Der einstweilige Rechtsschutz im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren



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Transkript:

VORTRAGSREIHE Mittwoch, 15. Dezember 2004 17 Uhr Dr. Johann Dunkl LAG München Vorsitzender Richter Der einstweilige Rechtsschutz im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ZAAR Infanteriestraße 8 80797 München Tel. 089-20 50 88 3 00 Fax 089 20 50 88 3 04 www.zaar.uni-muenchen.de info@zaar.uni-muenchen.de

Dr. Johann Dunkl Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht München Der einstweilige Rechtsschutz im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Anders als 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG verweist 85 Abs. 2 ArbGG für den einstweiligen Rechtschutz im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nicht unmittelbar auf das 8. Buch der ZPO. Es werden lediglich für das Verfahren die für die einstweilige Verfügung geltenden Vorschriften mit drei konkret genannten Maßgaben als entsprechend anwendbar erklärt. A) Arrest Obwohl 85 Abs. 2 ArbGG nur die einstweilige Verfügung erwähnt, ist nach ganz h. A. im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren auch die Anordnung eines Arrestes zulässig (vgl. Baur B Rz. 250; Walker Rz. 763; Germelmann 85 ArbGG Rz. 28 je m. w. N.). Der Arrest hat aber in der Praxis kaum eine Bedeutung; er käme allenfalls für materiell rechtliche Kostenerstattungsansprüche betriebsverfassungsrechtlicher Organe oder ihrer Mitglieder in Betracht. B) Einstweilige Verfügung 85 Abs. 2 ArbGG stellt die grundsätzliche Zulässigkeit von einstweiligen Verfügungen klar. Es sind die 916 ff. ZPO anwendbar, soweit das ArbGG keine Sonderregelungen enthält. I. Ausschluss der einstweiligen Verfügung In Fällen, in denen das Betriebsverfassungsgesetz für die Geltendmachung eines Rechtes ein besonderes Verfahren vorgesehen hat, welches abschließenden Charakter hat, ist eine einstweilige Verfügung ausgeschlossen. 1. 99 bis 101 BetrVG: Nach ganz h. M. ist eine e. V. ausgeschlossen, vgl. Walker Rz. 766 ff.; Germelmann 85 ArbGG Rz. 39; Baur B Rz. 253 2. 98 Abs. 5 BetrVG: Nach ganz h. M. ist eine e. V. ausgeschlossen, vgl. Walker Rz. 769 3. 104 BetrVG: Strittig, vgl. Walker Rz. 770 4. 23 Abs. 3 BetrVG: Nach herrschender und zutreffender Ansicht ist eine e. V. zulässig, da 23 Abs. 3 BetrVG nicht nur eine Sanktionsregelung, sondern auch eine Anspruchsgrundlage ist, vgl. Walker Rz. 774 1

5. 103 BetrVG: Nach ganz h. M. ist eine e. V. ausgeschlossen, vgl. Walker Rz. 776 6. 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG i. V. m. 98 ArbGG: Nach ganz h. M. ist eine e. V. ausgeschlossen, vgl. Walker Rz. 778 7. Gerichtliche Maßnahmen, die unmittelbar auf den Bestand und die Zusammensetzung eines Betriebsverfassungsorgans einwirken (Bestellung, Ersetzung, Auflösung, Ausschluss) können nicht durch e. V., sondern nur durch das hierfür gesetzlich geregelte Verfahren erreicht werden, vgl. Walker Rz. 780 8. 97 ArbGG: Keine e. V. zulässig, vgl. Walker Rz. 781 II. Zulässigkeit des Antrages 1. Zuständigkeit: Örtlich und sachlich ausschließlich das Arbeitsgericht der Hauptsache, bzw. das LAG, falls die Hauptsache dort bereits anhängig ist, 937 Abs. 1 ZPO. Notzuständigkeit der Amtsgerichte gem. 942 ZPO ist nach h. M. zu verneinen, vgl. Walker Rz. 881; Baur B Rz. 267; Germelmann 85 ArbGG Rz. 42. 2. Verfügungsgesuch: Das Verfügungsgesuch muss angeben, für welche Person oder Stelle gegen wen Rechtschutz begehrt wird (Walker Rz. 782). Antragsbefugnis: Besondere Form der Prozessführungsbefugnis; sie liegt vor, wenn der Antragsteller ein eigenes Recht oder ein fremdes Recht in Prozessstandschaft geltend macht (Walker Rz. 783). Der Antragsgegner muss nicht formell bezeichnet werden; das Gericht hat die Beteiligten nach 83 Abs. 3 ArbGG von Amts wegen zu ermitteln. Bestimmtheitserfordernis: 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO ist anwendbar; erforderlich ist somit ein bestimmter Sachantrag. Der Antrag darf nicht derart undeutlich und allgemein gehalten sein, dass sich der Antragsgegner nicht verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was begehrt oder verboten werden soll, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BAG NJW 1996, 1980; NZA 1991, 382); so ist unzulässig die bloße Wiederholung des Gesetzestextes ohne Ausfüllung der Handlungsmerkmale (BAG NZA 1998, 273) oder die Verwendung nicht eindeutiger, auslegungsbedürftiger Begriffe. Globalanträge scheitern, sofern sie nicht vage formuliert sind, nicht am Bestimmtheitserfordernis, sondern allenfalls daran, dass der Antrag zu weit geht und nicht für alle Fallkonstellationen der geltend gemachte Anspruch besteht (Baur B Rz. 274). Richtet sich der geltend gemachte Anspruch gegen ein nicht rechtsfähiges Organ (.z. B. Betriebsrat, Wahlvorstand), so ist der Antrag gegen alle Organmitglieder zu richten, weil diese auch Adressaten der Vollstreckung gem. 887 f., 890 ZPO sind (Baur B Rz. 270). 2

