Marc Steiner, Bundesverwaltungsrichter* *Der Referent äussert seine persönliche Meinung



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Transkript:

Marc Steiner, Bundesverwaltungsrichter* *Der Referent äussert seine persönliche Meinung

Übersicht - Internationales Appetithäppchen (ganz kurz) - Rechtsgrundlagen Bund (unter besonderem Hinweis auf Art. 7 Abs. 2 und Art. 27 Abs. 2 VöB; summarisch im Eiltempo) - Rechtsgrundlagen Kantone und Gemeinden (ausführlich) - Kategorien des Beschaffungsrechts unter besonderer Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten (ausführlich) - Verfahrensarten (nur wenn die Zeit reicht)

Werbespot PUSCH bietet vertiefende Kurse an mit 2 Stunden (Referate und interaktives Modul) zu den rechtlichen Aspekten: Der eintägige Kurs wird drei Mal in verschiedenen Regionen in der Deutschschweiz angeboten: 20. März 2014 in Luzern 13. Mai 2014 in Olten SO 24. Juni 2014 in Rapperswil SG

Internationales Appetithäppchen - umweltfreundliche Revision des WTO-Government Procurement Agreement - Am 15. Januar 2014 hat das EU-Parlament den neuen Vergaberichtlinien zugestimmt. Diese enthalten ein klares Bekenntnis zu Qualitäts- statt Preiswettbewerb und zur nachhaltigen Beschaffung (Lebenszyklusdenken). Dass das wirtschaftlich günstigste Angebot nicht das billigste ist, wissen wir in der Schweiz schon länger (Art. 21 Abs. 1 i.v.m. Art. 21 Abs. 3 BöB; vgl. auch 32 VRöB). Auch ganz ähnlich wie bei uns ist die neue Verfassungslage; erst die neue Bundesverfassung bzw. das EU-Recht gemäss den neuen Verträgen (Amsterdam, Lissabon) hebt die Nachhaltigkeit als Ziel besonders hervor.

Rechtsgrundlagen 1 Völkervertragsrecht: - GATT/WTO-Übereinkommen über das öffent- liche Beschaffungswesen vom 15. April 1994 (GPA; SR 0.632.231.422) - Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens vom 21. Juni 1999 (SR 0.172.052.68)

Rechtsgrundlagen 2 Rechtlicher Rahmen der Beschaffungen des Bundes: Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen vom 16. Dezember 1994 (BöB; SR 172.056.1) Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 11. Dezember 1995 (VöB; SR 172.056.11)

VöB: ILO Core Labour Standards Art. 7 Abs. 2 VöB (Fassung gültig seit dem 1. Januar 2010): Wird die Leistung im Ausland erbracht, so hat die Anbieterin oder der Anbieter zumindest die Einhaltung der Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation nach Anhang 2a [zur VöB] zu gewährleisten. Betrifft insbesondere das Thema Kinderarbeit.

Art. 7 Abs. 2 VöB / Supply Chain Nachhaltigkeitsempfehlungen der Beschaffungskommission des Bundes: Verstösse gegen soziale Mindestvorschriften können sowohl bei der Anbieterin als auch bei deren Subunternehmer und Unterlieferanten auftreten. [Diese ] müssen daher in geeigneter Weise miteinbezogen werden. 8 27. November 2013

VöB: Zuschlagskriterium Nachhaltigkeit Art. 27 Abs. 2 VöB (Fassung gültig seit dem 1. Januar 2010): [Die Auftraggeberin] kann neben den im Gesetz genannten Zuschlagskriterien insbesondere auch die folgenden verwenden: Nachhaltigkeit, Innovationsgehalt, Funktionalität, Servicebereitschaft, Fachkompetenz, [ ] und die während der gesamten Lebensdauer zu erwartenden Kosten.

Gesetzeszweck Org-VöB Fassung nach Totalrevision gültig seit dem 1. Januar 2013: Art. 2 Org-VöB: Zweck Mit dieser Verordnung sollen wirtschaftlich effiziente, rechtmässige und nachhaltige Beschaffungen der Bundesverwaltung sichergestellt werden.

