Digitale Dokumentation und Patientenaufklärung



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Transkript:

Digitale Dokumentation und Patientenaufklärung MHH EDV-Anwendungen im Hannover, 22.11.2006 Rechtsanwalt Dr. A. Wienke Wienke & Becker - Köln

Überblick Grundlagen der Behandlungsdokumentation Grundlagen der Aufklärungsdokumentation EDV-Dokumentation Einzelfälle aus der Praxis

Grundlagen der Behandlungsdokumentation Dokumentationspflicht als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag mit dem (niedergelassenen) Arzt aus dem Krankenhausaufnahmevertrag als Standespflicht nach 10 Abs. 1 M-BO Ärztinnen und Ärzte haben über die in Ausübung ihres Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen. als gesetzliche Pflicht nach RöntgVO, StrlSchVO als Vertragsarztpflicht nach 57 Abs. 1 BMV-Ä Der Vertragsarzt hat die Befunde, die Behandlungsmaßnahmen sowie die veranlaßten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise zu dokumentieren. Wienke & Becker - Köln 3

Grundlagen der Behandlungsdokumentation Dokumentationspflicht weitere standesrechtliche Vorgaben: Ärztliche Aufzeichnungen sind für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbewahrungspflicht besteht. Röntgenbilder etc. 30-jährige Verjährung von Schadensersatzansprüchen Umzug und Praxisübergabe Aufbewahrung von stationären Unterlagen Ärztinnen und Ärzte haben Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen grundsätzlich in die sie betreffenden Krankenunterlagen Einsicht zu gewähren. Subjektive Erkenntnisse nicht Nur Kopien gegen Kostenersatz Vollmacht und Schweigepflichtentbindung bei RAe Krankenkassen nie MDK, wenn erforderlich nachbehandelnde Ärzte immer Wienke & Becker - Köln 4

Grundlagen der Behandlungsdokumentation Dokumentationspflicht weitere standesrechtliche Vorgaben: Nach Aufgabe der Praxis haben Ärztinnen und Ärzte ihre ärztlichen Aufzeichnungen und Untersuchungsbefunde aufzubewahren oder dafür Sorge zu tragen, dass sie in gehörige Obhut gegeben werden. Ärztinnen und Ärzte, denen bei einer Praxisaufgabe oder Praxisübergabe ärztliche Aufzeichnungen über Patientinnen und Patienten in Obhut gegeben werden, müssen diese Aufzeichnungen unter Verschluss halten und dürfen sie nur mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten einsehen oder weitergeben. Münchener Empfehlungen zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht bei Veräußerung einer Arztpraxis. Doppelschranktheorie Wienke & Becker - Köln 5

Grundlagen der Behandlungsdokumentation Dokumentationszweck 10 Abs. 1 M-BO: Diese (ärztliche Aufzeichnungen) sind nicht nur Gedächtnisstützen für die Ärztin oder den Arzt, sie dienen auch dem Interesse der Patientin oder des Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation. Primär Therapiesicherung Die Dokumentation soll sachgerechte Behandlung und Weiterbehandlung ermöglichen; jeder mit- und nachbehandelnde Arzt muss jederzeit imstande sein, sich über durchgeführte Maßnahmen und die angewandte Therapie aufgrund der Dokumentation zu informieren. Wienke & Becker - Köln 6

Grundlagen der Behandlungsdokumentation Dokumentationszweck Rechenschaftslegung gegenüber den Patienten und Kostenträgern EBM Vorgaben zur Abrechnung GKV GOÄ - Vorgaben Der ärztliche OP-Bericht Der gebührenmäßige OP-Bericht Beweissicherung nur sekundär, da sich dieser Zweck aus der Beweisfunktion der ärztlichen Dokumentation im Arzthaftungsprozess ergibt. Wienke & Becker - Köln 7

Grundlagen der Behandlungsdokumentation Art, Inhalt und Zeitpunkt der Dokumentation Anamnese, Diagnose, Therapie müssen dokumentiert werden (ggf. auch stationärer Grund); selbstverständliche Routinekontrollen sind nicht dokumentationspflichtig (BGH: tägl. Visiten). Ausrichtung des Inhalts und des Umfangs der Dokumentation an der medizinischen Üblichkeit und Gebotenheit (Standards). Dokumentation i.d.r. durch schriftliche Aufzeichnung; Stichworte und Skizzen sind ausreichend, soweit sie für einen Fachmann verständlich sind; Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern oder anderen Speichermedien sind grundsätzlich zulässig. Die Dokumentation muss im unmittelbaren Zusammenhang mit der Behandlung erfolgen; bei einfachen und unkomplizierten Eingriffen auch nachträgliche Dokumentation aus dem Gedächtnis möglich (Cave: späte Entlassungsberichte). Wienke & Becker - Köln 8