III. Begründetheit des Antrages Auch hier ist Voraussetzung für die Begründetheit des Antrages auf e. V. das Vorliegen eines Verfügungsanspruches und eines Verfügungsgrundes (vgl. BAG AP Nr. 2 zu 85 ArbGG 1979). Es kommen auch hier alle drei Verfügungsarten in Betracht: Sicherungsverfügung ( 935 ZPO), Regelungsverfügung ( 940 ZPO) und Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung. Eine Feststellungsverfügung wird überwiegend verneint (Germelmann 85 ArbGG Rz. 29). Die Anforderungen insbesondere an den Verfügungsgrund können je nach Art der beantragten e. V. unterschiedlich sein. 1. Verfügungsanspruch: Kann jeder Anspruch sein, der im Beschlussverfahren geltend gemacht werden kann (Heinze, RdA 1986, 273, 285), also insbesondere Ansprüche aus dem Betriebsverfassungsgesetz; auch ein Geldanspruch, sofern sich der Anspruch aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergibt und der Antragsteller auf ihn dringend angewiesen ist. Am häufigsten werden die Arbeitsgerichte mit Eilanträgen von Betriebsratsgremien konfrontiert, insbesondere mit Unterlassungsanträgen. 2. Verfügungsgrund: Die Anforderungen sind je nach Art der beantragten e. V. unterschiedlich, aber bei einer Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung am höchsten. Es ist zu berücksichtigen, dass im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (im Gegensatz zum Urteilsverfahren) es in nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten keine vorläufige Vollstreckbarkeit gibt und damit die Dringlichkeit einer schnellen Entscheidung eher zu bejahen ist (vgl. Walker Rz. 786); andererseits kann i. d. R. ein durchgeführter Beschluss nicht mehr rückgängig gemacht werden und ein Anspruch auf Schadensersatz nach 945 ZPO ist in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ausgeschlossen; deshalb ist insbesondere bei Leistungs- und Befriedigungsverfügungen eine Interessenabwägung notwendig (vgl. Walker Rz. 787; Baur B Rz. 263). Zunächst ist die Dringlichkeit der Eilanordnung zu prüfen; diese wird bei zeitgebundenen Ansprüchen i. d. R. zu bejahen sein, weil die nicht fristgerechte Erfüllung zu einem endgültigem, auch partiellen Rechtsverlust führt. Hauptpunkt bei der sich anschließenden Interessenabwägung ist die Frage der Eindeutigkeit der Rechtslage (Baur B Rz. 264; Walker Rz. 788). Bestehen keine vernünftigen Zweifel, dass der Antragsteller auch im Hauptsacheverfahren obsiegen würde / wird, dann ist die e. V. bei Dringlichkeit selbst dann zu erlassen, wenn sie die Hauptsache vorweg nimmt und der Antragsgegner endgültig durch die Entscheidung beschwert wird, denn der hat kein berechtigtes Interesse an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes (Walker Rz. 788; Baur B Rz. 264). 3

