Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Dipl.-Ing. (Univ.) Günther Wittmann Patentanwalt European Patent Attorney 26. März 2014
Übersicht Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Anwendungsbereich Verfahren im Betrieb Vergütung Vereinfachungen Altfälle Falls nicht anders angegeben beziehen sich alle auf das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG) 2
Anwendungsbereich Gesetz über Arbeitnehmererfindung Die Erfindung gehört zunächst demjenigen, der sie gemacht hat. Regelt den Übergang der patent- oder gebrauchsmusterfähigen Erfindung von einem Angestellten auf den Arbeitgeber Wesentliche Entschärfung durch Novelle von 9/2009 Arbeitnehmer sind alle abhängig Beschäftigten einer Firma, Behörde, Forschungsinstitutes, Universität und staatlichen Einrichtung. Gilt auch für AN im Ausland, sofern AG im Inland AG bleibt. Gilt für alle Arbeits-/Dienstverträge nach deutschem Recht Gilt nicht für Geschäftsführer und Gesellschafter => Vertragliche Regelung treffen Gilt nicht für externe Dienstleister => Vertragliche Regelung treffen 3
Textform Die Textform ( 126b BGB) umfasst: Unterschriebenes Dokument E-Mail (externe E-Mail verschlüsseln) Fax Die Person des Erklärenden muss erkennbar sein Unterschrift Unterschriftnachbildung Name in Buchstaben 4
Verfahren im Betrieb Überblick Erfindungsmeldung Erklärung Inanspruchnahme oder Freigabe Patentanmeldung Freie Erfindung Anmeldung Vergütung des AN Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Anbietungspflicht des AG an AN beim Fallenlassen Verwertung 5
Drei Arten von Diensterfindungen Diensterfindung Erfindung, die auf Tätigkeit des AN im Betrieb beruhen ( 4 (2) Nr. 1) Erfindungen, die maßgeblich auf Erfahrungen und Arbeiten des Betriebes beruhen ( 4 (2) Nr. 2) In Anspruch genommen Diensterfindung AG hat Diensterfindung explizit in Anspruch genommen ( 6 (1)). AG hat die Diensterfindung nicht freigegeben ( 6 (2)). Frei gewordene Diensterfindung AG hat Diensterfindung explizit freigegeben ( 8) 6
Drei Arten von von Anfang an freien Erfindungen Drei Arten von von Anfang an freien Erfindungen Freie Erfindungen Sonstige Erfindungen sind freie Erfindungen ( 4 (3)) Erfindung, die nicht auf Tätigkeit des AN im Betrieb beruhen Erfindungen, die nicht maßgeblich auf Erfahrungen und Arbeiten des Betriebes beruhen. In Anspruch genommene freie Erfindung AG muss innerhalb von drei Monaten ab Meldung der freien Erfindung in Textform erklären, dass die Erfindung nicht frei ist ( 18 (2)). Erfindung wird dann Diensterfindung ( 6). Freie Erfindung, die offensichtlich nicht in den Arbeitsbereich des Betriebes fällt, muss der AN nicht melden ( 18 (3)). 7
Verfahren im Betrieb Überblick Erfindungsmeldung Erklärung Inanspruchnahme oder Freigabe Patentanmeldung Freie Erfindung Anmeldung Vergütung des AN Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Anbietungspflicht des AG an AN beim Fallenlassen Verwertung 8
Verfahren im Betrieb Meldung Diensterfindung Meldung Diensterfindung Bestätigung Eingang Prüfen Inanspruchnahme oder Freigabe Erklärung Inanspruchnahme oder Freigabe 9
Verfahren im Betrieb Meldung Diensterfindung Arbeitnehmer muss Erfindung in Textform melden ( 5). Gesonderte Meldung Kennzeichnung als Erfindungsmeldung Technische Aufgabe, Lösung und Zustandekommen muss beschrieben werden. Als Diensterfindung gemeldet werden müssen Erfindungen, die aus obliegenden Tätigkeiten im Betrieb oder maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes resultieren ( 4, 5). Nicht gemeldet werden müssen vom AN lediglich Erfindungen, die offensichtlich nichts mit der Tätigkeit des Betriebes zu tun haben ( 18(3)). Sonstige Erfindung muss der AN als freie Erfindungen melden ( 18(1)). Erfindung muss während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemacht worden sein. Dazu zählen auch innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemachte Erfindungen. 10
