Stürmische Zeiten erfolgreich bewältigen Eine Information für Eltern von Patienten mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)

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Transkript:

Stürmische Zeiten erfolgreich bewältigen Eine Information für Eltern von Patienten mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)

Liebe Eltern! Ihr Arzt hat Ihnen diese Broschüre mitgegeben, weil er bei Ihrem Kind eine ADHS, eine so genannte Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung, festgestellt hat. Vielleicht haben Sie schon früher von ADHS gehört über kaum eine andere Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen ist in den letzten Jahren so viel und so kontrovers diskutiert worden wie über ADHS. Leider ist diese Diskussion allzu oft von wenig Sachkenntnis und vielen Vorurteilen geprägt. Häufig ist z. B. von der Modediagnose ADHS die Rede, oder es werden Erziehungsfehler der Eltern verantwortlich gemacht, wenn sich das Kind auffällig verhält. ADHS was ist das? 5 Ein komplexes Krankheitsbild besser verstehen Wie wird ADHS behandelt? 12 Eine konsequente Therapie hilft Wo finde ich Hilfe und Informationen? 18 Gezielt Unterstützung suchen! Wir möchten mit dieser Broschüre zum besseren Verständnis der ADHS beitragen, über ihre Ursachen, Folgen und Behandlungsmöglichkeiten informieren und vor allem eines deutlich machen: ADHS ist eine ernst zu nehmende Erkrankung und keine Modeerscheinung! Außerdem möchten wir Ihnen Mittel und Wege aufzeigen, mit der Erkrankung Ihres Kindes umzugehen, und Ihnen helfen, auch in stürmischen Zeiten nicht den Mut zu verlieren. Mit einer rechtzeitigen und fundierten Behandlung können Sie Ihrem Kind trotz ADHS eine völlig normale Entwicklung ermöglichen! Natürlich kann diese Broschüre nicht das umfassende Therapiegespräch mit dem Arzt oder Therapeuten ersetzen. Bitte scheuen Sie sich deshalb nicht, diesen anzusprechen, wenn Sie weitergehende Fragen zu ADHS haben.

ADHS was ist das? Ein komplexes Krankheitsbild besser verstehen Es war eine schwere Zeit... Niklas ist ein Wunschkind. Als er geboren wurde, habe ich meine Stelle aufgegeben, um ganz für ihn da zu sein. Doch von Anfang an war Niklas ein schwieriges Kind. Er schrie viel, schlief wenig und ließ sich nur schwer beruhigen. Als Niklas laufen lernte, war er kaum zu bändigen: Rastlos rannte er den ganzen Tag umher; Wutanfälle, Geschrei und zerstörtes Spielzeug waren an der Tagesordnung. Als Niklas eingeschult wurde, häuften sich die Probleme noch: Er war unkonzentriert und schaffte das Lernpensum nicht, störte den Unterricht und konnte die Regeln im Klassenverband nicht einhalten. Als die Lehrerin den Wechsel auf eine Sonderschule empfahl, schalteten wir einen erfahrenen Kinderarzt ein. Nach eingehenden Untersuchungen stellte dieser die Diagnose: ADHS. Die ADHS gehört zu den häufigsten psychiatrischen Störungen im Kindesund Jugendalter: Man geht davon aus, dass zwischen zwei und sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen betroffen sind Jungen sehr viel häufiger als Mädchen. Doch so verbreitet die Krankheit ist, so unterschiedlich sind auch ihre Erscheinungsbilder. Drei Hauptsymptome kennzeichnen die ADHS: Sitz doch endlich mal still! : Hyperaktivität Hyperaktive Kinder fallen schon früh durch motorische Unruhe auf. Sie können nur schwer längere Zeit stillsitzen und sind meist in hektischer Bewegung. Das verleitet sie oft zu besonders waghalsigen Aktionen, die nicht selten zu Unfällen führen. Ebenso ungebremst wie ihr Bewegungsdrang ist auch ihr Sprachfluss. Nun pass doch mal besser auf! : Unaufmerksamkeit ADHS-Patienten können sich meist nur für kurze Zeit auf eine Aufgabe oder ein Spiel konzentrieren. Sie lassen sich leicht von äußeren Reizen ablenken, sind vergesslich und machen viele Flüchtigkeitsfehler. Es fällt ihnen schwer, Ordnung zu halten und strukturiert zu denken und zu handeln. Das lesen Sie jetzt: Drei Hauptsymptome kennzeichnen die ADHS Wenn die Chemie im Gehirn nicht stimmt: Ursachen der ADHS Die kompetente Diagnose: ein Fall für den Fachmann! Unbehandelte ADHS kann schwere Folgen haben!

