Transverse Myelitis und der Bezug zur Multiplen Sklerose



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Transkript:

Transverse Myelitis und der Bezug zur Multiplen Sklerose D. Joanne Lynn, MD Assistant Professor of Neurology, Multiple Sclerosis Center, The Ohio State University; TMA Medical Advisory Board Sowohl für Patienten mit TM als auch für Ärzte und Pflegepersonal, die TM behandeln oder erforschen, lohnt sich aus vielerlei Gründen ein Blick auf den Bezug, der zwischen Transverser Myelitis und Multipler Sklerose besteht. Einer dieser Gründe ist, dass die Neurologen, die von TM-Patienten letztlich aufgesucht werden, in der Regel MS-Spezialisten sind. MS ist eine häufig vorkommende entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (mit einer ortsabhängigen Häufigkeit von 1-100 Fällen pro 100.000), während die Häufigkeit von TM sehr viel geringer ist, im Bereich von 1 bis 5 pro Million. Die meisten Neurologie- Abteilungen in Universitätskliniken haben einen oder mehrere Spezialisten für MS und es sind meist diese Ärzte, die sich auch um Patienten mit anderen entzündlichen oder immunologischen Erkrankungen des Rückenmarks kümmern. Ich selbst kenne nur eine einzige Klinik, die sich primär auf TM spezialisiert hat und das ist die erst kürzlich gegründete TM-Klinik unter Leitung von Dr. Kerr. MS- Spezialisten sind erfahren in der Behandlung der Probleme, die in Zusammenhang mit Erkrankungen des Rückenmarks auftreten. Die Ärzte, die Patienten mit TM untersuchen und behandeln, können daher gar nicht anders, als TM durch ein Brennglas zu betrachten, das getönt ist durch die Kenntnis, die wir über die Ursachen und Pathologie der MS haben. Der zweite Grund ist die Tatsache, dass es noch sehr häufig ist, ATM als eine Ausprägung einer umfassenderen Gruppe demyelinisierenden (durch Schädigung der Nervenrinde gekennzeichnete) Erkrankungen betrachten. Dr. Lael Stone schrieb 1977: Wir haben sehr wenig Information über die immunologischen Aspekte von ATM. Obwohl das sicher auch mit der Seltenheit der Erkrankung zusammenhängt, so hat es jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit mit der verbreiteten Überzeugung zu tun, ATM sei Teil eines Spektrums der Demyelinisierung des zentralen Nervensystems, deren Ursache durch die Untersuchung von häufiger vorkommender Erkrankungen, etwa der MS erkannt werden kann. Dr. Weinshenker (1998) hat dazu geschrieben: "MS ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine einzelne Krankheit, sondern eine Reihe von IIDDs 1." Ein Syndrom wie TM kann als monosymptomatische idiopathische entzündliche Erkrankung angesehen werden und mit MS nicht sehr viel zu tun haben. Der dritte Grund ist, dass eine kleine Anzahl von ATM-Patienten in Wirklichkeit ihren ersten MS- Schub erfahren. Aus diesen drei Gründen will ich hier zusammenfassen, was die medizinische Fachliteratur über das Verhältnis zwischen ATM und MS sagt. MS ist eine chronische demyelinisierende Erkrankung des zentralen Nervensystems, von der allein in den USA über 200.000 Menschen betroffen sind. Der Ursachenzusammenhang bleibt unbekannt, aber die Anzeichen weisen darauf hin, dass MS eine Autoimmunkrankheit ist, die wahrscheinlich die Proteinbestandteile des Myelins angreift. Die Pathologie der MS-Schäden enthält zahlreiche Hinweise auf eine verzögerte Übersensibilitätsreaktion. Trotz der Untersuchung von 16 bakteriellen und viralen Erregern konnte bisher noch keiner überzeugend mit MS in Verbindung gebracht werden. (Die neuesten Kandidaten sind der menschliche Herpesvirus 6 und Chlamydia pneumoniae). 1 IIDD, engl. idiopathic inflammatory demyelinating diseases, idiopathische entzündliche demyelinisierende Erkrankungen

