Gewässerbetreuung und Gewässergestaltung LVA 816.316 DLWT groß Dienstag, 14:00 18:00 Mittwoch, 11:00 14:00 Bernhard PELIKAN Department für Wasser Atmosphäre Umwelt; Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau IWHW. Universität für Bodenkultur Wien. Muthgasse 18, A-1190 Wien. Tel: ++43 1 36006 5513 e-mail: bernhard.pelikan@boku.ac.at Web: http://iwhw.boku.ac.at/
Inhalte und Gliederung Kapitel 5 Leitbild 5.1 Entwicklung 5.2 Leitbilddefinitionen 5.3 Leitbildunterschiede 5.4 Das Leitbild im Projektablauf eines GBK
5.1 Entwicklung In den 80iger Jahren erste so genannte Restrukturierungsmaßnahmen ohne typspezifischer Charakteristika und ganzheitlicher Betrachtung In den 90iger Jahren verstärkte Berücksichtigung ökologischer Anforderungen und Entwicklung fachübergreifender und damit "gesamtheitlicher" Planungen. Heute wird versucht, auf die Komplexität der Problematik (durch unterschiedliche Nutzungen sowie Nutzungsabsichten) entsprechend einzugehen Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist die klare Formulierung von Zielen aus Sicht der betroffenen Fachbereiche (als Vertreter unterschiedlicher Nutzungsinteressen), indem ein sogenanntes Leitbild entwickelt wird.
5.2 Leitbilddefinitionen Im Zusammenhang mit Gewässerbetreuungskonzepten bedeutet der Fachausdruck "Leitbild" ein Orientierungsmaßstab anhand abiotischer und biotischer Charakteristika Das Leitbild dient dazu, Ziele für Sicherung und Entwicklung eines Fließgewässers und des von ihm geprägten Umlandes zu formulieren, den Ist-Zustand des Fließgewässer - Ökosystems in seinen Abweichungen von dieser "Meßlatte" zu beurteilen und planungsorientiertes Handeln zu ermöglichen. Verwirrend ist der Umstand, daß der Leitbild - Begriff auch in vielen anderen Fachbereichen (Raumplanung, Landschaftsplanung, Firmen, Institutionen, Architektur, Soziologie etc.) Eingang gefunden hat.
5.2 Leitbilddefinitionen Unterschiedliche Denkansätze brachten viele Begriffe: "naturschutzfachliches", "ökologisches", "natur- bzw. Iandschaftshaushaltliches " oder "ganzheitliches Leitbild" mit teilweise sehr ähnlichen Inhalten stehen einander gegenüber. Die Mehrzahl der methodischen Ansätze integriert Randbedingungen wie z.b. bestehende Nutzungen bzw. Nutzungsvorhaben, ökonomische Zwänge, Machbarkeit oder Akzeptanz etc. bereits in die Leitbildformulierung. Alternative dazu ist es, die Einbeziehung von Randbedingungen in die erste Stufe der ganzheitlichen Leitbilddefinition auszuschließen.
