Woche der Gesundheitswirtschaft 27.06.2012 Systemisches Projektmanagement zur Einführung neuer Konzepte in Gesundheitseinrichtungen Erfahrungen aus dem PIA- und dem Demenz-Label Label-Projekt Manfred Borutta (MScN( MScN) Amt für f r Altenarbeit StädteRegion Aachen 1 Agenda: Können Organisationen lernen? Projektmanagement als Irritation Beispiele vernetzter Projekte: Demenz-Label in der StädteRegion Aachen Pflegeinnovation in der Gesundheitsregion Aachen (PIA) Was braucht es an Organisationskompetenz? 2
Die Pflegewissenschaftlerin Doris Schaeffer zur Diskrepanz zwischen Pflegewissenschaft und Pflege: landauf landab die Klage zu hören ist, dass neues Wissen an der Pflegepraxis abprallt und ergo nicht aufgegriffen wird. ( ) Seit vor ungefähr einem Jahrzehnt begonnen wurde, mit großer zeitlicher Verzögerung auch in Deutschland Pflegewissenschaft zu etablieren, wurde in kürzester Zeit eine Fülle neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer Konzepte erarbeitet, die jedoch keineswegs so ihren Weg in die Praxis finden, wie einst erhofft. (Schaeffer 2008). 3 Können Organisationen (des Gesundheitswesens) lernen? 4
Organisationen können nur selbst lernen, aber sie lernen nicht immer von selbst. (James G. March) 5 Lernen stellt einen destabilisierenden und damit konfliktären Prozess der Abweichungsverstärkung dar. Der Ausgang dieses Prozesses ist ungewiss. Dreischrittiger Prozess: Destabilisierung durch interne oder externe Anlässe Selektion (Auswahl neuer Routinen) Restabilisierung (Etablierung neuer Routinen) Abweichungsverstärkung passiert durch: das Verlernen von Reaktionen + Routinen das Erlernen neuer Reaktionen + Routinen Wissen kann Lernen verhindern, Lernen kann Wissen zerstören (F.B. Simon) 6
Die Schimäre des Wissenstransfers Wissenstransfer stellt ein Trugbild dar: Es wird nichts transferiert Es gibt keinen Sender, keinen Empfänger Aus einem Datum wird nicht automatisch eine Information Aus einer Information wird noch lange kein Wissen Wissen lässt sich nicht von außen in die Organisation transferieren Beispiel Expertenstandards 7 Studienergebnisse zum Grad der Implementierung der Anforderungen aus den Expertenstandards: Sturzprophylaxe: Gefährdender Status bei 50% der ambulanten Dienste (n = 102) und bei 40% der stationären Einrichtungen (n = 205) Dekubitusprophylaxe: Gefährdender Status bei 81% der ambulanten Dienste und bei 68% der stationären Einrichtungen (MDS Rheinland-Pfalz 2008) Keine Ursachenklärung bei Stürzen: Bei 20% der ambulanten und bei 14% der stationären Einrichtungen bundesweit (2. Bericht des MDS nach 118 Abs. 4 SGB XI, 2007) 8
Wirksamkeit der Umsetzung von Expertenstandards (DNEbM): Eine deutliche Überlegenheit der Anwendung des Nationalen Expertenstandards Dekubituspropylaxe gegenüber anderen (Wissens-) Quellen kann nicht gezeigt werden. (Wilborn, Halfen, Dassen, Tannen 2010) Aus wissenschaftlicher Sicht sind Expertenstandards anachronistische Schriften, Relikte aus einem frühen Leitlinienentwicklungszeitalter. Ihr Nutzen für die Pflegepraxis ist völlig unklar. In Anbetracht der methodischen Mängel ist es völlig unverständlich, warum sie wie heilige Schriften gehandelt werden. (Meyer u. Köpke 2006) 9 Projektmanagement als Irritation 10
Definition (nach Heintel/Krainz) PM in Organisationen stellt eine spezielle Führungsstrategie dar, um den jeweiligen Bedarf der Organisation an speziellen Entwicklungsprozessen oder Problemlösungsprozessen sicher zu stellen. eine Möglichkeit dar, gezielt auf neue Anforderungen oder Probleme in der Organisation einzugehen, die sich mit den vorhandenen systemimmanenten Strukturen der Hierarchie nicht lösen lassen. 11 Zum Widerspruch von Organisation und Projekt PM ist ein gravierender Eingriff in die Organisation, liegt prinzipiell quer zur Organisation und ist für diese insgesamt schwer zu verkraften! (Heintel/Krainz) und dennoch kann es gelingen! 12
