Teil 3: Das WTO/GATT-System. 9. Grundprinzipien des TRIPS



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Transkript:

Teil 3: Das WTO/GATT-System 9. Grundprinzipien des TRIPS I. Allgemeine Einführung II. Das TRIPS-Abkommen: Aufbau, Ziele und Grundprinzipien 1. Die materiellen Schutzstandards im Allgemeinen 2. Die spezifischen Schutzrechte im Einzelnen a) Urheberrechte b) Marken und gewerbliche Schutzrechte c) Patente III. Die materiellen Schutzstandards IV. Verfahrensbestimmungen zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum V. Das Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie (ACTA) VI. Sonderproblem: Pharmazeutische Erzeugnisse, insbesondere Medikamente zur Bekämpfung von HIV/AIDS I. Allgemeine Einführung Das TRIPS (Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights) enthält Vorschriften zum Schutz von Immaterialgüterrechten. Hierunter sind gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte zu verstehen. Der Schutz dieser Rechte im internationalen Handel ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil Originalprodukte in Staaten, in denen es keine Vorschriften zum Schutz geistiger Eigentumsrechte gibt, keine Wettbewerbschancen gegenüber Fälschungen haben. Aus diesem Grund werden auch Investitionen in diese Staaten von den jeweiligen Unternehmen nur sehr zögerlich vorgenommen. Schließlich kommen Schutzrechten auch protektionistische Wirkungen zu, dies geschieht zum Beispiel durch Importverbote in Staaten mit geringem oder fehlendem Schutzniveau für geistige Eigentumsrechte. Allerdings besteht für die Staaten mit hohem Schutzniveau die Möglichkeit, durch unilaterale Handelsinstrumente dem Schutzgefälle Rechnung zu tragen. Sinn und Zweck des TRIPS ist damit die weltweite Verstärkung und Harmonisierung des Schutzes des geistigen Eigentums. Die Vorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums aus den nationalen Rechtsordnungen unterliegen dem Territorialitätsprinzip, daher beziehen sie sich nur auf das Staatsgebiet selbst; 1

zudem gibt es auf völkergewohnheitsrechtlicher Ebene keine Pflicht zur Anerkennung von entsprechenden Schutzrechten. Dies hat zur Konsequenz, dass die Nachahmung eines Werkes im Ausland dann legal erfolgen kann, wenn dies im Einklang mit der innerstaatlichen Rechtsordnung steht. Um auf globaler Ebene ein einheitliches Schutzniveau für die Rechte am geistigen Eigentum zu kreieren, wurde die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) erschaffen, die verschiedene Verträge, die auf universeller Ebene zum Schutz geistiger Eigentumsrechte implementiert worden sind, verwaltet. Diese enthalten allerdings sämtlich weder Verfahren zur Streitschlichtung oder Durchsetzung der in ihnen gewährleisteten Rechte, weshalb die Industrienationen auf eine Einbeziehung des geistigen Eigentums in das GATT bzw. WTO-Systems bestanden 1. Auch bei der Frage des Schutzes des geistigen Eigentums waren die Verhandlungen von den gegensätzlichen Interessen der Industrienationen und der Entwicklungsländer geprägt. Ein Konsens konnte letztlich vor allem deswegen erzielt werden, weil sich beide Seiten einen ausgewogenen Interessenausgleich durch den Abschluss eines multilateralen Abkommens erhofften. II. Das TRIPS-Abkommen: Aufbau, Ziele und Grundprinzipien Das Ergebnis dieser Verhandlungen ist das TRIPS-Abkommen, welches allgemeine Prinzipien, Vorschriften zur Streitbeilegung und zur Rechtsdurchsetzung enthält. Den Kern des Abkommens bilden die Bestimmungen, die Definitionen und Festlegungen über den Umfang der einzelnen Eigentumsrechte enthalten. Die Anwendbarkeit des TRIPS ist eröffnet, wenn eines der im Abkommen genannten Schutzrechte berührt ist. Diese sind in Art. 1.2 TRIPS-Abkommen genannt und umfassen: - Urheberrechte und verwandte Schutzrechte, - Marken, - Geographische Angaben, - Patente, - Layout-Designs integrierter Schaltkreise, - Schutz von Geschäftsgeheimnissen, - Gewerbliche Modelle und Muster. Das TRIPS umfasst damit wie sich aus Art. 1.2 ivm den Abschnitten 1 7 des Teil II ergibt einen sehr weiten Bereich, ausgenommen ist allerdings der Sortenschutz. 1 Führend waren vor allem die US-amerikanischen Pharmazie- und Medienindustrie, die eine Ausweitung und Verbesserung des Schutzes von Urheber- und Patentrechten auf universeller Ebene forderten. 2