5.2 Leitbilddefinitionen Daraus resultieren die beiden grundsätzlichen Leitbildtypen: realisitisches Leitbild Veränderungen durch menschliche Eingriffe bzw. Nutzungsinteressen werden in das Leitbild mehr oder weniger stark miteinbezogen. Der anzustrebende Gewässerzustand ist dabei Synthese aus naturräumlichen Gegebenheiten und einschränkenden Randbedingungen durch bestehende Nutzungen, örtliche und regionale Nutzungsinteressen oder planerische und gesetzliche Randbedingungen
5.2 Leitbilddefinitionen visionäres Leitbild Grundlage dafür bilden überwiegend historische Belege Für das gesamte österreichische Bundesgebiet Franziszeische Landesaufnahme Für das Bundesgebiet mit Ausnahme Salzburgs Josephinische Landesaufnahme Für Fließgewässer in Ober- und Niederösterreich sowie der Steiermark die gezeichneten Karten von Vischer (18. Jhdt.) Historischer Berichte: topographischer Beschreibungen, alte Vermessungspläne, archivierter Aufzeichnungen alter Fischereirechte oder Jagdstatistiken Literaturbefunde Ergebnisse aktueller abiotischer und biologischer Untersuchungen natürlicher oder naturnaher Referenzsituationen
5.3 Leitbildunterschiede Unterschiede zwischen "realistischem" und "visionärem" Leitbild Gültigkeitsdauer Bewertung und Übertragbarkeit Abschnittsbildung Umsetzbarkeit
Gültigkeitsdauer 5.3 Leitbildunterschiede Forderung nach einer möglichst langfristigen Gültigkeit aufwändiger Arbeiten. Erreichbar durch Unabhängigkeit von den jeweils herrschenden und sich laufend verändernden Randbedingungen (nur bei visionärem LB) Zum Beispiel wasserwirtschaftlicher Richtlinien Früher: dominant durch Hochwasserschutzes geprägt, Heute: Reduktion der Größenordnung des Schutzbedürfnisses, passive Hochwasserschutzmaßnahmen, allgemeine Projektierungsrichtlinien Sicherung / Verbesserung der ökologischen Funktionsfähigkeit
5.3 Leitbildunterschiede Einschub: Ziele des passiven Hochwasserschutzes Vermeidung aller Handlungen, die den Wasser- und Geschiebehaushalt intensivieren Anpassung der Bewirtschaftung gewässernaher Zonen an die Möglichkeit exzessiver Abflüsse, unter Berücksichtigung der Widerstandskraft und Schadensanfälligkeit der Wirtschaftsformen Verlegung bestehender Nutzungen in nicht gefährdete Räume Einlösung häufig überfluteter Grundstücke und Objekte Lenkung neu hinzukommender Siedlungs-, Wirtschafts- und Verkehrsansprüche auf möglichst hochwasser- und murensichere Standorte durch Wirtschaftsbeschränkungen und Bauverboten.
5.3 Leitbildunterschiede Bewertung und Übertragbarkeit Bewertung erfolgt durch In Bezug setzen des zu bewertenden Gegenstandes zu einer Norm, einem Soll-Zustand oder einem definierten Ziel. Bewertung stellt somit das Maß der Abweichung vom Zielzustand oder den Erfüllungsgrad fest Die vergleichbare oder übertragbare Bewertung (z.b. des Ist-Zustands einer Flußstrecke, die Beurteilung eines Maßnahmenprogrammes) setzt den Vergleich mit einem unveränderlichen "Absolutmaß" voraus. Ein "realistisches" Leitbild als Bezugshorizont, dessen Aussagen durch unterschiedlich Einschränkungen geprägt sind ist daher nicht einmal auf ein GBK an einem Gewässer des selben Typs übertragbar.
Abschnittsbildung 5.3 Leitbildunterschiede Das visionäre Leitbild orientiert sich dabei an naturräumlichen Einheiten in Zusammenschau mit morphologisch/hydrologischen Aspekten (z.b. Flußverlauf, Geschiebehaushalt etc.). Das realistische Leitbild sieht auf der funktionellen Ebene seine "Grenzen" im Umfang des öffentlichen Wassergutes und bringt ev. kürzere Teilabschnitte aufgrund anthropogener Nutzungen. Auch die historische Situation (ehemaliger Flußtyp, Subtypen der Flußlandschaft, funktioneller Bedeutung ) ist Anhaltspunkt für die Abschnittsbildung.
Umsetzbarkeit 5.3 Leitbildunterschiede Das visionäre Leitbild stellt lediglich einen Orientierungsmaßstab dar und leitet daraus nicht den Anspruch auf Wiederherstellung der historischen Situation ab. Der Bedarf an weiterführenden, "großzügigeren" Schritten im Rahmen der Maßnahmenplanung ist am deutlichsten über den Vergleich zwischen Ist-Zustand und visionärem Leitbild aufzuzeigen. Damit werden auch Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit kurzfristig unpopulärer Maßnahmen dokumentierbar, die jedoch im Hinblick auf eine nachhaltige und ökologisch effiziente Landnutzung große Bedeutung haben Das realistische Leitbild kann unmittelbaren Anspruch auf Umsetzung vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus den Bestandsaufnahmen erheben.
