Prof. Dr. Stefan Sell Institut für Bildungs- und Sozialpolitik, Fachhochschule Koblenz / RheinAhrCampus Remagen Zukunftsszenarien für Qualifizierungs- und Beschäftigungsunternehmen. Alte und mögliche neue Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand
Prof. Dr. Stefan Sell Hochschule Koblenz Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (ibus) Zukunftsszenarien für Qualifizierungs- und Beschäftigungsunternehmen. Alte und mögliche neue Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand Vortrag auf der Jahrestagung der BAG Arbeit Perspektivenwechsel Zukunftsaufgaben arbeitsmarktpolitischer Akteure 26.10.2012 Berlin Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 1
Die Kürzungen bei den Mitteln für Eingliederungsleistungen SGB II: 6,2 2012 zu 2010: - 40%! Wir stellen im kommenden Jahr rund 8 Milliarden Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik in der Grundsicherung zur Verfügung. Ursula von der Leyen, 13.09.2012 (Haushaltsrede im Deutschen Bundestag) -25% 4,66 3,78-19% 3,3 Mrd. Euro 2010 2011 2012 Mittel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit in Mrd. Euro im Rechtskreis SGB II 2010 und 2011: Ist; 2012: Soll nach Haushaltsplan; Egt-Soll 2013: BIAJ -12,7% + 0,585 Mrd. Euro für Beschäftigungspakte für Ältere, Kommunal- Kombi und Beschäftigungsphase Bürgerarbeit 2013 4,7 Mrd. Euro für die Verwaltungskosten der Jobcenter Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de
Die Entwicklung des Eingliederungstitels für die Jobcenter Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 3
Option: Steig ab, wenn das Pferd tot ist Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 4
Gibt es doch noch Hoffnung? Auf alle Fälle gibt es viele Abkürzungen AGH (neu) Verschlimmerung der Lebenslüge der ögb durch die letzte Instrumenten reform ( Zusätzlichkeit, öffentliches Interesse und Wettbewerbsneutralität jetzt sogar im Gesetz: 16d Abs.1 SGB II) dann gibt es doch noch die Förderung von Arbeitsverhältnissen ( 16e SGB II) oder wie wäre es mit den MAbE ( 16 Abs. 1 SGB II i.v.m. 45 SGB III) MAT (neben MAG und MPAV) Man kann dann auch angeblich MAbE + AGH kombinieren Sinnstiftende oder marktnahe Arbeiten (Originalzitat aus den Hega): auch beim Träger wenn individuell begründet, dann keine zeitliche Begrenzung nach den individuellen Eingliederungserfordernissen Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 5
Es bewegt sich was... Sell (2010) Deutscher Landkreistag Deutscher Städtetag Heinrich Alt (BA) => Lohnzuschüsse SPD: Entwurf Sozialer Arbeitsmarkt durch PAT Gemeinsamer Vorstoß von Schneider (Paritätischer) und Kober (FDP) Grüne: Gesetzentwurf zur Einrichtung eines sozialen Arbeitsmarktes Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 6
Da wäre beispielsweise der Herr Alt von der BA... Quelle: SPIEGEL ONLINE, 22.09.2012... der BA-Vorstand (plädiert) für eine vom Bund finanzierte Lohnzuschuss-Regelung etwa nach schwedischem Vorbild. "Denkbar wäre zum Beispiel, wie es bei Schwerbehinderten heute schon möglich ist, ihnen notfalls dauerhaft Zuschüsse zu gewähren, um ihre objektiv eingeschränkte Produktivität auszugleichen. Eingliederungszuschüsse sind in der Regel sehr erfolgreich, 70 Prozent der geförderten Beschäftigten werden anschließend fest übernommen", so Alt. Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 7
