Landtag von Baden-Württemberg 14. Wahlperiode Drucksache 14 / 2947 03. 07. 2008 Antrag der Abg. Thomas Knapp u. a. SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums Gründe für die hohen Strompreise in Baden-Württemberg Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. worin sie die wesentlichen Ursachen dafür sieht, dass die Strompreise in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern, insbesondere Bayern, deutlich höher sind; 2. welchen Einfluss sie auf die Strompreisbildung jeweils dem reinen Marktgeschehen (Angebot-Nachfrage-Relation, Börsenhandel) einerseits und den tat - säch lichen Gestehungskosten (Erzeugung, Netzbetrieb und staatliche Abgaben) andererseits beimisst. 03. 07. 2008 Knapp, Dr. Prewo, Hofelich, Haas, Rudolf Hausmann SPD Begründung Wie verschiedene Untersuchungen belegen, zahlen die baden-württembergischen Verbraucher bereits seit mehreren Jahren kontinuierlich höhere Strompreise als Verbraucher in anderen vergleichbaren Bundesländern (insbesondere alte Bundesländer). Dies zeigt auch eine Untersuchung des Verbraucherportals Verivox vom 28. Februar dieses Jahres. Die Untersuchung legt offen, dass die durchschnitt - Eingegangen: 03. 07. 2008 / Ausgegeben: 31. 07. 2008 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/dokumente 1
lichen Strompreise für 4.000 kwh im Allgemeinen Tarif bzw. der Grundversorgung in Baden-Württemberg mit 882 deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 868 liegen. Im Vergleich mit Bayern, dem Bundesland mit den niedrigsten Strompreisen (826 ), müssen baden-württembergische Verbraucher ca. 10 % mehr bezahlen. Mit diesem Antrag wird von der Landesregierung Aufklärung über die Ursachen begehrt, die für die hohen Strompreise verantwortlich sind. Stellungnahme Mit Schreiben vom 22. Juli 2008 Nr. 1 4455.0/80 nimmt das Wirtschaftsministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung: 1. worin sie die wesentlichen Ursachen dafür sieht, dass die Strompreise in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern, insbesondere Bayern, deutlich höher sind; Dem Wirtschaftsministerium liegen keine gesicherten Untersuchungen vor, die über einen längeren Zeitraum hinweg für Baden-Württemberg gegenüber anderen westlichen Bundesländern generell deutlich höhere Strompreise für Haushaltskunden, Gewerbe und Landwirtschaft belegen. Die im Antrag genannte Studie von verivox bezieht sich nur auf die jeweiligen Grundversorgertarife, nicht jedoch auch auf die von Haushaltskunden breit in Anspruch genommenen Sondervertragstarife, die die Grundversorger ganz überwiegend auch anbieten. Die nachfolgende vergleichende Betrachtung von Strom- und Gaspreisen für Haushaltskunden mit einem Bezug von 4.000 kwh (Strom) und 20.000 kwh (Gasarbeit) von im Hinblick auf die Fragestellung nicht zielgerichtet ausgewählten Anbietern aus Bayern und aus Baden-Württemberg, Stand 15. Juli 2008, bestätigt, dass in der Stromgrundversorgung tendenziell zurzeit die Kunden in Bayern in den Versorgungsgebieten der aufgeführten Stromanbieter weniger bezahlen als bei den genannten Anbietern in Baden-Württemberg; Gashaushaltskunden hingegen bezahlen in Baden-Württemberg überwiegend einen geringeren Preis. Strompreisübersicht: Jahresbruttopreise Grundversorgung (GV) und Sondervertrag des Grundversorgers bei einem Jahresverbrauch von 4.000 kwh 2
Gaspreisübersicht: Jahresbruttopreise Grundversorgung (GV) und Sondervertrag des Grundversorgers bei einem Jahresverbrauch von 20.000 kwh Der Kurzüberblick zeigt aber ebenso, dass es den bayerischen Strom- oder Gaspreis ebenso wenig gibt wie den baden-württembergischen Strom- oder Gaspreis, sondern die Preise jeweils unternehmensindividuell gestaltet sind. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Strompreisüberblick stichtagsbezogen zum 15. Juli 2008 vorgenommen worden ist. Dabei sind Preiserhöhungen, wie jüngst bei der EnBW VSG, enthalten. Einige Anbieter werden jedoch zum 1. August 2008 oder später ihre Preise erhöhen, womit sich das Bild der Strompreislandschaft schnell verschieben kann. Beispielsweise heben die Stadtwerke Würzburg ihren Grundversorgertarif für Kunden zum 1. August 2008 deutlich an; der grundversorgte Kunde dort muss bei Abnahme von 4.000 kwh/a ab dem 1. August 2008 dann jährlich 924, bezahlen und Würzburg rückt zu den Teuersten aus der Gruppe der betrachteten Anbieter auf. Bei Haushaltskunden, die sich für die Belieferung mit Strom im Rahmen von Stromsonderverträgen des Grundversorgers entschieden haben, gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen Baden-Württemberg und Bayern. Die Zahl der Kunden, die über hauseigene Sonderverträge beliefert werden schwankt und wird entscheidend von der Preisstruktur des jeweiligen Versorgers beeinflusst. Beispielsweise gibt es Anbieter, bei denen 2 3 der Haushaltskunden und mehr sich gegen den Grundversorgertarif entschieden haben. Infolgedessen ist das Gewicht der in die Betrachtung einzubeziehenden Sondervertragspreise erheblich gewachsen. Überhaupt sind infolge des festzustellenden Wettbewerbs im Markt für Strom-Haushaltskunden und des im Prinzip problemlos möglichen Wechsels zu neuen Lieferanten die Preise der Stromgrundversorgung aus landespolitischer Sicht immer weniger relevant. 3
