PFLEGE VON MENSCHEN MIT CHRONISCHEN WUNDEN



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Transkript:

PFLEGE VON MENSCHEN MIT CHRONISCHEN WUNDEN Die Bedeutung der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden wurde durch die Entwicklung des sechsten nationalen Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Plege (DNQP) Plege von Menschen mit chronischen Wunden herausgestellt. Er wurde im Zeitraum von 2006 bis 2009 entwickelt, verabschiedet und modellhaft eingeführt (implementiert). Der Expertenstandard ist für alle Plegeeinrichtungen (ambulant/stationär) eine handlungsleitende Arbeitsgrundlage, um Menschen mit chronischen Wunden nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen (State of the Art) versorgen zu können. Jede Plegeeinrichtung und alle Plegefachkräfte müssen Verantwortung bei der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden übernehmen. Der Expertenstandard ist in 5 Handlungsebenen aufgeteilt. Diese sind am Plegeprozess orientiert und sollen der Qualitätsentwicklung und verbesserung innerhalb der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden dienen. Darüber hinaus ist eine Handlungsebene auf die Schulung, Beratung und Information ausgerichtet. Zielsetzung ist hier, die Selbstplegekompetenz der Bewohner zu stärken. Dabei wird der Bewohner befähigt, aktiv an seiner Versorgung teilhaben zu können. Der Expertenstandard richtet seine Aufmerksamkeit auf Menschen mit einer chronischen Wunde. Er fokussiert nicht nur die Wunde und deren Heilung, sondern rückt die Bedürfnisse des Menschen mit einer chronischen Wunde und seine Lebensqualität in den Vordergrund. 5 Handlungsebenen im Expertenstandard Plege von Menschen mit chronischen Wunden Struktur (S) Prozess (P) Ergebnis (E) Handlungsebene 1 Identiikation von Menschen mit chronischen Wunden S1a S1b P1a P1b E1 Handlungsebene 2 Wissen zur Behandlung wundbedingter Einschränkungen S2 P2 E2 Handlungsebene 3 Koordination der Maßnahmen, Netzwerkbildung S3a S3b P3a P3b E3 EINSCHÄTZUNGSEBENE PLANUNGSEBENE DURCHFÜHRUNGSEBENE Handlungsebene 4 Informieren, beraten, schulen, anleiten BERATUNGSEBENE S4a S4b P4 E4 Handlungsebene 5 Ziel: Verbesserung der Lebensqualität S5 P5a P5b E5 BEURTEILUNGSEBENE Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität In den Expertenstandards wurde die Unterteilung nach Donabedian gewählt. Er hat Qualität eingeteilt in die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Strukturqualität (personelle, rechtliche, bauliche und fachliche Gegebenheiten) Prozessqualität (Erbringung der Leistung. Wer macht was, wann und wie?) Ergebnisqualität (Ziele erreicht? Zeit, Kosten, Zufriedenheit) Innerhalb der Struktur- oder Prozessebene kann eine Forderung entweder an die einzelne Plegefachkraft oder an die ambulante/stationäre Einrichtung gerichtet sein. Daraus ergibt sich eine weitere Unterteilung innerhalb der Handlungsebene. Beispiel: In der Handlungsebene 1 gibt es zwei Forderungen auf der Strukturebene. Struktur S1a richtet sich an die Plegefachkraft, Struktur S1b an die Einrichtung. 6

