5. Aufstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz



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Transkript:

Grundsatz 5. Aufstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz 5.1 Grundsatz Zur Umstellung von nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen auf IFRS ist eine IFRS-Eröffnungsbilanz zu erstellen, die als Startpunkt für die künftige IFRS-Rechnungslegung gilt (IFRS 1.6). IFRS 1.2-5 klären, was unter der erstmaligen Anwendung von IAS/IFRS-Standards zu verstehen ist. Der erste IFRS-Abschluss ist jener, in dem die vollständige Übereinstimmung mit den Vorschriften der IFRS erstmalig bestätigt und zusammen mit dem Abschluss veröffentlicht worden ist (IFRS 1.3). Beispielsweise sind Abschlüsse, die nur teilweise mit den IFRS übereinstimmen oder Abschlüsse, die nur für interne Zwecke gemäß den IFRS aufgestellt worden sind, nicht als IFRS-Abschlüsse zu werten, so dass das Unternehmen bei erstmaliger Veröffentlichung eines vollständig in Übereinstimmung mit IFRS stehenden Abschlusses die Regelungen des IFRS 1 anzuwenden hat. Der Grundsatz für die Umstellung von nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen auf IFRS ist in IFRS 1.7 niedergelegt. Der erstmals aufgestellte IFRS-Abschluss hat hinsichtlich der Bilanzierung zwei Grundsätzen zu genügen: 1. Stetigkeit der IFRS-Bilanzierungsmethoden für alle im ersten IFRS-Abschluss dargestellten Berichtsperioden. Damit wird insbesondere ein in der laufenden IFRS-Bilanzierung unter bestimmten Voraussetzungen möglicher (Framework.40-41) Wechsel zwischen IFRS-Bilanzierungsmethoden ausgeschlossen. Der Grundsatz der Stetigkeit der IFRS-Bilanzierungsmethoden der im ersten IFRS-Abschluss dargestellten Berichtsperioden gilt ausnahmslos. 2. generelle Anwendung der IFRS-Bilanzierungsmethoden, welche zum Zeitpunkt des ersten vollständig offen gelegten IFRS-Abschlusses gelten. Beispiel 63: Ein Unternehmen erstellt zum 31.12.2005 erstmalig einen vollständigen IFRS-Abschluss. Das Kalenderjahr stimmt mit dem Wirtschaftsjahr überein. Das Unternehmen erstellt eine IFRS-Eröffnungsbilanz zum 01.01.2004 auf Basis der IFRS, die in der Periode, welche am 31.12.2005 endet, gelten. Der zum Abschlussstichtag 31.12.2005 offen gelegte IFRS- Jahresabschluss beinhaltet die Bilanz zum Stichtag 31.12.2005 sowie die GuV, die Eigenkapitalveränderungsrechnung, die Kapitalflussrechnung und die Notes für die am 31.12.2005 endende Berichtsperiode einschließlich der Vergleichszahlen für 2004. Sowohl die für 2005 als auch das Vorjahr offen gelegten Rechnungslegungsinstrumente basieren auf den IFRS, die in der Periode, welche am 31.12.2005 endet, gelten. Falls ein neuer IFRS-Standard noch nicht in der Periode verpflichtend ist, in welcher der erste IFRS- Abschluss offen gelegt wird, aber früher angewendet werden kann, steht dieses Wahlrecht auch dem erstmals nach IFRS bilanzierenden Unternehmen zu. Aus dem Grundsatz der generellen Anwendung der IFRS-Bilanzierungsmethoden (sowohl zum Zeitpunkt der Erstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz als auch zum Zeitpunkt des erstmals vollständig aufgestellten und offen gelegten IFRS-Abschlusses) folgt, dass in der IFRS-Eröffnungsbilanz so zu bilanzieren ist, als ob das Unternehmen schon immer die IAS/IFRS-Standards und die auf derselben Ebene stehenden SIC/IFRIC-Interpretationen angewendet hätte, die zum Zeitpunkt des erstmals vollständig offen gelegten IFRS-Abschlusses (i.d.r. IAS/IFRS-Standards und SIC/IFRIC-Interpretationen, die in dem auf die Erstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz folgenden Jahr) Gültigkeit besitzen. Dieses Vorgehen bezeichnet man als retrospektive Anwendung der IAS/IFRS-Standards. 223

Aufstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz Vom Grundsatz der retrospektiven Anwendung der IFRS-Bilanzierungsmethoden gibt es allerdings nicht unbedeutende Ausnahmen. Zum einen hat der Bilanzierende in Einzelfällen Verbote der retrospektiven Anwendung der IFRS-Bilanzierungsmethoden (vgl. Abschnitt 5.2) zu beachten, zum anderen gibt es Wahlrechte bei der retrospektiven Anwendung der IFRS-Bilanzierungsmethoden (vgl. Abschnitt 5.3). Die Anpassungen, die aus der retrospektiven Anwendung der IFRS-Bilanzierungsmethoden erforderlich werden, sind im Gegensatz zu der in SIC-8.5 enthaltenen vorherigen Regelung nicht zwingend in den Gewinnrücklagen zu erfassen. Nach IFRS 1.11 sind die Auswirkungen der Anpassungen unmittelbar in den Gewinnrücklagen oder falls angemessen in einer anderen Eigenkapitalkategorie zum Übergangsstichtag zu erfassen (vgl. Abschnitt 3.7.3.1). IFRS 1.11 berücksichtigt damit im Gegensatz zu SIC-8 die Tatsache, dass eine Reihe von Sachverhalten bei konsequenter retrospektiver Anwendung der IAS/IFRS-Standards erfolgsneutral (z.b. über das sonstige Gesamtergebnis) zu erfassen gewesen wäre. Beispiel 64: Die Zeitwertanpassungen für Available-for-sale financial assets sind stets erfolgsneutral zu erfassen (IAS 39.55b). Nach den bisherigen nationalen Rechnungslegungsvorschriften wurden die Available-for-sale financial assets zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet. Am Stichtag der Erstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz (01.01.2004) betragen der Zeitwert für die Available-for-sale financial assets 10 Mio., die fortgeführten Anschaffungskosten 8 Mio.. Ein bei der Veräußerung entstehender Kursgewinn unterliegt der Besteuerung; der anzuwendende Steuersatz beträgt 40 %. Der Bilanzierende muss für die IFRS-Eröffnungsbilanz eine Anpassungsbuchung für den Bilanzansatz bei den Available-for-sale financial assets vornehmen, da IAS 39 eine Bewertung der Available-for-sale financial assets zum Zeitwert zwingend vorsieht. In gleicher Weise entstehen durch diese Anpassung passive latente Steuern aufgrund temporärer Differenzen, sofern bei einer späteren Veräußerung die Veräußerungsgewinne der Besteuerung unterliegen. Sofern die IFRS retrospektiv anzuwenden sind, erfolgt die Gegenbuchung statt in den Gewinnrücklagen in der Rücklage für Zeitbewertung (IAS 39.55 b). Die Anpassungsbuchung beim Übergang von nationalen Rechnungslegungsstandards zu IFRS per 01.01.2004 lautet daher: Available-for-sale financial assets 2 Mio. an Rücklage für Zeitbewertung 1,2 Mio. passive latente Steuern 0,8 Mio. Werden die Available-for-sale financial assets nach dem 01.01.2004 veräußert, dann ist die zum Übergangsstichtag 01.01.2004 gebildete Rücklage für Zeitbewertung erfolgsneutral aufzulösen (vgl. Abschnitt 3.6.2). Falls das Unternehmen im Übergangszeitpunkt 01.01.2004 den Eigenkapitaleffekt in den Gewinnrücklagen verrechnet hätte (vorherige Regelung des SIC-8.5), und diese IFRS-Eröffnungsbilanz den Startpunkt der IFRS-Bilanzierung bilden würde, dann müsste bei Veräußerung