Zur Frage der Über- und Unterversorgung in der psychosozialen Medizin



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Transkript:

Zentrale Themen der Versorgungsforschung Zur Frage der Über- und Unterversorgung in der psychosozialen Medizin Holger Schulz, Dina Barghaan, Timo Harfst, Birgit Watzke & Uwe Koch Zugang und Assessment Bedarfsplanung Zugang und Inanspruchnahme Setting und Zielgruppenspezifität Behandlungsprozess Implementierung von Angeboten Ausmaß der Standardisierung Dosis-Wirkung-Beziehungen Schnittstellen / Vernetzung Strukturelle Voraussetzungen Qualitätssicherung Arbeitsgruppe Psychotherapie- und Versorgungsforschung Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie Zentrum für Psychosoziale Medizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Outcome Effektivität und Effizienz Kosten-Nutzen-Relation Transfer Planungsblatt KV-Koblenz Bedarf für Stationäre Behandlung In der Berufungssache Aktenzeichen L4KR935/00 erging durch den 4. Senat des Landessozialgericht Baden-Württemberg am 13. Dezember 2002 folgendes U r t e i l I m N a m e n d e s V o l k e s Die Beklagten (...) werden verurteilt, mit der G.-G.-Klinik einen Versorgungsvertrag über siebzehn Betten im Bereich der Psychiatrie und zehn Betten in der Psychotherapeutischen Medizin abzuschließen (...) Definition des Begriffes Bedarf Beinhaltet nach Stevens und Raftery (1994) die Möglichkeit, ein relevantes Gesundheitsproblem individuell zu identifizieren, es hinsichtlich seiner Schwere und Folgen zu bestimmen und dass hierfür grundsätzlich erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten tatsächlich oder potentiell bestehen Common approaches to assessing population needs for health care (I) 1. The Corporate approach "involves the structured collection of the knowledge and views of informants on health care services and needs". => Disadvantages are that it determines demands rather than needs and stakeholder concerns may be influenced by political agendas 2. The Comparative approach involves the comparison of levels of service provision between different localities. => The disadvantages include the problems of finding a sufficiently similar locality for an accurate comparison Stevens &Raftery (1994); www.nelh.nhs.uk 1

Common approaches to assessing population needs for health care (II) 3. The Epidemiological approach : determining the incidence and/or prevalence of the health problem; identifying the effectiveness (and cost-effectiveness) of existing interventions for the problem; identifying the current level of service provision. This is a systematic and objective approach The disadvantages lie in the frequent lack of existing epidemiological data and the lack of evidence for certain interventions. Explikation des Themas Datengrundlagen, Ergebnisse und Forschungsbedarf zu Fragen der 1. Prävalenz/Inzidenz psychischer Störungen 2. Wirksamkeit und Kosten der Angebote des 3. Strukturelle Kapazitäten des psychotherapeutischen Versorgungssystems: ambulant und stationär => Zusammenfassende Analysen zum Versorgungsgrad Stevens & Raftery (1994); www.nelh.nhs.uk Ein-Jahres-Prävalenzen psychischer Störungen bei Erwachsenen (18-65 Jahre) Ist Psychotherapie wirksam? 0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0 Somatoforme Störungen (F45) Affektive Störungen (F3) Störungen durch psychotrope Substanzen (F1) 15,0 7,1 11,0 15,4 8,5 11,9 10,6 15,7 13,2 Frauen Männer Gesamt (...) the pervasive theme of this large body of psychotherapy research must remain the same psychotherapy is beneficial. This consistent finding across thousands of studies and hundreds of metaanalyses is seemingly undebatable. Angststörungen (F40-42) 9,2 14,5 19,8 Irgendeine psychische Störung (F0-F99) Angaben in Prozent 25,3 31,1 37,0 Lambert & Ogles (2003, p. 148) (Jacobi et al., 2004, eigene Analysen, Bundesgesundheitssurvey 1998) Ambulante psychotherapeutische Angebote Strukturelle Voraussetzungen des ambulanten Datengrundlage und ausgewählte Ergebnisse Niedergelassene Psychotherapeuten Psychotherapeuten im Rahmen des HPG Psychosoziale Beratungsstellen Psychotherapeutische Ambulanzen Tageskliniken Psychosomatische Grundversorgung 2