Grundlagen der Behandlungsdokumentation Beweisfunktion der Dokumentation Im Arzthaftungsprozess stellt die Behandlungsdokumentation das zentrale Beweismittel dar. (Originale) Die handschriftliche Dokumentation wird im Wege des Urkundsbeweises und die digitale Dokumentation im Wege des Augenscheins in den Prozess eingebracht; soweit es sich nicht um gescannte, sondern im PC erstellte Krankendokumente handelt, kann der Ausdruck ebenfalls im Wege des Urkundsbeweises eingebracht werden. Die Dokumentation begründet die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für die in ihr geschilderten Tätigkeiten. Die Verletzung von Dokumentationspflichten ist keine Grundlage für einen eigenständigen Anspruch; Dokumentationsfehler begründen aber die widerlegbare Vermutung, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht vom Arzt durchgeführt wurde; dennoch keine Beweislastumkehr! Wienke & Becker - Köln 9

Grundlagen der Aufklärungsdokumentation Aufklärungspflicht umfasst nicht die Dokumentation der Aufklärung!! Ausnahmen: z. B. Transplantationsgesetz und Arzneimittelgesetz, aber nur bei klinischen Prüfungen von Arzneimitteln. Berufsrechtliche Verpflichtung nach 8 der Musterberufsordnung: Zur Behandlung bedarf der Arzt der Einwilligung des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen. Im Arzthaftungsprozess stellt die Aufklärungsdokumentation das zentrale Beweismittel dar. (Originale) Wienke & Becker - Köln 10

Grundlagen der Aufklärungsdokumentation Jede Behandlung ist tatbestandlich eine rechtswidrige Körperverletzung, die zum Schadensersatz verpflichtet. (Kriminalisierung des ärztlichen Heilauftrages) Nur die Einwilligung des Patienten beseitigt die Rechtswidrigkeit der auf ihn einwirkenden Behandlung. Einwilligung rechtlich nur ausreichend, wenn der Patient weiß, in was er einwilligen soll. Wienke & Becker - Köln 11

Grundlagen der Aufklärungsdokumentation Dokumentierte Patientenaufklärung handschriftliche Vermerke in der Krankenakte Aufklärungsbögen, Video, digitale Medien, Touchscreen, Tablet-PC Patienten-Gesundheitskarte Digitale Signatur Unterstützung des persönlichen Aufklärungsgesprächs zwischen Arzt und Patient keine Delegation an nichtärztliches Personal Richter am 6. Zivilsenat des BGH Stöhr in GesR 4/2006: Arzneimittelaufklärung mit Aufklärungsbögen Individualisierung der stattgehabten Aufklärung durch Notizen etc. Beweislast und Beweissicherung Wienke & Becker - Köln 12

Grundlagen der Aufklärungsdokumentation Beweisfunktion der Aufklärungsdokumentation im Prozess Bei der Eingriffsaufklärung trägt immer der Arzt die Beweislast, d.h. er muss darlegen und beweisen, dass er den Patienten ordnungsgemäß aufgeklärt hat; Zweifel gehen zu seinen Lasten. Beweispflichtig ist der behandelnde Arzt (Operateur), nicht derjenige, der aufgeklärt hat (niedergelassene Arzt). Bei Aufklärungsformularen gilt: je persönlicher die Beteiligten das Formular ausfüllen, desto beweiskräftiger kann es wirken; aber: ein nicht ausgefülltes und nicht unterschriebenes Formular in der Krankenakte ist ein Indiz gegen die Durchführung der Aufklärung! Siehe: OLG München vom 30.09.2004 zum Beweiswert von Aufklärungsformularen Wienke & Becker - Köln 13

EDV-Dokumentation Beweiswert einer EDV-Dokumentation im Arzthaftungsprozess Aufzeichnungen auf elektronischen Datenträgern oder anderen Speichermedien sind grundsätzlich zulässig, bedürfen aber besonderer Sicherungsund Schutzmaßnahmen, um deren Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige Verwendung zu verhindern. ( 10 Abs. 5 MBO-Ä). EDV-Aufzeichnungen mit Veränderungsschutz haben keinen geringeren Beweiswert als handschriftliche Aufzeichnungen. Wienke & Becker - Köln 14

