Faktenpapier Strompreise in Deutschland

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Transkript:

Faktenpapier Strompreise in Deutschland Bestandteile Entwicklungen Strategien IHK-Jahresthema 2012 energie und rohstoffe für morgen Deutscher Industrie- und Handelskammertag

Berlin, im November 2012 Ansprechpartner: Dr. Sebastian Bolay, bolay.sebastian@dihk.de, 030/20308-2202 Corinna Grajetzky, grajetzky.corinna@dihk.de, 0032 2 286-1635 Dr. Hermann Hüwels, huewels.hermann@dihk.de, 030/20308-2200 Dr. Kathrin Andrae, andrae.kathrin@dihk.de, 030/20308-2605 Dr. Susanne Lechner, lechner.susanne@dihk.de, 0032 2 286-1661

INHALTSVERZEICHNIS 1 STROMVERBRAUCH UND STROMEINSATZ IN DEUTSCHLAND 2 2 STROMPREISBESTANDTEILE UND SONDERREGELUNGEN 4 2.1 GRÜNDE FÜR UNTERSCHIEDLICHE INDUSTRIESTROMPREISE 5 2.2 ERZEUGUNG: PREISBILDUNG AN DER STROMBÖRSE EEX 6 2.3 NETZENTGELTE 10 2.4 19-UMLAGE (NETZENTGELTREDUZIERUNG UND -BEFREIUNG) 13 2.5 UMLAGE HAFTUNGSREGELUNG OFFSHORE-WINDPARKS 16 2.6 STROMSTEUER 16 2.7 KONZESSIONSABGABE 19 2.8 KWK-AUFSCHLAG 20 2.9 EEG-UMLAGE 21 2.10 SCHWELLENWERTE DER SONDERREGELUNGEN AB 2013 26 3 KOSTENBELASTUNG DURCH STEUERN, STAATLICHE ABGABEN UND KLIMASCHUTZINSTRUMENTE 27 4 STROMPREISE IN EUROPA UND WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT 30 5 WAS SOLLTE DER STAAT TUN? 34 6 WAS KÖNNEN UNTERNEHMEN TUN? 36 1

1 Stromverbrauch und Stromeinsatz in Deutschland Die Debatte über steigende Strompreise ist in vollem Gange. Beinahe täglich wird in der Presse über verkündete oder zu erwartende Preiserhöhungen berichtet. Das verunsichert die Wirtschaft, die auf eine bezahlbare Stromrechnung angewiesen ist. Jede Strompreiserhöhung ist für Unternehmen Anlass, sich die einzelnen Positionen der Stromrechnung genauer anzusehen: Worin liegen die Ursachen für Preissteigerungen? Wie wird sich der Strompreis weiter entwickeln? Was kann die Politik tun, um die Strompreise zu senken oder zumindest ihre Steigerung zu dämpfen? Und: Was können Unternehmen selbst tun, um die Stromrechnung zu senken? Das ist eine Auswahl an Fragen, die sich unmittelbar stellen. Mit dem Faktenpapier Strompreise in Deutschland wollen wir Antworten auf diese Fragen geben und im Rahmen des Möglichen für mehr Transparenz in der Strompreisdebatte sorgen. Abbildung 1: Stromverbrauch nach Sektoren Quelle: Eigene Darstellung, Zahlen AG Energiebilanzen Was häufig nicht bekannt ist: Die gewerbliche Wirtschaft ist mit einem Anteil von fast 70 % größter Stromabnehmer in Deutschland allein 42 % des Verbrauchs entfällt auf die Industrie. Um Metalle zu schmelzen, Stahl zu kochen oder Autos zu fertigen, werden große Mengen an Energie und insbesondere an Strom benötigt. Industrielle Prozesse, aber auch Dienstleistungen vom Rechenzentrum bis zum Hotel sind ohne den Einsatz von Strom schlicht nicht möglich. Muss mehr Geld für die Bezahlung der Stromrechnung ausgegeben werden, fehlt dies an anderer Stelle für Investitionen auch in neue effiziente Technologien. Steigende Strompreise haben daher direkte negative Auswirkungen auf die Unternehmen und damit auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. 2

Bislang wird die deutsche Energieversorgung mit ihrem hohen Qualitätsniveau als Standortvorteil Deutschlands eingestuft. 1 Mit der Energiewende sehen aber zwei von drei Unternehmen größere Probleme mit der Versorgungssicherheit auf sich zukommen. Fast alle Industriebetriebe und viele Betriebe in anderen Branchen befürchten zudem, dass steigende Strompreise dauerhaft der unerwünschte Begleiter der Energiewende sein werden. 2 Bereits kleine Steigerungen können stromintensive Unternehmen dazu veranlassen, die Produktion am Standort Deutschland zu hinterfragen. 1 2 DIHK Sonderumfrage Industrie vom August 2011. Abrufbar unter: http://www.dihk.de/branchen/industrie/sonderumfrage-industrie IHK-Unternehmensbarometer Energie und Rohstoffe für morgen vom Januar 2012. Abrufbar unter: http://www.dihk.de/presse/meldungen/2012-01-18-unternehmensbarometer 3