Warte, bis du an der Reihe bist! : Impulsivität Impulsive Kinder und Jugendliche haben Schwierigkeiten zu warten, bis sie an die Reihe kommen. Oft platzen sie mit ihren Antworten einfach heraus und unterbrechen dabei andere. Kommt ihnen etwas Neues in den Sinn, ändern sie ihr Verhalten sprunghaft. Regeln und Vorschriften können sie nur schwer einhalten. Vielleicht haben Sie einige der Symptome bei Ihrem Kind wiedererkannt. Bei einer ADHS (auch hyperkinetisches Syndrom genannt) müssen jedoch nicht alle der beschriebenen Symptome gleichzeitig und in gleicher Ausprägung auftreten. Häufig lässt sich z. B. nur unaufmerksames und impulsives Verhalten ohne Hyperaktivität beobachten. In diesem Fall spricht man auch von einer ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung). Diese verträumte Variante der ADHS tritt häufiger bei Mädchen als bei Jungen auf. Oft wird sie erst sehr spät erkannt, weil ihre Symptome nicht so auffällig sind wie bei einer ADHS mit Hyperaktivität. Wenn die Chemie im Gehirn nicht stimmt: Ursachen der ADHS Nachdem eine ADHS diagnostiziert worden ist, machen sich die Eltern oft viele Gedanken: Warum hat es ausgerechnet ihr Kind getroffen? Haben sie bei der Erziehung irgendetwas falsch gemacht? Diese Sorgen sind jedoch unbegründet: Mittlerweile weiß man, dass die Ursachen für ADHS in einer biologisch bedingten Funktionsstörung im Gehirn liegen. Durch ein chemisches Ungleichgewicht wichtiger Botenstoffe der so genannten Neurotransmitter werden bei ADHS-Patienten Umweltreize, die im Gehirn ankommen, nicht richtig verarbeitet. Während gesunde Menschen neue Informationen problemlos als wichtig oder weniger wichtig einordnen können und ihre Aufmerksamkeit dementsprechend steuern, fehlt Ihrem Kind dieser Filter. Es ist daher einer permanenten Reizüberflutung ausgesetzt: Ständig strömen neue Informationen und Bilder auf Ihr Kind ein, die es alle mit der gleichen Intensität aufnimmt. Äußerlich wahrnehmbare Folgen dieser Funktionsstörung sind die beschriebenen Symptome der ADHS: Unaufmerksamkeit, Sprunghaftigkeit, unstrukturiertes Denken und Handeln. ADHS ist keine Folge von Erziehungsfehlern! Um sich nicht mit unnötigen Vorwürfen zu quälen, sollten sich betroffene Eltern immer vor Augen halten: Äußere Einflüsse können eine ADHS nicht auslösen sie können die Symptome allenfalls verstärken. Ungünstig auf das Krankheitsbild wirken sich z. B. familiäre Probleme, mangelnde Zuwendung der Eltern, wechselnde Bezugspersonen oder schlecht strukturierte Tagesabläufe aus.

Die kompetente Diagnose: ein Fall für den Fachmann! ADHS ist eine komplexe Erkrankung. Deshalb sollte die Diagnose wie im Falle von Niklas nur von einem erfahrenen Spezialisten gestellt werden. Das kann z. B. ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder ein Kinderarzt sein, der sich auf die Behandlung der ADHS spezialisiert hat. Von einer ADHS spricht man, wenn die beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten andauern und bereits im Vorschulalter auftreten. Charakteristisch ist auch, dass das Verhalten nicht dem altersgemäßen Entwicklungsstand entspricht und die Symptome in verschiedenen Lebensbereichen wie Schule, Familie und Freizeit gleichzeitig beobachtet werden. Eine sorgfältige Diagnose sollte daher immer auch das Umfeld des Kindes mit einbeziehen z. B. Erzieher oder Lehrer, die schildern können, wie sich das Kind außerhalb der häuslichen Umgebung verhält. Unbehandelte ADHS kann schwere Folgen haben! Eine ADHS wächst sich nicht einfach aus. Zwar schwächen sich die Verhaltensauffälligkeiten mit Beginn der Pubertät in vielen Fällen ab, doch leiden die Patienten oft ihr Leben lang unter den Folgen, wenn die Krankheit unbehandelt bleibt. Trotz normaler Begabung ist eine Verschlechterung der schulischen Leistungen bei vielen Kindern mit ADHS vorprogrammiert. Aufgrund ihrer Unaufmerksamkeit und inneren Unruhe können sie dem Lernpensum nicht folgen und machen viele Fehler. Sie fallen durch häufige Unterrichtsstörungen auf und werden oft zu Außenseitern im Klassenverband. Die Folge sind Schulverweise oder vorzeitige Schulabgänge ohne Abschluss ein großes Handicap auf dem Arbeitsmarkt! Neben den schulischen Problemen haben viele ADHS-Patienten mit der Ablehnung durch ihr Umfeld zu kämpfen. Mit dir spielen wir nicht mehr ist die typische Reaktion, wenn sie mit ihrem reizbaren und impulsiven Verhalten wieder einmal die Spielkameraden gegen sich aufgebracht haben.