- 2 - Man schätzt, dass 40 bis 50% der ersten MS-Schübe monosymptomatisch sind oder aus neurologischen Symptomen bestehen, die durch eine einzelne Schädigung im zentralen Nervensystem verursacht sind. Der Befall des Rückenmarks ist charakteristisch für MS, aber das Syndrom einer vollständigen akuten TM tritt selten als anfängliches Symptom von MS auf. Nur ein Anteil von 0,7% der 3500 kanadischen MS-Patienten wies akute TM als anfängliches Symptom auf (Paty und Ebers, 1998). Durch die geringe Häufigkeit, mit der TM zu Beginn einer MS auftritt, ist die darüber verfügbare Literatur beschränkt. Die Optikusneuritis (ON) ist eines der am besten untersuchten monosymptomatischen Syndrome in der MS und es ist der Mühe wert, zu sehen, was über die Optikusneuritis und ihr Verhältnis zu MS bekannt ist, um daraus abzuleiten, was möglicherweise für das Verhältnis zwischen TM und MS nützlich sein kann. Die Optikusneuritis ist eine akute Entzündung eines oder beider Sehnerven (meist einseitig). Ihre Erscheinungsformen reichen von einer leicht verschwommenen Sicht oder feinen Abweichungen in der farblichen Wahrnehmung bis zur vollkommenen Blindheit. Die Prognose ist sehr gut, innerhalb von Wochen oder Monaten kann die Sehfähigkeit nahezu vollständig wieder hergestellt sein. Die Genesung lässt sich durch die intravenöse Verabreichung von hochdosierten Kortikosteroiden beschleunigen. Die einschlägigen Studien bewerten das Risiko des Eintretens von MS in Folge der ON sehr unterschiedlich zwischen 13% und 88%. Das Risiko scheint in den ersten zwei Jahren nach dem Auftreten der ON am größten zu sein (rund 20%) und alle weiteren 5 Jahre um zusätzliche 20% zu steigen. Die Studien beinhalten Risikotabellen, die das Auftreten von MS in den 15 Jahren nach ON auf 45 bis 80% einschätzen. Ergebnisse von 6 Studien über Patienten mit Optikusneuritis und auffälligem Gehirn-MRT: Prozentsatz der Patienten, bei denen sich MS entwickelt: Untersuchung Anomales Gehirn-MRT: Normales Gehirn-MRT: Jacobs 6/23 (26%) 3/25 (12%) Martinelli 7/21 (33%) 0/16 (0%) Frederiksen 7/30 (23%) 0/20 (0%) Miller 12/34 (35%) 0/19 (0%) Morrisey 23/28 (82%) 1/16 (6%) Beck 55/150 (37%) 19/202 (9%) Die Kernspinresonanztomographie (MRT 2 ) des Gehirns hat sich nachweislich als nützlich bei der Vorhersage herausgestellt, welche Patienten mit Optikusneuritis ein hohes Risiko aufweisen, von MS befallen zu werden. Sechs Studien über die Optikusneuritis haben nachgewiesen, dass Patienten, deren MRT-Untersuchungen klinisch unauffällige Schädigungen des weißen Markkörpers im Gehirn registrieren, eine 4 bis 5 Mal höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, später von MS befallen zu werden, im Vergleich zu Patienten mit einem normalen Gehirn-MRT zum Zeitpunkt des Auftretens von ON (im Durchschnitt 38% zu 8%). Zur Art der Schädigungen, die stark auf MS hinweisen, wurden verschiedene Vorschläge gemacht. Die University of British Columbia wendet folgende Kriterien an: 1) 4 Schädigungen des weißen Markkörpers; 2) 3 Schädigungen des weißen Markkörpers, von denen sich eine in der Nähe der Seitenventrikel befindet; oder 3) alle Schädigungen weisen einen Durchmesser > 3mm auf und befinden sich überwiegend im weißen Markkörper. Die prozentualen Häufigkeiten hängen von den Kriterien ab, die zur Definition von MRT-Anomalien verwendet werden, sowie von der Dauer der Katamnese 3. Die Studie von Morrisey weist mit durchschnittlich 5,5 Jahren die längste Katamnesedauer auf und berücksichtigt dadurch auch ein späteres Auftreten von MS. Der entsprechend höhere Prozentsatz von 82%, der in dieser Studie 2 3 MRT - engl. Magnetic Resonance Tomography Die Katamnese (engl. follow-up history) ist die kritische Beschreibung eines Krankheitsfalls nach dem Ablauf der Erkrankung und dem Abschluss der Behandlung.

