Blick in die Zukunft: gezüchtete Herzklappen

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Transkript:

Blick in die Zukunft: gezüchtete Herzklappen Als 1960 die ersten künstlichen Ventile für erkrankte Herzklappen bei Patienten, denen anders nicht zu helfen war, eingesetzt wurden, lagen Erfolge und Niederlagen dicht beieinander. Ein Teil der Patienten konnte mit diesen Ventilen gerettet werden, fast die Hälfte starb aber bei oder nach der Operation, weil das Verfahren noch in seinen Anfängen stand. Inzwischen haben sich die künstlichen Herzklappen so erfolgreich weiterentwickelt, dass heute das Einsetzen künstlicher Herzklappen zum Routineeingriff geworden ist. In Deutschland wurden z. B. in 2004 11 000 künstliche Aortenklappen eingesetzt. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Herzklappen: die mechanischen und die biologischen. Mechanische Herzklappen werden aus speziellen Kunststoffen hergestellt. Sie sind nahezu unverwüstlich und halten starken Belastungen auf Dauer stand. Das ist ein großer Vorteil, denn Herzklappen werden stark beansprucht: Sie öffnen und schließen sich rund 400 Millionen mal im Jahr und das ein Leben lang. Die große Haltbarkeit wird jedoch mit einem großen Nachteil erkauft. Am körperfremden Material können sich Gerinnsel bilden, die im Blutstrom mitgerissen zu Verschlüssen von Gefäßen (Embolien) führen können. Jeder Patient mit einer mechanischen Herzklappe muss daher auf Dauer Medikamente nehmen, die die Blutgerinnung hemmen. Um Komplikationen, die sich aus der Gerinnungshemmung ergeben, zu vermeiden, wurden biologische Herzklappen entwickelt. Bei ihnen ist eine Gerinnungshemmung auf Dauer nicht notwendig. Zunächst (1962) handelte es sich um einen Homograft, eine menschliche Herzklappe, die aus Spenderherzen gewonnen wird. Homografts müssen nicht chemisch fixiert werden und behalten dadurch ihre Flexibilität. Aber ihre Haltbarkeit ist begrenzt, und sie stehen nur beschränkt zur Verfügung. Seit Ende der 60er Jahre werden Bioprothesen aus tierischem Gewebe, aus Schweineklappen oder Rinderherzbeuteln, hergestellt. Sie werden mit Glutaraldehyd, einem Denaturierungsmittel, behandelt, damit das fremde Gewebe keine Abstoßungsreaktionen auslöst. Glutaraldehyd lässt aber die Zellen vermehrt Calcium aufnehmen, und das führt langfristig zum Verschleiß der Herzklappen. Die durchschnittliche Haltbarkeit liegt bei 10 bis 15 Jahren. Je jünger der Patient ist, desto schneller schreitet die Degeneration voran. Trotz der großen Erfolge in der Klappenchirurgie ist es bisher nicht gelungen, eine Herzklappe zu entwickeln, die ganz befriedigt. An der weiteren Verbesserung künstlicher Herzklappen wird deshalb intensiv gearbeitet. Molekularbiologen untersuchen die Wechselwirkungen zwischen künstlichen Oberflächen und Blut, um die Gerinnungshemmung bei mechanischen Herzklappen überflüssig zu machen. Für die Bioprothesen sucht man eine andere chemische Fixierung, die eine lange Haltbarkeit bei Klappen gewährt. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Forschung an gezüchteten Herzklappen, die unter der Bezeichnung Tissue Engineering aus körpereigenen Zellen hergestellt werden. Auf sie richten sich große Hoffnungen. Aber wieviel bisher erreicht wurde, ist umstritten. Auf dem Kongress Aktuelle Kardiologie im Frühjahr 2006 in Bad Reichenhall fand eine Pro-Contra- Diskussion zwischen zwei renommierten Herzchirurgen statt. Gezüchtete Herzklappen sind die Prothesen der Zukunft diese Position vertrat Prof. 2