Anders als bei Hauhaltskunden orientiert sich die Strompreisgestaltung für energieintensive Industriekunden stärker einzelfallabhängig und wird vielfach als Geschäftsgeheimnis angesehen. Der Verband der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.v., VIK, veröffentlicht seine Strompreisvergleiche auf der Grundlage der ihm über seine Mitglieder zugänglich gemachten Stromlieferverträge. Die genauen Ursachen für die im Mittelwert bei der betrachteten kleinen Zahl von Anbietern um ca. 70 auseinander liegenden Stromgrundversorgertarife sind dem Wirtschaftsministerium nicht verlässlich bekannt. Die Preisgestaltung ist nach der Aufhebung des BTOElt zum 1. Juli 2007 ohnehin Angelegenheit des Stromversorgers. Jedenfalls kann kein Zusammenhang angenommen werden aus der Tatsache, dass die Tarifstrompreisaufsicht in Baden-Württemberg ab dem 1. Januar 2000 ausgesetzt worden ist, weil in anderen westlichen Bundesländern teilweise ähnliche Grundversorgertarife wie hier anzutreffen waren. Das Wirtschaftsministerium hat bereits vor geraumer Zeit die Entscheidung getroffen, die Preisentwicklung in Baden-Württemberg im Bereich der Stromversorgung, auch mit Blick auf die nationale und europäische Ebene, zum Gegenstand einer gutachterlichen Untersuchung zu machen. 2. welchen Einfluss sie auf die Strompreisbildung jeweils dem reinen Marktgeschehen (Angebot-Nachfrage-Relation, Börsenhandel) einerseits und den tat - säch lichen Gestehungskosten (Erzeugung, Netzbetrieb und staatliche Abgaben) andererseits beimisst. Das Wirtschaftsministerium geht bei der Preisbildung am Strommarkt, insbesondere auch im Segment der Versorgung von Haushaltskunden, von Marktpreisen aus. Die Markt- und Wettbewerbssituation spiegelt unter anderem die Tatsache wider, dass z. B. in Stuttgart Veröffentlichungen im Internetportal verivox 58 Stromversorgungsunternehmen weit über 250 verschiedene Stromtarife anbieten. Dabei sind Spezialtarife, so etwa Heizstrom, noch nicht berücksichtigt. Stichproben für andere Kommunen im Land zeigen, dass die Zahl der Angebote zwar regional schwankt, jedoch in allen Landesteilen die Verbraucher ihre individuelle Stromversorgung aus verschiedenen Stromprodukten sowie einer Vielzahl von Anbietern und unterschiedlichen Tarifen mit unterschiedlichen Preisen auswählen können. Angesichts dieses Marktgeschehens ist davon auszugehen, dass die Preisbildung auf dem Strommarkt auch für Haushaltskunden in Baden-Württemberg im Wettbewerb erfolgt. Betriebswirtschaftliche Kostenbetrachtungen geben dabei für die einzelbetrieblichen operativen und strategischen Entscheidungen den Rahmen vor. Kurzfristig bilden die jeweiligen variablen Kosten (Grenzkosten) der Anbieter die Untergrenze, zu der angeboten wird. Dieser Preisbildungsmechanismus gilt auch für den Großhandelsmarkt an der Börse. Preisänderungen im Einkauf für Strom oder Energieträger werden somit in der Regel unmittelbar und zeitnah in den Angebotspreisen berücksichtigt werden müssen. Ebenfalls unmittelbar in die Preisbildung gehen Änderungen der steuerlichen und sonstigen staatlich veranlassten Belastungen ein. Bei den Steuern im Strombereich handelt es sich um Verbrauch-(Stromsteuer) und Umsatzsteuern. Diese sind, wie auch die weiteren Belastungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, von vornherein so konzipiert, dass sie wettbewerbsneutral direkt den Verbraucher belasten sollen. Für den Stromversorger handelt es sich damit wie auch im Fall der Konzessionsabgabe lediglich um durchlaufende Posten. Allenfalls bei extrem harten Wettbewerbssituationen ist es denkbar, dass diese Belastungen kurzfristig nicht vollständig überwälzt werden. Hinsichtlich der Zusammensetzung der staatlich veranlassten Preisbestandteile, die heute einen Anteil von 40 % an der Stromrechnung für Haushaltskunden erreichen, wird auf die Anlage verwiesen. Pfister Wirtschaftsminister 4
Anlage 5