Aus der Präambel des Übereinkommens 2 und Art. 7 desselben gehen die Zielvorgaben des TRIPS hervor; deutlich wird dabei auch das Spannungsverhältnis zwischen dem internationalen Handel und dem Schutz geistigen Eigentums. Das Abkommen zielt demnach darauf ab, einerseits ein erhöhtes Schutzniveau von geistigen Eigentumsrechten auf universeller Ebene herbeizuführen, andererseits sollen die Vorschriften zum Schutz der geistigen Eigentumsrechte keine Handelshemmnisse erschaffen und insofern protektionistisch wirken. Dieses Ausgleichsbestreben markiert den entscheidenden Unterschied zu den übrigen Abkommen im System des Welthandelsrechts, die allein auf die Liberalisierung der jeweiligen Handelsfelder abzielen. Eine weitere Besonderheit des Abkommens ist die Inkorporation bestehender Übereinkünfte über geistiges Eigentum 3, die sich aus Art. 2 und Art. 9 TRIPS ergibt 4. Das TRIPS enthält ebenso wie das GATT und das GATS die Grundprinzipien der Inländerbehandlung nach Art. 3 und der Meistbegünstigung nach Art. 4. Von beiden Prinzipien sind Ausnahmen möglich; insbesondere für die Inländergleichbehandlung finden die Vorschriften der einschlägigen Abkommen Anwendung. Die Errichtung eines gemeinsamen Mindeststandards wird nicht angestrebt, da das Abkommen gerade keine Verpflichtung zur Einführung von Schutzrechten in die nationalen Rechtsordnungen enthält. Gemäß Art. 1.1TRIPS hat der mit ihm bezweckte Schutz des geistigen Eigentums bloßen Mindestcharakter, d. h. weitergehender Schutz ist erwünscht. Die Ziele des TRIPS werden zum einen durch Verweisung auf diese einschlägigen Abkommen, zum anderen durch besondere Sachbestimmungen (Teil II, III und IV des TRIPS) verfolgt; dabei ist zu beachten, dass das in der Praxis sehr wichtige Problem der Erschöpfung von Rechten (danach können Inhaber von Rechten an geistigem Eigentum diese nicht geltend machen, um den Verkehr von Erzeugnissen zu kontrollieren, die sie selbst in den Verkehr gebracht haben oder die mit ihrer Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden) in diesen besonderen Sachbestimmungen nicht behandelt wird. 2 (...) Von dem Wunsch geleitet, Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels zu verringern, und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, einen wirksamen und angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zu fördern sowie sicherzustellen, dass die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden, (...). 3 Z. B. Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst usw. 4 Diese Inkorporation führt zu einer Einschränkung der Autonomie des Welthandelsrechts, da auch die WTO- Mitglieder, die den von der WIPO verwalteten Abkommen nicht beigetreten sind, durch das TRIPS an diese Abkommen gebunden werden. 3