Beispiel: Demenz-Label für f r stationäre Pflegeeinrichtungen in der StädteRegion Aachen 13 Innovationsmanagement in der Pflege Beispiel: Projekt Demenz-Label Antrag der Kreistagsmehrheit (CDU/Grüne) vom 05.11.2007: Weiterentwicklung des INTEGRA-Projekts im Kreis Aachen (www.integra-altenpflege.de) Einstimmige Beschlüsse: Seniorenbeirat 20.11.07 Ausschuss f. Soziales, Gesundheit u. Senioren 28.11.07 Kreisausschuss 03.04.08 Auftrag an das Amt für Altenarbeit: Projektrealisierung bis Ende 2010 14
Demenz-Label in der StädteRegion Aachen Anlässe für f r das Projekt Demenz-Label Theorie- und Kritiklosigkeit im Umgang mit QM-Ansätzen (DIN EN ISO, TQM, EFQM etc.) in der Pflege (Vgl.: H. Friesacher 2009, Gebert & Kneubühler, 2001, G. Roth, 2007) Schlechtere Ergebnisse der zertifizierten Einrichtungen in kernpflegerischen Bereichen: Ernährung und Flüssigkeitsversorgung Dekubitusprophylaxe Inkontinenzversorgung (2. MDS-Bericht 2007, S. 76 ff) Keine spezifischen Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Personals in den meisten QM-Systemen (WIdO der AOK, 2004, S. 151) Fatale Ergebnisse in der Nachhaltigkeit bei TQM/EFQM u.a. QM- Systemen in Wirtschaftsunternehmen (S. Kühl 2000:144) 15 Demenz-Label in der StädteRegion Aachen QM in Pflegeeinrichtungen eine Als-ob-Intervention. QM- Intervention..die an der therapeutischen Wirklichkeit und am Pflegealltag vorbei läuft? 16
Projektstruktur Projekt Demenz-Label Projektmanagement: Amt für Altenarbeit (A 54.1: M. Borutta und U. Lenzen) Wissenschaftlicher Beirat: Dr. P. Fuchs-Frohnhofen Frohnhofen, U. Jodes-Laßner, Dr. K.M. Perrar, C. Riesner (MScN) u.a.. (DIP; KatHO Köln) Label-Team: W. Jansen,G.. Palm, S. Saßen, M. Borutta u.a. 3 Auditteams a 4 Personen 6 Kooperationseinrichtungen 2 Pretest- Einrichtungen Label-Moderatoren Qualitätskoordinatoren (fakultativ) Projekteinrichtungen: AGO (Eschweiler) Alten- und Pflegeheim St. Antonius (Würselen) SWH Am Bockreiter (Herzogenrath) SWS Lambertz (Monschau) SZ Maria-Hilf Hilf-Stift (Monschau) SBZ Kreis AC (Eschweiler) 17 Demenz-Label im Regelbetrieb der SR Aachen: www.pflege-regio-aachen.de/demenz-label Ansprechpartnerin: Anika Kaun (Tel.: 0241 5198-5428) 18
Aussagen des DIP-Gutachtens zum Demenz-Label in der Gesundheitsregion Aachen: Das Demenz-Label wurde im Gegensatz zur PTVS des MDS über einen langen Zeitraum hinweg theoriegeleitet entwickelt. Das Demenz Label ermöglicht eine umfassende und aussagekräftige Beurteilung der Pflege und Betreuung demenzerkrankter Menschen. Dies ist im Rahmen der zehn demenzspezifischen Kriterien der PTVS nicht möglich. Der gesamte Demenz-Label-Prozess ist eine innovative Möglichkeit, die Pflege und Betreuung demenzerkrankter Menschen in stationären Einrichtungen zu verbessern. 19 Beispiel: Pflegeinnovationen in der Gesundheitsregion Aachen (PIA) 20
e für Pflegeeinrichtungen PIA - Pflege Innovationen in der Gesundheits-Region Aachen Voraussichtlicher Projektstart: 01.05.2009 Projektstart: 01.05.2009 Regionaler Beirat: Einzelprojekte in den Modell -Einrichtungen Wirtschaftsförderungen, Krankenkassen, Vertreter Krankenhäuser Krankenhäuser Stationäre Altenpflege Ambulante Ambulante Pflegedienste von Pflege- und Gesundheitskonferenzen Haus Berg Brachelen Ambulanter Pflegedienst Marienhospital Medizinisches Zentrum Aachen Haus Berg Brachelen Stiftung EVA Gemünd Würselen Kreiskrankenhaus Senioren - und Pflege - Ambulanter Pflegedienst Marienhospital Aachen Mechernich zentrum Stiftung EVA Gemünd St. Antonius Würselen Ambulante Alten - und Krankenpflege Caritasverband Düren-Jülich Kreiskrankenhaus Mechernich Papst-Johannes-Stift Aachen Ambulante Alten - und Krankenpflege Caritasverband Düren-Jülich Krankenhaus Papst-Johannes-Stift Aachen N.N. Weiterbildung: AK Synergien und einrichtungs - Erfahrungsaustausch: spezifisch und Pflegeinnovativ: einrichtungs - übergreifend über 3 übergreifend Einrichtungsformen Projektpartner: IAT Expert /innen aus MA&T Pflegewissenschaft Amt für Altenarbeit und Praxis des Kreis Aachen Facharbeitskreis 1: Facharbeitskreis 2: Facharbeitskreis 3: Pflege im Kranken- Stationäre Altenpflege Ambulante Pflege haus Weitere nicht geförderte Einrichtungen aus der Region Öffentlichkeitsarbeit Nachhaltigkeit Region Aachen Transfer NRW 21 21 Kreiskrankenhaus Mechernich Katholische Stiftung Marienhospital Aachen Medizinisches Zentrum Kreis Aachen ggmbh Haus Berg Hückelhoven, Einrichtungen St. Gereon Senioren und Pflegezentrum St. Antonius Würselen Papst-Johannes-Stift Aachen Ambulanter Dienst der Stiftung Evangelisches Alten- und Pflegeheim Gemünd Visitatis GmbH Aachen Fauna e.v. Aachen Amb. Dienst Alten- und Pflegezentrum des Caritasverbandes Düren-Jülich St. Hildegard 22
