Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht



Ähnliche Dokumente
Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Anlässe für die Bewertung von (Anteilen an) Kapitalgesellschaften

Der harte Brexit steht bevor was nun? - Ertragsteuern - Prof. Dr. Gerrit Frotscher

Internationale Aspekte der Erbschaftsteuer

Erbschaft- und Schenkungsteuer im Bereich der Land- und Forstwirtschaft Aktuelle Rechtsentwicklung

Grundlagen der Besteuerung des Volksbank-Amerika-Invest A. Daten für Steuererklärungen und sonstige Eingaben bei Finanzämtern.

Unternehmenssteuerreform 2008:

Die künftige Besteuerung von Streubesitzdividenden

Funktionsverlagerung. Prof. Dr. Gerrit Frotscher. University of Hamburg

Aktuelle Probleme von Freistellungs und Anrechnungsmethode. Prof. Dr. Roland Ismer Vortrag vom 20. Juni 2013

70. Düsseldorfer Steuerfachtagung 25. Februar 2019

Entstrickung. Universität Bochum 14. Dezember 2012

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Lösungen Repetitorium

Checkliste Abgeltungssteuer

A. Daten für Steuererklärungen und sonstige Eingaben bei Finanzämtern. 1. Anteile im Privatvermögen

Finanzielle Auswirkungen des Entwurfs eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer

Überblick über die Besteuerung von Zinsen und Dividenden

18-Wochenlehrgang Curriculum 1

Bemessung der Kapitalertragsteuer bei bestimmten Gesellschaften

A. Daten für Steuererklärungen und sonstige Eingaben bei Finanzämtern. 1. Anteile im Privatvermögen

Klausur aus Unternehmenssteuerrecht

Die neue Erbschaftund Schenkungsteuer

Entstrickung von Wirtschaftsgütern

Beteiligung ausländischer Investoren und Initiatoren an deutschen Fonds

A. Grundlagen der Unternehmenssteuern 15

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Das Investmentsteuergesetz Einführung und ausgewählte internationale Aspekte

Leben und arbeiten in der Region Trier - Luxemburg

50d Abs. 3 EStG - Neue Herausforderungen für die Kapitalertragsteuerentlastung Münchner Unternehmenssteuerforum

Dr. Roland Wacker Richter am Bundesfinanzhof München, I. Senat

So minimieren deutsche Steuerzahler mit ausländischen Einkünften ihre Steuerlast

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Inhaltsübersicht. Literaturverzeichnis 15. Abkürzungsverzeichnis Einleitung Deutschland als Wegzugsstaat 27

Einheitliche Besteuerung aller in den Unternehmen thesaurierten Gewinnen, unabhängig von der Rechtsform

GO NORTH: WINDENERGIE IN SCHWEDEN

Erbschaft- und Schenkungsteuer

Teil A: Einführung. Arbeitsunterlagen zur Vorlesung Unternehmenssteuerrecht 2015

2. Dem EuGH wird die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Basiswissen Vor den Klausuren noch einmal durcharbeiten! Kein Anspruch auf Vollständigkeit

Teil E: Laufende Besteuerung IV. Kapitalgesellschaften

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Wohnsitzverlagerung nach Österreich und in die Schweiz

Übersicht Holding-Standorte Österreich - Deutschland - Schweiz

= steuerpflichtiges EINKOMMEN x Steuertarif ( 33) = Einkommensteuerschuld Absetzbeträge ( 33 Abs 2 ff)

Verschmelzung einer Kap.-Ges. auf eine Kap.-Ges.

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Outsourcing & Beteiligungen. Folie Nr. 1

Sachverzeichnis. Die Zahlen verweisen auf die Randnummern.

Erbschaftsteuerreform und Veräußerungsgewinnbesteuerung Ausblick und Handlungsalternativen

Informationsveranstaltung zum neuen Doppelbesteuerungsabkommen NL D

Allgemeine Hinweise zur Klausur:

Inhaltsverzeichnis. Vorwort... 5 Abkürzungsverzeichnis... 15

Ertragsteuerliche Gewinnermittlung und Steuerbelastung bei Betrieben gewerblicher Art von Hochschulen. Folie Nr. 1

Investition einer PersG in eine Tochterpersonengesellschaft

StB Dipl.-Wirtsch.-Ing. Egon Schawe Die optimierte Gestaltung der Transaktion Steuereffizienz mit Extrarendite!

Aktuelles Steuerrecht. WP/StB/RA Andreas Mader

14a. Anlage AESt (neu ab 2015) Anrechnung/Abzug ausländischer Steuern

DETAILS DES INVESTMENTSTEUERRECHTS

KANZLEI NICKERT WIR DENKEN SCHON MAL VOR.