2 Strompreisbestandteile und Sonderregelungen Die staatlich verursachten Belastungen des Strompreises sind in den letzten Jahren explodiert: Sie stiegen für die Industrie in der Summe von kaum nennenswerten 0,19 Cent/kWh im Jahr 1998 auf aktuell 5,35 Cent/kWh. Das entspricht einem Anstieg um den Faktor 28. Die durchschnittlichen Industriestrompreise stiegen in diesem Zeitraum um knapp die Hälfte von 9,34 auf 14,02 Cent/kWh und damit ungefähr um den Betrag der staatlich verursachten Zusatzbelastungen. Für Erzeugung, Transport und Vertrieb von Strom selbst zahlen wir etwa die gleichen Preise wie 1999. Abbildung 2: Durchschnittliche Strompreise für die Industrie in Cent/kWh** Gegenüber dem Vorjahr sind die Strompreise für die Industrie sogar zurückgegangen. Nach einer Berechnung des Bundesverbandes der Energieabnehmer (VEA) liegen sie zum Stichtag 1. Juli 2012 um 4,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Dies hängt insbesondere mit gesunkenen Preisen an der Strombörse EEX zusammen, die infolge gesunkener Stromnachfrage seit längerem wieder unter dem Niveau von vor dem Reaktorunfall in Fukushima liegen. Nach der Verkündigung des Moratoriums und der sofortigen Abschaltung der älteren Kernkraftwerke im März 2011 hatten die Preise kurzfristig deutlich angezogen. Dieser An- 4

stieg war im Herbst 2011 bereits wieder abgebaut. Seit dem Jahr 2009 sind die Börsenstrompreise mit Ausnahme des Fukushima-Effekts damit im Wesentlichen stabil geblieben. Die für die Verbraucher entspannte Lage an den Strombörsen wird jedoch vorwiegend durch die jedes Jahr steigende EEG-Umlage 3 konterkariert. Abbildung 3: Strompreisentwicklung an der EEX Quelle: EEX.com 2.1 Gründe für unterschiedliche Industriestrompreise Einen einheitlichen Industriestrompreis in Deutschland gibt es nicht, vielmehr müssen immer Einzelfälle betrachtet werden: Während die Durchschnittspreise im Rhein-Main-Neckar- Gebiet bei 11,23 Cent/kWh liegen, bezahlen Industriekunden in Westmecklenburg im Schnitt 14,04 Cent. Die Spreizung liegt an vielen Faktoren: Ein entscheidender Grund ist, dass im Nordosten auch deshalb erheblich in die Stromnetze investiert wurde, weil eine wachsende Zahl erneuerbarer Energieanlagen angeschlossen werden musste. Diese Kosten werden lokal umgelegt. 4 Dies gilt ebenso für Kosten von Redispatch-Maßnahmen 5, auch wenn diese in anderen Regelzonen 6 vorgenommen werden, um das Übertragungsnetz zu stabilisieren. 3 4 Die EEG-Umlage (EEG = Erneuerbare-Energien-Gesetz) enthält alle Kosten, die sich für die Stromkunden aus dem EEG ergeben. Sie dient vorwiegend dazu, den Vergütungsanspruch regenerativer Anlagenbetreiber zu begleichen. Näheres auf Seite 9. 5

Die Strompreise für die Industrie unterscheiden sich aber nicht nur zwischen den Verteilnetzgebieten, sondern auch innerhalb dieser Gebiete deutlich. Dort hängt der Preis von Strombezugsmenge, Benutzungsdauer, Spannungsebene und Inanspruchnahme von Ausnahme- und Sonderregeln ab. Es gilt die Faustregel: Je höher die Bezugsmenge, die Spannungsebene und die Benutzungsdauer und je geringer die Bezugsspitzen (Peaks) sind, desto günstiger ist die einzelne kwh. Die Preisspanne bewegt sich aktuell sich zwischen 10,1 und 16,8 Cent/kWh. Mit Sonder- und Ausnahmeregeln wächst die Spreizung weiter. Abbildung 4: Gründe für unterschiedliche Strompreise in der Industrie Gründe für unterschiedliche Strompreise Unternehmensbezogene Gründe Bezugsmenge/Marktmacht Benutzungsstunden Bezugsspitze(n) Spannungsebene Sonder- und Ausnahmeregelungen Standortbezogene Gründe Übertragungsnetzgebiete mit unterschiedlichen Kosten z.b. für EE-Anschlüsse Verteilnetzgebiete mit unterschiedlichen Kosten z.b. für EE-Anschlüsse Redispatch-Kosten Der deutsche Strompreis setzt sich derzeit aus sieben Komponenten zusammen: Erzeugung und Vertrieb Netzentgelte 19-Umlage Stromsteuer Konzessionsabgabe KWK-Aufschlag und EEG-Umlage Dazu kommt wahrscheinlich künftig als neuer Bestandteil eine Umlage für die Haftungsregelung zum Anschluss der Offshore-Windparks. Die Preisbestandteile werden nachfolgend im Detail betrachtet. 2.2 Erzeugung: Preisbildung an der Strombörse EEX 6 Laut Deutscher Energieagentur ist Redispatch ein präventiver oder kurativer Eingriff des Übertragungsnetzbetreibers in die Fahrpläne von Kraftwerken, um kurzfristig auftretende Engpässe zu vermeiden oder zu beseitigen. Eine Regelzone ist ein Gebiet, in dem der jeweilige Übertragungsnetzbetreiber für die Systemstabilität verantwortlich ist. Deutschland ist in vier Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW unterteilt. 6

