Zugversuch. Praktikum zur Vorlesung Werkstoffwissenschaft. Inhalt:



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Transkript:

Praktikum zur Vorlesung Werkstoffwissenschaft April 211 Inhalt: 1 Einführung 2 Probenvorbereitung 3 Versuchsdurchführung 4 Kraft Verlängerungs Diagramm 5 Technisches Spannungs Dehnungs Diagramm 6 Wahres Spannungs Dehnungs Diagramm 7 Fließkurve 8 Fragen zum 9 Aufgaben zum 1 iteratur 1 von 13

1 Einführung Der (DIN EN 1 2 1) ist das wichtigste mechanische Prüfverfahren. Aus dem werden i.a. Kennwerte unter einachsiger Belastung bei konstanter Temperatur (meist Raumtemperatur) bestimmt. Dazu wird ein glatter, d.h. ungekerbter Prüfstab in eine Zugprüfmaschine eingespannt und in Richtung der Stabachse mit konstanter Verformungsgeschwindigkeit bis zum Zerreißen gedehnt. Die Zugprüfmaschine erfasst den Zusammenhang zwischen Zugkraft F und Verlängerung Δ der Probe als Kraft Verlängerungs Diagramm, mitunter auch als Maschinendiagramm bezeichnet. Kraft und Verlängerung sind aber nicht werkstoffspezifisch, sondern werden von der Probengeometrie (Anfangsmesslänge, Anfangsquerschnitt) bestimmt. Indem die Zugkraft auf den Probenquerschnitt und die Verlängerung auf die Probenlänge bezogen werden, erhält man das Spannungs Dehnungs Diagramm für den entsprechenden Werkstoff. Bei diesen Diagrammen unterscheidet man das technische Spannungs Dehnungs Diagramm, das wahre Spannungs Dehnungs Diagramm und die Fließkurve. 2 Probenvorbereitung Alle Angaben zur Versuchsdurchführung sind der Norm zum (DIN EN 1 2 1) zu entnehmen. Hier soll stichpunktartig nur auf einige wichtige Punkte hingewiesen werden! Der Probenquerschnitt darf kreisförmig, quadratisch, rechteckig oder ringförmig sein. Die Probenlängen sind im Allgemeinen abhängig von den Probenquerschnitten bzw. dicken (kleiner oder größer als 3mm (Flachzugproben) bzw. 4 mm (Draht, Stäbe, Profile)). Vorzugsweise werden sogenannte proportionale Proben verwendet, bei denen das Verhältnis aus Anfangsmesslänge und der Wurzel aus dem Anfangsquerschnitt S einem definierten Faktor entspricht: Kurzer Proportionalstab (d > 4 mm): = 5,65 S bzw. bei kreisförmigem Querschnitt = 5 d Die Anfangsmesslänge darf nicht kleiner als 2 mm sein. Wenn der Probenquerschnitt zu klein ist, wird stattdessen der lange Proportionalstab (d < 4 mm) verwendet: = 11,3 S bzw. bei kreisförmigem Querschnitt = 1 d Neben proportionalen Proben können auch nichtproportionale Proben benutzt werden, wenn dies in den Erzeugnisnormen festgelegt ist. Andere Probenarten können vereinbart werden. Die Versuchslänge C muss immer größer als die Anfangsmesslänge sein. C ist entweder die änge zwischen den Einspannungen bei unbearbeiteten Proben oder die maximale zylindrische änge des Stabes bei bearbeiteten Proben mit einem Übergangsbereich zwischen den Einspannköpfen und dem zylindrischen Bereich. 2 von 13