der Wertpapiere ein Abgang der Rücklage für Zeitbewertung erfasst werden, dem keine korrespondierende Rücklage für Zeitbewertung in der IFRS-Eröffnungsbilanz gegenüber stünde. Diese negative Rücklage für Zeitbewertung löst sich auch in der Zukunft wegen der Asymmetrie der Abgrenzungsbuchung (Bildung der Zeitwertanpassung über die Gewinnrücklagen, Auflösung der Zeitwertanpassung über die Rücklage für Zeitbewertung) nicht auf. Ein Abgang der Gewinnrücklagen bei Veräußerung der Available-for-sale financial assets und damit die formale Herstellung einer Symmetrie bei der Abgrenzung der Zeitwertanpassung (Bildung und Auflösung der Zeitwertanpassung über die gleiche Position, nämlich die Gewinnrücklagen) ist wegen der Notwendigkeit eines Beschlusses über die Gewinnverwendung bei Abgang der Wertpapiere nicht darstellbar. 224

Verbote der retrospektiven Anwendung 5.2 Verbote der retrospektiven Anwendung IFRS 1 untersagt in folgenden Fällen die retrospektive Anwendung von IFRS-Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden: Ausbuchung von Finanzinstrumenten Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (Hedge-Accounting) Vornahme von Schätzungen Zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche Der Grund für die Verbote liegt in der sonst (bei retrospektiver Anwendung) möglichen Neueinschätzung eines Bilanzierungssachverhalts; hierdurch könnte mit einem späteren Wissensstand eine vorteilhaftere Bilanzierung erreicht werden. (1) Ausbuchung von Finanzinstrumenten Für nicht derivative finanzielle Vermögenswerte und Schulden können die Ausbuchungsregeln des IAS 39 prospektiv ab dem 01.01.2004 angewendet werden (IFRS 1.27). Das bedeutet, dass vor dem 01.01.2004 im vorherigen landesrechtlichen Abschluss ausgebuchte Finanzinstrumente nicht nach den IFRS-Regelungen anzusetzen sind, sofern sie nicht aufgrund einer späteren Transaktion oder eines späteren Ereignisses ansatzpflichtig sind. Damit können beispielsweise finanzielle Vermögenswerte beim Factoring oder bei Pensionsgeschäften, die nach HGB ausgebucht sind, ausgebucht bleiben, obwohl sie nach den Regeln des IAS 39 eigentlich hätten bilanziert werden müssen. (Allerdings kann gemäß IFRS 1.27 A das die IFRS-Eröffnungsbilanz aufstellende Unternehmen auch wahlweise ab einem beliebigen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt die Ausbuchungsregeln des IAS 39 freiwillig anwenden, sofern das Unternehmen über die hierfür erforderlichen Informationen zum seinerzeitigen Zeitpunkt verfügte.) (2) Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (Hedge-Accounting) In der IFRS-Eröffnungsbilanz sind alle Derivate zum Zeitwert anzusetzen. Entsprechend dürfen gemäß HGB abgegrenzte Erträge oder Aufwendungen aus derivativen Finanzinstrumenten (z.b. Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften) nicht übernommen werden (IFRS 1.28). Somit ergibt sich für das Hedge-Accounting eine ausschließlich prospektive Anwendungspflicht. Das IASB hat gegen eine retrospektive Anwendung der Regeln für das Hedge- Accounting plädiert, da es nach Auffassung des IASB unwahrscheinlich ist, dass die Kriterien für das Vorliegen einer Hedge-Beziehung seit Beginn der Sicherungsbeziehung dokumentiert sind und die Wirksamkeit des Sicherungsgeschäfts systematisch überprüft worden ist (vgl. im Einzelnen IAS 39.88). Darüber hinaus könnte eine retrospektive Anwendung der Regeln