Stabile Freundschaften entstehen unter diesen Bedingungen nur schwer. Viele Kinder enden schließlich in der sozialen Isolation und laufen Gefahr, in falsche Kreise zu geraten. Durch die ständigen Enttäuschungen und Zurückweisungen entwickeln ADHS-Patienten zudem nur ein geringes Selbstwertgefühl. Viele neigen zu Depressionen das Risiko, sich in Alkohol- oder Drogensucht zu flüchten, ist groß. Nicht unterschätzt werden sollte auch, dass neben den betroffenen Kindern meist auch der Rest der Familie unter der ADHS leidet. Viele Mütter und Väter kämpfen mit Stresssymptomen, Schuldgefühlen und Versagensängsten. Nicht selten geht die Ehe der Eltern durch die zermürbenden Streitereien um Erziehungsfragen in die Brüche. Und auch die Geschwister der kleinen ADHS-Patienten gehören zu den Leidtragenden: Nicht nur, dass sie oft genug unter dem Verhalten des Bruders oder der Schwester leiden durch die gesteigerte Aufmerksamkeit, die das Geschwisterkind in Anspruch nimmt, fühlen sie sich häufig von den Eltern vernachlässigt. Endlich Hoffnung auf Hilfe... Trotz der Sorge um die Zukunft von Niklas sind wir auch ein wenig erleichtert, seitdem die ADHS diagnostiziert worden ist: Endlich kennen wir die Ursachen für die Probleme unseres Sohnes und können sein Verhalten besser verstehen. Nachdem wir uns eingehend über die Krankheit informiert haben, sind wir fest entschlossen, möglichst schnell mit einer Therapie für Niklas zu beginnen. Der Arzt schlägt eine Kombination aus Verhaltenstherapie und medikamentöser Behandlung vor. Gleichzeitig will er uns und möglichst auch die Lehrer ausführlich beraten, wie wir mit Niklas Verhalten künftig besser umgehen können. Er ist zuversichtlich, dass sich die Entwicklung von Niklas mit der Therapie positiv beeinflussen lässt wir auch. Das lesen Sie jetzt: Die maßgeschneiderte ADHS-Therapie: eine Kombination aus verschiedenen Elementen Die medikamentöse Therapie: eine bewährte und sichere Behandlungsform 10 11