Gemeinsamer Vorstoß von Schneider (Paritätischer) und Kober (FDP) Nach dem neuen Modell sollen Langzeitarbeitslose je nach Grad des Vermittlungsproblems entweder bei einem sozialen Beschäftigungsunternehmen arbeiten, das ihnen Aufgaben auf dem ersten Arbeitsmarkt sucht, oder eine "assistierte Beschäftigung" bei einem regulären Unternehmen aufnehmen, bei der ein Betreuer sie begleitet, falls notwendig. Die Jobaufnahme wäre freiwillig. Der Lohn soll aus der Grundsicherung (Hartz IV), dem Zuschuss für Miete vom Jobcenter und zu 25 Prozent vom Arbeitgeber finanziert werden. Die Betreuung würde aus dem Geld für Arbeitsmarktmaßnahmen bezahlt. Die öffentliche Förderung soll, im Gegensatz zu existierenden Lohnkostenzuschussmodellen, nicht befristet sein. Quelle: Financial Times Deutschland, 25.10.2012 Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de
Gemeinsamer Vorstoß von Schneider (Paritätischer) und Kober (FDP) Über die Lohnhöhe müsse debattiert werden. "Sie liegt sicher unter 10,50 Euro pro Stunde - die Lücke in der Rente muss über andere Modelle geschlossen werden", so Schneider. Die Arbeitslosen würden voraussichtlich auch keine 40 Stunden arbeiten können. Ziel der Initiative ist, die Hälfte der rund 400.000 schwer Vermittelbaren zu erreichen. Verzerrungen werde es durch diese 0,5 Prozent an Erwerbstätigen kaum geben, versicherte Schneider. Der Wohlfahrtsverband würde von dem Modell profitieren: "Für die rund 1.000 Sozialunternehmen wäre das eine wichtige finanzielle Hilfe. Die Kürzungsprogramme haben dazu geführt, dass 20 Prozent dieser Unternehmen ihre Arbeit auf diesem Feld eingestellt haben und 44 Prozent des Stammpersonals abgebaut wurden", sagte Schneider. Quelle: Financial Times Deutschland, 25.10.2012 Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 9
Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei SPD und Grünen Für über 25jährige Menschen mit mindestens zwei in der Person liegenden Vermittlungshemmnissen (z.b. gesundheitliche und/oder soziale Einschränkungen), die darüber hinaus seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind und nicht in Ausbildung oder Arbeit vermittelt werden konnten, wird eine zusätzliche Fördermöglichkeit geschaffen. Diese Kriterien treffen derzeit auf bis zu 200.000 Menschen in Deutschland zu. LKZ: bis 75%, Grüne: in bestimmten Fällen auch bis 100% Zu den Kosten und zur Gegenfinanzierung sagen die Grünen in ihrem Gesetzentwurf: Dem Bundeshaushalt würden pro 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern jährliche Kosten in Höhe von von ca. 340 Mio. Euro entstehen. Diese sinken erheblich (um ca. 130 Mio. Euro), wenn die am Sozialen Arbeitsmarkt beteiligten Kommunen ihre Einsparungen bei den Kosten der Unterkunft zur Finanzierung des Sozialen Arbeitsmarktes in Form eines Passiv-Aktiv-Transfers einspeisen. Darüber hinaus entstehen Mehreinnahmen von nahezu 280 Mio. Euro bei den Sozialversicherungen sowie ca. 40 Mio. Euro Steuermehreinnahmen bei Bund, Ländern und Kommunen. Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 10
Deutscher Städtetag (2012) Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 11
Deutscher Landkreistag (2012) Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 12
Das Dilemma jenseits des PAT Quelle: Diakonie: Gerechte Teilhabe an Arbeit. Diakonische Position zur aktuellen Arbeitsmarktpolitik, Berlin, Dezember 2010, S. 29. Anmerkung: Die Daten der Beispielrechnungen beziehen sich auf das Jahr 2010. Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 13
Die Ängste vor einer auch längerfristig angelegten LKZ-Förderung Quelle: Deutscher Landkreistag (2012) zum Sell-Modell Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 14
Meldung von O-Ton Arbeitsmarkt Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 15
Meldung von O-Ton Arbeitsmarkt Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt, 26.10.2012 Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 16
