Zur Analyse der Lebensräume von Heuschrecken mit Methoden der Geoinformatik - dargestellt am Beispiel der Riesaer Elberegion



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Veröffentlicht in: J.STROBL und F.DOLLINGER (1998): Angewandte Geographische Informationsverarbeitung. Beiträge zum AGIT-Symposium Salzburg 1998. H. Wichmann Verlag Heidelberg. ISBN 3-87907-324-4 Inhalt: Zur Analyse der Lebensräume von Heuschrecken mit Methoden der Geoinformatik - dargestellt am Beispiel der Riesaer Elberegion 1. Zusammenfassung 2. Einführung 3. Landschaftsbezogene Analyse 4. Räumlich-funktionale Habitatanalyse 5. Ausblick 6. Literatur Schumacher, U. 1 und J. Mathey 2 1 Abteilung Zentrale Aufgaben und Geoinformation Weberplatz 1, D - 01217 Dresden 2 Abteilung Raumordnung und Regionalentwicklung Weberplatz 1, D - 01217 Dresden Zum Index! - Zur AGIT! 1. Zusammenfassung Brach- und Freiflächen besitzen ein hohes ökologisches Potential, welches es gerade im Prozeß des sich vollziehenden sozio-ökonomischen Strukturwandels zu erhalten gilt. Im Mittelpunkt des am Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden laufenden interdisziplinären Forschungsprojektes stehen die Spezifizierung dieses Potentials in landschaftsbezogener Hinsicht sowie naturschutzfachliche Habitatanalysen für ausgewählte Tiergruppen. Neben der Darstellung der Habitatsituation interessiert vor allem die Frage nach ihren Hauptgefährdungsursachen bzw. Überlebensengpässen im urbanen Raum. Konkrete Untersuchungen wurden für Außenbereich und Umland mehrerer ostdeutscher Mittelstädte durchgeführt, wobei hier ausgewählte Ergebnisse einer GIS-gestützten Habitatanalyse von Heuschrecken (Saltatoria) aus der Riesaer Elberegion vorgestellt werden sollen. 2. Einführung Der sich gegenwärtig sehr rasch vollziehende Strukturwandel führt im Außenbereich und Umland von Mittelstädten in Ostdeutschland zu hohem Bebauungsdruck auf bestehende, ökologisch wertvolle Freiflächen. Aus der Problematik des zunehmenden Flächenverbrauchs ergibt sich die dringende Notwendigkeit, räumlich differenzierte und fundierte Entscheidungsgrundlagen für die Planung bereitzustellen. Dabei sind die räumlich-funktionalen Aspekte des Natur- und Landschaftsschutzes hinreichend zu berücksichtigen. Als methodisches Instrument zur Bearbeitung derartiger raumbezogener Fragestellungen eignen sich analytisch orientierte Geo-Informationssysteme wie z.b. SPANS, die bereits auf PC-Ebene ein umfangreiches Spektrum an Funktionalität bieten und effizient eingesetzt werden können (Walz & Schumacher 1998). Die Rolle der GIS-Bearbeitung im Rahmen der Habitatanalyse ist aus Abb. 1 ersichtlich.

