Steuerverwaltung Rechtsabteilung VERLUSTSCHEINBEWIRTSCHAFTUNG Olivier Margraf Version Oktober 2013
2/8 1. Arten von Verlustscheinen 2. Verjährungsbestimmungen Die im Verlustschein aufgeführte Forderung verjährt 20 Jahre nach der Ausstellung des Verlustscheins (Art. 149a Abs. 1 SchKG). Dies gilt auch für Konkursverlustscheine (Art 265 Abs. 2 SchKG) 1. Verlustscheine, die bis zum 31.12.1996 ausgestellt worden sind, verjähren erst am 31.12.2016 (Art. 2 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 16.12.1994). Wichtig ist die verkürzte Verjährung gegenüber Erben des Schuldners: Die entsprechende Verlustscheinforderung verjährt gemäss Art. 149a Abs. 1 SchKG diesfalls ein Jahr nach Eröffnung des Erbganges. Die Verjährungsvorschriften des SchKG gehen als Lex-specialis-Bestimmungen den steuergesetzlichen Verjährungsvorschriften vor 2. 1 In Bezug auf die Verrechenbarkeit von Konkursverlustscheinforderungen siehe Art. 213 SchKG und Rundschreiben Nr. 2 / 2010, Ziff. 3.2.3. 2 Egloff, in: Weber-Klöti/Siegrist//Weber (Hrsg.), Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 2, 3. Aufl., Muri 2009, N 7 zu 178.
3/8 Die Verjährungsfrist von 20 Jahren kann durch entsprechende Massnahmen gemäss Art. 135 OR unterbrochen werden. Die Wirkung der Verjährungsunterbrechung besteht darin, dass die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt und dadurch nochmals um 20 Jahre verlängert werden kann 3. Als Unterbrechungsgründe gemäss Art. 135 OR gelten die Schuldanerkennung des Schuldners (etwa durch Eingehen eines Abzahlungsplanes etc.) oder durch qualifizierte Bezugsmassnahmen des Gläubigers wie Schuldbetreibung oder Konkurseingabe 4. Vor Ablauf der Verjährungsfrist ist daher eine neue Betreibung gegenüber dem Schuldner einzuleiten. Die Zustellung eines Zahlungsbefehls ist nicht erforderlich, es genügt die Postaufgabe des Betreibungsbegehrens 5. Ein solches Vorgehen macht aber nur dann Sinn, wenn die entsprechende Verlustscheinforderung auch tatsächlich durchgesetzt werden kann (insbesondere in einem allfälligen Rechtsöffnungsverfahren), was auch eine entsprechende Dokumentation voraussetzt (siehe dazu 3.4). Als mögliche Alternative schlägt Däppen vor: Es ist dem Gläubiger demnach unbenommen, seinem an das Betreibungsamt zugestellten Betreibungsbegehren gleichzeitig eine Rückzugserklärung beizulegen, ohne dass dies einen Einfluss auf die Unterbre- 3 Huber, in: Staehelin/Bauer/Staehlin (Hrsg.), Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Art. 1-158, 2. Aufl., Basel 2010, N 3 zu Art. 149a; Jager, in: Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Band I, 4. Aufl., Zürich 1997, N 4 zu Art. 149a; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl., Zürich 2009, N 8 zu Art. 121. 4 Demnach qualifiziert ein eingeschriebenes Schreiben an den Schuldner nicht als verjährungsunterbrechende Massnahme im Sinn von Art. 135 Ziff. 2 OR. 5 Däppen, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar zum Obligationenrecht, Band I, 4. Aufl., Basel 2007, N 6 zu Art. 135.
