Forum A. Ende des Wunsch- und Wahlrechtes? Anmerkung zu BSG, Urteile vom 07.05.2013, Az.: B 1 KR 12/12 R und B 1 KR 53/12 R



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Transkript:

Forum A Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe Diskussionsbeitrag Nr. 7/2014 21.02.2014 Ende des Wunsch- und Wahlrechtes? Anmerkung zu BSG, Urteile vom 07.05.2013, Az.: B 1 KR 12/12 R und B 1 KR 53/12 R Von Rechtsanwalt Dr. Stefan Fuhrmann, Fachanwalt für Medizinrecht und Verwaltungsrecht, Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Heine, Berlin I. Thesen der Autoren 1 1. Das Wunsch- und Wahlrecht des 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neun (SGB IX) steht nicht in Konkurrenz zum Wirtschaftlichkeitsgebot des Sozialgesetzbuches Fünf (SGB V). Vielmehr handelt es sich hier um eine spezifische Ausformung des Wirtschaftlichkeitsgebotes. 2. 40 Abs. 2 S. 2 SGB V muss daher und vor dem Hintergrund seiner Entstehungsgeschichte so ausgelegt werden, dass den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ein Wahlrecht hinsichtlich des Leistungserfüllungsortes eröffnet wird. II. Vorgeschichte Bei einer Podiumsdiskussion im November 2003, anlässlich einer Veranstaltung zur Integrierten Rehabilitation, die die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation 1 Kontakt der Autoren unter www.fuhrmannrechtsanwaelte.de. e. V. (DEGEMED) und die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e. V. (GVG) zusammen in Berlin organisiert hatten, verlautbarte der damalige Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, der oft als Vater des SGB IX bezeichnete Karl Hermann Haack: Die unter seiner Koordination tagende, das SGB IX für das Gesetzgebungsverfahren aufbereitende Arbeitsgruppe habe erwogen, dass alle Rehabilitationseinrichtungen, die von Sozialleistungsträgern belegt werden, ein internes Qualitätsmanagement (QM) einführen und es nach vorgegebenen Kriterien durch externe Sachverständige zertifizieren lassen müssen. Die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden sollten im Gegenzug das Recht erhalten, sich in konkretisierender Ausfüllung ihres Wunsch- und Wahlrechtes zum Leistungserfüllungsort ( 9 Abs. 1 S. 1 SGB IX) unter den solchermaßen gleichartig zertifizierten Einrichtungen bundesweit diejenige auszusuchen, die für sie am besten geeignet sei. Denn alle zertifizierten Einrichtungen würden auf diese Weise die gleiche Qualität der Leistungserbringung garantieren. 1

Letzteres wurde sechs Jahre nach dem Inkrafttreten des SGB IX (2001) Gesetz, und das auch nur für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): mit den 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 2a, 21 Abs. 3 S. 2 SGB IX, 40 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB V in der Fassung des GKV-WSG 2 vom 26.03.2007 3. Danach müssen alle stationären Rehabilitationseinrichtungen ihr internes QM ( 20 Abs. 2 SGB IX) nach von der BAR 4 festgelegten Kriterien ( 20 Abs. 2a SGB IX) zertifizieren lassen; nur derart zertifizierte Einrichtungen dürfen seitdem belegt werden ( 21 Abs. 3 S. 2 SGB IX). Für den Bereich der GKV, und nur hier 5, erhalten alle Versicherten, denen eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme bewilligt wurde, bundesweit ein Auswahlrecht hinsichtlich der von ihnen gewünschten und für sie geeigneten Klinik ( 40 Abs. 2 S. 2 SGB V). Das ergibt sich zum einen aus dem Gesetzeswortlaut des SGB V, zum anderen aus der amtlichen Begründung 6. 