An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Psychotherapeuten An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Psychotherapeuten 14000 14000 12000 12000 Männer Frauen 10000 10000 4089 8000 8000 6000 12249 6000 4000 4000 8160 2000 0 Psychologische Psychotherapeuten 3606 Ärztliche Psychotherapeuten 2464 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten 2000 0 Psychologische Psychotherapeuten 1316 2290 Ärztliche Psychotherapeuten 691 1773 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Kassenärztliche Bundesvereinigung) (Kassenärztliche Bundesvereinigung) An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Psychotherapeuten Psychologische und Ärztliche Psychotherapeuten 14000 12000 10000 8000 6000 4000 70% 5727 4387 Verhaltenstherapie Tiefenpsychologisch fundierte PT Tiefenpsychologisch fundierte und analytische PT Analytische PT 557 10% Bremen 52,9 Niedersachsen 20,3 Nordrhein-Westfalen 22,9 Rheinland-Pfalz 18,1 Schlesw ig-holstein 19,6 Hessen 37,1 Hamburg 47,1 Sachsen-Anhalt 5 Thüringen 8,3 Mecklenburg-Vorpommern 6,3 Brandenburg 6,9 Berlin 46,7 Sachsen 7,5 2000 0 1462 609 Psychologische Psychotherapeuten 1811 194 548 1045 777 70 247 Ärztliche Psychotherapeuten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Saarland 21,2 Baden-Württemberg 27 Bayern 26,9 Psy chotherapeuten pro 100.000 Einwohnern ab 18 Jahre 43,4 bis 52,9 (3) 33,8 bis 43,4 (1) 24,2 bis 33,8 (2) 14,6 bis 24,2 (5) 5 bis 14,6 (5) (Kassenärztliche Bundesvereinigung) Behandlungsfälle im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durch niedergelassene Psychotherapeuten Versorgungskosten Bei 15.668 vollzeitbeschäftigten Psychotherapeuten, bei einer Jahresnettoleistung eines Therapeuten von 1374 Stunden, bei einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 78 Stunden je Patient: => 276.000 Behandlungsfälle pro Jahr Legt man je 10% Variationsbreite für die drei Parameter zu Grunde, resultieren: => 203000 372000 Behandlungsfälle pro Jahr (Löcherbach 1999; Zepf et al. 2003) Melchinger et al. (2004) 3

Psychosomatische Grundversorgung (seit 1992) Ziele: Basisdiagnostik, Früherkennung und Therapie von psychischen Störungen im primärärztlichen Bereich Umfang: ca. 60.000 Ärzte mit Weiterbildungsabschluss (80 h) Fachgebiete: 94% aller Nervenärzte, 68% aller Frauenärzte, 62% aller Allgemein- oder praktische Ärzte Abrechnung: Von allen in den Bereichen Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie abgerechneten Leistungen fallen hierauf etwa 22%. Davon: 41% von Hausärzten, 37% von Frauenärzten, jeweils 2-3% von Urologen, Nervenärzten, Hautärzten, Orthopäden (Kassenärztliche Bundesvereinigung, Bundesarztregister 2001, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Abrechnungsstatistik 1999) Strukturelle Voraussetzungen des ambulanten In Deutschland: gestuft, quantitativ umfänglich, kassenfinanziert Große Stadt/Land und West/Ost-Unterschiede in der Versorgungsdichte Psychologische Psychotherapeuten leisten einen Großteil der Versorgung Psychoanalytisch begründete Verfahren überwiegen in der Versorgung mit einer professionsspezifischen Bindung an einzelne Therapieverfahren Besondere Unklarheiten bezüglich des Beitrages zur Versorgung bestehen hinsichtlich der nicht ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte, der nach dem HPG tätigen Psychologen, der Beratungsstellen, der Ambulanzen und Tageskliniken Strukturelle Voraussetzungen des ambulanten Steuerungsprozesse der Art der Inanspruchnahme unterschiedlicher ambulanter Angebote wenig transparent Fehlende Transparenz von Spezialisierungen Probleme, die sich aus der 40%-Quotierung der psychotherapeutischen Berufsgruppen und der unterschiedlichen Behandlungsdauer (PA: 9-13 vs. VT: 32-47 versorgbare Patienten pro Jahr) ergeben; spezielle Auswirkung für unterversorgte Gebiete Strukturelle Voraussetzungen des stationären Datengrundlage und ausgewählte Ergebnisse Begründung des geringen Anteils (1%) gruppentherapeutischer Angebote fehlt Stationäre Psychotherapie Fachkliniken für Psychosomatik und Psychotherapie Krankenhausbehandlung (3.196 Betten, 47 Tage) medizinische Rehabilitation der GRV und GKV (14.847 Betten, 38 Tage) Abteilungen für Suchterkrankungen in der Rehabilitation 10.054 Betten, 89 Tage Krankenhäuser und Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie 54802 Betten insgesamt, ca. 16954 Betten mit Psychotherapie: 28/64 Tage Stationär behandelte Patienten: Krankenhausbehandlung Es wurden 850.466 Patienten mit psychischen Störungen 1999 in Krankenhäusern behandelt, davon: 1. 638.538 in psychiatrischen Fachabteilungen 2. 23.220 in psychosomatischen Fachabteilungen 3. 30.273 in Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie 4. ca. 160.000 in anderen Krankenhäusern (Statistisches Bundesamt, 2000) 4