Verfahren im Betrieb Nach Meldung der Diensterfindung AG muss Eingang der Meldung der Diensterfindung in Textform bestätigen ( 5 (1)). Bei nicht ordnungsgemäßen Erfindungsmeldung muss AG innerhalb von 2 Monaten rügen ( 5 (3)(. Pflicht zur Geheimhaltung der Erfindung bis zur Patentanmeldung für AG und AN Erfindung nicht per externer E-Mail unverschlüsselt verschicken Prüfen, ob Inanspruchnahme oder Freigabe der Erfindung => Entscheidung mit wesentlicher Tragweite 11
Verfahren im Betrieb Überblick Erfindungsmeldung Erklärung Inanspruchnahme oder Freigabe Patentanmeldung Freie Erfindung Anmeldung Vergütung des AN Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Anbietungspflicht des AG an AN beim Fallenlassen Verwertung 12
Verfahren im Betrieb Inanspruchnahme Explizite Inanpruchnahme (Erklärung des AG) Implizite Inanpruchnahme (4 Monate nach Meldung) Pflicht zur Patentanmeldung Beauftragung Patentanmeldung durch AN, falls AG keine Anmeldung tätigt (Kosten AG) Einreichen beim Amt 13
Verfahren im Betrieb Inanspruchnahme Explizite Inanspruchnahme per Erklärung des AG gegenüber AN ( 6 (1)). Erfolgt innerhalb von 4 Monaten nach Eingang der ordnungsgemäßen Meldung keine Freigabe in Textform, gilt die Erfindung als durch den AG in Anspruch genommen ( 6(2)). Durch Inanspruchnahme geht die Erfindung auf den AG über ( 7 (1)). AG muss Anmeldung tätigen ( 13 (1)), außer der Erfinder stimmt der Nichtanmeldung zu ( 13 (2) Nr. 2) oder die Erfindung betrifft ein Betriebsgeheimnis ( 13 (2) Nr. 3). Erfinder hat trotzdem Anspruch auf Vergütung ( 17 (1)) Meldet der AG die Diensterfindung nicht an, kann AN nach angemessener Frist auf Kosten und im Namen des AG anmelden ( 13(3)). 14
Verfahren im Betrieb Inanspruchnahme Kritisch Abgrenzung Diensterfindung/freie Erfindung Einer freien Erfindung muss innerhalb von drei Monaten nach Meldung widersprochen werden, dass sie Diensterfindung ist. Diensterfindung muss innerhalb von 4 Monaten in Anspruch genommen werden. Praxistipp: Formulare bereitstellen, in denen gezwungenermaßen eine Diensterfindung (oder freie Erfindung) gemeldet werden muss. Falls nicht klar ist, ob Erfindung als Diensterfindung oder freie Erfindung gemeldet wurde, innerhalb von drei Monaten Erfindung zur Diensterfindung erklären und in Anspruch nehmen. 15
Meldung und Inanspruchnahme Fragen zur Meldung und Inanspruchnahme? 16
Verfahren im Betrieb Freie Erfindung Freie Erfindung zur Verwertung : Frei gewordene Erfindungen Erfindungen, die dem AG als Diensterfindungen gemeldet wurden und von ihm freigegeben wurden. Von Anfang an freie Erfindung, die der AG nicht als Diensterfindung beansprucht hat: Erfindungen, die offensichtlich im Arbeitsbereich des AG nicht verwendbar sind; müssen dem AG nicht mitgeteilt werden. Sonstige Erfindungen, die nicht auf einer Tätigkeit des AN im Betreib beruhen und die nicht maßgeblich auf Erfahrungen und Arbeiten des Betriebes beruhen. Sonstige Erfindung muss dem AG gemeldet werden und darf vom AG nicht als Diensterfindung beansprucht worden sein. 17