3 Versuchsdurchführung Führen Sie alle notwendigen versuchsvorbereitenden Messungen an den Ihnen zur Verfügung gestellten Proben durch. Informieren Sie sich über die Messparameter während des Versuches. Die zu verwendende Maschinengeschwindigkeit ist abhängig von den Erzeugnisnormen, den zu ermittelnden Größen des es und dem E Modul des verwendeten Werkstoffes. Für die Ermittlung der oberen Streckgrenze und Dehngrenzen bei nichtproportionaler Dehnung (s.u.) gelten z.b. folgende Werte: Elastizitätsmodul des Spannungszunahmegeschwindigkeit in N/mm 2 s 1 Werkstoffes in N/mm 2 min max <15 2 1 15 6 3 Erstellen Sie aus dem Maschinenplot ein Kraft Verlängerungs Diagramm und bestimmen Sie daraus die Größen R m, R p,2 bzw. R eh /R e, A g, A bzw. A 11,3, und Z. Ordnen Sie die Messgrößen den vorgegebenen Stahlmarken bzw. Al egierungen zu. 4 Kraft Verlängerungs Diagramm (Maschinendiagramm) Das Kraft Verlängerungs Diagramm metallischer Werkstoffe lässt sich in drei charakteristische Bereiche einteilen (Abb. 1), dem jedoch nur 2 grundsätzlich verschiedene Verformungsprozesse (elastisch, plastisch) zugrunde liegen: Bereich I: Elastische Verformung Zu Beginn der Verformung zeigen die meisten Werkstoffe ein ausschließlich elastisches Verhalten, d.h. nach Entlastung nehmen die Werkstoffe ihre ursprüngliche Form (änge) wieder ein, die Verformung ist vollständig reversibel. Die Probe verlängert sich, dafür nimmt der Probenquerschnitt über die gesamte änge gleichmäßig ab (Querkontraktion). Die Verlängerung der Probe resultiert aus einer geringfügigen Vergrößerung des Atomabstandes in Kraftrichtung im gesamten Probenkörper. Das elastische Verhalten (E Modul) eines Werkstoffes wird ganz wesentlich von der Bindungsart der Atome bestimmt (vgl. kovalente oder Atombindung (Diamant): sehr hart, höchster E Modul überhaupt; vgl. metallische Bindung (Aluminium): sehr weich, niedriger E Modul). Bereich II: Gleichmäßige plastische Verformung Nach Überschreiten der Elastizitätsgrenze kommt es zu plastischen, irreversiblen Verformungen, zunächst nur in einzelnen Körnern (Mikroplastizität), später über die gesamte Probenlänge hinweg. Der Probenstab wird länger, dafür nimmt sein Querschnitt über die gesamte Probenlänge hinweg gleichmäßig ab (Bereich der gleichmäßigen Verformung Gleichmaßdehnung, sinngemäß ist dieses geometrische Verhalten aber auch im elastischen Bereich unter Krafteinwirkung gültig). Man beachte, dass unter der Einwirkung der Zugkraft immer auch ein elastischer Verlängerungsanteil vorhanden ist, der erst bei Entlastung der Probe verschwindet. Die Gesamtverlängerung Δ bei einer bestimmten Zugkraft F kann durch die Parallelverschiebung der Hooke schen Geraden in den elastischen ( Δ ) und plastischen Anteil Δ pl zerlegt werden (gilt auch im Bereich III). Die plastische Verformung ist immer ein lokaler Prozess, d.h. sie erfolgt örtlich und zeitlich begrenzt immer nur an einzelnen Stellen der Probe und resultiert aus der Verschiebung von Atomlagen gegeneinander. Ermöglicht und ganz wesentlich erleichtert el 3 von 13

wird die Verschiebung der Atomlagen durch das Gleiten von Versetzungen im Kristallgitter. Mit steigender plastischer Verformung kommt es jedoch gleichzeitig zum Aufstau von immer mehr stehenden (d.h. nicht mehr gleitfähigen) Versetzungen an Korngrenzen im Kristallgitter, deren Spannungsfelder gleitende (die plastische Verformung tragende) Versetzungen behindern. Infolgedessen nehmen die inneren Spannungen im Kristall immer weiter zu, der Werkstoff wird mit steigender plastischer Verformung immer fester (Kaltverfestigung). Es müssen immer größere Kräfte aufgebracht werden, um eine weitere plastische Verformung zu erreichen (Erhöhung der Elastizitäts /Streckgrenze, s.u.). Abb. 1: Kraft-Verlängerungs-Diagramm Bereich III: Plastische Verformung mit Einschnürung der Probe Beginnend mit dem Erreichen des Kraftmaximums schnürt sich die Probe an einer Stelle ein, die weitere plastische Verlängerung der Probe bis zum Bruch resultiert ausschließlich aus dem Bereich der Einschnürung. Wird die Versetzungskonzentration über einen bestimmten Wert hinaus weiter erhöht, ist damit kein Festigkeitsgewinn mehr verbunden, es bilden sich Hohlräume an Zweitphasenteilchen im Kristallgitter, die wie eine Verringerung des Querschnittes wirken. Das hat jedoch zur Folge, dass die Spannungen in diesem Bereich mit wachsenden Zugkräften noch größer werden als im restlichen Probenkörper, die weitere Verlängerung deshalb nur noch in diesem Bereich geschieht. Es kommt daher zur Einschnürung. 4 von 13