Teil I des TRIPS (Art. 1-8) enthält die allgemeinen Bestimmungen und Grundsätze; Teil II (Art. 9-40) legt die Normen über Verfügbarkeit, Umfang und Ausübung der Rechte an geistigem Eigentum fest; Teil III (Art. 41-61) behandelt die Durchsetzung dieser Rechte; Teil IV (Art. 62) regelt die Verfahren zum Erwerb und zur Aufrechterhaltung der Rechte am geistigen Eigentum und Teil V (Art. 63 und 64) die Beilegung von Streitigkeiten; im Teil IV (Art. 65-67) finden sich Übergangsbestimmungen und in Teil VII (Art. 68-73) die institutionellen Vereinbarungen und Schlussbestimmungen. III. Die materiellen Schutzstandards 1. Die materiellen Schutzstandards im Allgemeinen Wie oben bereits dargelegt, enthält das TRIPS Abkommen in seinem Teil II die Festsetzung über Mindeststandards, die sich auf das Schutzniveau für die geistigen Eigentumsrechte beziehen. Durch die Festschreibung dieser Mindeststandards führt das Abkommen zu einer Harmonisierung der Schutzstandards für Immaterialgüterrechte auf universeller multilateraler Ebene, die dem Niveau der Industrienationen weitestgehend entspricht. 2. Die spezifischen Schutzrechte im Einzelnen a) Urheberrechte Diese Gruppe der Immaterialgüterrechte bezieht sich auf alle Erzeugnisse, die auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst entstehen. Für Urheberrechte und verwandte Schutzrechte gilt, dass sich ihr Schutz nach Art. 9.2 auf Ausdrucksformen, nicht aber auf Ideen erstreckt und gemäß Art. 12 auf grundsätzlich 50 Jahre beschränkt ist. Computerprogramme werden in Art. 10 als Werke der Literatur nach der Berner Übereinkunft geschützt; dies stellt eine Erweiterung dar. In Art. 14 werden umfassend die Rechte der ausübenden Künstler sowie der Hersteller von Tonträgern geschützt. Den Urhebern von Computerprogrammen ist ein Recht zur Vermietung zu gewähren; für Filmwerke gilt dies nur eingeschränkt (bei erheblicher Beeinträchtigung des Rechts auf Vervielfältigung durch Gefahr unerlaubter Kopien). b) Marken und gewerbliche Schutzrechte Unter einer Marke ist ein Zeichen oder eine Zeichenkombination zu verstehen, aus der sich eine Unterscheidung einer Ware oder Dienstleistung zu einer ähnlichen Ware oder Dienstleistung einer anderen Unternehmens ergibt. Das TRIPS statuiert zunächst die Pflicht für alle Mitglieder der WTO, auf innerstaatlicher Ebene die Eintragungsfähigkeit von Marken sicherzustellen; Beschränkungen sind allerdings möglich. Die Eintragung gewährt dann das 4

ausschließliche Recht zur Verwendung der Marke für eine Laufzeit von mindestens sieben Jahren. Hinsichtlich des gewerblichen Eigentums finden sich Regelungen für Marken (Trademarks), Geographische Angaben (geographical indications), Gewerbliche Muster (industrial design), Patente (patents), Layout-Designs integrierter Schaltkreise (layout-designs of integrated circuits), Schutz vertraulicher technischer Informationen (protection of undisclosed information) und zur Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken in vertraglichen Lizenzen (control of anti-competitive practices in contractual licences). Hingewiesen sei auf folgende Regeln: Markenschutz ist sowohl bezüglich Waren als auch Dienstleistungen zu gewähren; in Art. 15.1 und 16.1 TRIPS werden die markenfähigen Zeichen und die Rechte aus der Marke festgelegt. Die Eintragungsfähigkeit einer Marke kann von ihrer Benutzung abhängig gemacht werden, nicht jedoch der Antrag auf Eintragung. Gemäß Art. 18 beträgt die Mindestlaufzeit der Eintragung sieben Jahren; sie kann jedoch unbeschränkt verlängert werden. Eine Verpflichtung zur Gewährung von Zwangslizenzen ist ausgeschlossen. c) Patente Ein Patent ist ein Schutzrecht für technische Erfindungen; nach Art. 27.1 TRIPS sind daher alle Erfindungen auf dem Gebiet der Technik und denen eine gewerbliche Nutzbarkeit zukommt. Bezüglich der Regelungen betreffend Patente ist auf Art. 27 hinzuweisen (Patentfähigkeit): Jede Erfindung (Erzeugnis oder Verfahren) muss ohne Diskriminierung aufgrund des Gebietes der Technik Gegenstand eines Patents sein können. Den Entwicklungsländern wird in Art. 65.4 jedoch das Recht zuerkannt, den Schutz auf Patente für Waren auf Gebiete der Technik auszudehnen, auf denen die Patentfähigkeit ausgeschlossen ist, bis zu fünf Jahre auszusetzen. In Art. 28 werden die üblichen Rechte aus dem Patent festgelegt, die nach Art. 33 mindestens 20 Jahre gelten müssen. Zwangslizenzen dürfen nur unter Beachtung des Art. 31 verfügt werden. IV. Verfahrensbestimmungen zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum Der effektivste Schutz der genannten Rechte bedarf naturgemäß entsprechender Verfahren zu ihrer Durchsetzung; diese sind in Teil III aufgeführt und nach Art. 41.1 verbindlich. Weiterhin sind gerade die Vorschriften des TRIPS in diesem Abschnitt umfassend und detailliert geregelt. Diese Verfahren umfassen zum einen Maßnahmen, deren Erlass Inhaber von Rechten an geistigem Eigentum von den Justiz-, Verwaltungs- und Zollbehörden verlangen können müssen (Abhilfemaßnahmen), und zum anderen Mindestanforderungen für solche Verfahren (Verfahrensgarantien). Grundsätzlich geht aus den Verfahrensvorschriften hervor, 5