- 3 - ermittelt wird, legt nahe, dass sich bei den meisten Patienten, bei denen ON in Zusammenhang mit MRT-Anomalien des Gehirns auftritt, früher oder später eine klinisch auffällige, eindeutige MS ausprägen wird. Das akute TM-Syndrom kann von etlichen verschiedenen Erkrankungsarten ausgelöst werden: infektiös, autoimmunitär usw. Der Neurologe sucht nach Hinweisen, dass die TM durch eine der bekannten Ursachen bedingt wurde. Wenn keiner dieser Hinweise vorliegt, diagnostiziert er eine idiopathische TM. Verschiedene Ärzte haben über die langfristige Entwicklung ihrer persönlichen TM- Patienten berichtet, um festzustellen, bei wie vielen von ihnen sich in einem zweiten Moment MS ausprägt und ob es Eigenschaften oder Laborergebnisse aus der Zeit des akuten Schubs gibt, die auf eine zukünftige Entwicklung von MS bei bestimmten TM-Patienten hinweisen könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine TM in die besagte Richtung entwickelt, ist nach den meisten Untersuchungen ziemlich niedrig und wird bei einer Häufigkeit von 0 bis 36% angesiedelt, wobei eine Studie ein abweichendes Ergebnis von 80% aufweist. Die Untersuchung zeigen Folgendes: 1. Eine der Variablen, die am deutlichsten darauf hinweist, ob eine TM zur CDMS 4 wird, betrifft die Frage, ob die TM vollständig oder unvollständig ist. Das Syndrom der vollständigen TM entwickelt sich nur sehr selten zur MS. Vollständig bedeutet vollständige Bewegungsunfähigkeit und Gefühlstaubheit unterhalb der Entzündungsherds im Rückenmark. Die 1973 durchgeführte Studie von Lipton and Teasdale beziffert das Risiko der Ausprägung von CDMS nach einem Anfall von vollständiger transverser Myelitis mit lediglich 2,9%, bei einer unterschiedlichen Dauer der Katamnese von 5 zu 42 Jahren. Die meisten Studien mit einer langfristigen Katamnese wiesen Häufigkeiten von unter 25% auf. Eine neuere Studie von Ford et al zeigte 1992 hingegen, dass sich bei 12 von 15 (80%) Patienten mit der häufiger vorkommenden unvollständigen Myelopathie CDMS innerhalb einer durchschnittlichen Katamnesedauer von 3,2 Jahren ausprägte. 2. Symmetrie versus Asymmetrie der motorischen Ausfallerscheinungen oder Sensibilitätsstörungen Es ist allgemein bekannt, dass Patienten mit MS häufig eine Asymmetrie des Niveaus oder der Intensität der Ausfallerscheinung zwischen den beiden Seiten des Körpers aufweisen. Patienten mit akuter TM hingegen weisen eher symmetrische Ausfallerscheinungen auf. Scott et al (1998) berichteten, dass das Ausmaß der Symmetrie der motorischen und sensitiven Ausfallerscheinungen bei ATM-Patienten ein zuverlässiges Kriterium zur Unterscheidung sein kann, welche Patienten in Zukunft MS bekommen und welche eine idiopathische TM haben. Sie berichteten, dass 15 von 16 Patienten mit akuter myelopathischer MS asymmetrische motorische oder sensitive Befunde aufwiesen, alle ATM-Patienten symmetrische Ausfallerscheinungen hatten und alle bis auf einen (19 von 20) eine symmetrische Sensibilitätsstörung aufwiesen. Daraus schlossen sie, dass die Symmetrie ein sehr viel besseres Unterscheidungskriterium darstellt als die Heftigkeit der motorischen oder sensitiven Ausfallerscheinungen. 3. Untersuchungen des Liquor Verschiedene anomale Befunde im Liquor haben prognostischen Wert bei der Vorhersage der Entwicklung von MS in Patienten, die monosymptomatische Demyelinisierung aufweisen. In einer prospektiven Studie Patienten mit monosymptomatischer vermuteter MS, wurde die Anwesenheit von oligoklonalen Banden im Liquor mit einer Häufigkeit der Entwicklung von MS von 24% in einer Kontrollperiode von 34 Monaten festgestellt, während nur 9% der Patienten ohne oligoklonale Banden im Liquor im gleichen Zeitraum von MS befallen wurden (Moulin et al, 1983). 4. MRT-Befunde in Rückenmark und Gehirn: Rückenmark: Die Schädigungen des Rückenmarks bei MS neigen im Vergleich zur ATM dazu kleiner oder multifokal zu sein, aber das Erscheinungsbild der Tomographie hilft häufig nicht dabei, zwischen diesen beiden Fällen zu unterscheiden. Die Schwellung 4 CDMS, engl. Clinically Definite Multiple Sclerosis, klinisch eindeutige Multiple Sklerose