40 Abs. 2 S. 2 SGB V in seiner damals neuen Fassung besagt lapidar, dass Versicherte eventuelle Mehrkosten selber tragen müssen, falls sie sich eine kriteriengerecht zertifizierte Einrichtung aussuchen, mit denen die Krankenkassen (noch) keinen Versorgungsvertrag geschlossen haben 7. Im Umkehrschluss heißt dies zunächst: Wer eine BAR 8 -zertifizierte Einrichtung mit Versorgungsvertrag wählt, 2 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung. 3 Vgl. Art. 7 Nr. 1 und 2 i. V. m. Art. 1 Nr. 26 des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (BGBl. 2007 I 338). 4 Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. 5 Zu den damit verbundenen, einfach- und verfassungsrechtlichen Problemen vgl. eingehend Fuhrmann/Heine, Mitbestimmung im SGB IX auch: zur Zertifizierungspflicht stationärer Reha-Einrichtungen, in: Rehabilitation 2008, 1 ff. 6 BT-Drucks. 16/3100, S. 87 und S. 106. 7 Was den Anwendungsbereich der Regelung im Wesentlichen auf sog. Privatsanatorien als Wettbewerbsfaktor im Leistungsgeschehen eingrenzte. 8 Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. 2 braucht nichts zuzahlen, und er darf dies ergänzend nichts zuzahlen müssen, selbst wenn er es wollte; das SGB V kennt, wie 40 Abs. 2 S. 2 SGB V es belegt, Teilkostentragungs- respektive Zuzahlungsmodalitäten nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung, weil sie in das verfassungsrechtlich geschützte Einkommen bzw. Vermögen der Betroffenen eingreifen 9. Entsprechend sagt die Gesetzesbegründung: Versicherte erhalten ( ) künftig zusätzlich das Recht, auch solche zertifizierten Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, mit denen die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen keine Versorgungsverträge abgeschlossen haben. Fallen dabei Kosten an, die über die der entsprechenden Vertragseinrichtung hinausgehen, sind diese Mehrkosten von den Versicherten zu tragen. 10 Darüber hinaus erläutert sie an anderer Stelle den eigentlichen Sinn und Zweck der Regelung: Versicherte können künftig ( ) Rehabilitationseinrichtungen, die entsprechend zertifiziert sind, eigenständig auswählen. Mehrkosten sind nur dann zu tragen, wenn die Kosten hierfür über die von Vertragseinrichtungen der Krankenkassen hinausgehen. 11 Das eigenständig auswählen muss im Kontrast zu 40 Abs. 3 S. 1 SGB V gesehen werden, wonach die Auswahl des geeigneten Leistungserfüllungsortes eine Ermessensentscheidung der Krankenkassen ist. Der Gesetzgeber durfte diese althergebrachte Regelung zunächst bestehen lassen. Denn er konnte nicht davon ausgehen, dass die BAR die ihr auferlegten Konkretisierungspflichten unmittelbar nach dem Inkrafttreten des GKV-WSG sofort erledigen 9 Dazu Fuhrmann/Heine, Das Wunschrecht nach 9 Abs. 1 SGB IX und der Leistungserfüllungsort, in: Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 2009, S. 517 f.; ebenso BSG B 1 KR 12/12 R, Rdn. 20 und BSG B 1 KR 53/12 R, Rdn. 24. 10 BT-Drucks. 16/3100, S. 106. 11 BT-Drucks. a. a. O., S. 87.