Leben mit einer chronischen Wunde Im Expertenstandard wird die optimale Versorgung und der Umgang mit Einschränkungen durch eine chronische Wunde vom Typ Dekubitalulcus, einem diabetischen Fuß (DFS) oder einem gefäßbedingten Ulcus cruris beschrieben. Die Bewohner wünschen sich Normalität im Alltag. Sie möchten vordergründig weder ein optimales Krankheitsmanagement noch eine Abhängigkeit von Anderen. Das Leben mit einer chronischen Wunde geht mit erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität einher, hauptsächlich bedingt durch Schmerzen, eingeschränkte Mobilität, Exsudat- und Geruchsbelastung. Merke: Befähigen Sie ihren Bewohner, dass er vieles alleine übernehmen kann. Organisieren Sie den Plegealltag so, dass der Bewohner seine Uhrzeitenwünsche respektiert sieht. Befähigen Sie den Bewohner soweit, dass er erkennt, wann der nächste Verbandwechsel erfolgen muss. Beantworte/Kläre: Damit die Aussagen des Expertenstandards besser verstanden werden, bedarf es der Klärung folgender Fragen: Welche Aufgaben haben Plegefachkräfte im therapeutischen Team? Ist der Begriff Compliance (Therapietreue) in Verbindung mit Plege angebracht? Plegefachkräfte und Ärzte haben innerhalb der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden unterschiedliche Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Während der Mediziner eher krankheitsorientiert am Versorgungsprozess beteiligt ist, liegt die Verantwortung der Plegefachkraft innerhalb der Steuerung, Organisation, Gesundheitsförderung und Durchführung der Lokaltherapie. Unterschiede in den Aufgaben des Arztes zur Plegefachkraft Arzt Medizinische Diagnosen Fassen verschiedene Symptome zu einer Krankheit zusammen Diagnostik und Behandlung einer Krankheit Erkennung und Behandlung der Ursachen (Funktionsstörung) Therapieverantwortung Therapiehoheit, Therapieentscheidung Plegefachkraft Gesundheits- bzw. Plegediagnosen Stellen eine klinische Beurteilung der Reaktion eines Individuums, einer Familie oder einer Gemeinde auf aktuelle oder potentielle Gesundheitsprobleme oder Lebensprozesse dar Fokus auf Gesundheitsförderung und Prävention Behandlung menschlicher Reaktionen auf Gesundheitsprobleme oder Lebensprozesse Durchführungsverantwortung 7

PFLEGE VON MENSCHEN MIT CHRONISCHEN WUNDEN Achtung: Niemand, auch nicht der Arzt, kann die beauftragte Plegefachkraft von ihrer Durchführungsverantwortung entbinden. Das bedeutet konkret, wenn der Arzt Maßnahmen anordnet und die Plegefachkraft weiß, dass diese den Bewohner mit hoher Wahrscheinlichkeit schädigen könnten, sollte sie die Durchführung ablehnen. Dies wird Remonstration genannt. Einbezug von Angehörigen In die Plege eines Bewohners einer stationären Plegeeinrichtung sollten stets seine Angehörigen (z. B. Ehepartner, Kinder, ehemalige Nachbarn) einbezogen werden. Sie müssen, genauso wie der Bewohner selbst, zu allen durchgeführten Schritten im Plegeprozess informiert, beraten und daran beteiligt werden. Angehörige von Plegeheimbewohnern sind meist enge Bezugspersonen des Plegebedürftigen und spielen daher eine entscheidende Rolle bei der Bedeutung vieler Plegesituationen. Darüber hinaus verfügen sie oftmals über Kenntnisse und Erfahrungen, die ohne ihre Beteiligung unergründet bleiben würden. Z. B. kennt der Ehepartner eines Bewohners dessen Gewohnheiten, Vorlieben, Abneigungen etc. wie kein anderer. Solche Informationen können von entscheidender Bedeutung sein und sind unbedingt in den Plegeprozess mit aufzunehmen. Compliance/Adherence Der Begriff Compliance wird von Plegefachkräften meist sehr unachtsam benutzt, weil er in Verbindung mit Plege nicht passt. Compliance bedeutet Therapietreue. Plegefachkräfte treffen aber keine Therapieentscheidung. Beispiel: Frau Mustermann hat eine mangelnde Compliance. Das soll bedeuten: Sie macht nicht was man ihr vorschlägt. Diese Formulierung hat einen negativen Beigeschmack. Die Aufgabe von Plegefachkräften ist es, zu eruieren, was der Bewohner wirklich möchte, wie der Plegeprozess mit seinen Wünschen, Fähigkeiten und Abneigungen und der Therapie des Arztes in Einklang gebracht werden kann. Der Begriff Adherence wird oft verwendet, aber auch dieser ist nicht optimal. Er bezeichnet zwar die Einhaltung eines gemeinsam erstellten Maßnahmenplans. Jedoch berücksichtigt der Begriff nicht, dass der Bewohner seine eigenen Vorstellungen hat und diese selbstverständlich in den Prozess mit einbringen kann, ohne dass die Plegefachkraft sich in ihrer Kompetenz herabgesetzt fühlen darf. 8