des Hedge- Accounting zu einer selektiven Identifikation von Hedge-Beziehungen, verbunden mit Verzerrungen in der IFRS-Eröffnungsbilanz, führen. Die nach den vorherigen Rechnungslegungsvorschriften bilanzierten Sicherungsbeziehungen im Sinne eines Hedge-Accounting dürfen jedoch dann in der IFRS-Eröffnungsbilanz beibehalten werden, wenn sie zu diesem Zeitpunkt die Ansatzvoraussetzungen des IAS 39 seit ihrer Entstehung erfüllen. Auf die (nach Landesrecht gebildeten) Sicherungszusammenhänge, die nicht die 225

Aufstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz Voraussetzungen des IAS 39 erfüllen, dürfen die Bilanzierungsvorschriften des IAS 39 nicht angewendet werden. Sie sind unter Anwendung von IAS 39.91 und 39.101 zu beenden (IFRS 1.30). Eine Ausnahme besteht nur für einzelne Posten des Sicherungszusammenhangs, z.b. im Rahmen eines Macro Hedges, die als Sicherungsbeziehungen in die IFRS-Eröffnungsbilanz übernommen werden können, wenn die Voraussetzungen für das Hedge Accounting erfüllt sind. Nach IFRS 1.36 A kann ein Unternehmen, das vor dem 01.01.2006 zur IFRS-Rechnungslegung übergeht, jedoch alternativ auch auf die Anwendung der IAS 32 und IAS 39 verzichten und stattdessen die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften anwenden. In diesem Fall sind allerdings die in IFRS 1.36 A aufgeführten Angabepflichten zu erfüllen. (3) Vornahme von Schätzungen Insoweit die Rechnungslegung auf Prognosen basiert, müssen die Prognosen, die zur Erstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz verwendet werden, mit den Prognosen zur Erstellung der zu diesem Stichtag (noch) aufzustellenden landesrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften entsprechenden Bilanz vereinbar sein (IFRS 1.31). Abweichungen oder Inkonsistenzen zwischen den Schätzungen kann es nur geben, wenn die Schätzungen, welche für die (zuvor erstellte) Bilanz verwendet wurden, offensichtlich fehlerhaft waren. Erfolgt beispielsweise nach landesrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften die Abschreibung von Sachanlagen auf Basis der wirtschaftlichen Nutzungsdauer, dann dürfen bei Erstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz keine anderen Abschreibungsdauern als im landesrechtlichen Abschluss verwendet werden (IAS 16.50). (4) Zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche Unternehmen mit einem Übergangszeitpunkt vor dem 01.01.2005 haben die Übergangsbestimmungen des IFRS 5 zu beachten (IFRS 1.34 B Satz 1). Diese Unternehmen haben das Wahlrecht zwischen einer prospektiven Anwendung von IFRS 5 (d.h. Abbildung nur der jeweiligen Sachverhalte, die nach dem 31.12.2004 auftreten) oder einer retrospektiven Anwendung der betreffenden Sachverhalte ab einem beliebigen Zeitpunkt in der Vergangenheit, sofern die dafür erforderlichen Informationen vorliegen. Unternehmen mit einem Übergangszeitpunkt ab 01.01.2005 haben dagegen stets IFRS 5 retrospektiv anzuwenden (IFRS 1.34 B Satz 2). 226