Bioprothese (links), Pulmonal-Homograft (rechts), Aorten-Homograft (ganz unten) Dr. med. Axel Haverich, Hannover. Dagegen ist Prof. Dr. med. Siegfried Hagl, Heidelberg, der Überzeugung, dass noch weit mehr Grundlagenforschung notwendig ist, bevor eine Studie mit Menschen, insbesondere mit Kindern, in die Wege geleitet werden kann. Die Argumente, die dort ausgetauscht wurden, sind im folgenden kurz dargestellt: Prothesen der Zukunft Die ideale Herzklappe gibt es noch nicht, sagte Prof. Haverich. Das Ziel der Hannoveraner Arbeitsgruppe um Prof. Haverich ist es, eine Klappe zu entwickeln, die der natürlichen gleich oder nahezu gleich ist. Das heißt: eine Klappe, die als Ventil im Herzen so gut funktioniert, wie die Natur sie uns gegeben hat. keine Embolien verursacht. keine Abstoßungs- oder Entzündungsreaktionen auslöst. unbegrenzt hält. Die Forschung geht bei der Züchtung der Herzklappen unterschiedliche Wege. Prof. Haverich zeigte, wie seine Arbeitsgruppe in Hannover vorgeht. Das Konzept besteht darin, ein Gerüst, eine sogenannte Matrix, mit körpereigenen Zellen zu besie- 3

Mechanische Herzklappenmodelle: Kippscheibenprothese (links), Doppelflügelprothese (rechts). deln und in einem Bioreaktor die Signale zu geben, die die Zellen dazu bringen, sich auf dem Gerüst anzusiedeln und eine Herzklappe aufzubauen. Das Modell wurde an jungen Schafen entwickelt. Herzklappen (Pulmonalklappen), die entweder von Schweinen oder von toten Schafen stammten, wurden mit Hilfe chemischer Substanzen so behandelt, dass alle darin vorhandenen Zellen entfernt wurden. Übrig blieb nur ein aus Bindegewebe bestehendes Gerüst, das dann mit den gezüchteten Zellen behandelt wurde. Gezüchtet wurden die Zellen folgendermaßen: 10 bis 12 Wochen alten Schafen wurden 3 cm der Halsarterie entnommen. Daraus züchteten die Forscher in Zellkulturen mit besonderen Techniken sowohl Endothelzellen, die die innere Auskleidung der Blutgefäße bilden, als auch sogenannte Fibroblasten, Vorläuferzellen von Bindegewebszellen. So entstanden im Bioreaktor Herzklappen, die den Schafen, aus deren Gefäßen die Zellkulturen entstanden waren, eingesetzt wurden. Die Schafe wurden im Durchschnitt 13 Monate lang beobachtet. Das Gerüst wurde im Lauf der Zeit vollständig in eigenes Gewebe umgebaut. Die Klappen zeigten eine gute Funktionsfähigkeit und sie nahmen mit dem Wachstum der Tiere an Größe zu. Das deute auf die Möglichkeit, sagte Prof. Haverich, Kinder zu therapieren, denen dadurch wiederholte neue Klappenoperationen erspart werden könnten. Wir haben dann im Mai 2002, berichtete Prof. Haverich, die ersten Patienten in Kischinau (Moldawien) operiert: 9, 11 und 13 Jahre alte Kinder. Dann haben wir zwei Jahre lang nichts gemacht, nur experimentell weitergearbeitet, um zu sehen, wie sich die Kinder dort weiterentwickeln. Sie haben sich völlig normal entwickelt. Wir haben ernstzunehmende Hinweise, dass die Klappe der Kinder mit dem Körperwachstum wächst. Insgesamt haben wir dann im letzten Jahr nach zweieinhalb Jahren Beobachtungszeit der ersten Patienten sieben weitere junge Patienten in Moldawien operiert. Wir haben keinen Hinweis auf eine Verengung der Klappe oder eine Klappenundichtigkeit gefunden. Die Gradienten sind eher geringer geworden und natürlich hat sich die rechte Herzkammer, die vor der Operation massiv aufgedehnt war, entsprechend erholt. Die Schlussfolgerung von Prof. Haverich ist, dass die gezüchteten Herzklappen die Prothesen der Zukunft sind. Weil Homografts knapp sind, findet er es wünschenswert, dass die Methode auf Xenografts, also von Schweinen stammende Gerüste, übertragen werden könnte. Aber das will die Arbeitsgruppe derzeit noch nicht riskieren. Außerdem wird daran gearbeitet, auch Aortenklappen zu züchten, die einer weit größeren Belastung standhalten müssen. Keine Gewissheiten Die Kritik von Prof. Hagl am Konzept der gezüchteten Herzklappen geht dahin, dass diese Klappen mit noch zu großer Ungewissheit belastet sind. Das Gebiet der Klappenzüchtung so vielversprechend es ist steckt seiner Meinung nach noch in den Kinderschuhen. Dabei trug er folgende Argumente vor: Es ist nicht gesichert, ob mit diesen Technologien tatsächlich die relativ komplexen Strukturen einer Herzklappe in ihren zellulären Funktionen kompetent nachgebildet werden können. 4

