Patellaluxationen bei Kindern und Jugendlichen



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Transkript:

Patellaluxationen bei Kindern und Jugendlichen B.-D. Katthagen Orthopädische Klinik Update Orthopädie S04 : BVB 1

Gliederung Epidemiologie Klassifikation Stabilisierung der Patella Klinische Untersuchung Bildgebende Diagnostik Therapie 2

Epidemiologie Erstluxationen treten bis zu 61% beim Sport auf (Fithian et al. 2004 Am J. Sports Med 32,1114 Habituelle Patellaluxation in 60-90% bei Mädchen und jungen Frauen Eine traumatische Erstluxation als Ursache rezidivierender Luxationen tritt meist im Alter zwischen 10-20 Jahren auf ( Pape und Kohn 2007, in Praxis Orthopädie und UC Thieme ) Prävalenz vorderer Knieschmerz 4-30% im Kindes- und Jugendalter 3

Epidemiologie Patellaluxation Je jünger die Kinder bei Erstluxation und je schwerer das Trauma umso wahrscheinlicher rezidivierende Luxationen + Familienanamnese ist Risikofaktor Generalisierte Bandlaxität ist Risikofaktor 4

Epidemiologie Folgeerscheinungen Retropatellare Knorpelschäden gehören zu den häufigsten Erkrankungen des Kniegelenkes Altersmäßige Häufung 2.-4.Lebensjahrzehnt vermehrt beim weiblichen Geschlecht Häufigkeit der lateralisierten Patella mit retropatellarer Arthrose bei Menschen> 55 Jahre mit 24 % bei Frauen und 11 % bei Männern 5

Ätiologie des vorderen Knieschmerz Malalignment, muskuläre Dysbalance oder Überbeanspruchung ( Günther et al 2003 Orthopäde, 32, 110 ) Viele Theorien, im Wesentlichen sind alle auf s.o. zurückzuführen 6

Klassifikation der Patellaluxationen Akute traumatische Akute dispositionelle >> Rezidivierende Habituelle Chronische Kongenitale Neurogene Iatrogene 7

Patellalateralisation Trochleadysplasie 8

Stabilisierende Faktoren ( rot = aktiv; grün= passiv) der Patella Der untere Teil des vastus medialis = vastus medialis obliquus Mediales patellofemorales Band = 60 %! Lig. patellae 9

Traumatisch oder Disposition? 10

Unfallmechanismus Flexion, Valgus- und Außenrotation; Mechanismus wie bei VKB-ruptur; beachten! Sturz Distorsion ( Fußball ) Direktes Trauma :Schlag von innen gegen Kniescheibe Die akute traumatische Patellaluxation ohne prädisponierende Faktoren ist bei Kindern selten 11

Klinische Untersuchung Apprehensiontest Patellastabilität / Patellakippung nach medial Q-winkel ( normal < 15, patholog. > 20 Knieachse Femur-/Tibiarotation Stellung Patella und Fuß beim Gehen Allgemeine Bandlaxität Muskelstatus vastus med./lat./hüftaußenrot. Beweglichkeit/Stabilität 12

Q-Winkel 13

(Fairbanks)Apprehension-Test 14

Patellalateralisation und Fehlrotation Erhöhte Antetorsion führt zu Innenrotation des distalen Femur mit Patellagleitlager Erhöhte Außenrotation der Tibia führt zu Lateralisation der Tub.tibiae Kombination häufig Muskuläre Dysbalance der Hüftmuskeln mit Schwäche der Außenrotatoren der Hüfte führt zu Innenrotationstendenz des distalen Femur (s.o.) 15

Klinische Untersuchung der Rotation 16

Röntgendiagnostik 17

Patella alta : AT/AP > 1,2 AP Patellagelenkfläche 18

Maß P.subluxation(Winkelhalb. Gleitrinne zu Verb tiefster P. Gleitlager zu dorsal. P. Patella >16 p. 19

Vorsprung des Gleitlagers nach Neyret + > 4mm patholog. (b) 20

CT TT/TG offset 21

Luxationsfördernde Formabweichungen Kniescheibenhochstand Gleitlagerdysplasie TT/TG > 16-20mm Formveränderungen der Patella Genu valgum Innenrotation dist.femurepihyse und Außenrotation Tibia Bindegewebsschwäche 22