Abb. 1: Vorgehensweise bei der GIS-gestützten Habitatanalyse in der Riesaer Elberegion Voraussetzung für die ökologische Bewertung von Brach- und Freiflächen ist die Kenntnis der vorhandenen Flora und Fauna sowie der räumlich-funktionalen Zusammenhänge. Pflanzen und Tiere erfüllen einerseits die Funktion von Bioindikatoren für aktuelle Standortbedingungen; sie liefern andererseits Hinweise für zukünftig zu entwickelnde Standortqualitäten. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden neben ausgewählten Wirbeltiergruppen die Heuschrecken zur Charakterisierung und Bewertung der ökologischen Stabilität kleinflächiger Strukturen herangezogen (Mathey 1997). Entscheidend für diese Artengruppe ist das Vorhandensein geeigneter Biotopstrukturen und Flächengrößen, weshalb sie als sensible Indikatoren für Mikroklima, Bodenbeschaffenheit und Vegetationsstruktur gelten können. Da im Sinne von Ziel- und Leitartenkollektiven auch wirbellose Arten wichtig sind und die Artengruppe der Heuschrecken als relativ überschaubar gelten kann, wurden ausgewählte Arten dieser Gruppe Gegenstand der hier vorgestellten GIS-gestützten Habitatanalyse. 3. Landschaftsbezogene Analyse Grundlage der speziellen faunistischen Betrachtungen bildet eine allgemeine landschaftsbezogene Analyse mit der Ermittlung von Flächennutzungs- bzw. Biotopstrukturen für drei Zeitschnitte (1880/82, 1992/93, Szenario 2010). Die Abgrenzung von 12 bzw. 14 Nutzungsarten erfolgte auf der Basis von entsprechendem Kartenmaterial im Maßstab 1 : 25 000. Die Digitalisierung der Flächennutzungsstrukturen 1992/93 basiert auf der TK 25 (N) des Landesvermessungsamtes Sachsen, wobei sich der Untersuchungsraum aus Teilen von vier Kartenblättern zusammensetzt. Die relevanten Geometrien wurden aus den Karten extrahiert und mit Hilfe des Systems SPANS im Vektorformat digital erfaßt, automatisch polygonisiert und interaktiv mit entsprechenden Attributen versehen. Dies geschah auf der Grundlage von numerisch codierten Legenden sowohl für die Linien (Verkehrs- und Gewässernetz) als auch für die Polygone (Biotopstrukturen / Flächennutzung). Bei der Erfassung des historischen Zustandes waren besondere Probleme zu lösen: Die verfügbaren über 100 Jahre alten Äquidistantenkarten weisen aus verschiedenen Gründen (Vermessungsbasis, Drucktechnik, Papierqualität) nicht die hohe Genauigkeit einer heute hergestellten topographischen Karte auf. Außerdem durften im vorliegenden Falle nicht die Originale, sondern nur Kopien als Digitalisiergrundlage verwendet werden. Da die Projektionsparameter auf diesen Karten nicht angegeben sind, wurden die relevanten Linienstrukturen manuell an die TK 25 (N) am Leuchttisch angepaßt. Die Georeferenzierung erfolgte über die Paßpunkte aktueller Karten des Landesvermessungsamtes. Ein weiteres Problem stellte die auf der historischen Karte fehlende Legende dar, so daß einige Signaturen nur einer wahrscheinlichen Nutzung bzw. Vegetationsform zuzuordnen waren. Dennoch dürfte die mit viel Akribie bearbeitete und ins GIS überführte Äquidistantenkarte - trotz der erwähnten Einschränkungen - interessante neue Erkenntnisse über historisch gewachsene Flächennutzungsstrukturen im Raum Riesa liefern. Insbesondere die gravierenden Veränderungen zugunsten der Siedlungsfläche bzw. zulasten von Acker- (ca. 10 km 2 ) und Grünlandflächen (ca. 1 km 2 ) in diesem Jahrhundert können hiermit nachgewiesen werden (Abb. 2).

