D. Behandlungsverweigerung als Unterlassungsdelikt * * Stand: 22.5.2014, Folie 7 neu.
I. Einleitende Bemerkungen Begriff der Behandlungsverweigerung Einschlägige Vorschriften: insb. 223 ff., 13; 323c StGB; auch 221 StGB
II. Vorfrage: Abgrenzung von Tun und Unterlassen BGH NStZ 2003, 657: Hepatitis-Infektion durch operierenden Arzt
III. Strafbarkeit nach dem unechten Unterlassungsdelikt 1. Garantenstellung a) Beschützergarant Entstehungsgrund: Ärztlicher Behandlungsvertrag? Übernahme. Niedergelassener Arzt, dessen Praxis vom Patienten betreten wird; Aufnahmearzt eines Krankenhauses bzgl. eingelieferter Patienten; Rettungsassistenten bzgl. Notfalleinsätzen. Keine generelle Pflicht des Arztes zur Übernahme einer Behandlung.
1. Garantenstellung a) Beschützergarant (P) Bereitschaftsarzt als Garant gegenüber der Bevölkerung? h.m.: Ja (BGHSt 7, 211, 212). Mm.: Bereitschaftsarzt vertritt einen nicht erreichbaren Kollegen; er kann deshalb höchstens in dessen Pflichtenstellung eintreten. suizidgefährdete Psychiatriepatienten s. BGH NJW 1994, 794 (zivilrechtlich); OLG Stuttgart NJW 1997, 3103 Sedierung (bzgl. eines nachträglichen Autofahrens) s. BGH NJW 2003, 2309 (zivilrechtlich)
1. Garantenstellung b) Überwachungsgarant z.b. bzgl. minderjähriger Patienten (BGH NJW 1976, 1145, zivilrechtlich)
2. Quasi-Kausalität, Pflichtwidrigkeitszusammenhang h.m.: Erfolg muss durch Vornahme der gebotenen Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu vermeiden sein. s.o. Schwierigkeit, Kausalität und Zurechnung voneinander zu unterscheiden. Die Risikoerhöhungslehre (genauer: Risikoverminderungslehre) hat beim Unterlassungsdelikt deshalb weniger Vertreter. 3. Rechtswidrigkeit, Schuld Insb. rechtfertigende Pflichtenkollision; Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens. S.a. 1901b I BGB: Recht, medizinisch nicht indizierte Maßnahmen u.u. zu verweigern. (1) Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach 1901a zu treffende Entscheidung.
IV. Strafbarkeit nach dem echten Unterlassungsdelikt 323c Unterlassene Hilfeleistung Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
1. Einleitende Bemerkungen Keine Garantenstellung erforderlich, sog. echtes Unterlassungsdelikt. Grundlage: allgemeine Solidaritätspflicht.
2. Objektiver Tatbestand a) Tatsituation: bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Unglücksfall: plötzliches Ereignis, das erheblichen Schaden an Menschen oder Sachen verursacht und weiteren Schaden zu verursachen droht (BGHSt 6, 147, 152) gemeine Gefahr oder Not kommen kaum in Betracht. Erkrankung grds. erst dann Unglücksfall, wenn eine plötzliche und sich rasch verschlimmernde Wendung eintritt, s. BGH NStZ 1985, 122. (P) Selbstmord als Unglücksfall? Die frühere Rspr. (u.a. eine Entscheidung des GrS) hat dies bejaht (insb. BGHSt GrS 6, 147); in einer späteren Entscheidung hat sie die Zumutbarkeit entfallen lassen (BGHSt 32, 367). Einige sagen, die Rspr. sei spätestens seit der Einführung von 1901a III BGB überholt. (P) ex post- oder ex ante-sichtweise? h.m.: ex post Beurteilung. (für die gemeine Gefahr gilt aber eine ex ante-perspektive).
2. Objektiver Tatbestand b) Tathandlung: nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist Zeitpunkt: sofort (BGHSt 14, 213, 216). Erforderlichkeit: ex ante-sicht; Pflicht zur bestmöglichen, sofortigen Hilfe. Zumutbarkeit (P) Hausbesuch? Frage des Einzelfalls (BGHSt 7, 211, 212 ff.).