Wie wird ADHS behandelt? Eine konsequente Therapie hilft! Die maßgeschneiderte ADHS-Therapie: eine Kombination aus verschiedenen Elementen Ist eine ADHS diagnostiziert, sollte möglichst schnell eine geeignete Behandlungsstrategie erarbeitet werden. Die Erkrankung ist zwar nicht grundsätzlich heilbar, doch mit einer rechtzeitigen Behandlung können Sie Ihrem Kind eine weitgehend normale Entwicklung ermöglichen. Eine fundierte Therapie der ADHS sollte idealerweise das gesamte Umfeld mit einbeziehen: nicht nur Sie als Eltern, sondern auch die Lehrer und Erzieher Ihres Kindes. Die Behandlung setzt sich immer aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Dieses so genannte multimodale Therapiekonzept umfasst: psychotherapeutische Maßnahmen, z. B. eine Verhaltenstherapie pädagogische Hilfestellungen für Eltern und Erzieher eine medikamentöse Behandlung Welche Therapiemaßnahmen im Einzelnen zum Einsatz kommen, entscheidet der individuelle Befund: Sind die Symptome nur leicht ausgeprägt, reicht zunächst vielleicht eine psychotherapeutische Behandlung aus. In schwereren Fällen ist jedoch häufig eine medikamentöse Behandlung erforderlich, um eine Psychotherapie zu ermöglichen. Der Arzt oder Psychologe wird einen geeigneten Therapieplan für Ihr Kind entwickeln. Psychotherapie: Anleitung zur besseren Verhaltenssteuerung Die verschiedenen Arten der Psychotherapie umfassen unterschiedliche Verfahren, die sich entweder auf das Kind alleine beziehen oder aber das Umfeld (Elternhaus, Kindergarten, Schule) mit einbeziehen. In der Regel kommt eine Verhaltenstherapie zum Einsatz: Hier werden zunächst bestehende Verhaltensmuster analysiert, damit das Kind lernt, sich selbst besser wahrzunehmen. Anschließend werden geeignete Strategien vermittelt, mit denen das Verhalten künftig besser kontrolliert und gesteuert werden kann. Ist das Sozialverhalten des Kindes stark beeinträchtigt, wird die Verhaltenstherapie auch in der Gruppe durchgeführt. Elterntraining: den Umgang mit der ADHS lernen Auch Sie als Eltern benötigen Unterstützung im Umgang mit der ADHS- Erkrankung Ihres Kindes. Nehmen Sie daher das Beratungs- und Trainingsangebot des Arztes oder Psychologen an. Einige grundlegende Tipps, die Ihnen den Umgang mit Ihrem Kind und den familiären Alltag erleichtern, haben wir hier für Sie zusammengestellt: Strukturen festlegen Kinder, die an ADHS leiden, brauchen klar definierte Regeln und zeitliche Abläufe, die ihrem Alltag eine feste Struktur geben. Legen Sie z. B. bestimmte Zeiten fest, in denen die Hausaufgaben gemacht werden, und sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind während dieser Zeiten nicht abgelenkt wird (gleichbleibende Umgebung, kein Spielzeug in der Nähe etc.). 12 13

Positives Verhalten verstärken Versuchen Sie, Ihr Kind für positives Verhalten möglichst oft und sofort zu loben und zu belohnen. Das ist wesentlich wirkungsvoller als Schimpfen und Bestrafen. Als hilfreich hat sich z. B. ein Belohnungsplan erwiesen, der für alle Familienmitglieder deutlich sichtbar aufgehängt wird und dem Kind Anreiz bietet, bestimmte Ziele (z. B. Zimmer aufräumen, Hausaufgaben erledigen) zu erreichen. Freiräume gewähren Versuchen Sie nicht, Ihr Kind zur absoluten Ruhe zu zwingen. Hyperaktive Kinder haben einen unbändigen Bewegungsdrang, dem Sie genügend Raum verschaffen sollten z. B. durch gezielte sportliche Aktivitäten. Legen Sie auch während der Hausaufgabenzeiten immer wieder kleine Ruhepausen ein, in denen sich Ihr Kind kurz austoben kann. Liebe schenken Und das allerwichtigste: Auch wenn Sie die Grenzen Ihrer Belastbarkeit erreicht haben zeigen Sie Ihrem Kind Ihre Zuneigung und geben Sie ihm das Gefühl, dass Sie für Ihr Kind da sind und es unterstützen. Nur so kann es ein stabiles Selbstvertrauen entwickeln und lernen, auch mit Misserfolgen und Rückschlägen umzugehen. Die medikamentöse Therapie eine bewährte und sichere Behandlungsform Sprechen Kinder auf verhaltenstherapeutische Maßnahmen alleine nicht an, weil Krankheitssymptome wie Unruhe und Aufmerksamkeitsstörungen zu stark ausgeprägt sind, kommt zusätzlich eine medikamentöse Therapie zum Einsatz. In der Regel werden hier so genannte Stimulanzien wie z. B. Methylphenidat verabreicht. Verständlicherweise haben viele Eltern grundsätzliche Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Medikamenten. Für zusätzliche Verunsicherung sorgt auch die öffentliche Diskussion über die Stimulanzien: Mit Methylphenidat würden Kinder einfach ruhig gestellt, oder es führe direkt in die Abhängigkeit, lauten z. B. einige der meist unqualifizierten Vorwürfe. Befürchtungen sind unbegründet! Methylphenidat wird seit vielen Jahrzehnten in der Therapie der ADHS eingesetzt, ohne dass jemals ein Fall einer späteren Sucht bekannt geworden wäre. Seine Sicherheit und Wirksamkeit wurden in wissenschaftlichen Studien belegt. 14 15