4/8 chungswirkung des Betreibungsbegehrens hat. Die auf diese Weise dem Betreibungsamt zugesandte Rückzugserklärung bewirkt, dass die Aus- und Zustellung des Zahlungsbefehls unterbleibt und damit die Schuldbetreibung gar nicht erst beginnt (Art. 38 Abs. 2 SchKG) 6. 3. 3.1. Vorgehen Die Bezugsbehörde ist verpflichtet, Verlustscheinforderungen auf ihre Verjährung und auf ihre nachträgliche Wiedereinbringlichkeit zu überwachen. Sie muss sich regelmässig über die finanziellen Verhältnisse eines Verlustscheinschuldners informieren. Dies gilt insbesondere auch bei Wohnsitznahme in einer anderen Gemeinde. Allenfalls kann es sich empfehlen, vor einer erneuten Betreibung die entsprechenden Schuldner innerhalb der Verjährungsfrist anzuschreiben und auf ihre, in den Verlustscheinen verbrieften Steuerschulden (und allenfalls auf die verbesserten finanziellen Verhältnisse) hinzuweisen und sie aufzufordern, einen (realistischen) Abzahlungsplan vorzulegen. Damit wird der Schuldner wieder an seine Steuerausstände erinnert, was in gewissen Fällen zum Unterbreiten eines Abzahlungsplanes bzw. zur (teilweisen) Tilgung führt, was die Verjährung unterbricht. Ist aus den Steuerakten der Folgejahre ersichtlich, dass pfändbares Einkommen vorhanden ist und/oder neues Vermögen vorliegt, ist eine erneute Betreibung ins Auge zu fassen. 6 Däppen, a.a.o., N 6 zu Art. 135; gemäss Auskunft des Betreibungs- und Konkursinspektorats vom 24.10.2013 ist dieses Vorgehen zulässig.
5/8 3.2. Verzicht auf Auf eine kann in folgenden Fällen verzichtet werden. Die entsprechenden Kriterien haben kumulativ vorzuliegen: Steuerpflichtige Person hat 71. Altersjahr überschritten. Es ist nicht mehr davon auszugehen, dass sie aufgrund der aktuellen und zu erwartenden finanziellen Verhältnisse zu pfändbarem oder neuem Vermögen kommt (tiefes Einkommen, keine pfändbaren Vermögenswerte, keine Versicherungs- oder Erbanwartschaften etc.). Bezugsmassnahmen für laufende Steuern münden in Pfändungsverlustscheinen. oder Verlustscheinforderungen unter CHF 500.- und keine pfändbaren Einkünfte oder Vermögenswerte vorliegend (auch künftig keine Erb- oder Versicherungsanwartschaften zu erwarten). 3.3. Betreibung einer Pfändungsverlustscheinforderung Bei Vorliegen eines Pfändungsverlustscheins ist eine anschliessende Betreibung der entsprechenden Forderung jederzeit möglich. Innert 6 Monaten nach Zustellung des Verlustscheins kann die Betreibung ohne Einleitungsverfahren fortgesetzt werden (Art. 149 Abs. 3 SchKG). Eine rasche Fortsetzung ist aber nur dann sinnvoll, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine gegenüber dem Zeitpunkt des Ausstellens des Verlustscheins verbesserte finanzielle Situation vorliegen bzw. ein Teil der Forderung in der vorherigen Pfändung eingebracht werden konnte. 3.4. Betreibung einer Konkursverlustscheinforderung 3.4.1. Steuerforderung im Konkurs Mit der Konkurseröffnung werden sämtliche Forderungen gegenüber dem Schuldner fällig (Art. 208 Abs. 1 SchKG). Dies gilt auch für Steuerforderungen. Gemäss 40 Absatz 4 StV entstehen die Steuerforderungen im Kanton Thurgau pro rata temporis und sind entsprechend in den Konkurs einzugeben. Der Teil der Steuerfor-
6/8 derung, der auf den Zeitraum vor der Konkurseröffnung entfällt, gilt demnach als vor der Konkurseröffnung entstanden; der Teil der Steuerforderung, der auf den Zeitraum nach der Konkurseröffnung entfällt, gilt hingegen als nach der Konkurseröffnung entstanden (siehe auch StP 192 Nr. 2) 7. 3.4.2. Neues Vermögen Die in den Konkurs gefallene Forderung kann erst wieder betrieben werden, wenn der Schuldner sog. neues Vermögen gebildet hat (Art. 265 Abs. 2 SchKG). Neues Vermögen liegt vor, wenn der Konkursit seit Beendigung des Konkursverfahrens neue Vermögenswerte erworben hat, die seine Passiven übersteigen. Der Schuldner hat dabei Anspruch auf eine standesgemässe Lebensführung. Neues Vermögen wird auch dann angenommen, wenn der Schuldner ein Einkommen erzielt, das es ihm erlauben würde, Vermögen zu bilden. Bei der Bemessung wird auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, wobei ein Zuschlag von 50% auf den Grundbeträgen zugestanden wird (RBOG 1998 Nr. 12). Daneben werden weitere effektive Kosten wie Wohnkosten, Krankenkassenprämien, Steuern und Fahrzeugkosten berücksichtigt (RBOG 2006 Nr. 18). 3.4.3. Betreibungsverfahren. Für die Betreibung spielt es keine Rolle, ob für die entsprechende Forderung ein Konkursverlustschein vorliegt oder nicht. Auch Forderungen, die nicht in den Konkurs eingegeben worden sind, dürfen erst bei Vorhandensein von neuem Vermögen betrieben werden (Art. 267 SchKG). Die Steuerforderungen, die nach der Konkurseröffnung entstanden sind (siehe 2.3.1.), können ordentlich (d.h. ohne Einschränkung) betrieben werden. Erhebt der Schuldner Rechtsvorschlag mit der Einrede von mangelndem neuen Vermögen, entscheidet der Richter des Betreibungsortes über das Vorhandensein von neuem Vermögen (Art. 265a Abs. 1 SchKG). Falls der Schuldner glaubhaft machen kann, dass er nicht zu neuem Vermögen gekommen ist, bewilligt der Richter den Rechtsvorschlag 7 Siehe dazu auch Rundschreiben Nr. 1 / 2006.