IV. Verfahrensrechtliche Besonderheiten Drei verfahrensrechtliche Besonderheiten enthält 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG; darüber hinaus sind aber auch die Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens gegenüber dem Urteilsverfahren zu berücksichtigen. 1. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss der Kammer, 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG; nach streitiger, aber wohl zutreffender Meinung ist 944 ZPO nicht anwendbar (vgl. BAG AP Nr. 2 zu 85 ArbGG; Baur B Rz. 282; zum Meinungsstand siehe Walker Rz. 883 ff). 2. 937 Abs. 2 ZPO ist auch im Beschlussverfahren zumindest im Falle der Dringlichkeit anwendbar (Baur B Rz. 280). Hat die Eilentscheidung hauptsacheersetzende Funktion, so wird man angesichts des Ausschlusses des 945 ZPO eine gesteigerte Dringlichkeit verlangen müssen. Strittig ist, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Antrag ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden kann; dies dürfte nur unter den strengen Voraussetzungen des 62 Abs. 2 ArbGG möglich sein (Baur B Rz. 281; Walker Rz. 889). 3. Schlüssige Darlegung: Auch im Eilverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz gem. 83 Abs. 1 ArbGG. Der Antragsteller muss aber dennoch seinen Anspruch begründen und die anspruchsbegründenden Tatsachen vortragen (BAG AP Nr. 6 zu 83 ArbGG 1953). Eine schlüssige Darlegung aller anspruchsbegründenden Tatsachen ist nicht erforderlich; ausreichend ist, wenn der Sachverhaltskern vorgetragen wird, so dass das Gericht für die Vollständigkeit des Sachverhaltes Ermittlungen anstellen kann (Baur B Rz. 276 m. w. N.). Die Amtsermittlungspflicht besteht nicht uneingeschränkt; so nur, wenn der bisher bekannte Sachverhalt bei pflichtgemäßer Würdigung Anhaltspunkte bietet, dass eine weitere Aufklärung erforderlich ist (BAG AP Nr. 4 zu 87 ArbGG 1979), nicht bei substantiiertem und unbestrittenem Vorbringen, an dessen Richtigkeit sich keine Zweifel aufdrängen (BAG a. a. O.). Sind Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund nicht schlüssig dargelegt und lässt sich die Schlüssigkeit auch nicht durch die Amtsermittlung erreichen, gilt die materielle Darlegungs- und Beweislast und der Antrag ist als unbegründet zurückzuweisen (vgl. Baur B Rz. 276; Walker Rz. 890). 4. Glaubhaftmachung: 920 Abs. 2 ZPO ist grundsätzlich anwendbar, allerdings gilt wegen 83 Abs. 1 ArbGG nicht die formelle Beweisführungslast (Walker Rz. 891; Germelmann 83 ArbGG Rz. 102). Fehlt eine Glaubhaftmachung durch den Antragsteller, so darf deswegen der Antrag nicht sogleich zurückgewiesen werden, sondern das Gericht hat eine weitere Aufklärung und, soweit auch Beweisbedürftigkeit besteht, eine mögliche Beweiserhebung nach den Maßstäben der Glaubhaftmachung durchzuführen. Die Mittel der Glaubhaftmachung richten sich ebenfalls nach 294 ZPO. Die Beschränkung des 294 Abs. 2 ZPO auf präsente Beweismittel gilt 4

wegen des Untersuchungsgrundsatzes nicht; jedoch ist das Ziel der Verfahrensbeschleunigung bei einer Vertagung zu beachten (Walker Rz. 892). Durch den Untersuchungsgrundsatz wird jedoch das Beweismaß der Glaubhaftmachung nicht vermindert (Walker Rz. 893). Lässt sich eine streitige Voraussetzung bezüglich Verfügungsanspruch oder Verfügungsgrund nicht glaubhaft machen, so trägt der Antragsteller die materielle Beweisführungslast: Der Antrag ist als unbegründet zurückzuweisen. 921 Abs. 2 Satz 1 ZPO über die Entbehrlichkeit einer Glaubhaftmachung ist nicht anwendbar (Walker Rz. 896). 5. Entscheidung: Das Arbeitsgericht entscheidet im Beschlussverfahren immer, egal ob ohne oder nach Anhörungstermin, durch Beschluss. Wird über den Antrag ohne Anhörung des Antragsgegners entschieden, bedarf der stattgebende Beschluss keiner Begründung (Baur B Rz. 279), dagegen ist der ablehnende Beschluss zu begründen. Ergeht der Beschluss aufgrund einer mündlichen Anhörung, so ist eine Begründung erforderlich (Baur B Rz. 279). Ein Beschluss, durch den ein Gesuch zurückgewiesen wird, wird dem Gegner vom Gericht nicht zugestellt; 85 Abs. 2 ArbGG hebt 922 Abs. 3 ZPO nicht auf (Walker Rz. 899; Germelmann 85 ArbGG Rz. 45). 6. Ausschluss der Zurückverweisung: Im Beschwerdeverfahren gem. 87 ff. ArbGG ist gem. 91 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eine Zurückverweisung vom LAG an das Arbeitsgericht in jedem Falle unzulässig (Walker Rz. 900). 7. Rechtsbehelfe: Sie sind davon abhängig, ob das Verfügungsgericht ohne oder aufgrund mündlicher Anhörung entschieden hat. Bei Zurückweisung des Antrages ohne mündliche Anhörung ist die sofortige Beschwerde gem. 567 ZPO statthaft. Das Verfügungsgericht kann der Beschwerde abhelfen. Weist das Beschwerdegericht die Beschwerde zurück, ist keine weitere Beschwerde statthaft, vgl. 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Erlässt das Beschwerdegericht die einstweilige Verfügung ohne mündliche Anhörung, so kann der Antragsgegner Widerspruch einlegen, 924 ZPO, über den das Verfügungsgericht nunmehr nach einer Anhörung durch Beschluss entscheidet, 925 ZPO, gegen welches das Rechtsmittel der Beschwerde gem. 87 ArbGG gegeben ist. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichtes ist keine Rechtsbeschwerde statthaft, 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Hat das Verfügungsgericht aufgrund mündlicher Anhörung entschieden, so ist das Rechtsmittel der Beschwerde nach 87 ArbGG statthaft; gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichtes ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft, 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. 5