- 4 - des Rückenmarks ist bei ATM häufiger als bei MS, kommt aber auch bei MS vor. Gehirn: Hinsichtlich der Prognose, ob ein ATM-Patient von CDMS befallen werden kann, ist der wichtigste Laborbefund das Vorhandensein von asymptomatischen Schädigungen im Gehirn-MRT. Patienten mit Transverser Myelitis, die zur Multiplen Sklerose wird: Studie Anomales Gehirn-MRT Normales Gehirn-MRT Ford 12/15 (80%) 1/3 (33%) Morrisey 10/17 (59%) 1/11 (9%) CHAMPS Studie - Kontrollierte Feldstudie unter Hochrisiko-Patienten im Rahmen einer Studie zur Prävention von MS Zweifellos kann die Kernspintomographie (MRT) des Gehirns dabei behilflich sein, die Gruppe von Patienten mit monosymptomatischer Demyelisierung zu indentifizieren, die ein hohes Risiko aufweisen, in der weiteren Entwicklung von MS befallen zu werden. Die Behandlung mit Interferon Beta oder Glatirameracetat stellt die übliche Behandlung für Patienten mit klinisch eindeutiger, wiederkehrender MS über mehrere Jahre das, da beide Wirkstoffe die neuerliche Verschlimmerung der Krankheit nachweislich um rund ein Drittel senkt. Einzelne Beobachtungen legen nahe, dass die gegenwärtig verfügbaren Hilfsmittel wirkungsvoller sind, wenn sie früh im Krankheitsverlauf verabreicht werden. Trotzdem war vor dem CHAMPS-Feldversuch keine Information über die Behandlung von Patienten mit monosymptomatischem Krankheitsbild verfügbar. Die genannten Beobachtungen stellten den Auslöser für die Organisation der CHAMPS-Feldstudie dar, deren Erkenntnisziel darin lag, herauszufinden, ob die Behandlung von Patienten mit monosymptomatischer Demyelination sich günstig auf die Häufigkeit der späteren Ausprägung einer klinisch eindeutigen MS und auf die folgende klinische Entwicklung auswirkt. An der Studie nahmen 383 Patienten mit monosyptomatischen Erscheinungsformen von MS teil: Optikusneuritis, Hirnstamm, Rückenmark und anomale Gehirn-MRTs, die in eine Kategorie gefasst wurden, die ein hohes Risiko aufweist, im folgenden Verlauf von MS befallen zu werden. Jedem Patient wurden 3 Tage lang hochdosierte Steroiden intravenös verabreicht, auf die ein Zyklus Prednison oral folgte. Die Patienten wurden dann nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe (193) wurde mit Interferon Beta 1a IM pro Woche behandelt, während die andere (190) Plazebos erhielt. Jeder Patient wurde regelmäßigen Folgeuntersuchungen unterzogen, bis zum Ende der Studie oder bis zur Ausprägung eines zweiten klinischen Anfalls von Myelinverlust, der eine Diagnose von klinisch eindeutiger MS erlaubt. Die geplante Zeit der Begleitung der Patienten betrug 3 Jahre. Die Ergebnisse dieser Studie wurden im September 2000 im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlicht. Die Teilnehmer können wie folgt nach dem Ort des Myelinverlust aufgeschlüsselt werden: Optikusneuritis 50% 192 Patienten Hirnstamm/Kleinhirn 28% 108 Patienten Rückenmark 22% 83 Patienten Der veröffentlichte Artikel berichtet nur über die Gruppe in ihrer Gesamtheit. Im Verlauf der Studie konnte ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den mit Interferon behandelten Patienten und den Patienten, denen das Plazebo verabreicht worden war, festgestellt werden (p=0,002, Kaplan-Meier Estimates of cumulative probability of the development of clinically definite MS Schätzung der Gesamthäufigkeit der Entwicklung klinisch eindeutiger MS). Für die Gruppe in ihrer Gesamtheit lag die kumulative Häufigkeit der Ausprägung von CDMS bei 35% für die mit IFN Beta behandelte Gruppe und bei 50% für die Plazebogruppe.