Rechtsgrundlagen 3 Rechtlicher Rahmen der Beschaffungen von Kantonen und Gemeinden: Bundesgesetz über den Binnenmarkt vom 6. Oktober 1995 (BGBM; SR 172.056.1) Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (KG; SR 251)

Rechtsgrundlagen 4 Rechtlicher Rahmen der Beschaffungen von Kantonen und Gemeinden: Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 25. November 1994 / 15. März 2001 Mustervorlage für Vergaberichtlinien (VRöB) zur IVöB (erlassen durch das interkantonale Organ für das öffentliche Beschaffungswesen)

Rechtsgrundlagen 5 Beispiel: Kanton Aargau: Submissionsdekret vom 26. November 1996 (Fassung gemäss Dekret vom 28. Oktober 2005) Allenfalls kommunale Regelungen oder Leitbilder (häufig Aussagen zur nachhaltigen Beschaffung im Rahmen von Energieleitbildern; Energiestadt Baden)

Art. 5 BGBM Abs. 1: Die öffentlichen Beschaffungen durch Kantone, Gemeinden und andere Träger kantonaler oder kommunaler Aufgaben richten sich nach kantonalem oder interkantonalem Recht. Diese Vorschriften und darauf gestützte Verfügungen dürfen Personen mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz nicht in einer Weise benachteiligen, welche Artikel 3 widerspricht (insb. Bevorzugung ortsansässiger Anbieter).

Art. 5 BGBM Abs. 2: Kantone und Gemeinden sowie andere Träger kantonaler und kommunaler Aufgaben sorgen dafür, dass die Vorhaben für umfangreiche öffentliche Einkäufe, Dienstleistungen und Bauten sowie die Kriterien für Teilnahme und Zuschlag amtlich publiziert werden. Sie berücksichtigen dabei die vom Bund eingegangenen staatsvertraglichen Verpflichtungen.

Art. 9 BGBM Abs. 1: Beschränkungen des freien Zugangs zum Markt, insbesondere im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens, sind in Form einer anfechtbaren Verfügung zu erlassen.

Art. 9 BGBM Abs. 2: Das kantonale Recht sieht wenigstens ein Rechtsmittel an eine verwaltungsunabhängige Behörde vor. Vgl. dazu BGE 131 I 137 ff.; Bagatellvergaben vom Rechtsschutz ausgenommen haben etwa die Kantone Bern, Aargau; andere Kantone (etwa Luzern und St. Gallen) verfolgen dasselbe Ziel durch Rechtsprechung, ohne dass ein Gesetz den Rechtsschutz bei Bagatellvergaben ausschliesst.

Art. 9 BGBM Abs. 2 bis : Die Wettbewerbskommission kann Beschwerde erheben, um feststellen zu lassen, ob ein Entscheid den Zugang zum Markt in unzulässiger Weise beschränkt. Im Rahmen des Gesetzgebungsprojekts AURORA stellt sich die Frage, ob der Wettbewerbskommission auch für die Bundesebene ein Beschwerderecht zuerkannt werden soll.

Kategorien des Beschaffungsrechts: - Ausschlussgründe - Eignungskriterien - technische Spezifikationen - Zuschlagskriterien

Anforderungen an das Produkt - technische Spezifikationen ( 15 VRöB) inkl. Umwelteigenschaften - Zuschlagskriterien ( 32 VRöB) inkl. Nachhaltigkeit

Technische Spezifikationen Art. 12 BöB: Abs. 1: Die Auftraggeberin bezeichnet die erforderlichen technischen Spezifikationen in den Ausschreibungs-, den Vergabe- und den Vertragsunterlagen. Abs. 2: Sie berücksichtigt dabei soweit als möglich internationale Normen oder nationale Normen, die internationale Normen umsetzen.

Technische Spezifikationen Art. VI Ziff. 1 GPA: Technische Spezifikationen wie Qualität, Leistung, [...] und Abmessungen, [...] oder die Produktionsprozesse und -verfahren, die die Merkmale einer zu kaufenden Ware oder Dienstleistung festlegen, sowie [...] Anforderungen hinsichtlich der Konformitätsbescheinigungen werden nicht in der Absicht ausgearbeitet, angenommen oder angewendet, unnötige Hemmnisse für den internationalen Handel zu schaffen.

Technische Spezifikationen Art. 15 VRöB: Abs. 2: Anforderungen oder Hinweise in Bezug auf besondere Handelsmarken..., Patente, Muster oder Typen sowie auf einen bestimmten Ursprung oder Produzenten sind [grundsätzlich] nicht zulässig.