7/8 (Art. 265a Abs. 2 SchKG) 8. Falls nicht, legt er den Umfang des neuen Vermögens fest (Art. 265a Abs. 3 SchKG). Dagegen können sowohl Schuldner als auch Gläubiger innert 20 Tagen seit Eröffnung des Entscheides Klage auf Bestreitung oder Feststellung des neuen Vermögens einreichen (Art. 265a Abs. 4 SchKG). Wird der Rechtsvorschlag der Einrede mangelnden neuen Vermögens nicht bewilligt, ist noch das eigentliche Rechtsöffnungsverfahren zur Beseitigung des generellen Rechtsvorschlages zu durchlaufen. 3.4.4. Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven gemäss Art. 230 SchKG Muss das Konkursverfahren mangels verwertbarer Aktiven des Konkursschuldners eingestellt werden (Art. 230 Abs. 1 SchKG), hat dies zur Folge, dass der Schuldner während zwei Jahren nach der Einstellung des Konkursverfahrens auch auf Pfändung betrieben werden kann (Art. 230 Abs. 3 SchKG). Zu beachten ist auch Art. 230 Abs. 4 SchKG, wonach die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen nach der Konkurseinstellung wieder aufleben. Die Zeit zwischen der Eröffnung und der Einstellung des Konkurses wird dabei für alle Fristen dieses Gesetzes nicht mitberechnet. Ein Verlustschein wird in solchen Konstellationen nicht ausgestellt. Dies hat zur Folge, dass die entsprechende Forderung nicht der längeren Verjährung eines Verlustscheins unterliegt, aber auch, dass der Schuldner die Einrede von mangelndem neuen Vermögen nicht anbringen kann (Lustenberger, in Basler Kommentar zum SchKG, N 16 zu Art. 230). 3.4.5. Rückkauf von Konkursverlustscheinen Beim Rückkauf von Konkursverlustscheinen unter dem Nominalwert, welche gemäss StP 192 Nr. 3 grundsätzlich nur im gerichtlichen oder aussergerichtlichen Nachlassverfahren möglich ist, ist zu beachten, dass bei der Berechnung des Existenzminimums auf 8 Gemäss Art. 98 ZPO ist die klagende Partei kostenvorschusspflichtig.
8/8 die Ansätze zur Feststellung von neuem Vermögen abzustellen ist (Vorlage im Anhang). 3.5. Dokumentation von Verlustscheinforderungen für ein wirkungsvolles späteres Inkasso Für die spätere Durchsetzung einer Verlustscheinforderung ist es von grosser Bedeutung, dass die mit der Forderung zusammenhängenden Rechtsöffnungstitel zusammen mit dem Verlustschein aufbewahrt werden. Allein gestützt auf einen Verlustschein wird keine definitive (aber auch keine provisorische) Rechtsöffnung gewährt (StP 192 Nr. 1 Ziff. 2.2). Es empfiehlt sich im Zeitpunkt der Verlustscheinausstellung folgende Dokumentation sicherzustellen 9 : Originalverlustschein; Veranlagungsverfügungen inkl. Rechtskraftbescheinigungen; Schlussrechnung inkl. Rechtskraftbescheinigungen; Mahnung mit Betreibungsandrohung; Zahlungserinnerung. 9 Rundschreiben Nr. 1 / 2013.