dass sich aus der Durchsetzung keine Handelshemmnisse ergeben sollen. Zudem müssen die Verfahren rechtsstaatlichen Anforderungen genügen; dies beinhaltet vor allem die Gewährung rechtlichen Gehörs und die Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen und unterinstanzlichen Urteilen. Bezüglich der Verfahrensgarantien wird in Art. 41.2 bestimmt, dass die Verfahren gerecht und billig (fair and equitable) sein müssen; dazu gehören u. a. Zugang zu entsprechenden Zivil- und anderen Verfahren, Recht auf Prozessvertretung, Einsicht in Beweismittel, Recht auf schriftlich abgefasste Entscheidungen und auf ein Rechtsmittel. Zu den Abhilfemaßnahmen gehören Maßnahmen zur Beendigung oder Bekämpfung von Verletzungen von Rechten (Einstellungsanordnung, Entschädigung, Einziehung bzw. Vernichtung der nachgeahmten Gegenstände, Strafen) sowie zur Verhinderung solcher Verletzungen (einstweilige Maßnahmen, Aussetzung und Überlassung). Auch einstweilige Maßnahmen zur Verhinderung einer Verletzung sind im TRIPS vorgesehen. V. Das Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie(ACTA) Das multilaterale Handelsabkommen wird seit 2007 zwischen der EU, den USA, Kanada, der Schweiz, Japan, Korea, Singapur, Australien, Neuseeland, Mexiko, Jordanien, Marokko und den Vereinigten Arabischen Emiraten unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Im Oktober 2010 war in der Schlussrunde in Tokio bereits eine breite Übereinstimmung bei den wesentlichen Themen gefunden worden. Der fertige Text wurde am 15. November 2010 veröffentlicht 5 und durchläuft die vor der Unterzeichnung nötigen Verfahren wie zum Beispiel Anhörungen. Mit dem ACTA soll ein umfassender internationaler Rahmen zur Unterstützung der Vertragsparteien bei ihren Bemühungen um ein wirksames Vorgehen gegen Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums geschaffen werden. Bekämpft werden sollen insbesondere Nachahmung und Piraterie, die den Handel und eine nachhaltige Entwicklung der Weltwirtschaft untergraben. Das ACTA umfasst Bestimmungen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, darunter Bestimmungen zu zivil- und strafrechtlichen Maßnahmen, Zollmaßnahmen, Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung in einer digitalen Umgebung, Kooperationsmechanismen zwischen den ACTA-Vertragsparteien zur gegenseitigen Unterstützung bei der Durchsetzung sowie die Zusammenstellung bewährter Praktiken zur wirksamen Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. 5 Einsehbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2010/november/tradoc_147002.pdf. 6