5 Technisches Spannungs Dehnungs Diagramm Aus dem technischen Spannungs Dehnungs Diagramm werden alle die Kenngrößen ermittelt, die für Konstrukteure wichtige Hinweise zur Belastbarkeit des Werkstoffes liefern. Das technische Spannungs Dehnungs Diagramm und die daraus zu ermittelnden Kenngrößen sind Gegenstand der Norm zum DIN EN 1 2 1. Die technische Spannung und Dehnung sind wie folgt definiert: Spannung = F σ [ ] = 2 S Δ Dehnung = 1 ε [] = % σ N mm, F... gemessene Kraft in N S... Anfangsquerschnitt in mm 2 ε. Δ =... Verlängerung in mm... Anfangsmesslänge in mm... momentane änge in mm Da S und Konstanten sind, kann das von der Zugprüfmaschine aufgenommene Kraft Verlängerungs Diagramm in das technische Spannungs Dehnungs Diagramm durch eine Umeichung der Achsen umgewandelt werden. Bei der Berechnung der technischen Spannung wird die Querschnittsabnahme, die sich besonders deutlich bei Einschnürung der Probe bemerkbar macht, nicht berücksichtigt. Obwohl im Werkstoffinneren die Spannungen mit wachsender Verformung immer weiter ansteigen, kommt es im technischen Spannungs Dehnungs Diagramm ab einer bestimmten Dehnung zu einer (scheinbaren) Spannungsabnahme. Im technischen Spannungs Dehnungs Diagramm metallischer Werkstoffe können grundsätzlich zwei verschiedene Kurvenverläufe auftreten, die sich durch das Vorhandensein einer Streckgrenze unterscheiden (Abb. 2). Je nachdem, ob eine Streckgrenze vorhanden ist oder nicht, werden obere und untere Streckgrenze (R eh, R e ) oder die,2% Dehngrenze R p,2 bestimmt. Alle weiteren Kenngrößen werden bei beiden Kurvenformen in gleicher Weise bestimmt (Abb. 2). Die wichtigsten Kenngrößen des es und das Prinzip ihrer Ermittlung sind Abb. 2 zu entnehmen. Es sei darauf hingewiesen, dass es noch weitere Kenngrößen gibt, auf die im Rahmen des Praktikums aber nicht eingegangen wird. Elastizitätsgrenzen Die meisten Werkstoffe dehnen sich zu Beginn der Verformung elastisch, d.h. nach Wegnahme der Zugkraft nimmt ein elastisch verformter Prüfstab seine Ausgangsmesslänge wieder ein. Der höchste Spannungswert, bei dem eine entlastete Probe noch keine bleibende Verlängerung aufweist, wird als Elastizitätsgrenze R E bezeichnet. Da diese jedoch experimentell nur sehr aufwändig durch ständige Be und Entlastungen der Probe bestimmt werden kann, hat man als Ersatzgröße die technische Elastizitätsgrenze R p,1 definiert. Bei R p,1 lässt man eine bleibende, plastische Dehnung von,1 % der Ausgangsmesslänge zu. Mit dieser Definition ist es möglich, die technische Elastizitätsgrenze R p,1 aus einem vollständigen technischen Spannungs Dehnungs Diagramm zu bestimmen, indem eine Parallele zur Hooke schen Geraden durch den Punkt,1% auf der Dehnungsachse gelegt wird (Konstruktion analog zur,2% Dehngrenze). Nach dem Überschreiten der Elastizitätsgrenze kommt es bei polykristallinen Werkstoffen zur plastischen Verformung einzelner Kristallite, was man als Mikroplastizität bezeichnet. 5 von 13

