Der Zweitbeschluss ausgesuchte Einzelfragen und Einführung von Oliver Elzer Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 1
Teil 1 Hinführung zum Problem Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 2
16 Abs. 3 WEG n. F. Die Wohnungseigentümer können abweichend von 16 Abs. 2 WEG durch Stimmenmehrheit beschließen, dass die Betriebskosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums im Sinne des 556 Abs. 1 BGB, die nicht unmittelbar gegenüber Dritten abgerechnet werden, und die Kosten der Verwaltung nach Verbrauch oder Verursachung erfasst und nach diesem oder nach einem anderen Maßstab verteilt werden, soweit dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. vgl. auch 22 Abs. 2 WEG n. F. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 3
eine wichtige Frage: Wie häufig können die Wohnungseigentümer den Kostenverteilungsschlüssel des 16 Abs. 2 WEG wohl ändern? einmal? zweimal? beliebig? Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 4
These Es entspräche nicht den Intentionen des Reformgesetzgebers, wenn die durch 16 Abs. 3 WEG n. F. ermöglichte Flexilibilität in Dogmen unterginge. Haben wir welche? Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 5
Teil 2 Grundsatz Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 6
Begriff und Grundsatz Wohnungseigentümer sind grundsätzlich nicht gehindert, über eine schon geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen (Zweitbeschluss). Die Befugnis dazu ergibt sich aus der autonomen Beschlusszuständigkeit der Gemeinschaft. Es spielt keine Rolle, aus welchen Gründen sie eine erneute Beschlussfassung für angebracht hält. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 7
Teil 3 Die Zwecke Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 8
Zweitbeschlüsse ZIEL ZIEL Heilung formeller Fehler Änderung und Ergänzung des Erstbeschlusses Umgehung Anfechtungsfrist? und zwecklose... Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 9
Teil 4 Heilung formeller Fehler Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 10
Heilung formeller Fehler Häufig bezweckt ein Zweitbeschluss, die Anfechtbarkeit eines anderen Beschlusses (Erstbeschlusses) wegen etwaiger formeller Mängel zu beseitigen. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 11
Beispiele Ladungsfehler des Verwalters, z. B. die versehentliche Nichtladung eines Wohnungseigentümers Mangelnde Ankündigung eines Beschlusses ggf. auch fehlerhafte Jahresabrechnung Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 12
Wie wird die Anfechtbarkeit beseitigt? Mit Eintritt der Bestandskraft eines inhaltsgleichen Zweitbeschlusses fehlt es regelmäßig an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Erstbeschlusses, weil die Beteiligten wegen dessen Bestandskraft in jedem Fall an den Zweitbeschluss mit gleichem Inhalt gebunden sind. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 13
Exkurs: Folgen für eine Anfechtungsklage Die Anfechtungsklage ist unzulässig geworden. Der Anfechtende sollte seine Anfechtungsklage in der Hauptsache für erledigt erklären. Diesen Antrag sollten die Wohnungseigentümer regelmäßig anerkennen. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 14
Teil 5 Ungehung Anfechtungsfrist = Anspruch auf Zweitbeschluss? Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 15
Anspruch auf Zweitbeschluss? Ist es gerechtfertigt, unter Beschlüssen isv 21 Abs. 4 WEG nur solche zu verstehen, die innerhalb der Grenzen, die Abs. 3 zieht, gefasst worden sind, und dem einzelnen Wohnungseigentümer einen Anspruch auf einen Zweitbeschluss zuzugestehen, mit dem für die Zukunft eine Verwaltung gemäß dem Interesse aller Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen herbeigeführt wird? Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 16
Teil 6 Zwecklose Beschlüsse Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 17