Seit zehn Jahren hat sich die Leipziger Strombörse EEX als Marktplatz für den Stromhandel etabliert. Der dort gebildete Strompreis hat auch wesentlichen Einfluss auf nicht an der Börse gehandelte Terminkontrakte, daher ist die Börse im weiteren Umfang preissetzend. Im Stromnetz müssen Angebot und Nachfrage zu jeder Sekunde ausgeglichen sein, damit das Netz stabil bleibt. Welche Kraftwerke ihren Strom verkaufen können, bestimmt sich nach ihren Grenzkosten, d. h. billige Kraftwerke werden zuerst nachgefragt (sog. Merit Order). Die Preisbildung beruht auf den Grenzkosten 7 des teuersten benötigten Kraftwerks (sog. Grenzkraftwerk), das den Preis für die Stromerzeugung aller anderen Kraftwerke setzt. Die Grenzkosten werden im Wesentlichen von den Brennstoffkosten des teuersten erforderlichen Kraftwerks und seinen Kosten für CO 2 -Zertifikate bestimmt. Steigen bei fossilen Kraftwerken die Kosten für die Rohstoffe, schlägt sich dies in höheren Strompreisen nieder, weil teurer erzeugt werden muss. Dieser Effekt war 2008 mit den Rekordpreisen beim Öl zu beobachten, wenn das Grenzkraftwerk mit Öl befeuert wurde. Dabei ist zu beachten, dass es schon länger eine europäische Merit Order gibt. Grund ist die sog. Marktkopplung (Market Coupling) 8. Dadurch werden Preisunterschiede zwischen den Börsen minimiert. Beteiligt sind am Market Coupling neben Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten auch Schweden, Norwegen und Dänemark. Hohe Strompreise können auch ein Knappheitssignal sein: Liefern Kraftwerke mit hohen Erzeugungskosten Strom, sind in der Merit Order nur noch wenige verfügbare Kraftwerke vorhanden, die bei steigender Nachfrage mit der Stromerzeugung beginnen könnten. Niedrige Preise deuten auf eine entspannte Lage hin. Die Grundsätze der Preisbildung werden aber zunehmend durch die erneuerbaren Energien beeinflusst, wie die Abbildung auf der nächsten Seite zeigt. Erneuerbare Energien kommen durch den gesetzlich eingeräumten Einspeisevorrang bei der Versorgung immer zuerst zum Zuge. 9 Die Vergütung der erneuerbaren Energien ist gesetzlich festgelegt und wird außerhalb der Börse gezahlt. Durch die gesetzliche Pflicht, die vorrangig eingespeiste Menge an der Strombörse anzubieten, werden die teuersten konventionellen Kraftwerke aus dem Markt gedrängt. Der sich bildende Strompreis orientiert sich an den Grenzkosten preiswerter produzierender Kraftwerke. Aufgrund dieses Merit-Order- 7 8 9 Die Grenzkosten (auch Marginalkosten) sind in der Betriebswirtschaftslehre und der Mikroökonomik die Kosten, die durch die Produktion einer zusätzlichen Einheit eines Produktes entstehen (Quelle: Wikipedia). Market Coupling nutzt sog. implizite Auktionen, bei denen Marktteilnehmer nicht direkt grenzüberschreitende Kapazitäten zugeteilt bekommen, sondern indem sie Gebote für Strom auf ihrer Börse abgeben. Die Börsen nutzen anschließend die an den Grenzstellen verfügbare Kapazität, um Preisunterschiede zwischen zwei oder mehr Marktgebieten zu minimalisieren. (Quelle: EPEX Spot). Auch eine Abschaffung des Einspeisevorrangs hätte für Wind- und Solarenergie kaum Auswirkungen, da beide keine Brennstoffkosten aufweisen. 7