Technische Spezifikationen Art. VI Ziff. 3 GPA: Anforderungen oder Hinweise in Bezug auf besondere Handelsmarken [...] oder Typen sowie auf einen bestimmten Ursprung, bestimmte Produzenten oder Anbieter sind nicht zulässig, es sei denn, dass es keine andere hinreichend genaue oder verständliche Art und Weise der Beschreibung des Beschaffungsbedarfs gibt und dass in die Vergabeunterlagen die Worte "oder gleichwertig" einbezogen werden.

Ermessensspielraum bei der Festsetzung technischer Spezifikationen Das Bundesverwaltungsgericht geht (wie auch die kantonalen Rechtsmittelinstanzen) davon aus, dass die öffentliche Vergabebehörde als Auftraggeberin grundsätzlich frei darüber bestimmen können muss, welche Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen sie benötigt und welche konkreten Anforderungen sie bezüglich Qualität, Ausstattung, Service etc. stellt, was also im einzelnen Gegenstand und Inhalt der Submission ist (Zwischenverfügung B-822/2010 vom 10. März 2010, E. 4.2 mit Hinweis auf VPB 66.38, E. 5).

Ökologische Vorgaben als technische Spezifikationen Stadt Zürich: In der Praxis wird der Aspekt der Ökologie regelmässig nicht als Zuschlagskriterium angewendet. Die strengen ökologischen Anforderungen werden... bereits im Rahmen der Projektierung erarbeitet und fliessen so in den Inhalt der Submission ein. Anbietende, die den im Leistungsbeschrieb formulierten ökologischen Anforderungen nicht genügen, werden vom Vergabeverfahren... ausgeschlossen,... (Antwort des Stadtrats vom 16. April 03 auf das Postulat Diem und Bärtschi vom 20. Nov. 02) Das ist veraltet. Heute geht es darum, technische Spezifikationen und Zuschlagskriterien richtig zu kombinieren.

Technische Spezifikationen Zwischenfazit: Je anspruchsvoller die Anforderungen, desto teurer werden die Angebote sein. Die Vergabestelle kommuniziert bereits durch die technischen Spezifikationen, ob sie einen Kleinwagen, einen Mittelklassewagen oder eine Luxusmarke kaufen will. Das ist bereits eine Aussage über die Abwägung zwischen Qualität und Preis.

Zuschlagskriterien Art. 32 VRöB: Abs. 1: Das wirtschaftlich günstigste Angebot erhält den Zuschlag. Es können insbesondere folgende Kriterien berücksichtigt werden: Qualität, Preis, Zweckmässigkeit, Termine, technischer Wert, Ästhetik, Betriebskosten, Nachhaltigkeit, Kreativität, Kundendienst, Infrastruktur.

Zuschlagskriterien Art. 32 VRöB: Abs. 2: Der Zuschlag für weitgehend standardisierte Güter kann auch ausschliesslich nach dem Kriterium des niedrigsten Preises erfolgen.

Zuschlagskriterien 18 Submissionsdekret AG: Abs. 2: Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots sind insbesondere Qualität, Preis, Erfahrung, Innovation, Termin, [...], Betriebs- und Unterhaltskosten, [...], Umweltverträglichkeit, Kundendienst, Ausbildung von Lehrlingen, gerechte Abwechslung und Verteilung.

Ökologische Aspekte im Rahmen der Ermittlung des günstigsten Angebots I BKB/KBOB (Hrsg.), Das geltende Vergaberecht aus der Sicht der Praxis, Bern 2004, S. 63 Rz. 338 Das wirtschaftlich günstigste ist nicht das billigste Angebot. Um dem anders lautenden Missverständnis insbesondere von Vergabestellen vorzubeugen, fordert etwa bauenschweiz, dass nach dem revidierten Beschaffungsrecht anstelle des wirtschaftlich günstigsten das nachhaltig beste Angebot den Zuschlag erhalten soll.

Ökologische Aspekte im Rahmen der Ermittlung des günstigsten Angebots II Helsinki Bus Case (Urteil des EuGH in der Rechtssache C-513/99 vom 17. September 2002) Der EuGH hat entschieden, dass ökologische Gesichtspunkte im Rahmen der Erteilung des Zuschlags auch dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie nicht mit einem direkten finanziellen Vorteil für die Vergabestelle verbunden sind (anders noch die Kommission in ihrer interpretierenden Mitteilung vom 4. Juli 2001 (KOM (2001) 274 endg.).