Abb. 2: Technisches Spannungs Dehnungs Diagramm Elastizitäts Modul (E Modul) Bei rein elastischer Verformung und einem linear elastischen Verhalten des Werkstoffes ergibt sich ein einfacher Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung: σ = Eε bzw. E = tanα E... E Modul α... Neigungswinkel der Hooke schen Geraden Dabei ist zu beachten, dass E nur dann eine skalare Größe ist, wenn es im Werkstoff keine Vorzugsrichtungen (Textur) gibt! Der linear elastische Teil des technischen Spannungs Dehnungs Diagramms ist der Arbeitsbereich des Konstrukteurs! Streckgrenze bzw.,2% Dehngrenze Als Kenngröße des Überganges von der Mikroplastizität zum makroskopischen Fließen wurde die,2% Dehngrenze R p,2 definiert, bei der es zu einer bleibenden (plastischen) Verlängerung von,2%, bezogen auf die Ausgangsmesslänge, gekommen ist. 6 von 13

R F p,2 p,2 =, [ R p,2 ] = MPa S F p,2... Zugkraft bei,2% plastischer Dehnung Bei weichen Kohlenstoffstählen und einigen anderen metallischen Werkstoffen ist die Ausdehnung der plastischen Verformung über das gesamte Probenvolumen mit einer ausgeprägten Unstetigkeit der Spannungs Dehnungskurven verbunden. Man bezeichnet das lokale Spannungsmaximum vor Beginn des Spannungsabfalls am Beginn der Unstetigkeit als obere Streckgrenze R eh. Die untere Streckgrenze R e ist die kleinste Spannung im Fließbereich, wobei Einschwingerscheinungen infolge trägheitsbehafteter Kraftmessung nicht berücksichtigt werden. Als technisch gebräuchlicher Kennwert wird vorrangig die obere Streckgrenze R eh bestimmt, obwohl sie stark von den Versuchsbedingungen (z.b. Verformungsgeschwindigkeit), Probenform und Nachgiebigkeit der Prüfmaschine abhängt. Das Auftreten einer Streckgrenze wird verursacht von Einlagerungsatomen (hauptsächlich C und N) im Fe Mischkristall. Diese führen zu einer starken lokalen Verzerrung der Netzebenen um sich herum (Spannungen). Sind bereits Versetzungen im Kristall vorhanden, so ordnen sich die Fremdatome so um, dass die von ihnen ausgehenden Verzerrungen mit den durch die Versetzung verursachten übereinstimmen (Spannungsabbau, Snoek Effekt). Das betrifft nicht nur unmittelbar in der Nähe der Versetzung befindliche Fremdatome, sondern auch weiter entferntere, die sich durch Diffusion in Richtung der Versetzung bewegen und so zu einem Spannungsabbau führen (Bildung von Fremdatomwolken). Dieser Vorgang erstreckt sich über längere Zeiten und wird Cottrell Effekt genannt. Durch den Snoek wie auch den Cottrell Effekt nehmen die Einlagerungsatome energetisch günstigere Plätze ein. Wenn sich die Versetzung durch plastische Verformung von ihren Fremdatomwolken wegbewegt, gehen die Fremdatome wieder in energiereichere Zustände über. Daraus folgt, dass zur plastischen Verformung C und N haltiger Stähle anfangs mehr mechanische Energie aufgewendet werden muss, als zur Verformung von Eisen, das keine oder nur wenige Fremdatome enthält (Abreicherung von Fremdatomen zwischen den Cottrell Wolken). Die für die Verformung aufgewendete Spannung geht also, nachdem die Versetzungen von ihren Fremdatomwolken losgerissen worden sind, wieder etwas zurück, es bildet sich eine Streckgrenze aus. Das sich anschließende Plateau, auch üdersband Dehnung genannt, resultiert daraus, dass der Streckgrenzeneffekt, der in einzelnen Körnern beginnt, sich nach und nach über die gesamte Probenlänge ausdehnt. Die Streckgrenze bzw.,2% Dehngrenze wird vielfach als Ersatzgröße für die Elastizitätsgrenze bestimmt, wohlwissend, dass es bei diesen Dehngrenzen bereits zu einer nicht zu vernachlässigenden plastischen Verformung gekommen ist. Dem wird durch die Verwendung eines Sicherheitsfaktors Rechnung getragen. In der iteratur findet man häufig den Begriff der Fließgrenze, womit die Spannung gemeint ist, bei der im σ ε Diagramm trotz zunehmender Formänderung die Kraftanzeige der Prüfmaschine erstmalig unverändert bleibt oder zurückgeht. Die Fließgrenze ist somit der Oberbegriff für die Streckgrenze,,2% Dehngrenze, Quetschgrenze (Druckversuch), Biegegrenze (Biegeversuch) oder Verdrehgrenze (Torsionsversuch). Zugfestigkeit Nach dem Überschreiten der Streckgrenze steigt die Spannung bei Zunahme der plastischen Dehnung weiter an. Wenn das Verformungsvermögen der Probe erschöpft ist, kommt es zum Bruch, der entweder im ansteigenden Teil der Spannungs Dehnungs Kurve oder nach dem Überschreiten der Maximalkraft eintreten kann. Die Zugfestigkeit R m ist die in beiden Fällen bestimmbare Höchstkraft F m, geteilt durch den Anfangsquerschnitt S. 7 von 13