Verluste im Steuerrecht

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Hybride Gestaltungen im Kontext von BEPS - Praktische Implikationen und Probleme -

BFH Leitsatz-Entscheidungen

Handbuch. Umstrukturierung von Unternehmen. nach UmwG, UmwStG, SEStEG

Europäisches Steuerrecht SS Dr. Marcel Krumm

Abgabenänderungsgesetz 2009 und Konjunkturpaket

Inhaltsverzeichnis Vorwort Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 1. Der Wirtschaftsstandort Rumänien 2. Gesellschaftsrecht

Erweiterung beschränkt steuerpflichtiger Einkünfte um Gewinne aus der Veräußerung von Immobilienkapitalgesellschaften

Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (BGBl. I S.

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Beispiele. Beispiele. 1. Nationale Einbringungen. Konzentrationseinbringung

BMF-Schreiben vom 24. Dezember IV B 4 -S /99 -

50d Abs. 3 EStG Anwendungsfragen unter besonderer Berücksichtigung des BMF-Schreibens v Prof. Dr. Carsten Pohl LL.M.

Körperschaftsteuer Gewerbesteuer

Studienarbeit ESt Lösungshinweise

Aktuelles zum Körperschaftsteuerrecht KStR-Wartungserlass 2010

An das Bundesministerium der Finanzen Herrn MD Michael Sell Referat IV A 2 Wilhelmstraße Berlin. Düsseldorf, 20.

Die Besteuerung ausländischer Einkünfte Anrechnungsmethode und Freistellungsmethode Entwicklungen unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts

Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten

Dogmatische Neuausrichtung der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung durch die EU-Anti-BEPS- Richtlinie?!

Besteuerung der Erträge des Geschäftsjahres 2013 Datum Ausschüttungsbeschluss:

Wechsel von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht bei Kapitalgesellschaften

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

Konzernsteuertag 2016 CFC-Berechnung (Art 8)

Die Thesaurierungsbegünstigung nach 34a EStG

Stiftungsgründungen im Europäischem Rahmen - Aktuelle Entwicklungen des deutschen Stiftungssteuerrechts bei grenzüberschreitenden Sachverhalten -

1/0 Inhaltsverzeichnis

Rechtsprechung GmbHR 18/2012. Steuerrecht

Gründung einer ausländischen Betriebsstätte in Russland

P+P Pöllath + Partners Rechtsanwälte Steuerberater. Berlin Frankfurt München

Inhaltsverzeichnis. Seite Vorwort 12 Abkürzungsverzeichnis 13 Literaturnachweis 14 Verzeichnis der Übersichten und Tabellen 15

Die (un)beschränkte Steuerpflicht. Daniela Riewe und Günter Fuchs, Finanzverwaltung NRW, Team Grensoverschrijdend Werken en Ondernemen

Transkript:

Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht 09. Juni 2016 Dr. Stephan Schauhoff von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht Prof. Dr. Stephan Schauhoff Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht

5 Folgen der EU-Harmonisierung im deutschen Recht (Schaumburg, Kapitel 4, Kapitel 17; Birk, 7 B) 2

Europäisches Recht erfordert Anpassung des nationalen Rechtes an Grundfreiheiten Bestenfalls verständigen sich EU-Staaten auf eine Steuerharmonisierungsrichtlinie, damit einheitliche Anwendung des EU-Rechtes in allen Staaten gewährleistet ist Ansonsten setzt jeweiliger nationaler Gesetzgeber Grundfreiheiten in nationales Recht um. Nationale Interpretationsspielräume bei Auslegung der Grundfreiheiten können zu erheblichen Abweichungen führen. Verwaltungs- und Erhebungsüberlegungen zur Sicherung des jeweiligen nationalen Steuersubstrats stehen im Konflikt mit der Überlegung, Steuerinländer und europäische Ausländer gleich zu behandeln Einige Beispiele: 3

I. Mutter-Tochter-Richtlinie Ausfluss Harmonisierung nach Art. 115, 116, 5 Abs. 3, Abs. 4 AEUV Richtlinie 2011/967/EU des Rates v. 30. November 2011 (Neufassung); Amtsblatt EU v. 29.12.2011 Richtlinie zielt darauf ab, Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften von Quellensteuern zu befreien und die Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte auf Ebene der Muttergesellschaft zu beseitigen Definition Gesellschaft nationales Steuerrecht Anteil am Kapital von wenigstens 10 %, bilateral Stimmrecht vereinbaren Option 2 Jahre Besitzdauer vereinbaren Verwaltungskosten nicht abzugsfähig oder pauschal: 5 % ausgeschütteter Gewinne 4