EDV-Dokumentation EDV-Aufzeichnungen ohne Veränderungsschutz waren nach bisheriger Rechtsprechung unter beweisrechtlichen Gesichtspunkten nur eingeschränkt verwertbar (BGH vom 3.2.1998 VI ZR 356/96). Konnte die nachträgliche Veränderbarkeit nicht ausgeschlossen werden, so war der Beweiswert gemindert, was zu Lasten der beklagten Ärzte ging. Nach neuer Rechtsprechung (OLG Hamm, 26.1.2005 3 U 161/04) ist der Beweiswert einer digitalen Dokumentation ohne Veränderungsschutz nicht gemindert, wenn der Arzt plausibel darlegt, dass die Dokumentation nicht nachträglich verändert wurde und die Dokumentation auch aus medizinischen Gründen plausibel erscheint. Wienke & Becker - Köln 15

EDV-Dokumentation Bei der Verwendung von Tablet-PCs beim Aufklärungsgespräch muss o. g. Anforderungen entsprochen werden, insbesondere muss die nachträgliche Änderung des digitalen Dokuments ausgeschlossen sein, damit von vorne herein die Gefahr der Minderung des Beweiswerts ausgeschlossen ist; muss die einwandfreie Identifikation des Patienten nachgewiesen werden (z.b. durch die digitale Unterschrift auf einem Touchpad/- screen); kann der Beweiswert nicht höher sein als bei einem Aufklärungsbogen; er ist derzeit wohl noch geringer, da der PC-unerfahrene Patient die Informationen von einem Tablet-PC nicht in der Weise aufnehmen kann, wie von einem schriftlichen Vordruck, den er in den Händen hält. Wienke & Becker - Köln 16

Einzelfälle aus der Praxis BGH, Urteil vom 24.01.1989 VI ZR 170/88 -: Aufzuzeichnen sind nur die für die ärztliche Diagnose und Therapie wesentlichen medizinischen Fakten in einer für den medizinischen Fachmann hinreichend klaren Form. Die ärztliche Dokumentation dient vor allem therapeutischen Belangen. Ihr Inhalt und Umfang richtet sich indessen nicht danach, wie am besten Beweise für einen späteren Arzthaftungsprozess zu sichern sind. OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2003 8 U 22/02 -: Die Weigerung einer Patientin, dringend indizierte Diagnosemaßnahmen durchführen zu lassen, ist in den Krankenunterlagen zu vermerken. Das Fehlen eines solchen Vermerks kann die Annahme rechtfertigen, dass eine solche Verweigerung der Patientin nicht erfolgt ist. Wienke & Becker - Köln 17

Einzelfälle aus der Praxis Pfälzisches OLG, Urteil vom 11.10.2005 5 U 10/05 -: An den Nachweis der Aufklärung dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Es reicht aus, wenn der Arzt versichert, dass ein Aufklärungsgespräch mit dem üblichen Inhalt stattgefunden hat und dies in der Patientenkartei entsprechend dokumentiert ist. OLG München, Urteil vom 30.09.2004 1 U 3940/03 (BGH v. 20.12.2005 Nichtzulassungsbeschwerde): Ein nicht ausgefülltes und nicht unterschriebenes Aufklärungsformular in der Krankenakte bildet ein Indiz nicht für, sondern gegen die Durchführung eines Aufklärungsgesprächs. Wienke & Becker - Köln 18

Einzelfälle aus der Praxis BGH 1985 (NJW 1985, 1399 ff.): Allein entscheidend bleiben muss das vertrauensvolle Gespräch zwischen Arzt und Patient. Es sollte möglichst von jedem bürokratischen Formalismus, zu dem auch das Beharren auf einer Unterschrift des Patienten gehören kann, frei bleiben. Deshalb muss auch der Arzt, der keine Formulare benutzt und für den konkreten Einzelfall keine Zeugen zur Verfügung hat, eine faire und reale Chance haben, den ihm obliegenden Beweis für die Durchführung und den Inhalt des Aufklärungsgesprächs zu führen. OLG München vom 30.09.2004?? Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Wienke & Becker - Köln 19