Stationär behandelte Patienten: Rehabilitation Stationär behandelte Patienten 2001 Es führten 135.255 Versicherte mit psychischen Störungen 2001 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme über die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) durch Durchschnittliche Verweildauer: - 40 Tage (Psychosomatik) - 93 Tage (Sucht) (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 2001) Ein kleinerer Teil an Versicherten führte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nach 40 SGB V über GKV durch. (Statistisches Bundesamt, 2000) Rehabilitation: 135.255 Patienten (incl. Sucht) Psychosomatisch-psychotherapeutische Krankenhausbehandlung: 23.220 Patienten Psychiatrisch-psychotherapeutische Krankenhausbehandlung: 638.538 Patienten davon geschätzt Psychotherapie: 196.484 Patienten 354.959 Patienten mit stationärer psychotherapeutischer Behandlung bzw. Mitbehandlung pro Jahr Häufigste Diagnosegruppen Häufigste Diagnosegruppen: Psychiatrie Psychosomatische Rehabilitationskliniken Störungen durch psychotrope Substanzen (28,6%) Affektive Störungen (24,8%) Anpassungsstörungen (11,4%) 11% 1% 5% 8% 35% (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Berichtsjahr 2001) Psychiatrische Krankenhäuser Störungen durch psychotrope Substanzen (28,4%) Affektive Störungen (23%) Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen (21,5%) (bezogen auf 37.738 DAK-Versicherte mit psychischen Störungen in psychiatrischen Kliniken von Januar bis Oktober 2002) F0 - Organische psychische Störungen F1 -Störungen durch psychotrope Substanzen F2 - Schizophrenie, schizotype und w ahnhafte Störungen F3 - Affektive Störungen F4 - Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen F5 - Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen F6 - Persönlichkeitsstörungen Häufigste Diagnosegruppen: Psychiatrie Häufigste Diagnosegruppen: Rehabilitation von Patienten mit psychischen/psychosomatischen Erkrankungen F6 - Persönlichkeitsstörungen 6,8 3,4 Verteilung der Erst-Diagnosen nach ICD-10 F5 - Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen F4 - Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen 1,2 0,3 9,2 14,0 Frauen % Männer % 7,8 1,8 3,2 5,3 1,0 28,6 Organische, psychische Störungen (F0) Störungen durch psychotrope Substanzen (F1) Schizophrenie und psychotische Störungen (F2) Affektive Störungen (F3) F3 - Affektive Störungen 12,6 27,9 Angst- und Zw angsstörungen (F40-42) F2 - Schizophrenie, schizotype und w ahnhafte Störungen F1 -Störungen durch psychotrope Substanzen F0 - Organische psychische Störungen 6,1 10,3 21,5 19,3 18,4 49,1 17,2 8,2 25,6 1,3 Reaktionen auf schw ere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43) Somatoforme Störungen (F45) Essstörungen (F50) Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F6) sonstige psychische Störungen 0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0 45,0 50,0 5

Anteile der Psychotherapieverfahren (Rehabilitation) Verteilung psychotherapeutischer Verfahren pro Klinik (Reha) 100% 37,3 % 8,9 % 53,8 % PD-Patienten VT-Patienten VT/PD-Patienten 90% 80% 70% 60% 50% 40% VT-Patienten: PD-Patienten: VT/PD-Patienten: über ¾ VT über ¾ PD mindestens ¼ der jeweils anderen Therapierichtung (VT bzw. PD) 30% 10% 0% 21 26 52 32 59 20 58 84 110 77 36 31 37 83 51 50 80 101 Klinik 54 85 56 86 57 106 27 44 64 72 75 92 94 95 PD/VT-Patienten PD-Patienten VT-Patienten 113 Durchschnittliche Psychotherapiedosis während des Klinikaufenthaltes (Reha) 1073 Minuten (SD = 770; Md = 950) => 21,5 Therapiesitzungen VT-Patienten: PD-Patienten: PD/VT-Patienten: 19,5 Sitzungen 21,0 Sitzungen 30,5 Sitzungen Strukturelle Voraussetzungen des stationären Psychotherapiebetten werden in drei verschiedenen sich bezüglich des Diagnosespektrums deutlich überlappenden Versorgungssystemen angeboten (Psychotherapeutische Medizin, Rehabilitation, Psychiatrie und Psychotherapie) Im internationalen Vergleich bemerkenswert: hoher Anteil von Psychotherapiebetten insgesamt sowie die Platzierung eines großen Teils der Betten im Rahmen der Rehabilitation Auseinandersetzung über Kostenträgerzuständigkeiten F(2204)= 42.2; p<.001; ή²=.037 Strukturelle Voraussetzungen des stationären Besonderer Klärungsbedarf Angemessenheit des Umfangs stationärer psychotherapeutischer Behandlung Vergleichende Analysen des diagnostischen Spektrums zwischen den Versorgungssystemen Transparenz über Zuweisungsprozesse und Abgrenzungskriterien bezüglich der verschiedenen Systeme und Settings (ambulant/stationär) Rolle der Psychotherapie in psychiatrischen Krankenhäusern Chancen der Reduktion von Chronifizierungsprozessen durch besser ausgestattete Konsultations- und Liasiondienste in somatischen Kliniken sowie Psychosomatische Grundversorgung Verteilung der Inanspruchnahme 36% der Menschen mit psychischen Störungen nahmen mindestens einmal (lifetime) eine Behandlung wegen ihrer psychischen Erkrankung in Anspruch (davon 51% in zwei oder mehr Behandlungseinrichtungen) 42% der Behandelten besuchten den Hausarzt, davon ein Drittel ausschließlich 34% Beratungsstellen, Heilpraktiker 32% einen Nervenarzt 27% einen Psychologischen Psychotherapeuten 17% einen ärztlichen Psychotherapeuten 8% psychotherapeutische Ambulanzen 23% nahmen stationäre Psychotherapie in Anspruch (Wittchen und Jacobi, 2001 / Bundesgesundheitssurvey 1998) 6