Effekts der erneuerbaren Energien ist bei steigenden Mengen erneuerbarer Energien von weiter sinkenden Börsenstrompreisen auszugehen. Die erneuerbaren Energien hatten so nach Angaben des BMU bereits 2011 eine den Preis am Spotmarkt senkende Wirkung von 0,87 Cent/kWh. 10 In den kommenden Jahren dürfte dieser Effekt weiter steigen. Besonders deutlich wird dies zur Mittagszeit, traditionell die Zeit mit der höchsten Nachfrage und damit folgerichtig eigentlich auch die Zeit der höchsten Preise. Durch den Ausbau der Solarenergie liegen die Strompreise bei starker Sonne über Deutschland mittags immer häufiger auf dem niedrigsten Niveau des Tages, trotz weiter bestehender hoher Nachfrage. Abbildung 5: Preisbildung an der Strombörse Grenzkosten / /MWh Durchschnittliche Höhe der Einspeisevergütung EEG Marktpreis Deckungsbeitrag Nachfrage Erneuerbare Kernkraft, Braunkohle Steinkohle, Gas Pumpspeicher, Öl Nachfrage kwh Quelle: DIHK. Grundlast Mittellast Spitzenlast Beispiel: Am 14. September 2012 trafen zur Mittagszeit heftiger Wind und starke Sonne in Deutschland zusammen. Insgesamt lieferten Wind und Sonne mit etwa 32 GW knapp die Hälfte des verbrauchten Stroms. Entsprechend rutschten die Preise in den Keller. Am Spotmarkt kostete um 14 Uhr die Megawattstunde 14,44. An normalen Tagen liegt der Preis zwischen 50 und 70. 10 BMU 2012: Erneuerbare Energien in Zahlen. Nationale und internationale Entwicklungen. http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/broschuere_ee_zahlen_bf.pdf 8

Was den Börsenpreis senkt, erhöht allerdings die EEG-Umlage, denn zum einen steigt die Menge des mit fester Einspeisevergütung versehenen Stroms aus Wind und Sonne. Zudem erhöht sich bei niedrigem Börsenpreis die Differenz zwischen der festen Einspeisevergütung und dem Erlös, die wiederum Grundlage der EEG-Umlage ist. Vom Senkungseffekt des EEG profitieren Wirtschaft und Verbraucher aber nur eingeschränkt und mit Zeitverzögerung. Lediglich wer direkt am Spotmarkt beschafft, hat diesen Vorteil. Unternehmen und auch die energieintensive Industrie beschaffen aber praktisch nicht am Spotmarkt, weil das Risiko zu hoch ist. Sie kaufen vielmehr in der Regel am Terminmarkt ein, auf dem sich preissenkende Effekte nur verzögert einstellen. Dazu kommt, dass sich mehr und mehr eine europäische Merit Order herausbildet, weil die grenzüberschreitenden Infrastrukturen immer weiter ausgebaut werden. Das heißt, ein Teil des Senkungseffekts durch deutsche erneuerbare Energien wird in unseren europäischen Nachbarländern wirksam. 9

2.3 Netzentgelte Netzentgelte unterliegen der Regulierung also der Kontrolle durch die Bundesnetzagentur bzw. durch Landesregulierungsbehörden und können daher nicht von den Netzbetreibern frei festgesetzt werden. Die Entgelte sind in den letzten Jahren für alle Kundengruppen stabil geblieben, die Regulierung wirkt. Industriekunden zahlten am 1. April 2011 1,46 Cent/kWh für die Nutzung der Stromnetzinfrastruktur. Die Höhe der Netzentgelte hängt insbesondere davon ab, an welcher Spannungsebene ein Betrieb angeschlossen ist. Von Höchstspannung spricht man bei 220 bis 380 kv. Netze dieser Spannungsebene werden als Übertragungsnetze bezeichnet. In den Spannungsebenen darunter befinden sich die Verteilnetze, die sich in Hoch (110 kv), Mittel- (20 kv) und Niederspannung (0,2 bis 0,4 kv) untergliedern. Abbildung 6: Spannungsebenen des Stromnetzes Quelle: http://www.n-ergie-netz.de/n-ergie-netz/dem-strom-auf-der-spur-6114.html. Ist ein Unternehmen an der Hochspannung angeschlossen, entstehen Netzentgelte nur für dieses und das Höchstspannungsnetz. Für die nachgelagerten und damit nicht genutzten Mittel- und Niederspannungsnetze müssen keine Entgelte bezahlt werden. Daher mussten Gewerbekunden im April 2011 mit 4,89 Cent/kWh deutlich stärker für das Netz bezahlen als Industriekunden, die in der Regel an einer höheren Spannungsebene angeschlossen sind. Zu beachten ist allerdings, dass Unternehmen, die an einer höheren Spannungsebene an- 10