Ökologische Aspekte im Rahmen der Ermittlung des günstigsten Angebots III Urteil vom 4. Dezember 2003 in der Rechtssache C-448/01 EVN AG/Wienstrom GmbH Der EuGH hat festgehalten, dass es dem Auftraggeber im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots gestattet ist, für die Vergabe eines Auftrags über die Lieferung von Strom ein Kriterium festzulegen, das die Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern belohnt.

Ökologische Beschaffung: Praxisbeispiel Kostenrechnung Fahrzeugbeschaffung (fiktives Beispiel Benzinantrieb): Anschaffungspreis Betriebskosten Auto 1 33 900 6.2 / 100 km Auto 2 29 525 6.6 / 100 km Auto 3 30 315 6.2 / 100 km

Anschaffungspreis <> Kosten Die Beschaffungskosten für die Fahrzeuge machen 60 Prozent des Kriteriums "Kosten" aus. Die Lebenswegkosten / Betriebskosten machen 40 Prozent des Kriteriums "Kosten" aus. (Entscheid der BRK vom 26. Juni 2002 in Sachen B. AG gegen Gruppe Rüstung, in: VPB 66.86, E. 4b)

Ökologische Beschaffung: Praxisbeispiel Gegenüberstellung Preis (in Franken; Stand 2006) / Umwelteigenschaft CO 2 -Ausstoss (g/km): Anschaffungspreis CO 2 -Ausstoss Ford Focus VCT CNG (Benzin) 31 850 140 Honda Civic 1.4 IMA (Gas) 31 000 116 Mercedes A160 CDI PF2 (Diesel) 31 180 137

Fazit zu Anforderungen an das nachgefragte Produkt Sowohl im Rahmen der technischen Spezifikationen als auch im Rahmen der Zuschlagskriterien hat die Vergabestelle ein weites Ermessen, welches Preis- Leistungs-Verhältnis sie für die konkrete Vergabe anvisieren will. Das gibt weiten Spielraum für die Berücksichtigung ökologischer Aspekte.

Anforderungen an den Anbieter - Eignungskriterien ( 21 VRöB) - kein eignungsunabhängiger Ausschlussgrund gegeben ( 27 VRöB)

Eignung 21 VRöB: Abs. 1: Die Auftraggeberin legt objektive Kriterien und die zu erbringenden Nachweise zur Beurteilung der Eignung der Anbieterinnen fest. Abs. 2: Die Eignungskriterien betreffen insbesondere die fachliche, finanzielle, wirtschaftliche, technische und organisatorische Leistungsfähigkeit der Anbieterinnen.

Eignung Bei der Eignung im Rahmen eines Submissionsverfahrens ist die Befähigung jedes einzelnen Bewerbers zur Ausführung des Auftrags zu prüfen. Eignung liegt dann vor, wenn sichergestellt ist, dass der konkrete Anbietende den Auftrag in finanzieller, wirtschaftlicher und technischer Hinsicht erfüllen kann (VPB 69.56, E. 2c). z.b. Referenzen für ökologische Entsorgung oder Sanierung

Ausschlussgründe 27 VRöB: Eine Anbieterin wird von der Teilnahme insbesondere ausgeschlossen, wenn sie: a) die geforderten Eignungskriterien nicht oder nicht mehr erfüllt, [...] c) Steuern oder Sozialabgaben nicht bezahlt hat, d) den Grundsätzen von Art. 11 lit. e, f und g IVöB nicht nachkommt,

Arbeitsbedingungen Art. 11 IVöB Allgemeine Grundsätze: - lit. e. Beachtung der Arbeitschutzbestimmungen und der Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer (das schliesst jedenfalls ILO Core Labour Standards nicht aus; im Rahmen des AURORA-Projekts müssten diese nach dem Vorbild von Art. 7 Abs. 2 VöB explizit in Art. 11 IVöB eingefügt werden) - lit. f. Gleichbehandlung von Frau und Mann (meint insb. Lohngleichheit)

Widerruf des Zuschlags Art. 8 ÖBG des Kantons Bern (Gesetz vom 11.6.2002): Abs. 1: Widerruf, wenn der Zuschlagsempfänger... lit. f: die Einhaltung der schweizerischen und bernischen Umweltschutzgesetzgebung im Rahmen der Produktion nicht gewährleisten kann,... Abs. 2: In schwer wiegenden Fällen Ausschluss für eine Dauer von bis zu fünf Jahren Das müsste durch das Gesetzgebungsprojekt AURORA für das Bundesumweltrecht Standard werden.