Ausgangsfragen in der WB Innovationsmanagement: Wie gelingt es Organisationen und ihrem Personal für relevante Änderungen die nötige Offenheit zu entwickeln, um dem Neuen Wirkung zu verleihen? Welche Fähigkeiten müssen hierzu auf der Ebene der Organisation und auf der Ebene des Personals entwickelt und vorgehalten werden? Welche Kontexte und Methoden erleichtern es, geforderte wie freiwillig betriebene Erneuerungen erfolgreich umzusetzen? 23 Weiterbildung Innovationsmanagement in der Pflege Zeitlicher Rahmen der Weiterbildung Innovationsmanagement in der Pflege : Zeitraum: 13.04.2010 18.11.2010 Theorieanteil: 76 Ustd. Projektanteil: 64 Std. Insgesamt: 140 zertifizierte Stunden 24
e für Pflegeeinrichtungen Nachhaltigkeit im PIA-Projekt Das Amt für Altenarbeit der StädteRegion Aachen verantwortet den Aufbau von Nachhaltigkeitselementen aus den Projektergebnissen für die Region Aachen: Verankerung in Pflege- und Gesundheitskonferenzen, Aufnahme von Projektelementen in das eigene Weiterbildungsund Beratungsangebot der Fobi beim Amt für Altenarbeit, Einbindung des Projekts in strategische Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Gesundheitsregion Aachen. Die Kommunikation von Projektergebnissen in andere Regionen in NRW wird u. a. durch Kontakte zum Management der Gesundheitsregionen in NRW unterstützt. 27 Organisationskompetenz und Lernfähigkeit 28
Organisationskompetenz ist stets eine Frage von Umweltsensibilität und der Reflexion innerer Strukturen im Hinblick auf funktionale bzw. dysfunktionale Routinen Die Kompetenz der Organisation zeigt sich im Umgang mit Lernen und Nicht-Lernen Enttäuschungsbereitschaft ( Lass Dich überraschen ) Immunisierung ( Ich will so bleiben wie ich bin ) 29 Vom individuellen zum organisationalen Lernen 3. Institutionalisierung von Zukunftslernen Dauerhafte Etablierung von Wandlungsbereitschaft und fähigkeit in der Organisation 2. Lernen als Veränderung von Organisationsregeln Ver-Lernen von bisher vertrauten und akzeptierten Spielregeln und Lernen neuer Spielregeln 1. Klassische Fort- und Weiterbildung von Mitarbeiter/innen Herumwerkeln am Menschen (H. W. Gärtner) 30
Voraussetzungen zur Überwindung von Lernhemmnissen in Pflegeorganisationen: Qualifikationserfordernisse bei den Trägern, im Management und an der Basis Es braucht Köpfe am Kopf der Organisation Pflege als arbeitsmarktpolitischer Steinbruch oder als zukunftsfähige attraktive Profession (mit entsprechenden Aufstiegschancen)? Wissensgenerierende Interaktionsräume (communities of practice): Wo wird personales Wissen wie in der Organisation kommuniziert? Grenzübergreifende Netzwerke statt Modell Platon sche Höhle? Wer darf die Höhle verlassen? Wie und durch wen lässt sich die Pflegeeinrichtung beobachten? Wer verfügt über die Legitimation und über die nötige Qualifikation zur Mitarbeit in organisationsübergreifenden Netzwerken? 31 Vorraussetzungen für organisationale Lernfähigkeit Kognitive Komplexität Formelle und materielle Qualifikation der Mitarbeiter Schaffung von Interaktionsräumen (community of practice) boundary-rolepersons (BPR) Netzwerker im Auftrag der Organisation Organisationale Erfordernisse Kontinuierliche Gewährleistung von personenbezogener Fort- und Weiterbildung Organisationsinterne und übergreifende Reflexionsräume: Fallarbeit/ Supervision Thematische Teams Einbezug von Mitarbeiter/innen in regionale und überregionale Netzwerke 32
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Weitere Informationen zu den Projekten: www.pflege-regio-aachen.de www.pia-pflege.de 33