geschlossen sind, selbst dafür Sorge tragen, dass der Strom für die betrieblichen Bedürfnisse die richtige Spannung aufweist. Selbst erzeugter und genutzter Strom ist von Netzentgelten vollständig befreit, sofern er nicht durch öffentliche Netze geleitet wird. Abbildung 7: Entwicklung der durchschnittlichen mengengewichteten Netzentgelte in Deutschland 11 Quelle: Bundesnetzagentur. Die regionalen Unterschiede bei den Netzentgelten sind teilweise deutlich: So mussten an die Mittelspannung angeschlossene Industriebetriebe in Ostdeutschland mit 2.500 Benutzungsstunden nach Angaben des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz durchschnittlich 1,69 Cent/kWh mehr für die Netznutzung bezahlen als vergleichbare Unternehmen in Westdeutschland. Das hängt zum einen mit der geringeren Bevölkerungsdichte zusammen, ins Gewicht fällt zum anderen aber auch der in Ostdeutschland überproportional starke Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese werden fast ausschließlich in die Verteilnetze eingespeist (Ausnahme Offshore-Windparks). Die Kosten hierfür verbleiben nach den geltenden Bestimmungen im Verteilnetzgebiet und werden anders als die Vergütungszahlungen für Erneuerbare-Energien-Anlagen aber auch der Anschluss der Offshore-Windparks nicht bundesweit umgelegt. Ebenfalls nicht bundesweit umgelegt werden Kosten für sog Redispatch- Maßnahmen. Müssen konventionelle Kraftwerke ungeplant wegen hoher EE-Einspeisung und fehlender Abflussmöglichkeit des Stroms ihre Leistung drosseln, erhalten sie eine Vergütung für entgangene Einnahmen. Solche Maßnahmen sind vor allem in den Netzgebieten 11 Unterschiedliche Netzentgelte zwischen den Gruppen ergeben sich aus den verschiedenen Spannungsebenen. 11

von TenneT und 50Hertz notwendig und belasten dort die Netzentgelte. 50 Hertz rechnet für 2012 mit Kosten von 120 Millionen Euro. Die Zeiten sinkender bzw. stabiler Netzentgelte sind nach Einschätzung der Bundesnetzagentur zu Ende. Sie geht davon aus, dass die Netzentgelte für Industriekunden im Jahr 2012 bereits um 5,7 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Grund dafür sind u. a. bessere Investitionsbedingungen für Netzbetreiber 12, der Wegfall preisdämpfender Sondereffekte 13 sowie die Einrichtung der Kaltreserve 14, die über die Netzentgelte abgerechnet wird. Dazu kommt der zunehmende Aufwand für den notwendigen Netzausbau veranlasst durch die Energiewende. Für 2013 zeichnet sich ein fast flächendeckender Anstieg der Netzentgelte ab: Viele Netzbetreiber haben am 15. Oktober Erhöhungen im zweistelligen Bereich angekündigt. Das ist der Stichtag, an dem sie ihre vorläufigen Entgelte für das jeweils kommende Jahr bekanntgeben müssen. Die Bundesnetzagentur rechnet mit einem anhaltenden Anstieg der Netzentgelte für den Zeitraum bis 2020. Er ist im Wesentlichen auf den mit der Energiewende notwendigen Netzausbau für Übertragungs- und Verteilnetze sowie den Anschluss der Offshore-Windparks zurückzuführen. Für den Übertragungsnetzausbau nach dem Netzentwicklungsplan Strom 2012 werden in den kommenden Jahren Kosten von mindestens 20 Mrd. Euro entstehen. Werden viele Leitungen erdverkabelt, können die Kosten auch deutlich darüber liegen. Zu beachten ist, dass auch ohne die Energiewende in den kommenden Jahren in die Instandhaltung der Netze hätte investiert werden müssen. Daher liegt der Anteil, der auf die Energiewende zurückzuführen ist, ein ganzes Stück darunter. Die Bundesnetzagentur geht vor allem aufgrund der anstehenden Netzinvestitionen von einem Anstieg der Netzentgelte für die Industrie in Höhe von 34 bis 54 % und bei den Gewerbekunden von 15 bis 23 % bis 2020 aus 15. Sie weist zudem darauf hin, dass der Anstieg in den vier Regelzonen jeweils deutlich von diesen Werten abweichen kann. 16 Die Netzentgelte könnten noch mit weiteren Kosten belastet werden: Der flächendeckende Einsatz von Intelli- 12 z. B. Wegfall des Zeitverzugs in der Anreizregulierung 13 z. B. Ende der Mehrerlösabschöpfung 14 Die Kaltreserve umfasst Kraftwerke, die dem Erzeugungsmarkt nicht zur Verfügung stehen und nur bei Kapazitätsengpässen im Winter zum Einsatz kommen. Sie wurde im Sommer 2011 eingerichtet, um den Wegfall der Kernkraftkapazitäten nach dem Moratorium für die kommenden Winter zu kompensieren. 15 Umgelegt auf den Strompreis bedeutet dies einen Anstieg für die Industrie von 5 bis 8 % und für das Gewerbe von 4 bis 6 %. 16 https://fragdenstaat.de/files/foi/1583/86.%20sitzung%20-%20netzentgelte%20strom.pdf 12