5.4 Das Leitbild im Projektsablauf eines GBK Das visionäre Leitbild ist vorerst als ein gesamtheitlich - ökologisches Leitbild zu verstehen und beschreibt den Idealzustand einer unbeeinträchtigten Flußlandschaft ohne Berücksichtigung gegebener Nutzungsansprüche und bestehender Einschränkungen. (sektorale Leitbilder). Dabei werden Qualitäten und Funktionen der unterschiedlichen, gewässertypischen Lebensräume sowie deren Biozönosen anhand ausgewählter abiotischer und biologischer Kriterien charakterisiert. Ergebnis dieses Arbeitsschrittes ist die textliche Charakteristik von Lebensraumausstattungen und -funktionen sowie der typischen Biozönosen charakteristischer Flußabschnitte ( inkl. Grafiken / Tabellen). Die sektoral ausgearbeiteten Ergebnisse der einzelnen Fachbereiche werden in weiterer Folge in einem gesamtheitlichen Leitbild zusammengefaßt
5.4 Das Leitbild im Projektsablauf eines GBK Nachfolgender Arbeitsschritt ist schließlich die Konkretisierung des visionären Leitbildes durch die Entwicklung eines operationalen Leitbildes, das den Soll- Zustand als langfristiges Planungsziel definiert. In diese Leitbild - Ebene finden nunmehr anthropogene Komponenten in Abhängigkeit ihrer räumlichen Differenzierung (Siedlungsbereich - freies Umland) Eingang. Die Formulierung von Zielvorgaben leitet in Zusammenschau mit der Ist - Zustandsdokumentation zu konkreten Handlungserfordernissen über, die in der nächstfolgenden Projektstufe der Maßnahmenplanung weiter zu konkretisieren sind.
5.4 Das Leitbild im Projektsablauf eines GBK Sollen die Aussagen des operationalen Leitbildes relevant für die Umsetzung sein, bedarf es der Festlegung zeitlicher Prioritäten für die einzelnen Maßnahmen. Mitbestimmend sind dabei Randbedingungen wie bestehende Flächennutzung, Verfügbarkeit finanzieller Mittel, Akzeptanz in der Bevölkerung etc.
5.4 Das Leitbild im Projektsablauf eines GBK Im Siedlungsbereich werden die kurz- bis mittelfristigen Ziele auf struktureller Verbesserung der Habitatausstattung Gewährleistung der longitudinalen und transversalen Passierbarkeit Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung eines funktionierenden Geschiebetransportes liegen. Generell kommt in derartigen Gewässerabschnitten der Gewässerpflege erhöhter Stellenwert zu. Die Wahrung der Interessen des Hochwasserschutzes gilt dabei als vorrangiges Ziel. Im freien Umland hingegen ist letztgenannter Aspekt den grundlegenden Anforderungen von Ökologie und Wasserhaushalt untergeordnet.
5.4 Das Leitbild im Projektsablauf eines GBK Wesentlich ist, daß der Bezug zum visionären Leitbild immer bestehen bleibt. 1.Im Sinne einer dynamischen und nachvollziehbaren Planung kann auf diese Weise auf Veränderungen der Randbedingungen reagiert werden. 2.Der Konnex zwischen visionärem und operationalem Leitbild erlaubt damit eine laufende "Standortbestimmung" bzw. kritisches Hinterfragen der umgesetzten Ziele hinsichtlich der jeweils noch vorhandenen Abweichungen (Defizite aus Sicht von Ökologie und Wasserhaushalt) im Vergleich zum skizzierten "Idealzustand".
5.4 Das Leitbild im Projektsablauf eines GBK VORSTUDI E Historische Belege, natürliche Referenz Vorstudie Ist - Zustands-Dokumentation visionäres Leitbild Restriktionen operationales Leitbild DETAILPLANU NG Detailplanung Maßnahmenprogramm * Prioritätenreihung * Umsetzungsszenarien Bauausführung mit ökologischer Baubegleitung Reflexion der Ergebnisse Rückkopplungsprozeß Nachuntersuchung "Erfolgskontrolle"