Verbraucherinsolvenzverfahren. Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 16.12.2010 abschließend beraten und beschlossen:



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Vorab per . Oberste Finanzbehörden der Länder

Transkript:

Thomas Gehrke Verbraucherinsolvenzverfahren Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 16.12.2010 abschließend beraten und beschlossen: Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen worden ist. Begründung Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die Zeitdauer einer Verbraucherinsolvenz bis zur Restschuldbefreiung dem EU-Recht angepasst wird und sich damit massiv auf maximal 24 Monate verkürzt. Diese Regelung soll sich auch auf Personen beziehen, die sich schon in der Wohlverhaltensphase befinden. Zu diesem Thema liegt dem Petitionsausschuss eine weitere Eingabe gleichen Inhalts vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen parlamentarischen Beratung unterzogen wird. Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf alle vorgetragenen Aspekte individuell eingegangen werden kann. Darüber hinaus wurde beim Petitionsausschuss eine Unterschriftenliste mit 33 Unterschriften zur Unterstützung der Eingabe eingereicht. Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hätten, dass der EU-Bürger auswählen dürfe, wo er sein Verfahren durchlaufen dürfe. Hierzu wird auf den Beschluss des BGH vom 18.09.2001 (Az IX ZB 51/00) verwiesen. Während in Deutschland das Verfahren und die sich anschließende Wohlverhaltensphase etwa 7 Jahre dauerten, werde dieses Gesamtverfahren in Frankreich und England in 12 bis 24 Monaten abgewickelt. Danach sei der Bürger wieder handlungsfähig. Zu prüfen sei, ob Beratungspflichten verletzt werden, wenn weder Anwalt noch das Insolvenzgericht auf die Möglichkeit hinwiesen, dass eine Verbraucherinsolvenz auch nach EU-Recht abgewickelt werden könnte.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 769 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen 106 Diskussionsbeiträge ein. Das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung lässt sich unter Einbeziehung einer zu dem Vorbringen des Petenten eingeholten Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz wie folgt zusammenfassen: Gemäß 1 Satz 2 i. V. m. 286 der Insolvenzordnung (InsO) kann im deutschen Recht eine natürliche Person im Wege der gesetzlichen Restschuldbefreiung von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit werden. Die gesetzliche Restschuldbefreiung ist nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens möglich und sieht eine sechsjährige Wohlverhaltensperiode ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor ( 287 Abs. 2 Satz 1, 300 Abs. 1 InsO). Während dieser Phase hat der Schuldner eine Abtretung seiner pfändbaren Bezüge aus einem Dienstverhältnis zu erklären und die Obliegenheiten des 295 InsO einzuhalten. Danach ist der Schuldner insbesondere verpflichtet, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen. Auf europäischer Ebene gibt es keine einheitliche Regelung im Hinblick auf das System der gesetzlichen Restschuldbefreiung und dessen Voraussetzungen. Zwar kennen zahlreiche Rechtsordnungen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union ein Schuldenbereinigungs- oder Restschuldbefreiungsverfahren für natürliche Personen. Diese Verfahren sind jedoch hinsichtlich ihrer Dauer, ihrer Voraussetzungen und Wirkungen unterschiedlich ausgestaltet. Daher sind die Verfahren nur bedingt miteinander vergleichbar. Während sich die regelmäßige Dauer eines Schuldenbereinigungsverfahrens in England auf zwei Jahre, in Belgien, Frankreich und den Niederlanden auf drei Jahre und in Finnland, Schweden und Dänemark auf fünf Jahre beläuft, dauert es in Österreich sieben Jahre und in Irland 12 Jahre. Andere Staaten, wie beispielsweise Luxemburg, kennen kein Insolvenzverfahren für natürliche Personen und demgemäß auch keine Restschuldbefreiung. Entgegen dem deutschen Recht sieht etwa das englische Insolvenzverfahren für natürliche Personen eine maximale Dauer des Insolvenzverfahrens ( bankruptcy ) von zwölf Monaten vor, soweit der gerichtliche Insolvenzeröffnungsbeschluss am oder nach dem Stichtag des 1. April 2004 ergangen ist. Nach Abschluss des Insol-