Verfahren im Betrieb Überblick Erfindungsmeldung Erklärung Inanspruchnahme oder Freigabe Patentanmeldung Freie Erfindung Anmeldung Vergütung des AN Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Anbietungspflicht des AG an AN beim Fallenlassen Verwertung 18
Verfahren im Betrieb Frei gewordene Diensterfindung Meldung Diensterfin dung durch AN Erklärung Freigabe Freie Erfindung Anmeldung Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Verwertung 19
Frei gewordene Diensterfindung AG gibt vom AN gemeldete Diensterfindung frei ( 8). AG muss nicht anmelden. AN kann anmelden. Der AN muss dem AG für eine frei gewordene Diensterfindung keine angemessene Lizenz vor der Verwertung anbieten!!! 20
Verfahren im Betrieb Überblick Erfindungsmeldung Erklärung Inanspruchnahme oder Freigabe Patentanmeldung Freie Erfindung Anmeldung Vergütung des AN Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Anbietungspflicht des AG an AN beim Fallenlassen Verwertung 21
Verfahren im Betrieb Freie Erfindung Freie Erfindung Anmeldung Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Verwertung 22
Freie Erfindung Verwertung AN kann auf sich anmelden. Vor der Verwertung des Schutzrechtes muss der AN dem AG eine nicht ausschließliche Lizenz zu angemessenen Bedingungen anbieten ( 19 (1)) sofern er noch im Betrieb angestellt ist und wenn die Erfindung zum Zeitpunkt des Angebotes in den vorhandenen oder vorbereiteten Arbeitsbereich des AG fällt. AG muss das Angebot innerhalb von 3 Monaten annehmen oder als unangemessen rügen ( 19 (2)). 23
Freie Erfindung Praxistipp: Im Zweifel Erfindung beanspruchen und anmelden. 24
Freie Erfindung Fragen zur freien Erfindung? 25
Verfahren im Betrieb Anmeldung im Ausland Erfindungsmeldung Erklärung Inanspruchnahme oder Freigabe Patentanmeldung Freie Erfindung Anmeldung Vergütung des AN Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Anbietungspflicht des AG an AN beim Fallenlassen Verwertung 26
Schutzrechtsanmeldungen im Ausland AG darf nach Inanspruchnahme im Ausland anmelden ( 14 (1)). AG muss AN die Erfindung für Schutzrechtsanmeldungen in den Staaten anbieten, in denen er kein Schutzrecht anmeldet ( 14 (2)). AG kann sich ein nicht ausschließliches Recht zur Benutzung der Erfindung gegen angemessene Vergütung vorbehalten ( 14 (2)). 27
Anmeldung im Ausland Fragen zu Anmeldungen im Ausland? 28
Verfahren im Betrieb Vergütung Erfindungsmeldung Erklärung Inanspruchnahme oder Freigabe Patentanmeldung Freie Erfindung Anmeldung Vergütung des AN Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Anbietungspflicht des AG an AN beim Fallenlassen Verwertung 29
Vergütung AG muss Vergütung des/der AN spätestens drei Monate nach Erteilung des Schutzrechtes festsetzten ( 12 (3)), wenn die Erfindung in Anspruch genommen wurde. Vor Erteilung ist Risikoabschlag von 50% auf die Vergütung üblich. AN kann der Festsetzung der Vergütung wiedersprechen. Vergütungsberechnung hängt vom Schutzrecht ab Sperrpatent Nicht verwendetes Patent Verwendetes Patent Lizensiertes Patent Rechtsweg Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt Klage beim LG 30
Berechnung der Vergütung Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst vom 20. Juli 1959 Zu zahlende Vergütung: V = E A E = Erfindungswert A = Anteilsfaktor Erfindungswert: E = B L B = Bezugsgröße, entspricht Umsatz L = Lizenzsatz Zu zahlende Vergütung: V = B L A 31
Berechnung der Vergütung Bezugsgröße Lizenzsatz Bezugsgröße Umsatz der angemessen handelbare Einheit Kleinste handelbare Einheit Im Normalfall vertriebene Einheit Je größer die handelbare Einheit, desto niedriger der Lizenzsatz Umsatz im Inland Umsatz im Ausland Wo wird hergestellt? (Inland, Ausland) Wo bestehen Schutzrechte? (Herstellermärke, Abnehmermärkte) Lizenzsatz Fiktiver Lizenzsatz in Lizenzanalogie Ca. 1% bis ca. 5% bei technischen Erfindung 32