Abb. 2: Karte zur Freiflächen-Inanspruchnahme durch Siedlungsflächen in Riesa und Umland von 1880/82 bis 1992/93 Bei der Erarbeitung der Datenbasis für eine zukünftige Zeitebene (Szenario 2010) wurden zunächst die Vektordaten von 1992/93 zugrundegelegt. Weiterhin stand der Flächennutzungsplan Riesa im Maßstab 1 : 20 000 (5. Entwurf vom Mai 1997) zur Verfügung, aus dem beabsichtigte Nutzungsänderungen sowie neu geplante Verkehrstrassen entnommen und manuell im Maßstab 1 : 25 000 hochgezeichnet wurden. Diese Veränderungen sind schließlich interaktiv mit Hilfe des SPANS-Karteneditors eingefügt worden. 4. Räumlich-funktionale Habitatanalyse Für die Detailuntersuchungen wurden Flächen ausgewählt, deren Biotoptypen einen repräsentativen Querschnitt der Riesaer Elberegion darstellen. Sie wurden zu fünf verschiedenen Biotoptypengruppen zusammengefaßt: Feucht- und Naßwiesen, Wirtschaftsgrünland, nährstoffarme trockene Grasfluren, Acker- und Grünlandbrachen sowie Rohboden- und Ruderalstandorte. Die qualitative und semiquantitative Erfassung der Heuschrecken erfolgte in den Sommermonaten vor Ort über das Verhören arttypischer Gesänge, Abkeschern von Transsekten und gezieltes Absuchen des Geländes. Für die Standortanalyse wurden diese Primärdaten nach den Kriterien der Artenvielfalt / Artenfülle, Vollständigkeit der lebensraumtypischen Artengemeinschaft (Repräsentanz) sowie der Gefährdungssituation (Rote Liste, Börner 1994) ausgewertet. Bei der räumlich-funktionalen Analyse mitttels GIS ging es um die Verknüpfung raumbezogener Parameter (Eigenschaften: Nutzungsart und -intensität, Flächengröße, Strukturvielfalt, Vernetzung, Zerschneidung, Feuchtigkeit) mit artbezogenen Parametern (Ansprüche der entsprechenden Tierart an den Lebensraum: Anforderungen an Flächeneigenschaften, Minimalareale, Mobilität, Rekolonisationsdistanz). Die Auswertung erfolgte im Hinblick auf zukünftige Chancen und Möglichkeiten des Artenschutzes im Stadt-Umland-Bereich. Im Fallbeispiel wurden folgende konkrete Modellannahmen zugrundegelegt: Der Gesamt-Lebensraum setzt sich zusammen aus dem potentiellen Lebensraum, potentiellen Trittsteinbiotopen und zwei Wanderzonen. Die Zuordnung konkreter Flächen zu diesen vier Arealtypen erfolgt artenspezifisch nach logischen Bedingungen hinsichtlich Flächennutzung, Biotoptyp, Flächenstruktur und / oder Flächengröße, wobei die Wanderzonen über Distanzfunktionen (Pufferzonen) bestimmt werden. Es gibt zusätzlich die Möglichkeit der linienhaften Ausbreitung (auch durch Restriktionszonen hindurch), wobei die Begleitvegetation eine Rolle spielt. Es existieren innerhalb von Freiflächen zusätzliche Ausbreitungsbarrieren (flächenhaft: abhängig von der Nutzungsart oder linienhaft: abhängig von der Begleitvegetation). An dieser Stelle soll auch auf Probleme hingewiesen werden, die sich bei einer Habitatanalyse für Heuschrecken auf der verwendeten

Maßstabsebene ergeben können: Selbst auf homogen wirkenden Flächen einheitlicher Nutzung sind die Heuschrecken wegen wechselnder Mikrohabitate nicht gleichmäßig verteilt. Die Kenntnis zu Mindestarealen und Wanderradien ist bei den meisten Arten relativ schlecht. Die Wanderfreudigkeit der Heuschrecken ist außerdem abhängig von Faktoren wie Populationsdichte oder Wetter. Die methodische Vorgehensweise mit Hilfe des quadtree-orientierten Systems SPANS ist in Tab. 1 dargestellt (zum Aufbau einer Quadtreestruktur siehe z.b. Bartelme 1995, S.212). Tab. 1: GIS-Arbeitsschritte bei der Habitatanalyse von Heuschrecken Nr. Methodischer Arbeitsschritt SPANS-Modul und -Funktion (1) Attributvergabe im Layer "Flächennutzung" für: - Potentiellen Lebensraum - Trittsteinbiotop (2) Aufbau einer selektiven Quadtreestruktur für potentiellen Lebensraum und Trittsteinbiotop (3) Quadtree-Vektor-Wandlung für potentiellen Lebensraum und Trittsteinbiotop (4) Differenzierte Pufferbildung um potentiellen Lebensraum und Trittsteinbiotop: - Wanderzone 1 - Wanderzone 2 (5) Bildung eines Gesamt-Lebensraumes durch Verschneidung von potentiellem Lebensraum und Trittsteinbiotop mit beiden Wanderzonen (6) Selektion linienhafter Ausbreitungsbarrieren (7) Wandlung linienhafter Barrieren entsprechend ihrer Breite zu Flächen (in Quadtreeform) (8) Selektion flächenhafter Ausbreitungsbarrieren (auf Quadtreebasis) (9) Vereinigung linienhafter und flächenhafter Barrieren (10) Invertierung der vereinigten Barrieren (Barriere = negativer Lebensraum) MAP/CD: Spreadsheet - Open - Query by example (Logical expression) => Edit Map - Edit - New layer (Representation: Nominal) File - Transform - Area to quadtree Transform - Map to vectors (Area option) Transform - Vectors to map (Arcs to corridors) Model - Overlay - Stamp MAP/CD: Spreadsheet - Open => New layer Transform - Vectors to map (Arcs to corridors) Model - Overlay - Join