würde, weshalb es einen längeren Übergangszeitraum brauchen würde, bis alle Reha-Einrichtungen kriteriengerecht zertifiziert wären. Erst nach Abschluss dieses Zeitraumes würde die Auswahlhoheit der Kassen hinsichtlich des Leistungserfüllungsortes gegenstandslos werden. Die BAR erledigte ihre Hausaufgaben mit Wirkung vom 01.10.2009 12 ; danach konnten die stationären Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation Schritt für Schritt BARkonform zertifiziert werden. Seitdem dieser Prozess abgeschlossen ist, geht das spezielle Wunsch- und Wahlrecht des 40 Abs. 2 S. 2 SGB V zum Leistungserfüllungsort dem allgemeinen des 9 Abs. 1 SGB IX vor ( 7 S. 1 SGB IX), anders formuliert: geht letzteres in ersterem auf. III. Die beiden Fälle In diesem Licht hatte das BSG zwei Fälle zu entscheiden, bei denen die beiden Rehabilitandinnen und Klägerinnen im Jahr 2008, also noch vor dem Wirksamwerden der BAR-Vereinbarung zur Zertifizierung stationärer Rehabilitationseinrichtungen, die von ihrer Krankenkasse kraft Bewilligung für sie ausgesuchten Kliniken ausschlugen und solche eigenen Wunsches, die ihrer Meinung nach besser für sie geeignet waren, aufsuchten, um sich dort behandeln zu lassen. Beide Wunsch-Kliniken hatten einen Versorgungsvertrag nach 111 SGB V, aber einen höheren Tagespflegesatz als die von den Kassen gewählten, und sie konnten, des Zeitverlaufes wegen, (noch) nicht BARkonform zertifiziert 13 sein. Die Kassen verweigerten die Bezahlung der Maßnahmen, die Klägerinnen forderten Kostenerstattung ( 13 Abs. 3 S. 2 SGB V i. V. m. 15 Abs. 1 12 Vgl. die Vereinbarung zum internen Qualitätsmanagement nach 20 Abs. 2a SGB IX der BAR. 13 BSG B 1 KR 12/12 R, Rdn.14; BSG B 1 KR 53/12 R, Rdn. 16. 3 S. 4 SGB IX). Klage 14, Berufung 15 und Revision blieben erfolglos. 1. Zurückweisung der Berufung Die beiden Berufungsinstanzen, das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen und das LSG Hessen, wiesen in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen die Kostenerstattungsbegehren zurück. Nicht von den Krankenkassen seien die Reha-Leistungen zu Unrecht abgelehnt worden ( 13 Abs. 2 S. 1, 2. Alt.), sondern die von den Kassen vorgeschlagenen Einrichtungen zu Unrecht von den Klägerinnen. Zum einen hätten die Krankenkassen die Einrichtungen ermessensfehlerfrei ausgewählt ( 40 Abs. 3 S. 1 SGB V). Zum anderen seien die Kassen kraft des ihnen obliegenden Wirtschaftlichkeitsgebotes ( 12 Abs. 1 SGB V) nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) 16 dazu verpflichtet, bei der Auswahl zwischen zwei oder mehr gleich geeigneten Einrichtungen diejenige mit der Durchführung der Leistung zu beauftragen, die die günstigsten Vergütungssätze anbietet 17 ; es sei nicht feststellbar, dass die Wahl-Kliniken der Kassen schlechter geeignet gewesen seien als die Wunsch-Kliniken der Klägerinnen. Zum Dritten sei die Mehrkostentragungsresp. Zuzahlungs-Regelung des 40 Abs. 2 S. 2 SGB V zugunsten der Klägerinnen schon ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar, weil beide Wunschkliniken zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme a) über einen Versorgungsvertrag verfügten und b) nicht BARzertifiziert waren. Der Ausnahmecharakter der Norm verbiete ihre analoge Anwendung mit der Folge, dass auch keine Teilkostener- 14 SG Düsseldorf S 34 KR 191/08 vom 26.08.2008; SG Frankfurt S 18 KR 540/08 vom 20.10.2008. 15 LSG NRW L 5 KR 542/11 vom 24.10.2011; LSG Hessen L 8 KR 334/10 vom 11.08.2011. 16 Vgl. Fuhrmann/Heine 2009, S. 516 f., 522 ff.. 17 Vgl. nur BSGE 89, S. 294 ff..

