerte interpretieren zu können, sind mittels BET- Verfahrens die sensorischen Schwellenwerte dieser Verbindungen ermittelt worden. Mit Hilfe dieses Analysenverfahrens sind zahlreiche in- und ausländische Weinproben untersucht, aber auch die Eigenschaften verschiedener selektionierter Brettanomyces-Hefen getestet worden. Summary The judgement of wines with a brettanomycesassociated defect is very difficult because the indvidual sensitivity and tolerance of wine tasters is very different. To gain objective assessment criteria it was therefore necessary to develop a sensitive GC-method for the analysis of the defect-causing volatile phenols. Furthermore the individual sensory treshold values of these volatile phenols were detected. Applying the GC-method various wine samples from Austria and other countries were analysed and the effect of selected brettanomyces-yeasts on wine composition was checked. 170 Wissensbericht 2010