(11) Beschneidung des Gesamt-Lebensraumes mit den vereinigten Barrieren sowie mit der Basiskarte (Grenzen des Untersuchungsraumes) (12) Quadtree-Vektor-Wandlung der Ergebnisse (zur Kartendarstellung) Model - Overlay - Impose (2 x) Transform - Map to vectors (Area option) (13) Erzeugung der Habitatkarte MAP/CD: Verschiedene Funktionen Dieses Verfahren ist separat für jede der näher untersuchten Heuschreckenarten Leptophyes albovittata, Sphingonotus caerulans, Mecostethus grossus, Chorthippus apricarius, Chorthippus brunneus durchgeführt worden (lebensraumspezifische Parameter ausgewählter Arten siehe Tab. 2). Die Ergebnisse sind in einer Serie von Habitatkarten dargestellt, wobei sich besondere Aufmerksamkeit auf die gefährdete Sumpfschrecke (Mecostethus grossus) richtet (Abb. 3). Diese Art gilt wegen ihrer engen Bindung an Feucht- und Naßwiesen als guter Indikator für intakte Feuchtgebiete und ist außerdem als Zielart für Naturschutzmaßnahmen gut geeignet (Malkus et al 1996, 1997). Abb. 3: Karte zum Lebensraum der Sumpfschrecke in Riesa und Umland 1992/93 Zumindest für die Heuschrecken stellen sich die aktuellen Habitat- und Verbundstrukturen in Riesa und Umland als relativ günstig dar. Feuchtgebietsarten finden ideale Bedingungen im reich gegliederten Wiesenkomplex der Döllnitzaue. Mögliche Ersatzbiotope für xero-thermophile Arten liegen eher verstreut in der Agrarlandschaft, sind jedoch nah genug beieinander, um einen Austausch der Populationen zu gewährleisten. Für die Ausbreitung gebüschliebender Arten macht sich allerdings das weitgehende Fehlen von Feldgehölzen negativ bemerkbar. In Kombination mit den GIS-Analyseergebnissen für die anderen Artengruppen läßt sich für die Planung ableiten, an welchen Stellen vorhandene Biotopstrukturen zu erhalten, zu fördern oder zu ergänzen bzw. wie mögliche Eingriffe zu kompensieren sind. Tab. 2: Übersicht über (lebens-)raumbezogene Parameter für ausgewählte Heuschreckenarten (Nach Bellmann 1993, Buchweitz et al. 1990, Malkus et al. 1996, 1997, Marzelli 1997)

Raumbezogene Mecostethus grossus Leptophyes Chorthippus Parameter (Sumpfschrecke) albovittata (Gestreifte Zartschrecke) apricarius (Feld-Grashüpfer) Potentielle Lebensräume Nutzung; Größe extensiv gepflegte Feucht- u. Naßwiesen; <=2 ha Gebüsche, Kleingärten, Sonderkulturen, nähr-stoffarme Grasfluren, Acker- u. Grünlandbrachen; >=1 ha Abgrabungen u. Abbau-flächen, nährstoffarme Grasfluren, Acker- u. Grünlandbrachen, Rohboden u. Ruderalstandorte; >= 1 ha Trittsteinbiotope Nutzung, Größe Potentielle Lebensräume < 2 ha, intensiv gepflegte Feucht- u. Naßwiesen, Wirtschaftsgrünland Potentielle Lebensräume < 1 ha, Abgrabungen u. Abbauflächen, Wirtschaftsgrünland, Rohboden- u. Ruderalstandorte Potentielle Lebensräume < 1 ha, Wirtschaftsgrünland, Bahnanlagen Distanzen AT: ca. 200 m AT: ca. 100 m AT: ca. 100 m AT: max. Teilflächenabstand (Wanderzone 1) AM: max. Mindestarealabstand (Wanderzone 2) AM: ca. 3 km AM: ca. 2 km AM: ca. 3 km Ausbreitungslinien Gewässerbegleitende Vegetation Wegbegleitende Vegetation, wegbegleitende Gehölze, Feldgehölze Wegbegleitende Vegetation, wegbegleitende Gehölze, Feldgehölze, Hochwasserschutz-dämme Ausbreitungs-barrieren (flächenhaft) Wald, Gebüsche, Wohnbebauung, Gewerbe