Mittlerweile konnte sogar nachgewiesen werden, dass ADHS-Patienten, die mit Stimulanzien behandelt werden, später weniger anfällig für Alkohol- oder Drogenmissbrauch sind als unbehandelte ADHS-Patienten. Methylphenidat bändigt die Informationsflut Erfahrungsgemäß sprechen rund 80 Prozent der Kinder auf die Behandlung mit Methylphenidat an. Die Substanz wirkt auf das System der Botenstoffe (Neurotransmitter) im Gehirn ein und verbessert so die Informationsverarbeitung. Für Ihr Kind bedeutet das: Die einströmenden Umweltreize können besser gefiltert werden, das Informationschaos im Kopf löst sich auf, Konzentrationsfähigkeit und Verhaltenskontrolle werden verbessert. Die Wirkung von Methylphenidat tritt rund 30 bis 45 Minuten nach der Einnahme ein. Über die genaue Dosierung des Medikaments entscheidet der behandelnde Arzt. Je nach Einzelfall werden ein bis drei Dosen pro Tag eingenommen. Während der Behandlung mit Methylphenidat kann es zu Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder Bauchschmerzen kommen. In der Regel sind diese jedoch nicht sehr stark und können durch eine Veränderung der Dosierung gut kontrolliert werden. Falls Sie diese Nebenwirkungen nach der Einnahme von Methylphenidat an Ihrem Kind beobachten, sprechen Sie bitte mit dem behandelnden Arzt. Endlich geht s bergauf! Niklas macht jetzt seit einem halben Jahr eine Verhaltenstherapie und nimmt gleichzeitig Methylphenidat ein. Seitdem hat er sich deutlich verändert: Aus unserem reizbaren, rastlosen und einsamen Jungen ist ein sehr viel fröhlicheres Kind geworden. Der Wechsel auf die Sonderschule konnte vermieden werden, und Niklas lebt sich Tag für Tag besser in den Klassenverband ein. Auch uns geht es viel besser. Wir wissen nun, dass Niklas trotz seiner Erkrankung gute Chancen hat, seine Fähigkeiten und seine Persönlichkeit ebenso zu entfalten wie andere Kinder. Ich habe außerdem Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe betroffener Eltern gefunden, die sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch trifft. Wenn die Nerven nach einem anstrengenden Tag mit Niklas doch einmal blank liegen, finde ich hier wieder Ermutigung denn letztendlich haben alle die gleiche Erfahrung gemacht: Auch wenn der Weg hart ist ADHS lässt sich in den Griff bekommen! Das lesen Sie jetzt: Kontaktadressen Literaturtipps 16 17

Wo finde ich Hilfe und Information? Gezielt Unterstützung suchen! Kontaktadressen Hier finden Sie weitere Informationen und Hilfe im Umgang mit ADHS: Bundesverband Arbeitskreis Überaktives Kind e.v. Postfach 41 07 24 12117 Berlin Tel.: 0 30 / 85 60 59 02 Fax: 0 30 / 85 60 59 70 www.bv-auek.de Bundesverband Aufmerksamkeitsstörung/ Hyperaktivität e.v. (BV-AH e.v.) Postfach 60 91291 Forchheim Tel.: 0 91 91 / 70 42 60 Fax: 0 91 91 / 3 48 74 www.bv-ah.de Literaturtipps Aust-Claus E, Hammer P-M: Das A.D.S.-Buch Oberstebrink-Verlag 1999 Aust-Claus E, Hammer P-M: ADS. Eltern als Coach, ein praktisches workbook für Eltern OptiMind media 2003 Fitzner T, Stark W (Hrsg.): ADS: verstehen akzeptieren helfen Beltz Taschenbuch 2000 Huss M: Medikamente und ADS. Gezielt einsetzen, umfassend begleiten, planvoll absetzen Urania 2002 AdS e.v. Elterninitiative zur Förderung von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) mit/ohne Hyperaktivität Postfach 11 65 73055 Ebersbach Tel.: 0 71 61 / 92 02 25 Fax: 0 71 61 / 92 02 26 www.ads-ev.de Neben weiterführenden Informationen zu ADHS finden Sie auf den Internetseiten der genannten Elternverbände auch Listen regionaler Selbsthilfegruppen. Murphy-Witt M, Ettrich C: ADS So fördern Sie Ihr Kind Gräfe und Unzer Verlag 2003 Neuhaus C, Scheibe W: Das hyperaktive Kind und seine Probleme Urania 2002 Neuhaus C: Hyperaktive Jugendliche und ihre Probleme Urania 2000 18 19