Rechtsfolge: Kein Quellensteuerabzug an der Quelle Steuerfreiheit der Gewinnausschüttung bei der Muttergesellschaft oder alternativ Anrechnung der (auch ausländischen) Vorbelastung mit Körperschaftsteuer Beispiel D AG 70 Ertrag aus Ausschüttung 100 v.h. 30 Kosten, bspw. Zinsen für Erwerb Beteiligung 40 Gewinn 100 Gewinn GB-ltd. 30 GB-Köst 70 Mögliche Ausschüttung? Quellensteuer 5

1. Kapitalertragsteuer ( 43 b EStG) Definition Muttergesellschaft Mindestens 10 v.h. am Kapital Beteiligung nachweislich mindestens 12 Monate, Erstattung KapErtrSt, wenn nachträglich erfüllt 6

2. Steuerfreistellung ( 8 b KStG) Steuerbefreiung für in D ansässige Muttergesellschaften, nicht nur für EU-Fälle Steuerfreiheit nach 8b Abs. 1 KStG, jetzt aber Einschränkung 8b Abs. 4 KStGneu. System unsauber, da Veräußerungsgewinne auch für Streubeteiligung steuerfrei Keine Verlustberücksichtigung; Teilwert-AfA: 8b Abs. 2 KStG Pauschal 5 % Dividendeneinnahme nicht abzugsfähige BA ( 8b Abs. 5 KStG) Rückausnahme für Eigenhandel Finanzinstitute etc. gilt nicht für EU-Gesellschaften ( 8 b Abs. 9 KSTG) 7

3. Streubesitzdividenden Neuregelung 8b Abs. 4, 32 Abs. 5 KStG durch Gesetz zur Umsetzung des EuGH- Urteils v. 20.10.2011 in der Rs.C-284/09 (Gesetz v. 21.03.2013, BStBl. 2013 I, 344) Hintergrund: bislang Streubesitzdividende an ausl. Muttergesellschaft (Beteiligung unter 10 v.h.): Steuerpflicht in D nach 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG Keine KapErSt-Freiheit, allenfalls Absenkung von 25 v.h. auf 15 v.h. Steuersatz nach DBA Keine Gewerbesteuer, anders inländische Streubesitzdividende BFH v. 22.04.2009 I R 53/07, DStR 2009, 1469: Ungleichheit nur im Ansässigkeitsstaat bei Anrechnung KapErtSt EuGH v. 20.10.2011 C-284/09 Kommission/Deutschland: KapErtSt Unterschied Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit 8

3. Streubesitzdividenden (dazu Benz/Jetter, DStR 2013, 489) Drohende Steuerausfälle von ca. EUR 600 bis EUR 650 Mio. jährlich durch massenhafte Anträge auf KapErtSt von EU-Ausländern 8b Abs. 4 KStG: Streubesitzdividenden unter 10 v.h. Beteiligung für In- wie Ausländer stpfl., KapErtSt wird angerechnet (Gegenkonzept an Bundesrat gescheitert: Erstattung KapErtSt auch für Steuerausländer): 15 v.h. KSt./. 25 v.h. KapErtSt-Erstattung für inländische Gewerbebetriebe: 8 Nr. 5 i.v.m. 9 Nr. 7 GewStG bei Beteiligung von mindestens 15 v.h. seit Beginn Erhebungszeitraum keine Gewerbesteuerpflicht Folge: Ganz unterschiedliche Besteuerung bei Dividendenbezug von inländischer oder ausländischer Kapitalgesellschaft: 9

Beteiligungsquote: AG GmbH ltd BV 60 8 24 8 GmbH Altfälle bis 2001 AG: steuerfrei, bis auf 8b Abs. 5 KStG, 1,5 v.h. Steuerlast GmbH: 30 v.h. KSt und GewSt nach Anrechnung KapErtrSt ltd: steuerfrei, keine KapErtSt BV: 15 v.h. KSt bei Veranlagung nach Anrechnung KapErtrSt D hatte bis 2001 System, dass KöSt inl. KapGes auf Einkommen-/KöSt des inl. Gesellschafters angerechnet wurde Dieses System war europarechtswidrig (EuGH v. 30.06.2011, Meilicke I, Meilicke II: Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit) Unverändert offen, ob massenhafte Anträge auf Steuererstattung inl. Muttergesellschaften wegen Vorbelastung der Dividenden mit ausl. KöSt erfolgreich sein werden, zuletzt FG Köln v. 27.8.2012, BFH Revision I R 69/12; FG Münster v. 19.1.2012, BFH Revision I R 38/12: fehlende Nachweise; Verwaltung: keine Entscheidung möglich, FinMinSt v. 30.12.2015, IStR 2016, 264 16-20 Jahre nach Besteuerung Rechtmäßigkeit der Steuererhebung weiter unklar 10