genten Zählern (Smart Metern) 17 würde Milliarden kosten. Auch der Aufwand für eine Vergütung abschaltbarer Kapazitäten in der Industrie, wie sie gerade diskutiert wird, würde auf die Netzentgelte umgelegt. 18 2.4 19-Umlage (Netzentgeltreduzierung und -befreiung) 2011 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass Unternehmen ihre Netznutzungsentgelte um bis zu 80 % reduzieren können. Voraussetzung ist ein Antrag bei der Bundesnetzagentur, den sie oder der zuständige Netzbetreiber stellen 19. Die Unternehmen müssen nachweisen, dass ihre spezifische Jahreshöchstlast vorhersehbar erheblich von der Jahreshöchstlast des Netzbetreibers abweicht ( 19 Absatz 2 Satz 1 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV)). Damit Unternehmen abschätzen können, ob ihr Strombezug tatsächlich von der Höchstbelastung des öffentlichen Netzes abweicht, veröffentlichen die Netzbetreiber sog. Hochlastfenster. Schwellenwerte für die relevante Leistungsdifferenz sind: bei Niederspannung: 30 % bei Mittelspannung: 20 % bei Hochspannung: 10 % Hintergrund der Regelung ist, dass durch die Abweichung der individuellen Höchstlast von der Höchstlast im Netz ein entlastender Effekt eintritt (sog. atypische Netznutzung). D. h., das Netz muss auf eine geringere Höchstlast ausgelegt werden. Berechnet wird die Differenz zwischen der maximalen Leistung und der maximalen Leistung im Hochlastfenster des Netzbetreibers. 17 Nach 21 d des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist ein Smart Meter eine in ein Kommunikationsnetz eingebundene Messeinrichtung zur Erfassung elektrischer Energie, die den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegelt. 18 Können Industriebetriebe innerhalb bestimmter Fristen ihre Bezugsmenge aus dem öffentlichen Netz um eine bestimmte Menge mindern, sollen sie nach den Plänen der Bundesregierung eine feste Vergütung erhalten. Dazu soll bei Inanspruchnahme des Senkungspotenzials noch ein Arbeitspreis kommen. 19 Bisher sind rund 1.300 Anträge bei der BNetzA eingegangen. Die nicht vollständige Liste mitsamt den Entscheidungen steht im Internet: http://www.bundesnetzagentur.de/cln_1932/de/diebundesnetzagentur/beschlusskammern/bk4/p aragr_19abs2satz1/2012/netzentgelteparagr19abs2_satz1_2012_bkv_node.html?gtp=218072_li st%253d49 13

Abbildung 8: Beispiel für Netzentgeltreduzierung Quelle: Andreas Seeger, ISPEX AG. Vortrag bei der IHK Berlin am 6. September 2012 zum Thema EEG-Umlage und Netzentgelte Im dargestellten Beispiel in Abbildung 8 beträgt die Höchstlast des Unternehmens 336 kw und wird gegen 13 Uhr erreicht. Sie befindet sich damit außerhalb des Hochlastfensters des Netzbetreibers, das sich zwischen 16 und 20 Uhr ergibt. Die maximale Last in diesem Fenster beträgt 152 kw, so dass sich eine Differenz von 184 kw besteht. Aus dieser Differenz ergibt sich dann das reduzierte Netzentgelt. Im Zuge der Beschlüsse zur beschleunigten Energiewende wurde zusätzlich die Möglichkeit eingeführt, dass Unternehmen vollständig von den Netzentgelten befreit werden. Voraussetzung ist, dass an einer Abnahmestelle 20 die Benutzungsstundenzahl 21 von 7.000 Stunden erreicht und die Abnahmemenge von 10 GWh überschritten wird ( 19 Absatz 2 Satz 2 StromNEV) 22. Nach Angaben der Bundesnetzagentur haben rund 270 Unternehmen einen 20 41 Abs. 4 EEG 2012 definiert eine Abnahmestelle als Summe aller räumlich und physikalisch zusammenhängenden elektrischen Einrichtungen eines Unternehmens, die sich auf einem in sich abgeschlossenen Betriebsgelände befinden und über eine oder mehrere Entnahmepunkte mit dem Netz des Netzbetreibers verbunden sind. 21 Benutzungsstunden sind ein Maß dafür, wie gleichmäßig ein Stromnetz von einem Abnehmer beansprucht wird. Sie setzt sich zusammen aus der Jahresabnahmemenge im Verhältnis zur Bezugsspitze. Je höher die Benutzungsstundenzahl, desto gleichmäßiger wird ein Netz genutzt und desto weniger durch Bezugsspitzen belastet. 22 Leitfaden der Bundesnetzagentur zu 19 StromNEV abrufbar unter http://www.bundesnetzagentur.de/cae/servlet/contentblob/161170/publicationfile/8931/leitfaden_a b2011.pdf 14