Prävalenz psychischer Störungen und Inanspruchnahme Bundesgesundheitssurvey hat die epidemiologischen Datengrundlagen erheblich verbessert Erforderlich sind weitere differenzierende Studien bezüglich Schweregrad, Krankheitsfolgen, Verlauf Erklärungsbedarf bezüglich der Diskrepanz zwischen der Prävalenz psychischer Störungen und der Inanspruchnahme professioneller Hilfe Frage der Angemessenheit und Bedarfsgerechtheit in Anspruch genommener Unterstützung Zur Frage der Über- oder Unterversorgung Angebot ambulanter (276.000 Patienten) und stationärer Versorgung (355.000 Patienten) => 631.000 Patienten/Jahr Ausgehend von einer Prävalenz von 32 % psychischer Störungen in der Allgemeinbevölkerung (18-65 Jahre) betrifft dies16.9 Millionen Menschen. Je nach Motivierung (Franz et al., 2000) variiert der Bedarf: Bei 3% Inanspruchnahme => 500.000 Patienten/Jahr Bei 33% Inanspruchnahme => 5.6 Mill. Patienten/Jahr Definition Unterversorgung (...) die teilweise oder gänzliche Verweigerung einer Versorgung trotz individuellen, professionell, wissenschaftlich und gesellschaftlich anerkannten Bedarfs, obwohl an sich Leistungen mit hinreichend gesichertem Netto-Nutzen bei medizinisch gleichwertigen Leistungsalternativen in effizienter Form, also i.e.s. wirtschaftlich zur Verfügung stehen (S. 19). (Schachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, 2001) Indikatoren für Unterversorgung Lange Wartezeiten: Diagnostisches Erstgespräch: 1,9 Monate; Psychotherapieplatz: 4,6 Monate (Zepf et al. 2001, 2003) Hohe Ablehnungsraten: 39% der Patienten werden nicht zur Behandlung angenommen, z.t. wegen nicht ausreichender Indikation, z.t. weil kein geeigneter Behandlungsplatz zur Verfügung steht (Zepf et al., 2003) Lange Chronifizierungszeiten: Erhebliche Latenz zwischen dem Auftreten der psychischen Beschwerden und dem Beginn einer fachlich indiziert Behandlung (4 bis 7 Jahre) Indikatoren für Fehlversorgung Ausgewählte Diskussionspunkte Ost-West Unterschiede Stadt-Land Unterschiede Schichtbezogene Unterschiede Hoher Anteil (19 %) von Patienten mit psychischen Störungen, der in primär somatischen Abteilungen behandelt wird 1. Bedeutung primär psychotherapeutischer Angebote ergänzend oder alternativ zu psychopharmakologischen und weiteren therapeutischen Angeboten (Ergo-, Kreativ-, Soziotherapie) 2. Nicht ausreichende Datenbasis zum Prozess der Inanspruchnahme (und zu Programmen zur Verbesserung) 3. Fehlende Datenbasis (Struktur, Prozess und Outcome) für einen Großteil der tatsächlichen Versorgungsangebote (vor allem ambulant, aber auch in Teilbereichen stationär) 4. Fehlende Datenbasis zur Beurteilung der Angemessenheit einzelner Angebote bei spezifischen Patientengruppen (vor allem bei Patienten mit chronischen Krankheitsverläufen) 5. Fehlende Datenbasis zur Beurteilung der Versorgung bei unterschwelligen psychischen Störungen (Identifikation und Behandlung) 7