venzverfahrens erfolgt eine Befreiung ( discharge ) von den bisherigen Verbindlichkeiten. Während des Insolvenzverfahrens eingeleitete Restriktionen bleiben jedoch bestehen; so werden gerichtliche Beschlüsse hinsichtlich einer Abgabepflicht des Einkommens ( income payment order ) bis zu einem Zeitraum von drei Jahren nach jeweiliger Beschlussfassung aufrecht erhalten. Ebenfalls fortgesetzt wird die Verwertung des Mobiliar- und Immobiliarvermögens des Schuldners. Insbesondere ist bei dem Verfahren des Vereinigten Königreichs zu berücksichtigen, dass dem Gericht die Befugnis eröffnet ist, die Erteilung der Restschuldbefreiung nach eigenem Ermessen aufzuschieben, wenn der Schuldner seinen Verpflichtungen im Insolvenzverfahren nicht vollumfänglich nachgekommen ist. Darüber hinaus kann das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen dem Schuldner für die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung für die Dauer von 2 bis zu 15 Jahren Restriktionen auferlegen. Allein die Verfahrensdauer ist somit kein Kriterium dafür, ob eine Entschuldung in einem Land leichter zu erlangen ist als in einem anderen. Während in Deutschland jede natürliche Person eine Befreiung von ihren Verbindlichkeiten erlangen kann, selbst wenn sie noch nicht einmal die Kosten für ein solches Verfahren aufbringen kann, wird eine Schuldbefreiung in einem englischen Konkursverfahren regelmäßig abgelehnt, wenn zu erwarten ist, dass die Durchführung des Konkurses zu keiner Vermögensverteilung führt, bzw. wenn auf Grund mangelnden Vermögens noch nicht einmal die Kosten des Verfahrens gedeckt werden können. Das französische Recht sieht, sofern verwertbares Einkommen vorhanden ist, eine Zwangssanierung des Schuldners bei grundsätzlich vollständiger Gläubigerbefriedung in einem Zeitraum von bis zu 10 Jahren vor. Das in diesem Verfahren dem Schuldner verbleibende pfändungsfreie Einkommen unterschreitet erheblich die in Deutschland geltenden Pfändungsfreigrenzen. Während in Deutschland eine Abführung von Einkommensanteilen an die Gläubiger erst ab einem Einkommen von 990,00 Euro erfolgt, liegt die Grenze in Frankreich bereits bei einem Einkommen von ca. 500,00 Euro. Die elsass-lothringische Gesetzgebung bietet gegenüber dem französischen Recht zwar ein auch dem Verbraucher offenstehendes Liquidationsverfahren mit einer Verfahrensdauer von 15 Monaten an, nicht erfasst von der dortigen Restschuldbefreiung sind jedoch insofern abweichend vom deutschen Recht alle höchstpersönlichen Forderungen gegen den Schuldner, wie z. B. alle Schadensersatzforderungen wegen körperlicher und immaterieller Schäden (Schmerzengeld).

Unterschiedlich sind nicht nur die Rechte und Pflichten des Schuldners in den einzelnen nationalen Schuldenbereinigungsverfahren ausgestaltet, auch die Wirkungen einer Schuldbefreiung lassen sich nicht vergleichen, da jeweils unterschiedliche Verbindlichkeiten von der Entschuldung erfasst werden. Insbesondere im angloamerikanischen Rechtskreis sind Steuerforderungen und Unterhaltsverpflichtungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen. An diesen Beispielen wird deutlich, dass ein Vergleich verschiedener nationaler Regime lediglich anhand der Verfahrensdauer nach Auffassung des Petitionsausschusses nicht zielführend ist. Insbesondere angesichts des umfassenden Charakters der gesetzlichen Restschuldbefreiung im deutschen Recht erscheint die Dauer der Wohlverhaltensperiode im europäischen Vergleich auch nicht unzumutbar lang. Um jedoch aus wirtschaftspolitischen Erwägungen einen schnelleren Neustart für insolvente Schuldner zu ermöglichen, ist im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode vorgesehen, die Dauer der Wohlverhaltensphase herabzusetzen. Entsprechende gesetzgeberische Vorarbeiten wurden bereits eingeleitet. Damit ist dem Anliegen wenigstens teilweise entsprochen worden. Soweit vorgetragen wird, dass sich eine etwaige Neuregelung der Dauer der Wohlverhaltensperiode auch auf Personen beziehen soll, bei denen diese Phase bereits begonnen hat, ist anzumerken, dass Gesetzesänderungen grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft erlassen werden sollen, weil die rückwirkende Verschlechterung einer erworbenen Rechtsposition gegen das in Artikel 20 Grundgesetz (GG) verankerte Rechtsstaatsprinzip verstoßen kann. Durch eine solche Rückwirkung würde hier u. U. in unzulässiger Weise in die Rechte der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Verfahren unmittelbar beteiligten Gläubiger eingegriffen werden. Auch könnten sich Probleme im Hinblick auf die im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage zustande gekommenen Schuldenbereinigungspläne ergeben. Eine Gesetzesänderung, die alle Altfälle, d. h. alle bereits begonnenen Restschuldbefreiungsverfahren, erfasst, erscheint insoweit aus verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich. Soweit unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH und des BGH kritisiert wird, dass auch seitens des Insolvenzgerichts nicht auf die Möglichkeit hingewiesen worden sei, dass eine Verbraucherinsolvenz auch nach EU-Recht erfolgen werden könne, bzw. dass sich ein EU-Bürger auswählen dürfe, wo er das Verfahren durchführen möchte, ist zusätzlich Folgendes anzumerken:

Zur leichteren Durchführung grenzüberschreitender Insolvenzverfahren wurde von dem Rat der Europäischen Union am 29. Mai 2000 die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) beschlossen. Gemäß Art. 3 EuInsVO sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Nach Erwägungsgrund 13 der EuInsVO soll der Ort als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist. Nach englischer höchstrichtlicher Rechtsprechung knüpft der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen eines Verbrauchers primär an den Hauptwohnsitz desselben zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Verfahrenseröffnung an (vgl. High Court of Justice London in ZVI 2008 S. 168 (170)). Bei Selbständigen und Gewerbetreibenden ist nach Auffassung des BGH vorrangig an den Ort anzuknüpfen, an dem der Schwerpunkt der wirtschaftlichen oder gewerblichen Tätigkeit des Schuldners liegt (vgl. Beschluss des BGH vom 17. September 2009 in ZInsO 2009 S. 1955). Auch auf europäischer Ebene zeichnet sich eine Tendenz einer entsprechenden Rechtsprechung ab (vgl. Urteil des EuGH vom 17. Januar 2006 C-1/04 (Staubitz- Schreiber) Rn. 23 ff. sowie Rn. 62, 64 der Meinung des Generalanwaltes Ruiz- Jarabo Colomer vom 6. September 2005 in C-1/04 (Staubitz-Schreiber)). Für das Insolvenzverfahren selbst gilt gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO das Insolvenzrecht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren eröffnet wurde. Dies bedeutet, dass die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und die Frage, welches Recht Anwendung findet, durch den europäischen Gesetzgeber abschließend geregelt wurden. Danach ist bei natürlichen Personen grundsätzlich das Gericht am Wohnsitz bzw. Geschäftssitz des Schuldners international zuständig. Das anschließende Insolvenzverfahren bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem es eröffnet wird. Insofern sieht das europäische Recht für die Bürger der Europäischen Union weder die Möglichkeit vor, sich den Mitgliedstaat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll, auszuwählen, noch können sie die Rechtsordnung, nach der es durchgeführt werden soll, bestimmen. Eine Auswahl des zuständigen Gerichts und des anwendbaren Rechts könnte allenfalls in der Weise erfolgen, dass der Schuldner vor der Eröffnung des Insol-

venzverfahrens seinen Wohnsitz tatsächlich dauerhaft in einen anderen Mitgliedstaat verlegt. Etwas Anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. September 2001 (Az. IX ZB 51/00). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die genannte Entscheidung einen anderen Regelungskontext betrifft und zum Teil durch das Inkrafttreten der EuInsVO am 31. Mai 2002 überholt ist. In dem vom BGH entschiedenen Rechtsstreit ging es im Wesentlichen um die Frage, ob die Wirkungen einer in Frankreich einem Deutschen erteilten Restschuldbefreiung gemäß Art. 102 EGInsO a F. auch im Inland anzuerkennen sind. In diesem Zusammenhang hatte sich das Gericht mit der Problematik zu befassen, ob und inwieweit eine Verlagerung des Wohnsitzes in einen anderen Staat zu dem Zweck, unter erleichterten Bedingungen von den Schulden befreit zu werden, rechtsmissbräuchlich ist und insofern einer Anerkennung der Entschuldungswirkung entgegensteht. Zwar lässt die Entscheidung die Tendenz erkennen, dass sich die Prüfung der Zuständigkeit ausländischer Gerichte im Rahmen der Anerkennung der Entschuldungswirkung eines Insolvenzverfahrens nach Art. 102 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGInsO a. F. i. V. m. 3 Abs. 1, 4 InsO, 13 ZPO grundsätzlich allein nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet, d. h. nach dem Wohnsitz des Schuldners. Es sei nicht danach zu fragen, ob eine rechtsmissbräuchliche Erschleichung eines Gerichtsstandes vorliegt. Allerdings beziehen sich die Ausführungen des BGH auf die Anerkennung der Wirkungen eines bereits in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Konkursverfahrens nach Maßgabe des Art. 102 Abs. 1 Satz 2 EGInsO a. F.. Diese Vorschrift wurde zwischenzeitlich geändert. Die Anerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der EU sowie sonstiger Entscheidungen des Insolvenzgerichts ist nunmehr in Art. 16, 17, 25 und 26 EuInsVO geregelt. Die Entscheidung enthält des Weiteren keine Aussage darüber, ob durch das Gericht, bei dem der Antrag auf Verfahrenseröffnung gestellt wurde, im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit für die Eröffnung eines Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens gemäß Art. 3 EuInsVO der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat zu berücksichtigen ist.

In diesem Zusammenhang ist jedoch der Erwägungsgrund 4 der EuInsVO zu beachten. Danach ist ein Hauptziel der EuInsVO, die Unterbindung der Verlagerung von Vermögensgegenständen oder Rechtsstreitigkeiten in einen anderen Mitgliedsstaat, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung anzustreben (sog. forum shopping ). Aus den genannten Gründen kann der Petitionsausschuss das Anliegen im Wesentlichen nicht unterstützen. Er empfiehlt deshalb, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen teilweise entsprochen worden ist.