Exkurs: Zwecklose Beschlüsse Bloße Bestätigung des Erstbeschlusses: Wiederholung des Erstbeschlusses mit identischem Beschlussinhalt. Z. B. BGH ZMR 2001, 809, 814: Die Wohnungseigentümer beschließen zweimal, Mängel am Gemeinschaftseigentum gegenüber dem Bauträger nicht geltend zu machen. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 18
aber... Fassen die Wohnungseigentümer einen inhaltsgleichen Zweitbeschluss nach Anfechtung des Erstbeschlusses weder zur Beseitigung formeller Mängel des Erstbeschlusses noch wegen einer geänderten Rechtslage, sondern hauptsächlich in der Hoffnung, die Minderheit werde es nach mehreren Wiederholungen aufgeben, den Beschluss anzufechten, oder die Frist versäumen, so verstößt schon die Beschlussfassung als solche gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung. Ich halte solche Beschlüsse für nichtig. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 19
Teil 7 Ergänzung und Änderung des Erstbeschlusses Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 20
Inhalt Es ist denkbar, dass sich die Wohnungseigentümer erneut mit einem Sachthema befassen, weil zusätzliche Gesichtspunkte, z. B. ein Vergleichsangebot, aufgetreten und zu berücksichtigen sind. In diesem Falle bezweckt eine Zweitbeschluss, eine bereits getroffene Entscheidung zu ergänzen oder zu ändern. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 21
Grenzen Gesetz, z. B. 134, 138, 242 BGB Vereinbarungen der Wohnungseigentümer Kernbereich des Wohnungseigentums 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 21 Abs. 4 WEG auch andere Beschlüsse? Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 22
BGH v. 20.12.1990- V ZB 8/90 Jeder Wohnungseigentümer kann nach 21 Abs. 3 und 4 WEG verlangen, dass der neue Beschluss schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses berücksichtigt. Die dabei einzuhaltenden Grenzen richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 23
5 Prüfsteine für s. B.: Erleidet ein Wohnungseigentümer durch den Zweitbeschluss einen rechtlichen Nachteil im Verhältnis zur Regelung des Erstbeschlusses? Greift der Zweitbeschluss in wohlerworbene Rechte (individuelle, subjektive Sonderrechte) ein? Hat der Erstbeschluss einem Eigentümer eine günstige Rechtsposition geschaffen? Hat ein Eigentümer auf Grund des Erstbeschlusses schutzwürdige Vorkehrungen getroffen, die sich als sinnlos (nutzlos) erweisen würden? Gibt es für den Zweitbeschluss einen nachvollziehbaren Grund? Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 24
OLG Düsseldorf v. 30.10.2000-3 Wx 318/00 Ein Zweitbeschluss mit dem Inhalt, Altbestände von Außenrollläden oberhalb der Erdgeschosswohnungen einer Wohnanlage zu belassen, beinhaltet die konkludente Zustimmung zur Anbringung von Außenrollläden und greift in eine geschützte Rechtsposition ein, wenn die Gemeinschaft zuvor bestandskräftig die Anbringung von Außenrollläden oberhalb von Erdgeschosswohnungen für unzulässig erklärt und den Verwalter verpflichtet hat, ggf. alles Erforderliche zur Durchsetzung der Beseitigung einzuleiten. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 25
Teil 8 Beschlüsse in Vereinbarungsangelegenheiten Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 26
Begriff Eine Vereinbarung erlaubt den Wohnungseigentümern eine Angelegenheit durch Beschluss zu regeln, die ansonsten nur vereinbart werden könnte. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 27
Beschlüsse auf Grund einer Öffnungsklausel Von einer vereinbarten Öffnungsklausel darf nur Gebrauch gemacht werden, wenn ein sachlicher Grund zur Änderung oder Ergänzung des Gesetzes oder einer Vereinbarung vorliegt und einzelne Wohnungseigentümer gegenüber dem früheren Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 28