EINSCHäTZUNGSEBENE PLANUNGSEBENE DURCHFüHRUNGSEBENE BERATUNGSEBENE BEURTEILUNGSEBENE Handlungsebene 1: Identiikation von Menschen mit chronischen Wunden EINSCHäTZUNGSEBENE Die erste Handlungsebene richtet sich an Plegefachkräfte und ambulante/stationäre Einrichtungen. Strukturqualität Plegefachkraft S1a) Aktuelles Wissen Damit der Standard in einer stationären Plegeeinrichtung angewendet werden kann, benötigen Plegefachkräfte aktuelles Wissen. Dieses erwerben sie beispielsweise durch Fachliteratur, die nicht älter als fünf Jahre sein sollte, und bei Besuchen von Kongressen der medizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaften (z. B. der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.v. DGfW). Gefordert ist aktuelles Wissen zur Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie der Krankheitsbilder Dekubitalulcus, Diabetisches Fußsyndrom und gefäßbedingtes Ulcus cruris. S1a) Aktuelles Wissen zur Grunderkrankung Der Expertenstandard fordert aktuelles Wissen zur Grunderkrankung, Diagnostik und Therapie. Die Plegefachkraft muss sich dieses Wissen durch Qualiizierungen und Fortbildungen aneignen. Die Grunderkrankung spielt bei der Entstehung einer chronischen Wunde immer eine große Rolle. Durch eine Verschlechterung der Grunderkrankung kann eine chronische Wunde neu entstehen, nicht abheilen oder sich sogar verschlechtern. Diagnose: Ulcus cruris venosum Grunderkrankung: Chronisch venöse Insufizienz (CVI) = chronisch-venöses Stauungssyndrom. Infolge venöser Ablussbehinderung kommt es durch Mikrozirkulationsstörungen (eingeschränkter Rückluss und Austausch in den kleinsten Blutgefäßen) zu Hautveränderungen. Der Grund sind meist Varizen (Krampfadern) oder Phlebothrombosen (postthrombotisches Syndrom = PTS). Diagnose: Ulcus cruris arteriosum Grunderkrankung: Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pavk). Die periphere arterielle Verschlusskrankheit ist eine Durchblutungsstörung durch Einengung der Arterien, meist infolge einer Arteriosklerose (Arterienverkalkung). 9