- 5 - Außerdem wiesen die beiden Gruppen eine signifikante Abweichung in der Häufigkeit neuer Schädigungen bei T2-gewichteten Gehirn-MRTs auf. 18 Monate nach der Behandlungsphase wies die IFN-Gruppe eine durchschnittlich 1%ige Steigerung der T2-Schädigungen im Vergleich zu den 16% der Plazebogruppe auf. Zu allen Untersuchungszeiten (nach 6, 12 und 18 Monaten) zeigten sich in der mit IFN behandelten Gruppe weniger neue oder durch Gadolinium sichtbare Schädigungen. Das ist eine bedeutende klinische Studie, die neues Licht auf den Stellenwert der frühestmöglichen immunmoduliernden Behandlung von Patienten mit TM oder anderer monosymptomatischen Erscheinungsformen von Demyelinisierung wirft, deren MRT-Untersuchungen ein hohes Risiko der späteren Ausprägung von MS zeitigen. Die Studie unterstreicht auch, wie wichtig es ist, bei TM- Patienten ein Gehirn-MRT durchzuführen, um festzustellen, ob ein hohes Risiko von MS vorliegt und ob eine früh begonnene Interferontherapie von Vorteil kann. Dieser kurze Überblick hat einige Uberlappungsbereiche zwischen TM und MS dargestellt. Wie Dr. Stone meinte, hegen viele den Glauben und die Hoffnung, dass eine Vertiefung der Kenntnisse über MS auch zu einem besseren Verständnis der Pathologie und Behandlungsmöglichkeiten der transversen Myelitis führen kann. Es handelt sich sicherlich um fruchtbaren Boden, auf dem eine zielgerichtetere Forschung und eine spezifischere Kenntnis der transversen Myelitis wachsen kann. Literatur Beck RW, Cleary PA, Trobe JD, et al. The effect of corticosteroids for acute optic neuritis on the subsequent development of multiple sclerosis. New Engl J Med 1993;329:1764-1769. Ford B. Tampieri D, Francis G. Long-term follow-up of acute partial transverse myelopathy. Neurology 1992; 42:250. Frederiksen JL, Larsson HBW, Henriksen O, Olesen J. Magnetic resonance imaging of the brain in patients with acute monosymptomatic optic neuritis. Acta Neurol Scand 1989; 80:512-517. Jacobs L, Munschauer FE, Kaba SE. Clinical and magnetic resonance imaging in optic neuritis. Neurology 1991;41:15-19. Jacobs LD, Beck RW, Simon JH, Kinkel RP, Brownscheidle CM, Murray TJ, Simonian NA, Slasor PJ, Sandrock AW, and the CHAMPS Study Group. Intramuscular Interferon beta-1a Therapy initiated during the first demyelinating event in multiple sclerosis. N Engl J Med 2000; 343:898-904. Lipton HL, Teasdale RD. Acute Transverse myelopathy in adults. Arch Neurol 1993; 50:532. Martinelli V, Como G, Filippi M, et al. Paraclinical tests in acute-onset optic neuritis, basal data and results of a short follow up. Acta Neurol Scand 1991:84:231-236. Miller DH, Ormerod IEC, McDonald WI, et al. The early risk of multiple sclerosis after optic neuritis. J Neurol Neurosurg Psychiat 1988; 116:135-146. Morrissey SP, Miller DH, Kendall BE, et al. The significance of brain magnetic resonance imaging abnormalities at presentation with clinically isolated syndromes suggestive of multiple sclerosis. Brain 1993; 116:135-146. Moulin D, Paty DW, and Ebers GC: The predictive value of cerebrospinal fluid electrophoresis in 'possible' multiple sclerosis. Brain 106:809-816,1983

- 6 - Paty DW and Ebers GC. Multiple Sclerosis. F.A. Davis, Philadelphia, 1998. Scott TF, Bhagavatula K, Snyder PJ, Chieffe C. Transverse myelitis - Comparison with spinal cord presentations of multiple sclerosis. Neurology 1998; 50:429-433. Stone LA. Transverse Myelitis in Neuroimmunology for the Clinician. Rolak LA and Harati Yadollah (eds), Boston, Butterworth-Heinemann, 1997; pp155-165. Weinshenker BG. The Natural History of Multiple Sclerosis: Update 1998. Seminars in Neurology 1998; 18(3):301-307.