Zwingend zu erfüllende Punkte technische Spezifikation Eignung Bewertungsvorteil Zuschlagskriterium Keine Ausschlussgründe

Lehrlingsausbildung Beurteilungsmassstab: Eine gewisse Prozentzahl Lehrlinge im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft eines Betriebes? Ausländische Anbieter? Eignungskriterium? Ausschlussgrund, wenn keine Lehlinge ausgebildet werden? Zuschlagskriterium?

Lehrlingsausbildung Das vergabefremde Zuschlagskriterium Lehrlingsausbildung darf mit höchstens 10 Prozent gewichtet werden (vgl. Galli/ Moser/Lang/Steiner, Rz. 917 und Rz. 930). Eine soziale Beschäftigungspolitik darf schon wegen fehlender gesetzlicher Grundlage im Submissionsrecht des Kantons Zürich nicht im Rahmen des Zuschlags belohnt werden (VGer ZH Entscheid VB.2012.00055 vom 20. Juli 2012 E. 5).

Fair trade as Award Criterion: Judgment C-368/10 ECJ 10 May 2012 Finally, [ ] there is no requirement that an award criterion relates to an intrinsic characteristic of a product [ ; C-448/01 EVN/Wienstrom] There is therefore nothing, in principle, to preclude such a criterion from referring to the fact that the product concerned was of fair trade origin. IBC Conference / Brussels, 26 September 2013 47

Verfahrensarten: Übersicht Offenes Verfahren Selektives Verfahren Einladungsverfahren Direktvergabe (freihändige Vergabe i.e.s.)

Offenes Verfahren Art. 12 Abs. 1 lit. a IVöB: Das offene Verfahren, bei dem die Auftraggeberin den geplanten Auftrag öffentlich ausschreibt und alle Anbieterinnen ein Angebot einreichen können.

Selektives Verfahren Art. 12 Abs. 1 lit. b IVöB: Das selektive Verfahren, bei dem die Auftraggeberin den geplanten Auftrag öffentlich ausschreibt. Alle Anbieterinnen und Anbieter können einen Antrag auf Teilnahme einreichen. Die Auftraggeberin bestimmt.. die Anbieter, die ein Angebot einreichen dürfen.

Einladungsverfahren Art. 12 Abs. 1 lit. b bis IVöB: Das Einladungsverfahren, bei dem die Auftraggeberin bestimmt, welche Anbieterinnen ohne Ausschreibung direkt zur Angebotsabgabe eingeladen werden. Die Auftraggeberin muss wenn möglich mindestens drei Angebote einholen.

Die Direktvergabe Art. 12 Abs. 1 lit. c IVöB: Das freihändige Verfahren, bei dem die Auftraggeberin [nur mit einem Anbieter Kontakt aufnimmt und diesem den] Auftrag ohne Ausschreibung direkt vergibt.

Schlusswort Oberstes Ziel jeder wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Regulierung ist die Kohärenz der Rechtsordnung. Der öffentliche Konsument (Bund, Kantone und Gemeinden) kann nicht von Cleantech, 2000 Watt-Gesellschaft, Klimaschutz oder gar Energiewende sprechen, ohne eine glaubwürdige Strategie in Bezug auf die nachhaltige öffentliche Beschaffung auszuweisen und umzusetzen. Widersprüchliches Verhalten ist ein Reputationsrisiko.

Lektüre Empfehlungen der Beschaffungskommission (heute: Beschaffungskonferenz) des Bundes zur nachhaltigen Beschaffung (http://www.bbl.admin.ch/bkb/02015/index.html?lang=de&msgid=34227) Marc Steiner, Die rechtlichen Rahmenbedingungen der nachhaltigen Beschaffung auf Bundesebene, procure/beschaffungsmanagement 5/2013 (www.nachhaltige-beschaffung.ch; www.igoeb.ch)

Kontakt Marc Steiner Bundesverwaltungsgericht Abteilung II 9023 St. Gallen Tel. 068 705 25 74 marc.steiner@bvger.admin.ch