Depression und Arbeitsfähigkeit



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Transkript:

Depression und Arbeitsfähigkeit Renato Marelli ASIM-Fortbildung vom 19.10.2005

Inhalt Diagnostik Psychopathologie Absichern der Diagnose Arbeitsunfähigkeit vs. Arbeitsfähigkeit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit ICF Grundsatz und Gefahr

Diagnostik depressiver Erkrankungen Depressive Episode F 32 Rezidivierende depressive Störung F 33 Bipolare Störung F 31 Dysthymie F 34.1 Anpassungsstörung mit depr. Symp. F 43.2 Schizodepressive Störung F 25.1 Organisch depressive Störung F 06.3

Psychopathologie Psychische Symptome Psychomotorische Symptome Somatische Symptome

Kernsymptome Gedrückte, depressive Stimmung Interessen- und/oder Freudlosigkeit Antriebsstörung, erhöhte Ermüdbarkeit

Zusatzsymptome Verminderte Konzentration, Aufmerksamk. Vermindertes Selbstwertgefühl Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit Negative Zukunftsperspektiven Selbstschädigungstendenzen Schlafstörung Verminderter Appetit

Somatisches Syndrom Interessen- oder Freudeverlust Emotionale Reagibilität Frühmorgendliches Erwachen Morgentief Psychomot. Hemmung oder Agitiertheit Deutlicher Appetitverlust Gewichtsverlust >5% Körpergewicht im vergangenen Monat. Deutlicher Libidoverlust

Schweregrad Leichte Episode 2 Kernsymptome 2 Zusatzsymptome Mittelgradige Episode Mind. 2 Kernsymptome Mind. 3 Zusatzsymptome Schwere Episode Alle Kernsymptome Mind. 4 Zusatzsymptome

Cave! Ettikett Depression Für alles, was psychisch ist. Für alles, was somatisch nicht erklärbar ist. Für alles, was am Verhalten des Versicherten unangenehm ist. Für alles, was unangenehm ist, dem Versicherten mitzuteilen. Reine Verlegenheitsdiagnose.

Medikamente und depressive Symptome Antikonvulsiva Antihypertonika Benzodiazepine Betablocker Cimetidin Kontrazeptiva Corticosteroide

Konsistenz der Befunde Beobachtete Symptome Berichtete Symptome Erfragte Symptome Art der Berichterstattung des Versicherten

Diagnose absichern Klinische Symptomatik Anamnese: Heredität, Verlauf, Ätiologie Persönlichkeitsfaktoren: Ressourcen Ergänzung ev. Hamilton Ergänzung Fremdanamnese Eventuell Medikamentenspiegel

Leitlinien für die Begutachtung Leitlinien der Schweiz. Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie für die Begutachtung psychischer Störungen SAEZ, 2004, Heft 20, 1048-1051 (www.saez.ch)

Arbeitsunfähigkeit Arbeitsunfähigkeit ist definiert in Art. 6 ATSG. Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Arbeit Arbeitsunfähigkeit in einer geeigneten Verweistätigkeit

Arbeitsfähigkeit Arbeitsfähigkeit ist kein medizinischer Begriff. Arbeitsfähigkeit ist eine Normmaxime. Arbeitsfähigkeit ist immer sozial-praktisch, nie medizinisch-theoretisch. Arbeitsfähigkeit besteht bei Leistungsfähigkeit >/= Anforderungen an den Arbeitsplatz.

Anforderungen der Wirtschaft (Durrer 2000) Persönliche Einstellung Zielorientierung Handlungsorient. Erfolg/Misserfolg Allg. Optimismus Bereitschaft zu Tätigkeitswechsel Selbstwirksamkeit Selbstwertgefühl Kontrollüberzeugung Schlüsselkompetenzen Eigeninitiative Kreativität Selbstlernkompetenz Soziales Auftreten Teamfähigkeit Toleranz Konfliktbereitschaft Etc.

Einfluss auf die AF Welche Symptome haben welchen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit? Sind sie konstant und konsistent? Welche sind allenfalls durch den Versicherten überwindbar? Welche sind durch therapeutische Massnahmen günstig zu beeinflussen?

Keine volle Arbeitsfähigkeit (Foerster 2004) Mittelschwer bis schwer ausgeprägte Symptomatik Chronifizierter Verlauf Erfolglose Behandlungsversuche amb./stat., in unterschiedlichen Settings, bei ausreichend dosierter Medikation, mit Wechsel des Präparates Gescheiterte Rehabilitationsbehandlung

Nach ICF Schäden der Funktion und Struktur Persönlichkeit, Ressourcen Störung der Aktivitäten Psychosoziale Kontextfaktoren Störung der Partizipation Subjektives Erleben der Anforderungen Kongruenz der eingeschränkten Partizipationsmöglichkeiten in allen Lebensbereichen

Beurteilung Grundsatz und Gefahr Grundsatz Alle psychischen Behinderungen werden nach den gleichen Kriterien beurteilt, keine Sonderrolle für Depression. Besondere Gefahr bei Depresssion: Die Diagnose Depression wird ohne klare Kriterien, inflationär gestellt. Besteht eine Depression, werden die Kriterien zur Leistungsbeurteilung nicht berücksichtigt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!