Allerdings besteht seit Beginn der Verhandlungen der Verdacht, ACTA regele weit mehr als nur die Fälschung von Markenprodukten. Es wird als Instrument dafür gesehen, die etablierten Verfahren bei der WIPO und der WTO auszuhebeln. Befürchtet wird, dass das Vertragswerk weit über den bisherigen europäischen Rechtsrahmen hinsichtlich der Haftung von Internet Service Providern hinausgeht. Am 6. 1. 2012 haben 22 Vertreter von EU-Staaten und Vertreter der EU-Kommission in Tokio das ACTA-Abkommen (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) unterzeichnet. Von da an hing das Inkrafttreten des Abkommens in der EU von der Ratifizierung des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten ab. 6 Allerdings hat das Europäische Parlament am 4. 7. 2012 das Abkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie abgelehnt. 7 Das Ergebnis der Abstimmung des EU-Parlaments hat zur Folge, dass weder die Europäische Union noch einzelne Mitgliedstaaten dem Abkommen beitreten können. VI. Sonderproblem: Pharmazeutische Erzeugnisse, insbesondere Medikamente zur Bekämpfung von HIV/AIDS Die im Zusammenhang mit der Versorgung von HIV/AIDS-Patienten mit kostenintensiven antiretroviralen Medikamenten bestehende Problematik in den Entwicklungsländern stellt eine erhebliche Herausforderung für die internationale Gemeinschaft dar; dies wird auch durch eine kontrovers geführte Diskussion in der Öffentlichkeit deutlich. Vor diesem Hintergrund birgt der Schutz von diesen Medikamenten durch Patente durch das TRIPS besonderes Konfliktpotential, da die Patente zwangsläufig zu einer Verteuerung der Medikamente führen. Aus Sicht der Entwicklungsländer, die vor allem mit den sozialen und ökonomischen Folgen der HIV-Pandemie konfrontiert sind, sind lediglich zwei Wege gangbar, um eine Versorgung der Patienten herbeizuführen: Zum einen ist es denkbar, das durch ein Patent geschützte Medikament durch einen Parallelimport einzuführen. Die rechtliche Zulässigkeit des Parallelimports richtet sich dann nach den nationalen Patentgesetzen. Das TRIPS erkennt die Konformität nationaler Patentgesetze mit dem Abkommen selbst auch dann an, wenn diese die rechtliche Zulässigkeit von Parallelimporten über den Grundsatz der internationalen Erschöpfung begründen 8. Zum anderen besteht die Möglichkeit, sogenannte Zwangslizenzen einzuführen. Nach Art. 31 TRIPS ist die Ausstellung von Zwangslizenzen grundsätzlich erlaubt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, von denen eine das Erfordernis des Bestehens eines nationalen Notstandes ist. 6 EuZW 2012, 164, Pressemitt. v. 3. 2. 2012. 7 Vgl. becklink 1021189. 8 Dieser Grundsatz ist in den Rechtsordnungen der meisten Entwicklungsländer vorgesehen und begründet die rechtliche Zulässigkeit von Parallelimporten. 7

Weiterhin wird gefordert, dass der betreffende Staat nicht über hinreichende inländische Produktionskapazitäten verfüge. Die Doha-Erklärung beinhaltete in Absatz 6, dass die einzelnen Mitglieder selbst festlegen können, wann vom Vorliegen eines nationalen Notstandes auszugehen ist. Dieser Absatz wurde ergänzt durch die Erklärung des Allgemeinen Rates im Sommer 2003 9, wonach für Staaten ohne hinreichende Produktionskapazitäten eine generelle Ausnahme (waiver) von den Erfordernissen des Art. 31 TRIPS besteht. Diese kann allerdings nur unter sehr engen und aufwändigen formellen Voraussetzungen erteilt werden, so dass die Entwicklungsländer diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen. Eine weitere Änderung des TRIPS, die von den Mitgliedern beschlossen wurde und eine Vereinfachung der Modalitäten für die Ausnahmen enthält, ist noch nicht in Kraft getreten. 9 General Council, Implementation of Paragraph 6 of the Doha Declaration on the TRIPS Agreement and Public Health, Decision of 30 August 2003, WT/L/540. 8