Übergangswahrscheinlichkeit, die Grundsicherung in Arbeit zu verlassen Quelle der Daten: Achatz/Trappmann 2011: 30; Abbildung: www.o-ton-arbeitsmarkt.de) Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de
Die mögliche Lösung für dieses Problem ist relativ simpel: Quelle der Daten: PASS, 1. Welle, eigene Berechnungen; Abbildung. www.o-ton-arbeitsmarkt.de Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 18
Die mögliche Lösung für dieses Problem ist relativ simpel: Quelle der Berechnungen: Tim Obermeier (ibus) Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 19
Kann es ein richtige Praxis im falschen Leben geben? Ein Übergangsmodell 1. Absolut enge Zielgruppe, um von vorneherein jegliches Creaming auszuschließen (Personen die im Langleistungsbezug seit mehr als 2 oder 3 Jahren sind und in dieser Zeit trotz mehrfacher Aktivierung keinen einzigen Tag in einer regulären Beschäftigung waren). Diese Menschen sind schon per Definition wettbewerbsneutral. Vielleicht auch eine zahlenmäßige Begrenzung bei der Einführung auf z.b. 400.000 Menschen? 2. Wegfall der Zusätzlichkeit und Wegfall der starren Befristung; dezentrale Entscheidungen unter Einbindung der relevanten Akteure vor Ort ( Örtliche Beiräte in den Jobcentern) 3. Erlöse müssen auf dem Markt erzielt werden können. Diese sind zu verwenden für die Begleitung der geförderten Beschäftigung, für die Integration und zur Aufrechterhaltung der Marktfähigkeit der Beschäftigungsunternehmen. 4. Anreize für eine Aufstiegsperspektive schaffen - keine Zementierung in einem Sonderarbeitsbereich! Förderkette, also Einbindung in das heutige Aktivierungsinstrumentarium und darüber hinaus in ein Belohnungssystem Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 20
Kann es ein richtige Praxis im falschen Leben geben? Ein Übergangsmodell 5. Entlohnung mit dem Regelsatz, Miete plus einer Mehraufwandsentschädigung (zu zahlen aus dem Passivtitel, MAE aus dem Eingliederungstitel). Das wäre sozusagen ein embryonaler PAT Nähe zu den Menschen mit einer Behinderung im Sinne einer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt durchaus denkbar in der Kommunikation als legitimatorischer Anker für die Strukturveränderung (Wegfall Zusätzlichkeit und der Befristung, keine Wettbewerbsneutralität als Fördervoraussetzung) offene Fragen: WfB-Debatte sowie die Interessen der Träger der Behindertenhilfe GRÜNE/SPD/Gewerkschaften dort herrscht der Gedanke vor, diesen Menschen einen normalen Lohn zu zahlen Problem: eine normale Entlohnung ohne einen funktionierenden PAT++ überfordert den EGT restlos und deshalb besteht die Gefahr, dass diese Variante immer im Stadium von Modellprojekten mit Alibifunktion stecken bleibt Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 21
Grundsatzentscheidung hinsichtlich des Umgangs mit dem harten Kern Stilllegung Partialmodell Einbettung muddling through -Ansatz Dominanz punktueller und löchriger Interventionen Aufwand/ Ertrag A B C Individualisierung und BG als Referenzpunkt und Sozialraumorientierung Rentenmodell Tätigkeitsmodell Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de
Mögliche zukünftige Geschäftsmodelle Rendite für den Träger, Effizienz (für den Kostenträger); Positionerung der Trägerauf dem Markt tayloristisches Industriemodell Standardisierte Maßnahmen mit vielen Teilnehmern und hoher Umschlaggeschwindigkeit stuck-in-the-middle - Problem vieler Träger Manufakturmodell bzw. Systemzulieferermodell Spezialisierung auf bestimmte Qualifikationen/Branchen mit einer besonderen Nachfrage; Auftragsqualifizierung und Auftragsbeschäftigung für Unternehmen Geschäftsmodelle der Bildungs- und Beschäftigungsträger Berlin 26.10.2012 www.stefan-sell.de 23