Dispositionelle Faktoren Patellaluxation 23

Therapie traumatische Patellaluxation Reposition / Schmerzmittel Ruhigstellung Kühlung; Schiene in Streckstellung Gehstützen ( Belastung in Streckung erlaubt) Begleitverletzungen ( Knorpel- Knochen,Abscherfragmente arthroskop.entfernen/refixieren, Bänderrisse) Evtl. Erguß punktieren Dispositionelle Faktoren abklären 24

Konservative Therapie der Patellaluxation Fixierung in Streckung mit abnehmbarer Schiene ( z.b. Mecron) Belastung erlaubt, später Taping mit Zügelung nach medial 6 Wochen isometrisches Quadricepstraining Später isokinetische Übungen; Brustschwimmen 25

Wann Operationsindikation? Eindeutig traumatische Luxation ( Arthroskopie : Spülung, Naht gerissener Bänder, laterales Release, Refixation oder Entfernung osteochondraler Fragmente je nach Größe ) Rezidivierende Luxationen, wenn prädisponierende Faktoren identifiziert und nicht nur allgemeine Bandlaxität Kongenitale und habituelle, wenn normale Anatomie weitgehend wiederhergestellt werden kann 26

Operationsverfahren am Retinaculum Arthroskop.Laterales Release und mediale Naht/Raffung Verfahren nach Ali Krogius : aus dem zu weiten medialen Retinaculum wird ein proximal gestielter, 1 cm breiter Kapsellappen geschnitten, proximal um Kniescheibe geführt und lateral in entsprechenden Retinaculumschnitt eingenäht. 27

Beinbegradigung durch Epiphyseodese 28

Beinbegradigung bei X-Bein 29

Dispositionelle Faktoren Patellaluxation 30

Rotationsosteotomie Femur 31

Operationsverfahren Korrekturen am distalen Streckapparat Medialisierung der halben Patellarsehne nach Goldwait Medialisierung der Tub.tibiae nach Roux Distalisierung der Tub.tibiae nach Roux 32

Operation nach Goldwait 33

Tuberositasversetzung bei geschlossener Tibiaapophyse 34

Algorithmus Patellainstabilität und vorderer Knieschmerz Offset der Tubersitas tibiae zur Trochleagrube TT : TG > 20mm Medialisierung der Tub.tibiae Patellakippung > 20 Rebalancing lat.release + Rekon. med retin. Patella alta > 1,2 : Tuberositasdistalisierung 35

Akute Patellaluxation Operative Therapie verbessert nicht Ergebnis Nikku,R. et al Acta orthop. 2005, 76, 699-704 Langzeitergebnisse sind meist befriedigend. Operative Therapie verbessert Ergebnis nicht. Palmu,S. et al J B J S 2008,90, 463-470 Aber : ca 70 % Rezidivrate in beiden Gruppen Die echten traumatischen Luxationen sollten primär arthroskopisch operativ behandelt werden : Fragmententfernung/-refixation, Retinaculumnaht/- raffung medial, laterales release 36

Rezidivierende Patellaluxation Ursachenanalyse und möglichst kausale Therapie : Wiederherstellung möglichst normale Anatomie Achsen- und Rotationsfehler : Korrektur TT/TG offset normal : Rekonstruktion med.patellofem.ligament TT/TG offset vergrößert, : Tuberositasversetzung, bei offener Fuge Goldwait Patella alta : Tub.distalisierung Trochlea Dysplasie : Trochleaplastik Lateral tilt der Patella : laterales release 37

Trochleaplastik (Bereiter) Bei schwerer Trochleadysplasie( + crossing Zeichen = Trochlea kreuzt laterale Femurkondyle, reduzierte Trochleatiefe = + >4mm Vorsprung des Gleitlagers, flache oder sogar gewölbte Trochlea Schottle et al Acta Orthop. 2005,76,693 : Fup 19 K b 16 P, keine Redislokation, subjektive Verbesserung 16 von 19 38

Nachbehandlung Abhängig von Art der Therapie : Im Prinzip wie konservative Therapie der akuten Luxation Abweichend bei Trochleaplastik in 30 Beugung 39

Konservative Therapie der Patellaluxation Fixierung in Streckung mit abnehmbarer Schiene ( z.b. Mecron) Belastung erlaubt, später Taping mit Zügelung nach medial 6 Wochen isometrisches Quadricepstraining Später isokinetische Übungen; Brustschwimmen 40