stattung in Form von Sowieso-Kosten 18 die den Kassen bei der Durchführung der Leistungen in den von ihnen gewählten Kliniken sowieso entstanden wären in Betracht komme. Die Zuzahlungswirkung einer Teilkostenerstattung sei auf die gesetzlich hierfür vorgesehenen Fälle beschränkt. Das allgemeine Wunsch- und Wahlrecht zum Leistungserfüllungsort nach 9 Abs. 1 SGB IX rechtfertige keine andere Entscheidung, es finde seine Grenzen im Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V und des 19 Abs. 4 S. 2 i. V. m. 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB IX. So korrekt subsumiert die Argumentationskette klingen mag, scheint sie von einer Abneigung beider Berufungssenate gegen jedwedes Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen geprägt. Das wird an beiden Auslegungen zu 40 Abs. 2 S. 2 SGB V erkennbar: Die Vorschrift wird aus ihrem in der amtlichen Begründung ausdrücklich benannten (und von den Berufungsgerichten nicht zitierten) Wunsch- und Wahlrechtskontext herausgelöst und isoliert interpretiert. Das LSG Hessen spekuliert in Verkennung der Entstehungsgeschichte der Norm und ihrer Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien, der Gesetzgeber habe mit der unveränderten Beibehaltung der Regelung des 40 Abs. 3 S. 1 SGB V zum Ausdruck gebracht, dass dem Versicherten trotz Einfügung des 40 Abs. 2 S. 2 ein Wahlrecht unter den Vertragseinrichtungen nicht zusteht 19. Ebenso das LSG Nordrhein- Westfalen: Auch in den Gesetzesmaterialien finden sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber ein uneingeschränktes Wahlrecht der Versicherten einführen wollte, weshalb die Regelung dahingehend verstanden werden müsse, eine Krankenkasse dürfe einen nach 9 18 Dazu LSG B-W L 4 KR 2071/05 vom 01.08.2007, diskutiert bei Fuhrmann/Heine 2009, S. 517, 523 f.. 19 LSG Hessen a. a. O., Rdn. 33. 4 Abs. 1 S. 1 SGB IX geäußerten Wunsch des Versicherten, in einer vertragslosen Einrichtung untergebracht zu werden, nicht von vorneherein ablehnen 20. Mit diesem Argument wird das Verhältnis beider Normen untereinander geradezu verkehrt. 2. Zurückweisung der Revision Der 1. Senat des BSG wies die Revision der Klägerinnen gleichfalls zurück, was unbeschadet des (für die Entscheidungen ungünstigen ) Inanspruchnahme-Zeitpunktes vor der BAR-Zertifizierung angesichts beider Fallgestaltungen im Einzelnen nicht schwierig war. So hatte im hessischen Ausgangsfall die Klägerin ihre Wunschklinik fünf Wochen lang in Anspruch genommen, obwohl ihr nur drei Wochen einer medizinischen Rehabilitation bewilligt worden waren; einen Verlängerungsantrag hatte sie nicht gestellt 21. Im nordrhein-westfälischen Ausgangsfall hatte die Klägerin die individuelle Geeignetheit der von ihrer Kasse vorgeschlagenen Einrichtungen gar nicht infrage gestellt 22, sodass die zentrale Problematik eines Qualitäts- und Geeignetheit- Vergleiches zwischen Kassenwahl- und Eigenwahl-Kliniken nicht eingehend erörtert werden musste. Insoweit hatte es der Senat relativ leicht, sich den genannten Argumenten beider Vorinstanzen mit eigenen Akzentsetzungen vollumfänglich anzuschließen. Von daher interessieren lediglich zwei Fragen: Wie stellt sich der Senat zu 40 Abs. 2 S. 2 SGB V, dem besonderen, und wie zu 9 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX, dem allgemeinen Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich des Leistungserfüllungsortes? Zur ersten Frage verweist er lediglich auf die 20 LSG NRW a. a. O., Rdnrn. 34 f.; für seine Auffassung zitiert das Gericht (Rdn.35) lediglich BT-Drucks. 16/3100, S. 106, nicht aber dortselbst S. 87. 21 BSG B 1 KR 53/12 R, Rdnrn. 2, 12. 22 Vgl. Tatbestandsschilderung in LSG NRW a. a. O., S. 1 f. i. V. m. BSG B 1 KR 12/12 R, Rdn. 2.