Es sind auch die 926, 927 ZPO entsprechend anwendbar. Die Bestimmung einer Frist zur Anrufung der Einigungsstelle bei Streitigkeiten über Mitbestimmungsrechte kommt aber nicht in Betracht (Germelmann 85 ArbGG Rz. 46). 8. Vollziehung: Auch die im Beschlussverfahren erwirkte e. V. bedarf der Vollziehung. Obwohl gem. 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG die Zustellungen von Amts wegen erfolgen, wird dadurch 929 Abs. 2 ZPO nicht berührt. Nach ganz h. M. unterliegt auch die e. V., auch wenn sie von Amts wegen zugestellt wird, noch der Notwendigkeit der Vollziehung, denn die Amtszustellung ersetzt nicht die Dokumentation des Willens des Gläubigers, von der e. V. Gebrauch zu machen (siehe zum Streitstand Baur B Rz. 289); a. A. Germelmann 85 ArbGG Rz. 45). Beschlüsse im Eilverfahren sind vorläufig vollstreckbar. Für die Zwangsvollstreckung gelten die Vorschriften des 8. Buches der ZPO entsprechend. 9. Kosten Gegenstandswert: Das Beschlussverfahren ist in allen Rechtszügen gerichtsgebühren- und auslagenfrei. Eine Kostenentscheidung nach Maßgabe der 91 ff. ZPO wird nicht getroffen. Eine prozessuale Kostenerstattung findet nicht statt. Ob die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, kann sich jedoch aus Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (vgl. 40) ergeben. Der Beschluss enthält keine Festsetzung des Gegenstandswertes. Wenn sich die Beteiligten durch Rechtsanwälte vertreten lassen, ist der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss festzusetzen. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach 8 Abs. 2 BRAGO bzw. seit 1.7.2004 nach 23 Abs. 3 S. 2 RVG. 10. Ausschluss von Schadensersatzansprüchen: Nach 85 2 ArbGG besteht in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes kein Schadensersatzanspruch nach 945 ZPO, auch wenn der Arbeitgeber der Vollziehungsgläubiger ist. Dies gilt auch für die nicht zum Betriebsverfassungsrecht gehörenden Materien, sofern überhaupt eine e. V. in Betracht kommt (Germelmann 85 ArbGG Rz. 50). Wegen der Unanwendbarkeit des 945 ZPO kann die Anordnung oder Vollziehung der Eilmaßnahme auch nicht gem. 921 Satz 2 ZPO von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden (Walker Rz. 904). 6

Literatur: Baur, in Handbuch des vorläufigen Rechtschutzes, Teil B; Walker, Der einstweilige Rechtschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Rz. 499 ff.; Korinth, Einstweiliger Rechtschutz im Arbeitsgerichtsverfahren; Schäfer, Der einstweilige Rechtschutz im Arbeitsrecht, Rz. 164 ff.; Heinze, Einstweiliger Rechtschutz im arbeitsgerichtlichen Verfahren, RdA 1986, 273 Germelmann, Matthes, Prütting, Müller-Glöge, 85 ArbGG Rz. 28 ff. 7