R F = m m S, [ R ] MPa m = F m... Maximalzugkraft Streckgrenzenverhältnis Als Kennwert zur Charakterisierung der Überlastungsreserve von Stählen verwendet man häufig das Streckgrenzenverhältnis R 2 Re p, bzw. Rm Rm Ein hohes Streckgrenzenverhältnis bedeutet, dass bei Überschreitung der Streckgrenze der Spannungszuwachs bis zum Einsetzen der Einschnürung (plastische Instabilität) gering ist, so dass die Überlastungsreserve klein ist. Übliche Werte liegen bei,75 bis,85, teilweise,9. Neben charakteristischen Festigkeitskennwerten ermittelt man im auch charakteristische Verformungskennwerte, die über das Verformungsverhalten der Werkstoffe Auskunft geben: Nichtproportionale Dehnung bei Höchstkraft F m (früher Gleichmaßdehnung) Diese Größe hat nach der zur Zeit gültigen Norm DIN EN 12 1 das Formelzeichen A g. Es ist die bleibende (plastische) Dehnung ohne elastischen Dehnungsanteil im Kurvenmaximum, d.h. zur Ermittlung dieses Kennwertes ist die Hooke sche Gerade durch das Kraftmaximum parallel zu verschieben. Bruchdehnung Die Bruchdehnung ist die bleibende (plastische) Dehnung im Moment des Bruches. Das Formelzeichen der Bruchdehnung ist abhängig von der verwendeten Probengeometrie. Bei Verwendung eines kurzen Proportionalstabes (s.o.) lautet das Formelzeichen A. Wird ein langer Proportionalstab (s.o.) verwendet, ist das Formelzeichen A 11,3. Im Fall einer nichtproportionalen Probe, die z.b. eine Anfangsmesslänge von 9 mm hat, heißt das Formelzeichen A 9. Brucheinschnürung Die Brucheinschürung Z ist die relative Änderung des Probenquerschnittes an der Bruchstelle: S Su Z = 1 [ Z ] = % S S u... kleinster Probenquerschnitt nach dem Bruch 6 Wahres Spannungs Dehnungs Diagramm Das wahre Spannungs Dehnungs Diagramm σ σ ( ϕ ) w = w wird im Bereich der Gleichmaßdehnung auch als Fließkurve bezeichnet, hat aber darüber hinaus keine technische Bedeutung. Es zeigt anschaulich, dass die Spannung in der Probe tatsächlich immer größer wird, wenn die Querschnittsänderung der Probe berücksichtigt wird. In der iteratur findet man häufig Diagramme, die die wahre Spannung als Funktion der technischen Dehnung ε (Abb. 3) oder der relativen Querschnittsabnahme Ψ darstellen. Die wahre Spannung σ ω ist definiert durch: 8 von 13