Wahlrechte bei der retrospektiven Anwendung 5.3 Wahlrechte bei der retrospektiven Anwendung Ein auf IFRS umstellendes Unternehmen hat das Wahlrecht in den nachstehenden Fällen auf die retrospektive Anwendung der IFRS-Vorschriften zu verzichten: Unternehmenszusammenschlüsse (IFRS 1.15), Beizulegender Zeitwert bzw. Neuwert als Ersatz für fortgeführte Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte (IFRS 1.16-1.19), Pensionspläne (IFRS 1.20), kumulierte Umrechnungsdifferenzen aus der Währungsumrechnung im Konzernabschluss (IFRS 1.21 1.22), zusammengesetzte Finanzinstrumente (IFRS 1.23), Vermögenswerte und Schulden von Tochterunternehmen, Joint Ventures und assoziierten Unternehmen (IFRS 1.24 1.25), Klassifizierung von bereits im handelsrechtlichen Jahresabschluss früher angesetzten Finanzinstrumenten (IFRS 1.25 A), Aktienbasierte Vergütung (IFRS 1.25 B und 1.25 C), Versicherungsverträge (IFRS 1.25 D), Behandlung von Entsorgungs-, Wiederherstellungs- und ähnlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit Sachanlagen (IFRS 1.25 E), Rückwirkende Änderung von Bedingungen des Leasingvertrages (IFRS 1.25 F), Ersteinbuchung von Finanzinstrumenten zum Fair Value (IFRS 1.25 G). Im Gegensatz zu dem ursprünglichen Entwurf des IFRS 1, dem ED-IFRS 1, muss das die Vereinfachungen in Anspruch nehmende, auf IFRS umstellende Unternehmen nicht sämtliche Ausnahmen insgesamt anwenden, sondern kann frei wählbare Ausnahmen beanspruchen. 5.3.1 Unternehmenszusammenschlüsse und kumulierte Umrechnungsdifferenzen Die zentrale Vereinfachung enthält IFRS 1.15 i.v.m. Appendix B. Diese Vorschrift entfaltet ihr gesamtes Potenzial an Vereinfachung in Zusammenhang mit der ebenfalls in diesem Abschnitt dargestellten Regelung zur Erfassung der kumulierten Umrechnungsdifferenzen. Falls das auf IFRS umstellende Unternehmen die Ausnahme von der retrospektiven Bilanzierung von Unternehmenszusammenschlüssen anwenden will, dann ergibt sich der nachfolgend dargestellte Ablauf: 1. Ansatz sämtlicher erworbener Vermögenswerte und Schulden zum Zeitpunkt des Übergangs zu IFRS mit Ausnahme von Finanzinstrumenten, die vor dem 01.01.2001 nach den bisherigen landesrechtlichen Vorschriften nicht angesetzt wurden, Vermögenswerten einschließlich Goodwill und Schulden, welche nicht nach den bisherigen landesrechtlichen Vorschriften erfasst wurden und die auch nicht im Einzelabschluss des akquirierten Unternehmens erfasst wurden. 227

Aufstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz Damit bilden grundsätzlich die im Übergangszeitpunkt zu IFRS nach landesrechtlichen Vorschriften fortgeführten Bilanzwerte den Ausgangspunkt für die konsolidierten Wertbeiträge der Konzernunternehmen in der IFRS-Konzernbilanz. 2. Eliminierung der Bilanzposten, welche zwar die Kriterien für den Ansatz nach den bisherigen landesrechtlichen Vorschriften erfüllen, die aber nicht nach IFRS angesetzt werden dürfen: immaterielle Vermögenswerte aus einem Unternehmenserwerb, die nicht die Ansatzkriterien des IAS 38 erfüllen, sind vorausgesetzt ein Goodwill existiert aus diesem Unternehmenserwerb gegen den Goodwill zu verrechnen. Die übrigen Anpassungen sind gegen das Eigenkapital zu verrechnen. 3. Vermögenswerte und Schulden, welche nach IFRS zu Zeitwerten in der Folgebewertung anzusetzen sind und die nach den bisher angewendeten landesrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften nicht zu Zeitwerten angesetzt wurden, sind im Übergangszeitpunkt zu Zeitwerten anzusetzen. Der Bewertungseffekt ist in den Gewinnrücklagen bzw. einer anderen Eigenkapitalkategorie zu verrechnen (vgl. Beispiel 64). 