II. Zins- und Lizenzrichtlinie Zinsrichtlinie v. 03.06.2003, Abl. EU (letzte Fassung) v. 20.12.2006 Nr. L 363/129 für natürliche Personen Besteuerungsrecht im Gläubigerstaat Wirtschaftliches Eigentum, Ansässigkeit EU Automatischer Auskunftsverkehr, Lux+Ö bislang alternativ lieber 35 v.h. Quellensteuer, kippt gerade Zins-/Lizenzrichtlinie für verbundene Unternehmen v. 03.06.2003, Abl. EUR v. 20.11.2006 Kein Quellensteuerabzug auf Lizenzen 11

1. Nationale Besteuerung und DBA Art. 11 OECD-MA Besteuerungsrecht Wohnsitzstaat; Art. 12. OECD-MA Quellensteuerabzugsrecht beschränkt für Lizenzen bspw. 10 v.h. 43 ff. EStG: 25 v.h. Abgeltungssteuer, für Steuerausländer nur bei dinglich gesicherter Forderung: 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG, nach DBA auch dann Freistellung 12

2. Besonderheiten des 50 g EStG Erstattung zwischen Kapitalgesellschaften; Mindestbeteiligung 25 v.h.; keine Mindestbesitzzeit; Missbrauchsvorbehalt : 50d EStG 13

III. Sportler- und Künstlerbesteuerung Beschränkt stpfl. Künstler/Sportler: Art. 17 OECD-MA: Auftrittsstaat, Gage und unmittelbar damit zusammenhängende Nebeneinkünfte; gleichgültig, ob selbständig oder nichtselbständig; auch bei Durchleitung Künstlerverleihgesellschaft 49 Abs. 1 Nr. 2d, Nr. 3 EStG 14

1. Besteuerungsverfahren 50a Abs. 1, 2 EStG: 15 v.h. bei Einnahmen über EUR 250. Einnahme umfasst Reisekostenerstattung, Hotelkosten, Verpflegung etc. EUR 1000 Gage, EUR 700 Flug/Taxi, Essen, Hotel liegt Steuerlast bei EUR 150 bei Gewinn von EUR 300, also Steuersatz von 50 v.h. wie Spitzensteuersatz trotz Minieinkommen 15

2. Änderungen infolge von Gerritse und Scorpio: 50a Abs. 3 EStG Gerritse, EuGH v. 12.06.2003 Rs. C-234/01, BStBl. 2003 II, 859: Art. 49, 50 AEUV Dienstleistungsfreiheit steht Bruttobesteuerung ohne Wahlrecht entgegen, wenn für Inländer geringere steuerliche Belastung: NL in D aufgetreten, dt. Konzertveranstalter auf Quellensteuer in Anspruch genommen Scorpio, EuGH v. 03.10.2006 Rs.C-290/04, BStBl. 2007 II, 352: Quellensteuerabzugsverfahren nur für Ausländer auch zulässig, aber BA-Abzug muss dann möglich sein: 50 a Abs. 3 EStG, dann Steuersatz 30 v.h. Auch Centro Equestre, EuGH v. 15.02.2007, Rs.C-345/04, IStR 2007, 212 FG Düsseldorf v. 24.04.2013 15 K 1802/09 E: Geschaffenes Recht ist europarechtskonform und verfassungsgemäß, obwohl Steuerausländer verfahrensrechtlich schlechter gestellt sind 16

IV. Fusionsrichtlinie und Niederlassungsfreiheit Verschmelzungsrichtlinie v. 26.10.2005, Abl. EU v. 01.02.2008 Nr. L 28/40 Fusionsrichtlinie: Richtlinie 90/434/EWG des Rates v. 23.07.1990, Fassung v. 20.11.2006, Amtsbl. 2006 erfasst: Fusion/Verschmelzung, Spaltung, Einbringung grundsätzlich grenzüberschreitend zu Buchwert möglich bei Teilbetrieb/Betrieb greift nur für KapGes, KöSt Sonderregeln für Sitzverlegung SE 17