F σ w = S... momentaner kleinster Probenquerschnitt S Der momentane kleinste Probenquerschnitt und damit die wahre Spannung σ w können im Bereich der Gleichmaßdehnung bis zum Kraftmaximum aus dem Kraft Verlängerungs Diagramm nachträglich berechnet werden (siehe Fließkurve), für Bereiche jenseits des Kraftmaximums muss S gemessen werden. Zu beachten ist, dass sich mit dem Einsetzen der Einschnürung die Verformungsgeschwindigkeit im Einschnürbereich sprunghaft erhöht, so dass sich die Beanspruchungsbedingungen für den Werkstoff beim Übergang vom Gleichmaßdehnungs in den Einschnürbereich auch wegen des nunmehr vorliegenden dreiachsigen Spannungszustandes grundsätzlich ändern. Abb.3: Wahres Spannungs Dehnungs Diagramm 9 von 13

7 Fließkurve Der ist nur eines von verschiedenen Verfahren, die Fließkurve zu ermitteln und hat von diesen Verfahren die geringste praktische Bedeutung. Bereits aus dem Namen ist ersichtlich, dass die Fliesskurve insbesondere für die Umformtechnik von Bedeutung ist. Der Fließkurve liegt der Bereich der Gleichmaßdehnung (ohne elastischen Anteil!!) zugrunde. Den Umformtechniker interessieren keine elastischen Dehnungsanteile und keine Dehnungen, die im Bereich der Einschnürung liegen, da dieser Bereich bei der Formgebung aus verständlichen Gründen (Schwächung des Querschnittes) unter allen Umständen vermieden werden muss (Abb. 4)! Die Fließkurve verknüpft die Größen Fließspannung k f und Umformgrad ϕ miteinander, die wie folgt definiert sind: F Fließspannung k f = (entspricht der wahren Spannung!) S d Umformgrad ϕ =, auch als wahre Dehnung bezeichnet. Abb.4: Kraft Verlängerungs Diagramm und Fließkurve 1 von 13

pl Δ Mit der Hilfsgröße ε = (dimensionslos, keine %!!) und der Annahme, dass das Volumen im pl Bereich der Gleichmaßdehnung näherungsweise konstant bleibt und über Grundfläche mal Höhe berechnet werden kann, lassen sich diese Größen auch schreiben als: F F F ( + Δ pl ) F Fließspannung k f = = = = ( 1+ ε pl ) S S S S d pl Umformgrad ϕ = = ln ln = ln = ln = ln( 1+ ε ) + Δ Man beachte, dass ϕ eine reelle, dimensionslose Zahl ist!! Aus der Kenntnis des Kraft Verlängerungs Diagramms (bekannte Größen sind F, Δ,, S ) kann somit die Fließkurve berechnet werden, wenn aus der Gesamtverlängerung Δ die plastische Verlängerung Δ bestimmt wird (Parallelverschiebung der Hooke schen Geraden). pl pl 8 Fragen zum Welche Möglichkeiten des Werkstoffverhaltens unter Einwirkung einer äußeren Kraft gibt es? Wie wird der durchgeführt, welche Bedingungen müssen eingehalten werden, welche Messgrößen werden erfasst? Welche Diagramme können aus dem gewonnen werden, worin unterscheiden sie sich, für wen und in welchen Teilbereichen sind sie von Interesse? Was versteht man unter anelastischem Verhalten? Was bedeutet das für die Ermittlung des E Moduls? Welche Kenngrößen werden wie aus dem ermittelt? In welchem Verhältnis stehen Duktilität und Festigkeit von Werkstoffen zueinander? Wie sehen typische Spannungs Dehnungsdiagramme von niedriglegierten Stählen, Al egierungen und Polymeren aus? Welche Besonderheiten gibt es beim Dehnungsverhalten von Polymeren im Gegensatz zu metallischen Werkstoffen? Wie können Festigkeit und Verformbarkeit von Werkstoffen beeinflusst werden? Wie sind die Zahlenwerte von Kennwerten aus den Normen zu interpretieren (Maximalwerte, Minimalwerte, exakte Werte, Abweichungen)? 9 Aufgaben zum 1. Im fallen beim Prüfen zylindrischer Stäbe, Durchmesser d = 1 mm, Anfangsmesslänge = 1 mm, folgende Messwerte an: Maximalkraft zugehörige bleibende Verlängerung [N] [mm] 54 13,5 74 9, 8 3,5 Berechnen Sie Zugfestigkeit und Nichtproportionale Dehnung bei Höchstkraft F m. 11 von 13