Berechnung der Vergütung Anteilsfaktoren Anteilsfaktor ist Summe aus drei Parametern: A = a + b + c Stellung der Aufgabe (a) Niedrig, wenn Aufgabe gestellt Hoch, wenn außerhalb des Aufgabenbereichs Lösung der Aufgabe (b) Niedriger, wenn mit gängigen Mittels gelöst Niedriger, wenn aufgrund beruflicher Arbeiten gefunden Niedriger, wenn Betrieb Erfinder unterstützt Höher, je weniger dieser Kriterien erfüllt sind Stellung im Betrieb Niedriger, je höher die Vorbildung oder Stellung Höher, je niedriger die Vorbildung und Stellung Anteilsfaktor meist ca. 15% 33
Abstaffelung Abstaffelung bei Erfindungen mit einem hohen Umsatz Erfindungen mit einem hohen Umsatz unterliegen der Abstaffelung Vergütung sinkt mit zunehmenden Umsatz 34
Vergütung Anhand üblicher Konstellationen Kategorien bilden Pauschalvergütung 35
Vergütung Fragen zur Vergütung? 36
Verfahren im Betrieb Fallenlassen Erfindungsmeldung Erklärung Inanspruchnahme oder Freigabe Patentanmeldung Freie Erfindung Anmeldung Vergütung des AN Nicht ausschließliche Lizenz AG anbieten Anbietungspflicht des AG an AN beim Fallenlassen Verwertung 37
Fallenlassen AG muss AN Anmeldungen und Schutzrechte anbieten, wenn er sie aufgeben möchte ( 16 (1)). AG kann sich ein nicht ausschließliches Recht zur Benutzung der Erfindung gegen angemessene Vergütung vorbehalten ( 16 (3)). 38
Vereinbarungen mit AN Unabdingbarkeit 23 Die Vorschriften dieses Gesetzes können zuungunsten des Arbeitnehmers nicht abgedungen werden. Zulässig sind jedoch Vereinbarungen über Diensterfindungen nach ihrer Meldung, über freie Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge nach ihrer Mitteilung. 39
Vereinbarungen mit AN Unbilligkeit 23 (1) Vereinbarungen über Diensterfindungen, freie Erfindungen oder technische Verbesserungsvorschläge, die nach diesem Gesetz zulässig sind, sind unwirksam, soweit sie in erheblichem Maße unbillig sind. Das gleiche gilt für die Festsetzung der Vergütung. 40
Zulässige Vereinbarungen mit AN Nach Erfindungsmeldung ist eine Vereinbarung mit dem AN verbunden mit einer angemessenen Vergütung über Folgendes möglich: Verpflichtung zur Inlandsanmeldung Abbedingen des Anbietens beim Fallenlassen Abbedingen des Anbietens von Auslandsanmeldungen Früher: In der Industrie übliche Beträge galten als nicht unbillig. Neue Spruchpraxis der Schiedsstelle: Immer eine Einzelfallbetrachtung Pauschalvergütungsvereinbarungen 41
Ausscheidende Mitarbeiter Ausscheidende Mitarbeiter Vor Ausscheiden sind alle gemachten Erfindungen zu melden. Relevanter Zeitpunkt ist (mentale) Fertigstellung der Erfindung Konstruktionszeichnungen, Versuche, Prototypen etc. sind irrelevant beim Bestimmen des Zeitpunktes der Fertigstellung der Erfindung Ausscheidender Mitarbeiter darf Erfindungen, die er beim alten Arbeitgeber gemacht hat, nicht privat, über Dritte oder beim neuen Arbeitgeber anmelden. Ausgeschiedener Mitarbeiter muss über Anmeldungen informieren, die 6 Monate nach Ausscheiden getätigt wurden. Ehemaliger Arbeitgeber hat Auskunftsanspruch für Patentanmeldungen, die in einem Zeitraum von 6 Monaten nach dem Ausscheiden getätigt werden. 42
Altfälle Altfälle Vor 1. September 2009 gemeldete Erfindungen unterliegen dem alten Recht, das wesentlich strenger war. Individuelle Beratungsbedarf! 43
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