Antrag auf Netzentgeltbefreiung gestellt. Bislang sind im Internet 62 Anträge veröffentlicht worden 23. Für 2012 hatten die Übertragungsnetzbetreiber aufgrund der beiden Regelungen zur Netzentgeltbefreiung und atypischen Netznutzung mit entgangenen Einnahmen von 440 Millionen Euro kalkuliert. Aufgrund der Zahl an Befreiungs- und Reduzierungsanträgen steigt die Umlage 2013 auf 0,329 Cent/kWh. Dabei entfallen etwa 640 Mio. Euro auf die Befreiung und rund 160 Mio. Euro auf die Reduzierung 24. Die entgangenen Einnahmen aus den Netzentgelten werden per Umlage auf die sonstigen Stromverbraucher in Wirtschaft und Haushalten nach folgendem Schema umgelegt. Abbildung 9: Belastungen aus der 19-Umlage Bis 100.000 kwh je Abnahmestelle Über 100.000 kwh Über 100.000 kwh für produzierendes Gewerbe mit Stromkosten größer 4 % des Umsatz Umlage 2012 0,151 Cent/kWh 0,05 Cent/kWh 0,025 Cent/kWh Umlage 2013 0,329 Cent/kWh 0,05 Cent/kWh 0,025 Cent/kWh Die Beträge werden wegen der dargestellten kostensteigernden Effekte 2013 höher ausfallen. Die Energieversorger badenova und EWS Schönau haben gegen 19 Absatz 2 Satz 2 Klage vor dem OLG Düsseldorf eingereicht. Das Gericht hat inzwischen die Europäische Kommission um Stellungnahme gebeten, ob diese Regelung gegen EU-Beihilferecht verstößt. Zudem ist eine Beschwerde bei der Kommission anhängig. Diese hat zwar bislang noch kein offizielles Verfahren eingeleitet, Deutschland aber bereits um Stellungnahme gebeten. Diesem Ersuchen ist die Bundesregierung im Juni 2012 nachgekommen. Das OLG Düsseldorf hat einen Eilantrag mit dem Ziel, die Befreiung sofort zu beenden, abgelehnt. In seiner Entscheidung hat es aber zu erkennen gegeben, dass es die Rechtsgrundlage für unwirksam hält. Die vollständige Befreiung von Netznutzungsentgelten sei nur durch den Gesetzgeber selbst möglich, eine Verordnung der Bundesregierung reiche nicht. Mit einer Entscheidung zugunsten der klagenden Netzbetreiber und zulasten der befreiten Unternehmen ist im März 2013 zu rechnen. Interessant wird auch die Stellungnahme der Kommission zur Frage einer Beihilfe sein. Sollte die Kommission die Befreiung als Beihilfe einstufen, wird 23 Einzusehen unter: http://www.bundesnetzagentur.de/cln_1932/de/diebundesnetzagentur/beschlusskammern/bk4/p argra_19abs2satz2/2012/netzentgelteparagr19abs2_satz2_2012_bkv_node.html 24 www.eeg-kwk.net 15