2. An einer Zugprobe mit rechteckigem Querschnitt mit 1 mm x 4 mm und einer Messlänge = 1 mm wurden folgende Messwerte im registriert: F m in N Kraft bei Beginn des bleibende ängenzunahplastischen Fließens me nach Bruch in mm (ε pl =,2%) in N A 15 1 3 B 2 12 2 C 28 15 1 Geben Sie für die drei zu berechnenden Werkstoffkenngrößen den Zahlenwert an. Um welche allgemeinen Baustähle handelt es sich (Werkstoffbezeichnung angeben)? 3. An zwei zylindrischen Zugstäben aus unterschiedlichen Stählen mit dem Durchmesser d 1 = 12 mm und d 2 = 7 mm wurden im folgende zugehörige Maximalwerte der Kraft gemessen: F 1 = 45 kn; F 2 = 3 kn. Geben Sie an, welcher Werkstoff S235 (St37) und welcher E36 (St7) entspricht! 4. Für den steht eine Prüfmaschine mit maximal 1 kn Zugkraft zur Verfügung. Welche der nachfolgend angegebenen Werkstoffe S235 (St37), S275 (St44) und E36 (St7) können bei einem Prüfstabdurchmesser von d = 5 mm nicht geprüft werden? Geben Sie die Berechnungsergebnisse an, nach denen die Auswahl erfolgte! 1 iteratur Blumenauer, H.: Riehle, M., Simmchen, E.: Schatt, W., Worch, H.: Norm EN 1 2 1: Werkstoffprüfung, 6. Auflage, Dt. Verlag für Grundstoffindustrie, eipzig, Stuttgart, 1994, auch ältere Auflagen Grundlagen der Werkstofftechnik, Dt. Verl. für Grundstoffindustrie, Stuttgart, 1997 oder neuere Auflagen Werkstoffwissenschaft, 8. Auflage, Dt. Verlag für Grundstoffindustrie, Stuttgart, 22 oder ältere Auflagen 12 von 13

Anhang: Werkstofftabelle Bemerkung: Bei diesen Werten handelt es sich um Auszüge aus den Werkstoffnormen. Die Kennwerte sind nur für bestimmte Abmessungen gültig und passen zu den verwendeten Zugproben. Für andere Abmessungen gelten andere Werte!! Werkstoff Zustand R m 2 in N mm R eh bzw. R p,2 2 in N mm A in % Z in % Stähle S235 34 47 235 26 E36 67 83 36 11 S275 41 56 275 22 C15 normalgeglüht mind. 34 235 26 C15 blindgehärtet 74 88 44 12 35 C22 normalgeglüht 43 24 24 C22 vergütet 5 65 34 2 5 C45 normalgeglüht 62 34 14 C45 vergütet 7 85 49 14 35 C6 normalgeglüht 71 38 1 C6 vergütet 85 1 58 11 25 Al egierungen EN AW 682 [AlSi1MgMn] (weichgeglüht), H111 max. 16 max. 11 14 EN AW 682 [AlSi1MgMn] T6 (warmausgelagert) 295 25 8 EN AW 224 [AlCuMg1] (weichgeglüht), H111 max. 25 max. 15 12 EN AW 224 [AlCuMg1] T3 (kaltausgelagert) 45 31 8 EN AW 552 [AlMg2,5], H111 (nicht auslagerbar) 17 7 17 13 von 13