u. Industrie, Bahnanlagen Gewässer, Wohnbebauung Wald, Gewässer, Wohnbebauung Ausbreitungs-barrieren (linienhaft) Gewässerbegleitende Gehölze, wegbegleitende Gehölze, Feldgehölze Fließgewässer, Bundesstraßen, Staatsstraßen Fließgewässer, Bundes-straßen 5. Ausblick Weiterer Forschungsbedarf besteht zweifellos in räumlich detaillierteren Untersuchungen der Heuschreckenfauna, d.h. im Übergang zu größeren Maßstäben. Außerdem sollte der Zeitfaktor stärker berücksichtigt werden, beispielsweise im Rahmen eines Umweltmonitorings (Verknüpfung des vorgestellten Modellansatzes mit Populationsmodellen). Wegen der Bedeutung des räumlichen Kontaktes zwischen benachbarten Lebensräumen sind einzelne Biotope nicht nur separat, sondern vor allem im Verbund zu betrachten. In diese Richtung zielt auch ein neues Forschungsprojekt am IÖR Dresden zu ökologischen Potentialen sanierungsbedürftiger Brachflächen und ihrer Einbeziehung in Biotopverbundsysteme. Die GIS-Anwendung erscheint im Rahmen derartiger Projekte als folgerichtig und vorteilhaft, nicht zuletzt durch die zunehmende Verfügbarkeit raumbezogener Grunddaten in digitaler Form (z.b. ATKIS). Die Erhebung spezieller faunistischer Daten wird jedoch weiterhin Aufgabe des Bearbeiters bleiben, der technische Unterstützung beispielsweise durch GPS-Koordinatenerfassung erhalten kann. Der Einsatz PC-basierter Systeme mit benutzerfreundlicher Oberfläche und umfangreichen räumlichen Analysemöglichkeiten hat sich - wie hier am Fallbeispiel mit SPANS gezeigt wurde - durchaus bewährt. Insgesamt gesehen dürfte die Technologie der Geoinformatik als wichtiges Instrumentarium gerade für faunistische Untersuchungen in der Zukunft noch stärker gefordert sein. 6. Literatur Asche, A. und Schreiber, K.-F. (1995): EDV-gestützte ökologische Karten. Einsatz von GIS-Technologie in der Biotopverbundplanung. Natur und Landschaft 4/95, S. 159-165. Bartelme, N. (1995): Geoinformatik. Modelle - Strukturen - Funktionen. Berlin, Heidelberg, 414 S. Bellmann, H. (1993): Heuschrecken beobachten - bestimmen. Augsburg, 349 S.

Börner, J. (1994): Rote Liste Heuschrecken, Arbeitsmaterialien Naturschutz. Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.), Radebeul. Buchweitz, M., Detzel, P. und Hermann, G. (1990): Zur Bedeutung von Feldrainen als Lebensraum für Chorthippus apricarius (L. 1758), Articulata Bd. 5(2). Döring, C. (1997): Abundanzmodelle für 2 Laufkäferarten auf der biologischen Mesoskala. Salzburger Geographische Materialien, Heft 26. Salzburg, S. 217-222. Malkus, J., Reich, M. und Plachter, H. (1996): Ausbreitungsdynamik und Habitatwahl von Mecostethus grossus (L., 1758) (Orthoptera, Acrididae). Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie, Band 26, S. 253-258. Malkus, J. (1997): Habitatpräferenzen und Mobilität der Sumpfschrecke (Stethophyma grossum L. 1758) unter besonderer Berücksichtigung der Mahd. Articulata 12(1), S. 1-18. Marzelli, M. (1997): Untersuchungen zu den Habitatansprüchen der Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) und ihre Bedeutung für das Habitatmanagement, Articulata 12(2), S. 107-121. Mathey, J. (1997): Situation der Heuschrecken (Saltatoria) im Stadt- und Stadtumland-Bereich von Mittelstädten. In: Werner, A. und Seyfarth, W. (Hrsg.): Erkenntnisse, Methoden und Lösungsansätze für eine dauerhafte Naturentwicklung in Mitteleuropa. ZALF-Berichte Nr. 32, Müncheberg, S. 51. Vogel, M. und Blaschke, T. (1996): GIS in Naturschutz und Landschaftspflege: Überblick über Wissensstand, Anwendungen und Defizite. Laufener Seminarbeiträge 4/96. Laufen/Salzach, S. 7-19. Walz, U. und Schumacher, U. (1998): Zum Einsatz des Geo-Informationssystems SPANS für landschaftsökologische Fragestellungen. Photogrammetrie - Fernerkundung - Geoinformation 2/98, Stuttgart (im Druck). 1998 Institut für Geographie der Universität Salzburg