4. Sofern Vermögenswerte und Schulden in der Folgebewertung zu fortgeführten Anschaffungsoder Herstellungskosten nach IFRS anzusetzen sind, dürfen die im Zeitpunkt der Akquisition nach landesrechtlichen Vorschriften ermittelten Werte als Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Sinne der IFRS und damit als Ausgangsbasis für die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten verwendet werden. 5. Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten, die nach nationalen Rechnungslegungsvorschriften bisher nicht angesetzt wurden (z.b. abweichende Kriterien für ein Finanzierungs-Leasing), sind in der IFRS-Eröffnungsbilanz mit dem Wert anzusetzen, mit dem diese Bilanzposten nach IFRS zu Buche stehen müssten. Die erforderlichen Korrekturen sind mit Ausnahme des erstmaligen Ansatzes immaterieller Vermögenswerte, die Bestandteil eines erworbenen Goodwills bilden im Eigenkapital zu erfassen. Nicht nach nationalen Rechnungslegungsvorschriften angesetzte immaterielle Vermögenswerte, die im Goodwill bislang enthalten sind, müssen aus dem Goodwill ausgegliedert werden, falls die Ansatzkriterien nach IAS 38 vorliegen. 6. Der nach landesrechtlichen Vorschriften ermittelte Wert für den Goodwill unterliegt für die Übernahme in die IFRS-Eröffnungsbilanz folgenden Korrekturen: Umgliederungen zwischen immateriellen Vermögenswerten und Goodwill zwecks Anpassung des Bilanzansatzes für immaterielle Vermögenswerte nach den Regeln des IAS 38 (vgl. Ziffer 2 und 5). Anpassung des Goodwills um bedingte nachträgliche Kaufpreisanpassungen, die bis zum Zeitpunkt der Erstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz hinreichend präzisiert sind. Prüfung des verbleibenden Goodwills auf das Vorliegen einer Wertminderung nach den Vorschriften des IAS 36. Diese Anpassungen für den Goodwill gelten unabhängig davon, wie nach landesrechtlichen Vorschriften ein erworbener Goodwill behandelt wurde. Auch im Falle der erfolgsneutralen Verrechnung des Goodwills nach landesrechtlichen Vorschriften (z.b. 309 Abs. 1 Satz 3 HGB) lebt ein im Zeitpunkt des Erwerbs entstandener Goodwill nicht erneut auf. Korrespondierend hierzu ist dieser in der IFRS-Eröffnungsbilanz dann nicht mehr enthaltene Goodwill bei Verkauf des 228

Wahlrechte bei der retrospektiven Anwendung Unternehmens auch nicht bei Ermittlung des Veräußerungsgewinns bzw. -verlusts als Aufwand zu verrechnen. Beispiel 65: Ein Mutterunternehmen hat zum 01.01.1994 folgendes Tochterunternehmen (bilanzierend nach HGB) zu einem Preis von 8.000 GE erworben: ABB. 113: Bilanz des Tochterunternehmens zu Buch- und Zeitwerten zum 01.01.1994 Werte zum 01.01.1994 Buchwert Zeitwert Immaterielle Vermögenswerte 0 1.000 Sachanlagen 5.000 6.000 Wertpapiere des Anlagevermögens (Available-for-sale financial assets) 1.000 1.200 Vorräte 1.500 1.800 Forderungen aus LuL, Bank, Kasse 1.500 1.500 Bilanzsumme 9.000 11.500 Eigenkapital 4.000 6.500 Verbindlichkeiten und Rückstellungen 5.000 5.000 Auf Basis des HGB, welches zum Erwerbsstichtag eine Gegenüberstellung von Kaufpreis (8.000 GE) mit dem Saldo aus Zeitwert von Vermögensgegenständen (11.500 GE) und Schulden des erworbenen Unternehmens (5.000 GE) vornimmt, ermittelte sich ein Geschäfts- oder Firmenwert in Höhe von 1.500 GE. Dieser ist nach HGB über die voraussichtliche Nutzungsdauer von 15 Jahren abgeschrieben worden. Am 01.01.2004 erstellt der Konzern seine IFRS-Eröffnungsbilanz. Per 01.01.2004 stellen sich die konsolidierten HGB-Wertbeiträge und die steuerlichen Buchwerte des erworbenen Tochterunternehmens wie folgt dar: 229