eine "Reparatur" durch den Bundesgesetzgeber nur mit Zustimmung von Brüssel möglich sein. 2.5 Umlage Haftungsregelung Offshore-Windparks Der Ausbau der Windparks auf dem Meer (Offshore) ist bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ein wesentliches Hemmnis für Investoren sind Haftungsrisiken für den Netzbetreiber, wenn ein Windpark errichtet, der Netzanschluss aber noch nicht hergestellt ist. Zudem besteht bei der Offshore-Windnutzung fernab der Küste ein gesteigertes Risiko der Unterbrechung des Stromtransports, gegen das der Netzbetreiber sich nicht versichern kann. Um dieses Problem zu lösen, hat die Bundesregierung Ende August vorgeschlagen, das Risiko weitgehend auf die Verbraucher zu wälzen. Netzbetreiber sollen nur bei Vorsatz vollständig haften, bei Fahrlässigkeit soll der Verbraucher (teilweise) einspringen. Im Kabinettsbeschluss ist die Einführung einer neuen Umlage auf den Strompreis vorgesehen. Sie soll maximal 0,25 Cent/kWh für den Verbrauch bis 1 GWh betragen, 0,05 Cent für den Verbrauch darüber. Das Belastungsvolumen für die Stromkunden beträgt bei maximaler Ausschöpfung rund 650 Mio. Euro. Reicht die Summe nicht, um die Haftungsansprüche eines Jahres zu befriedigen, wird der Fehlbetrag auf die kommenden Jahre fortgeschrieben. Die Bundesregierung geht bereits jetzt von einem realisierten und deshalb umzulegenden Risiko von 1,6 Mrd. Euro aus, so dass von einer vollständigen Ausschöpfung der Umlage in den kommenden Jahren ausgegangen werden muss, wenn sie, wie von der Bundesregierung geplant, kommt. Die Zustimmung des Bundestages steht noch aus. Es ist im Augenblick davon auszugehen, dass die Regelung zum Jahresende 2012 in Kraft tritt. 2.6 Stromsteuer Zum 1. April 1999 wurde die Stromsteuer im Zuge der ökologischen Steuerreform neu in Deutschland eingeführt. Ihr Aufkommen steht allen dem Bund zu und beträgt 2012 rund sieben Mrd. Euro. 90 % der Einnahmen fließen in die Rentenkasse, um die Beiträge zu senken. Jede kwh ist dafür derzeit mit einem Regelsteuersatz von 2,05 Cent belegt. 16

Für Unternehmen des produzierenden Gewerbes ist der Steuersatz um ein Viertel ermäßigt, er liegt aktuell bei 1,537 Cent/kWh 25. Dies gilt allerdings nur, wenn die Entlastung den Betrag von 250 Euro im Jahr übersteigt (Volumen 2012 knapp 600 Mio. Euro). Hinter der in Abbildung 10 aufgeführten Prozessbefreiung Strom und Energie verbergen sich unternehmerische Prozesse, für die keine Stromsteuer anfällt, weil der Gesetzgeber kein wirtschaftlich erschließbares Effizienzpotenzial mehr sieht. Dazu zählt z. B. Strom, der für Elektrolysen verwendet wird ( 9a Stromsteuergesetz). Das Volumen beträgt dieses Jahr rund 1,1 Mrd. Euro. Energieintensive Unternehmen können außerdem den sog. Spitzenausgleich in Anspruch nehmen. Davon machen nach Angaben der Bundesregierung momentan rund 25.000 Unternehmen Gebrauch. Die Unternehmen vermeiden dadurch 2012 2,1 Milliarden Euro an Belastungen. Der Spitzenausgleich berechnet sich nach folgender Formel: Erstatteter Betrag = (Volle Stromsteuer (Rentenversicherungsbeiträge Arbeitgeber Höhe 20,3 % - Rentenversicherungsbeiträge Arbeitgeber Höhe 19,5 % - Sockelbetrag von 1000 Euro)) * 0,9 Die an sich zu zahlende Stromsteuer wird um die um Entlastungen beim Arbeitgeberanteil der Rentenversicherung (RV) aufgrund der Ökologischen Steuerreform vermindert. Für die Berechnung werden die aktuellen Rentenversicherungsbeitragszahlungen des Arbeitgebers, aber maximal 19,5 % (RV-Beitragssatz im Jahr 2007) ins Verhältnis gesetzt zu den Zahlungen vor Einführung der Ökosteuer (RV-Beitragssatz vor Einführung der Ökosteuer: 20,3 %); die Differenz aus beiden zuzüglich eines Selbstbehalts/Sockelbetrags von 1000 Euro wird von der Steuerzahlung abgezogen, der Rest wird zu 90 % erstattet. 26 Die Stromsteuer wird bei Befreiungen und Ermäßigungen grundsätzlich erst im Nachhinein erstattet, muss also beim Lieferer erst einmal in vollem Umfang gezahlt werden ( Antragsverfahren ). Die geltende Regelung für den Spitzenausgleich läuft zum 31.12.2012 aus. Die Nachfolgeregelung bis 2022 ist beschlossen und tritt zum 1. Januar 2013 vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission in Kraft. Ein Entlastungsvolumen von ca. 2,3 Mrd. Euro jährlich soll beibehalten werden. Für die Unternehmen wird die Inanspruchnahme des Spitzenausgleichs aber an weitergehende Voraussetzungen als bisher geknüpft: Für die Anspruchsjahre 2013 und 2014 müssen sie nachweisen, dass mit der Einführung eines Ener- 25 Diese Regelung gilt auch für die Land- und Forstwirtschaft, Teichwirtschaft und Behindertenwerkstätten. 26 Die genaue Stromsteuer kann mithilfe des Energie- und Stromsteuer-Berechnungstools der IHK Lippe berechnet werden: http://www.detmold.ihk.de/de/innovation-und-umwelt/energie/energieund-stromsteuer/150/211 17