Befunderhebungsfehler aus der Sicht des niedergelassenen Arztes erarbeitet von Dr. med. Werner Jörgenshaus Arzt für Allgemeinmedizin 41366 Schwalmtal
Für einen möglichen Schadensersatzanspruch müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Es muss ein (einfacher oder grober) vorwerfbarer Fehler vorliegen. 2. Es muss ein Schadenvorliegen, der Anlass für Schadensersatz und Schmerzensgeld bietet. 3. Es muss die Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Schaden nachgewiesen werden.
Ein Befunderhebungsfehler liegt vor, wenn medizinisch gebotene Untersuchungen vorwerfbar unterlassen wurden.
Man muss unterscheiden: 1. Einfacher Befunderhebungsfehler 2. Einfacher Befunderhebungsfehler mit Beweislastumkehr 3. Schwerwiegender Befunderhebungsfehler 4. Befunderhebungsfehler mit schwerwiegend fehlerhafter Nichtreaktion 5. Verletzung der Informationspflicht über weitere Befunderhebung
Der Begriff der Behandlung (Behandlungsfehler) bezieht sich aber nicht etwa auf die Therapie allein, sondern auf den gesamten Vorgang der Patientenbetreuung, auch auf den Prozess der Anamneseerhebung, der klinischen Untersuchung der Befunderhebung, (Labordiagnostik, Bildgebung, Konsiliaruntersuchung) der Diagnosestellung, (Differenzialdiagnose) der Aufklärung zur Sicherung des Heilerfolges der Dokumentation, als Erfüllung der Rechenschaftspflicht gegenüber dem Patienten.
Von den Ergebnissen einer ordnungsgemäßen Befunderhebung hängt die spätere Diagnose ab. Die Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung stellt einen Behandlungsfehler dar, unter Umständen sogar einen groben Behandlungsfehler. Die Unterlassung oder die Sicherung von medizinisch gebotenen Befunden ist stets ein Behandlungsfehler. Befunderhebungsfehler werden zu groben Behandlungsfehlern, wenn die Unterlassung der Befunderhebung aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich ist, und einem gewissenhaft arbeitenden Facharzt schlechthin nicht passieren darf.
Anhand der Häufigkeiten gibt es Arbeitsbereiche, die besonders anfällig für Befunderhebungsfehler sind: Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung bei Tumorerkrankungen: Verzögerte Diagnose eines Kolonkarzinoms oder anderer Darmtumoren durch Unterlassung abklärender Untersuchungen nach auffälliger Klinik (Koloskopie, Bildgebung). Ungenügende Abklärung von verdächtigen Befunden der Prostata (PSA- Erhöhung, Hyperplasie, Miktionsbeschwerden) mittels Labor, Sono, Stanzbiopsie. Verzögerte Diagnose eines Bronchialkarzinoms bei Risikopatienten mit längere Atemwegserkrankung und bestehenden Symptomen (Husten, Auswurf, Gewichtsverlust) mittels Labor, Bildgebung, Bronchoskopie. Verzögerte oder fehlerhafte Diagnostik bei bösartigen Neubildungen der Brustdrüse durch Bildgebung Bioptische Diagnosesicherung.
Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung bei akutem Abdomen Bei akuter Appendizitis Bei einem Verdacht auf Ileus von Dünn- und Dickdarm unterschiedlicher Ursachen ( entzündlich, tumorbedingt) Bei akuter Pyelonephritis mit Uretersteinkolik
Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung bei allen Formen des akuten Koronarsyndroms (ACS) und der Abklärung von infarktverdächtigen Befunden Unterlassung einer Befunderhebung mittels EKG, Akutlabor, notfallmäßigen stationären Einweisung bei abklärungsbedürftigen Befunden wie unklarer Thoraxschmerzen, Dyspnoe, Herzrhythmusstörungen. Unterlassung einer Anamneseerhebung mit Risikoprofil (Familienanamnese, Raucher, Vorerkrankungen, medikamentöse Versorgung, Gewichtsentwicklung, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Diabetes mellitus). Fehlende Dokumentation. Vorkommen der mangelnden Befunderhebung sehr häufig im Notdienst.
Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung bei Verletzungen und Frakturen Ungenügende klinische Befundung der Verletzung. Unterlassung gebotener weiterer Diagnostik, sehr häufig nicht veranlasste Bildgebung oder Kontrolle eines Erstbefundes.
Wie kann man Befunderhebungsfehler vermeiden? Durch gründliche klinische Untersuchung und Anwendung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen, die zur Diagnosestellung und Sicherung erforderlich sind. Anwendung des medizinischen Standards des jeweiligen Fachgebietes, d. h., dass der Arzt diejenigen Maßnahmen ergreifen muss, die von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt seines Fachgebietes aus beruflicher Sicht in der konkreten Behandlungssituation erwartet wird. Anwendung von Leitlinien und Handlungsempfehlungen ihrer Fachgesellschaften zu wesentlichen Behandlungsabläufen im jeweiligen Fachgebiet. (z. B. S3 Leitlinie der DEGAM zum Brustschmerz und Husten, oder der DGU zur Früherkennung des Prostatakarzinoms, oder S1 Handlungsempfehlungen der DEGAM zu den neuen oralen Antikoagulanzien oder zur akuten Gicht ). Durch die notwendige Dokumentation des gesamten Vorgehens und auch der Sicherungsaufklärung.
Bei Abweichungen vom medizinischen Standard und von den Leitlinien Sollten die Gründe dafür dem Patienten vermittelt werden. und ein solches Vorgehen muss besonders dokumentiert werden. Nur so kann von Ihnen belegt werden, dass eine Befunderhebung gründlich überlegt und sachgerecht vorgenommen wurde.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!