MigrantInnen und Behinderung - Eine doppelte Ausgrenzung? Fachtag der LHS München am 15.11 2011

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Transkript:

MigrantInnen und Behinderung - Eine doppelte Ausgrenzung? Fachtag der LHS München am 15.11 2011

Inhalt Grundlage für den Vortrag Datenlage Parallelität der Strukturen Belastung der Familien Selbst- und Fremdbilder Kultursensitive Kommunikation Sprachbarrieren Die Betroffenensicht Flucht und Asyl Exklusion Empfehlungen und Handlungsansätze

Grundlage Studie für die LHS München Ältere Menschen mit Behinderung Menschen mit Migrationshintergrund und Behinderung Präsentation Stadtrat Frühjahr 2010

Datenlage Wenig über Migranten/innen mit Behinderung bekannt: Trennung der Arbeitsfelder Behindertenhilfe und Migration Säulenmodell für die statistische Erfassung nachteilig Verbesserung der Statistik notwendig: nach Behinderungsarten, Unterbringung in Werkstätten und Förderstätten, Heimstatistik (z.b. Menschen mit einer geistigen Behinderung), als Klienten von ambulanten Pflegediensten, als Klienten der offenen Behindertenarbeit (OBA), in heilpädagogischen Zentren, in Initiativen der Selbsthilfe usw.

Parallelität der Strukturen Oft wenig fachliche Verbindung und Austausch zwischen Behindertenhilfe und Migrationsbereich Wenig Fortbildungsangebote und Interdisziplinarität Oft getrennte Lebenswelten d. Migranten werden mit Infos nicht versorgt Migrationsdienste und Selbstorganisationen nicht über Behindertenhilfe informiert Selbstorganisationen im Behindertenbereich wenig Kontakt zu Migranten Menschen mit Fluchthintergrund (Duldung) aus d. Regelversorgung oft ausgeschlossen

Besondere Belastungen in den Migrantenfamilien Fehlende Infos über Strukturen der Regelversorgung, rechtliche Ansprüche und Wohnmodellen Bedarf nach Infos über Behinderungsarten und Krankheitsbildern Unterstützung und Aufklärung nötig: Hilfsmittel und Antragswege Gender Thematik: erhöhte Anforderungen an Mütter und weibliche Angehörige Überforderung von Familienstrukturen Erhöhte soziale Abhängigkeit von Migrantennetzwerken. Überlastung und Isolation. Wenig Kontakt zur (Behinderten-) Selbsthilfe. Besonderes Tabu Altersverwirrtheit Intergenerative Unterstützung durch Rückkehr und Transmigration unterminiert

Selbstbild und Fremdbild Kulturelle und traditionelle Faktoren können erschwerend sein Leistungsgesellschaft: Selbstbild der doppelten Ausgrenzung Tradierte Schamgefühle der Betroffenen Familiärer Schutz: Rückzugstendenz in der Migration vor einer feindseligen Umgebung (innerethnisch, Mehrheitsgesellschaft) Thema: traditionelle Erklärungsmuster für Behinderung. Fachkräfte: Interkulturelle Kompetenz gefordert Aber: Migration ist ein Prozess, d.h. ständige Beeinflussung durch Umgebung. Bildung und ökonomische Faktoren oft entscheidend

Kultursensitive Kommunikation Stereotype Vorstellungen von kulturellem Hintergrund erschweren die Zusammenarbeit Kollegen/innen mit Migrationshintergrund in Behindertenhilfe, ambulanten Pflegediensten und Familien entlastenden Diensten als Ressource Multiplikatoren (Strukturen) und Lotsen für die Behördengänge Selbsthilfe- und Vernetzungspotentiale erkennen und aktivieren, z.b. Rolle von Selbstorganisationen der Migranten. Arbeitsgrundlage: die Angehörigen mitnehmen Beachtung von Schamgrenzen, Tabus, anderen Umgangsformen. IK Fortbildungen

Sprachbarrieren Die Wichtigkeit des Dolmetschens. Critical Incidents Ist die muttersprachige Verständigung in der Pflege erwünscht? Fehlende Verständigung: Beispiel Schmerztherapie Vertrauen und die Rolle von muttersprachigen Ärzten/innen Breaking Bad News. Ärzte/innen: Lenken und aufklären Sprachliche Verständigung und Compliance: ambulante Pflegedienste Heimunterbringung und Sprache (interkulturelle Kompetenz): Heimat

Die Sicht der Betroffenen Medizinische Versorgung Unbefriedigende Wohnsituation Infos über Wohn- u. Versorgungssysteme Zu viel Bürokratie! Distanz zur Selbsthilfe Arbeit als Ziel, für sich Selbst sorgen Münchner Szene geschätzt Chancen in Deutschland (Selbstachtung) Soziale Kontakte

Flucht und Asyl Exklusion Aufenthaltsstatus als Mechanismus der Ausgliederung Erschwerter Zugang zur Regelversorgung Statistische Erfassung der Bedarfslage kaum möglich Auf besondere Einrichtungen angewiesen (z.b. Trauma Refugio, Bildungsprojekte - SCHLAU) Wohnsituation meist sehr problematisch Hilfsmittel sehr problematisch Ausnahme: schulische Bildungsintegration. Nach der Schule, die Familie. Entscheidend: der Einsatz von engagierten Einzelpersonen

Empfehlungen A) Verbesserungsbedarf im Bereich der Statistik B) Menschen mit Migrationshintergrund im Besitz eines Schwerstbehindertenausweises: Exklusion C) Bessere Informationspolitik für die Familien mit behinderten Angehörigen D) Gender spezifische Aspekte in der Pflege von Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund, welche berücksichtigt werden sollen E) Besserer Austausch zwischen Behindertenhilfe und Migrationsberatung, -diensten usw.

Empfehlungen F) Interkulturelle Öffnung: Mehr Schulungen über kulturspezifische Umgangsformen mit Behinderung für die Beratung, die Pflege, den medizinischtherapeutischen Bereich usw. G) Thema Selbsthilfe: Besondere Formen erarbeiten wichtige Rolle für den Ausländerbeirat und den Behindertenbeirat. H) Die Sprachvermittlung und das Dolmetschen I) Besondere Situation von Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus und Behinderung

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!