Passage der Gesetzesbegründung, wonach die Regelung das Inanspruchnahmerecht der Betroffenen hinsichtlich der Reha-Klinik auf zertifizierte Einrichtungen ohne Versorgungsvertrag erweitern solle, nicht aber auf diejenige Passage, die den eigentlichen Sinngehalt der Norm kriteriengerechte Zertifizierung plus uneingeschränktes Wunschund Wahlrecht zum Leistungserfüllungsort erläutert 23. Dies ist von Bedeutung, weil der Senat zur zweiten Frage das allgemeine Wunsch- und Wahlrecht des 9 Abs. 1 SGB IX durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des 12 Abs. 1 SGB V zügelt: Das Wunschund Wahlrecht trete bei Ansprüchen auf Reha-Leistungen nach dem SGB V hinter dessen spezielle Anforderungen, wie eben das Wirtschaftlichkeitsgebot, zurück 24. Dabei könnte sich der Senat auf 7 S 1 SGB IX berufen, wonach die Vorschriften des SGB IX hinter speziellem Reha- Trägerrecht zurückzustehen haben. Nur ist das Wirtschaftlichkeitsgebot keine spezielle Vorschrift des SGB V, sondern eine, die das gesamte Sozialgesetzbuch durchzieht, wie es 19 Abs. 4 S. 2 i. V. m. 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB IX unüberlesbar dokumentiert: Die Reha-Einrichtung muss die Leistung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, insbesondere zu angemessenen Vergütungssätzen, ausführen. Mithin muss das Wunsch- und Wahlrecht des SGB IX einen das Wirtschaftlichkeitsgebot transzendierenden Sinngehalt besitzen, es kann durch dieses Gebot nicht ausgehebelt werden. Gleiches gilt im Falle des 40 Abs. 2 S. 2 SGB V: Wenn der Gesetzgeber kraft spezieller gesetzlicher Regelung für alle Rehabilitanden der GKV unter bestimmten Bedingungen ein die (insbesondere medizinische) Geeignetheit der Einrichtung vorausgesetzt unbegrenztes Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich des Leistungserfül- 23 BSG B 1 KR 53/12 R, Rdn. 20; BSG 1 KR 12/12 R, Rdn. 17. 24 A. a. O., Rdn. 23; a. a. O., Rdn. 19. 5 lungsortes eröffnet 25, dann kann es auf Unterschiede in den Pflegesätzen zwischen den diversen Reha-Kliniken nicht ankommen. Die einseitige Zitierweise des Senats aus der amtlichen Begründung zu 40 Abs. 2 S. 2 SGB V leistet der Verschleierung dieser Tatsache Vorschub in Übereinstimmung mit den beiden Berufungssenaten. IV. Würdigung Solange das von Fachsenaten geprägte BSG nicht akzeptiert, dass das Wunsch- und Wahlrecht des 9 Abs. 1 SGB IX als Querschnittsrecht nicht in Konkurrenz zum Wirtschaftlichkeitsgebot steht, sondern als eine spezifische Ausformung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu sehen ist 26, und solange diese behauptete Konkurrenzbeziehung selbst das besondere Wunsch- und Wahlrecht des 40 Abs. 2 S. 2 SGB V zu überlagern scheint, solange ist nicht darauf zu hoffen, dass die Betroffenen zu ihrem Recht gelangen werden. Andererseits spiegelt dieses Dilemma das Elend des Reha-Gesetzgebers wider, sich hinter tausend Formulierungskompromissen verstecken zu müssen, um gegen die Haushälter wenigstens einen realisieren zu können. Davon hat niemand etwas die Betroffenen nicht, die Reha-Träger nicht, und nicht die Leistungserbringer. Ihre Meinung zu diesem Diskussionsbeitrag ist von großem Interesse für uns. Wir freuen uns auf Ihren Beitrag. 25 Warum nicht auch denen der Renten- oder Unfallversicherung? Die Gründe dafür sind nicht ersichtlich. 26 Eingehend hierzu: Fuhrmann/Heine 2009, S. 517 ff.