1. Gewinnrealisierung infolge Entstrickung, Besteuerungswechsel Grundsatz: Veräußerungen (Übertragung wieigt. an WiG führt zu Gewinnrealisierung, auch wenn kein Entgelt gezahlt wird, sondern Anteile an aufnehmender Gesellschaft gewährt werden (wie Tausch) oder unentgeltlich (vga, Entnahme). Besteuerung Differenz BW/AK zu Verkehrswert; Ausnahme: Teilbetrieb/Betrieb: Übertragung wirtschaftlicher Einheiten, um Betriebsfortführung zu ermöglichen gilt auch grenzüberschreibend in der EU < = > Sicherung des nationalen Steuersubstrats EuGH-Rspr. zu Art. 54 AEUV (Niederlassungsfreiheit): Besonderer Betriebsstättensteuersatz: CCT-UFA EuGH v. 23.02.2006, Rs.C-253/03, IStR 2006, 200); Nichtanerkennung Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft durch Aufnahmemitgliedstaat: Überseering BV EuGH v. 05.11.2002 Rs.C-208/00, IStR 2002, 809 und viele andere 18

2. Anteilstausch über die Grenze: 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG Steueraufschub bei Wechsel des Besteuerungsrechtes durch Anteilstausch in anderen Staat bis zu späterer Veräußerung Beispiel: D-AG bringt Anteil an X-Ltd. in NL-BV ein und erhält dafür weitere Anteile an NL-BV. BW bei Einbringung 100, Verkehrswert 150, 5 Jahre später Veräußerung Anteile an X-Ltd. durch NL-BV für 200 EuGH v. 18.07.2013 C-261/11: Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dänischem Unternehmen auf EU-Betriebsstätte mit Wegzugsteuer verstößt gegen Niederlassungsfreiheit. Erforderlich ist Steuerstundung ohne Sicherheitsleistung, auch zeitliche Streckung der Steuer 19

3. Verlagerung von Anteilen an SE: 4 Abs. 1 Satz 4 EStG 20

4. Verlagerung von Wirtschaftsgütern in der EU: 4g EStG Druckmaschine von D-AG in polnische Niederlassung gebracht: Entnahme aus dt. Betriebsvermögen: 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, aber Ausgleichsposten über 5 Jahre gewinnerhöhend auflösen: Nach EuGH v. 21.5.2015 C-657/13 europarechtskonform Wohl zulässig nach EuGH v. 23.01.2014 Rs. C-164/12 DMC Beteiligungsgesellschaft zu 20 Abs. 6 UmwStG a.f., aber Vorlage v. FG Düsseldorf v. 05.12.2013 8 K 3664/11 F 20 Abs. 3 UmwStG einschränkend auslegen, Wertaufdeckung wegen Verlust des deutschen Besteuerungsrechtes in diesen Fällen nicht zulässig. Unionsrechtswidrige Regelung kann keine Wirkung entfalten, eingebuchte stille Reserven unterliegen deutschem Besteuerungsrecht. Da Steuerbescheide aber bestandskräftig, faktische Nichtbesteuerung (BFH I B 66/15; FG Hamburg 2 K 66/14) 21

V. Erbschaftsteuer und Kapitalverkehrsfreiheit W mit Wohnsitz in der Schweiz erbt in D belegene Immobilie von seiner verstorbenen Ehefrau. Als beschränkt Stpfl. hat er nach 16 II ErbStG EUR 2.000 Freibetrag. Ehepartner haben Freibetrag von EUR 500.000 sowie einen weiteren Versorgungsfreibetrag EuGH C-181/12 v. 17.10.2013 (Welte): Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, da Gebietsfremde und Ansässige verschieden besteuert werden; Niederlassungsfreiheit vorrangig berührt, wenn es um die Vererbung der beherrschenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft geht (EuGH v. 19.7.2012 C-31/11, Scheunemann), Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten nicht geschützt Kapitalverkehrsfreiheit aber doch, wie Immobilientransaktion aus privaten Motiven Keine Rechtfertigung über Kohärenz: Vorteil, dass bei beschränkt Stpfl. sich Bemessungsgrundlage auf Inlandsvermögen beschränkt und deswegen Freibetrag niedriger ist, rechtfertigt nicht Ungleichbehandlung von Steuerin- und ausländern, kein unmittelbarer Vorteil für beschränkt Stpfl. gegeben 22

V. Erbschaftsteuer und Kapitalverkehrsfreiheit Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit Jetzt BFH v. 20.1.2015 II R 73/13: Vorlage, ob 27 ErbStG gegen Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, weil Steuerermäßigung bei mehrfachem Erwerb in StKl. I nur greift, wenn zuvor deutsche, aber nicht österreichische Erbschaftsteuer angefallen war 23