Gründe Während der sachliche Grund fragt, warum die abzuändernde gesetzliche oder vereinbarte Regelung nicht mehr geeignet ist, die Angelegenheiten der Gemeinschaft angemessen zu regeln, wird mit dem Merkmal der Billigkeit eine Ermessenskontrolle i. S. von 315 ff. BGB Minderheitenschutz eingeführt Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 29
Ein erster Fall Die Eigentümergemeinschaft beschließt, da die Kosten für die Heizungsanlage ausschließlich von den Eigentümern gezahlt werden, die an die Heizungsanlage angeschlossen sind. Dabei werden die Kosten zu 100% nach den angezeigten Werten der eingebauten Wärmemengenzähler verteilt. Von den Gesamtstromkosten werden 70% auf die Heizkosten verrechnet und 30% als Allgemeinstrom auf alle Eigentümer verteilt werden. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 30
OLG Hamm v. 12.12.2005-15 W 375/04 Die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss, soweit sie auf Grund einer entsprechenden Vereinbarung überhaupt möglich ist, ist nur dann zulässig, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 31
Ein zweiter Fall Nach 11 der TE werden die Kosten für Heizung und Wasser nach Verbrauch abgerechnet. 1991 beschließen die Eigentümer, die Kosten für den Gemeinschaftsstrom nach der Anzahl der Wohnungen und diejenigen für Straßenreinigung/Müllabfuhr nach Zahl der Bewohner abzurechnen. In einer Eigentümerversammlung 1999 beschließen die Wohnungseigentümer, den Beschluss von 1991 wieder aufzuheben und zu den Regeln der Teilungserklärung für die noch ausstehenden und zukünftigen Abrechnungen zurückzukehren. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 32
OLG Karlsruhe v. 23.08.2000-11 Wx 12/00 Ein Wohnungseigentümer kann regelmäßig auch dann, wenn der Kostenverteilungsschlüssel durch Mehrheitsbeschluss geändert werden kann, darauf vertrauen, dass die laufenden Kosten der Gemeinschaft nach demjenigen Verteilungsschlüssel abgerechnet werden, der der Vereinbarungs- und Beschlusslage im betreffenden Abrechnungszeitraum entspricht; er muss nicht damit rechnen, dass dieser Schlüssel mit Rückwirkung für bereits abgeschlossene Abrechnungszeiträume willkürlich verändert wird. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 33
Teil 9 Diskussion Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 34
Kritik Das Gesetz kennt neben den genannten Grenzen keine schutzwürdige Belange, die einen Beschluss hinderten. Die heutige Sichtweise kontakariert die gesetzliche Leitentscheidung für eine freie Abänderbarkeit Einschränkungen rauben den Wohnungseigentümern Beschlussmacht vereinbarte (Öffnungsklausel) auch gesetzliche? Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 35
Teil einer Begriffsbildung? Sähe man in den für einen Zweitbeschluss benannten diffusen Voraussetzungen eine Schranke, die über das, was 21, 15 WEG anordnen, nicht hinausgeht, wäre das hinnehmbar. Die Zweitbeschlussdoktrin wäre dann Teil einer allgemeinen Begriffsbildung. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 36
Lösung Wenn die Eigentümer erneut über eine bereits beschlossene Angelegenheit abstimmen, müssen sie keine weiteren Schranken als die für den ersten Beschluss beachten. Hat ein Wohnungseigentümer durch den Erstbeschluss eine rechtliche vorteilhafte Stellung erworben, ist diese im Rahmen der nach 21 Abs. 4, 15 Abs. 3 WEG geforderten Abwägung mit einzubeziehen. Hier bedarf es künftig einer Bildung von Fallgruppen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Wohnungseigentümer sich mehrheitlich letztlich für eine Änderung entscheiden dadurch eine individuelle Rechtsposition, ein Sonderrecht zerstören. Ggf. aber nur ex nunc. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 37
Exkurs Bei vereinbarten Öffnungsklauseln kann letztlich wohl nichts anderes gelten... Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 38
Danke für Ihr Interesse. Viel Spaß bei Anwendung (oder Verwerfung) meiner Ideen. Potsdam 2006 Dr. Oliver Elzer Folie 39