PFLEGE VON MENSCHEN MIT CHRONISCHEN WUNDEN Diagnose: Ulcus cruris mixtum Grunderkrankung: Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pavk) kombiniert mit einer chronisch venösen Insufizienz (CVI). Diagnose: Dekubitalulcus Grunderkrankung: Lang andauernder Druck auf das Gewebe infolge eingeschränkter Bewegung. Durch akute Erkrankungen wie Apoplex (Schlaganfall), Herzinfarkt oder Multimorbidität (Mehrfacherkrankungen) kann der Bewohner erheblich in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sein. Diagnose: Diabetisches Fußsyndrom Grunderkrankung: Diabetes mellitus mit schlecht eingestellten Blutzuckerwerten. Hohe Blutzuckerwerte schädigen die peripheren Nerven (diabetische Polyneuropathie), die Gefäßinnenwände der Kapillaren (diabetische Mikroangiopathie) und der Arterien (diabetische Makroangiopathie). Beantworte / Kläre: Bei einem Menschen mit diabetischem Fußsyndrom (DFS) bedeutet dies: Wie entstanden (durch Angiopathie und/oder Neuropathie)? Blutzuckereinstellung entsprechend der Nationalen Versorgungsleitlinie? Druckentlastung? Alltagsgestaltung mit Druckentlastung? Wie erlebt der Bewohner die Krankheit? S1a) Kommunikative Kompetenz Viele Bewohner fühlen sich von Plegefachkräften nicht ausreichend als Mensch wahrgenommen, sie fühlen sich auf ihre Wunde reduziert. Plegefachkräfte in der stationären Versorgung bewegen sich im Wohn- und Lebensumfeld des Bewohners und sehen, wie er mit seiner chronischen Wunde den Alltag gestaltet. Die Fähigkeit der Plegefachkraft zur angemessenen Kommunikation, ggf. auch nonverbal, spielt gerade in der stationären Langzeitplege eine entscheidende Rolle bei der Beziehungsgestaltung. Die Einschränkungen im Alltag und ihr Einluss auf die Lebensqualität müssen sensibel erfasst und mit individuellen Lösungsvorschlägen verknüpft werden. Die Lösungen werden gemeinsam mit dem Bewohner gefunden. 10

Achtung: Immer auf angemessene Kommunikation achten: FALSCH: Wir haben ein neues Ulcus in Zimmer Nr. XYZ aufgenommen. RICHTIG: Wir haben Frau Müller mit einem Ulcus cruris venosum in Zimmer Nr. XYZ aufgenommen. Strukturqualität stationäre Plegeeinrichtung S1b) Plegefachkraft mit Zusatzqualiikation Der Expertenstandard richtet sich zunächst an alle Plegefachkräfte. Es werden jedoch spezielle Kompetenzen benötigt, um die Plege von Menschen mit chronischen Wunden fach- und sachgerecht sicherzustellen. Deshalb wird im Expertenstandard eine Plegefachkraft mit einer Zusatzqualiikation zum Thema Wundheilung und Wundbehandlung gefordert. Sie wird dort plegerische Fachexpertin genannt. Hinweis: Die stationäre Plegeeinrichtung muss sicherstellen, dass kontinuierlich eine Plegefachkraft mit Zusatzqualiikation zur Verfügung steht, sobald ein Bewohner mit chronischer Wunde betreut wird. Beantworte / Kläre: Wann und wie wird die Plegefachkraft mit Zusatzqualiikation in den Versorgungsprozess eingebunden? Bei Neuentstehung von Wunden? Zieht die Plegefachkraft bei auftretenden Problemen die Plegefachkraft mit Zusatzqualiikation eigenständig zu Rate? Wird mit einer anderen Einrichtung/Institution kooperiert? Übernimmt die Plegefachkraft mit Zusatzqualiikation alle Verbandwechsel? Übernimmt die Plegefachkraft mit Zusatzqualiikation die Wunddokumentation? Zusatzqualiikation Die Expertenarbeitsgruppe des DNQP hat sich bei der Entwicklung des Expertenstandards nicht auf eine spezielle Qualiikation festgelegt. Jedoch wurden Empfehlungen getroffen. So muss das Curriculum (Lehrplan) einer Fachgesellschaft der Qualiizierungsmaßnahme zu Grunde liegen (bspw. Wundtherapeut WTcert DGfW (Beruf)). Die Plegefachkraft mit Zusatzqualiikation soll vorbildlich plegen, beraten, begutachten, unterrichten, kooperieren und den Gesamtprozess koordinieren können. Qualiizierungen sind teuer und es gibt qualitative wie quantitative Unterschiede. Um Fehlinvestitionen zu vermeiden, sollten im Vorfeld die Angebote miteinander verglichen und bewertet werden. Bei der Entscheidung kann eine Übersichtsarbeit helfen. 11