Das müssen erst morphologische und zellbiologische Untersuchungen zeigen. Unser Wissen über die normale Klappenbiologie z.b. im Hinblick auf Signaltransfer, Genexpression und -regulation weist noch erhebliche Lücken auf. Die heute zur Verfügung stehenden Herzklappen bringen insgesamt zufriedenstellende Ergebnisse. Für den Ersatz der Aorten- und der Pulmonalklappe bei kleinen Kindern ist der Homograft nach wie vor der Goldstandard, das heißt die heute bestmögliche Lösung. Die neuen gezüchteten Herzklappen müssen sich an den bisherigen messen lassen. Die Hürde liegt hoch, sogar sehr hoch. Seit 20 Jahren wird auf dem Gebiet der Gewebezüchtung geforscht. Einen Durchbruch hat es noch nicht gegeben. Gezüchtete Klappen wurden bei Kindern zu früh eingesetzt mit schlimmen Folgen. Allerdings handelte es sich um ein Modell, das ganz anders aufgebaut war als das der Hannoveraner Arbeitsgruppe. Vier Kinder wurden 2001 mit der Herzklappe SynerGraft versorgt. Die Ergebnisse waren katastrophal: Drei Kinder starben, eines sechs Wochen, eines nach einem Jahr nach Einsetzen der Herzklappe. Bei einem Kind wurde die Herzklappe wieder ausgebaut und die gesamte Serie dieses Produkts vom Markt genommen. Ein Nachfolgeprodukt SynerGraft 21 wurde in Lübeck verwandt. Es wird dort nicht mehr eingesetzt. Probleme gab es auch in den Schafexperimenten, wie eine Studie von Prof. Steinhoff (Rostock) mit der Hannoveraner und einer Bostoner Arbeitsgruppe gezeigt hat. Die Experimente am Schaf zeigten zwar, dass die gezüchtete Herzklappe vollkommen in das Schafherz eingewachsen war, aber es kam zu einer Verdickung der Segel durch überschießendes Zellwachstum (Zellprofilation). Die mittlere Beobachtungsdauer bei den Schafen in Hannover betrug 13 Monate. Das ist zu kurz. Erforderlich ist eine Beobachtungszeit von vier bis fünf Jahren, um die Langzeitergebnisse beurteilen zu können. Was Kinder angeht, so sind bei Homografts in den ersten zwei Jahren Änderungen kaum zu erwarten. Die Probleme kommen erst im späteren Verlauf. Sicher ist, dass neue Herzklappen, insbesondere für Kleinkinder und Säuglinge, dringend gebraucht werden. Auch für Prof. Hagl hat die Gewebezüchtung ein großes Potential. Aber er sagte: Ich würde mir persönlich wünschen, dass wir zunächst beim Tierversuch bleiben und schauen, wie da die Langzeitergebnisse aussehen. Wir brauchen sichere experimentelle Daten, bevor die neuen Klappen bei Menschen Verwendung finden. So ist es denkbar, dass es noch viele, viele Jahre mehr als zehn Jahre dauern wird, bevor diese Technik in der Klinik Einzug finden kann. Dr. Irene Oswalt Mascha, der durch großzügige Spenden eine Klappenoperation in Deutschland ermöglicht wurde, geht es heute gut. Sie schreibt uns regelmäßig aus Moskau. 5

Der Entwicklung Zeit einräumen Kommentar von Prof. Michael Hofbeck In der chirurgischen Therapie komplexer angeborener Herzfehler im Kindesalter werden heute regelmäßig auch Herzklappenprothesen verwendet. Ein Herzklappenersatz wird heute eher zu einem früheren Zeitpunkt angeboten, um eine Schädigung des Herzmuskels durch Überlastung infolge einer defekten Herzklappe zu vermeiden. Zum Herzklappenersatz steht eine ganze Reihe unterschiedlicher biologischer oder mechanischer Herzklappenprothesen zur Verfügung. Die Anforderungen an eine ideale Herzklappenprothese sind bei Kindern allerdings noch höher einzustufen als bei Erwachsenen. Mechanische Herzklappenprothesen haben zwar den Vorteil einer nahezu unbegrenzten Haltbarkeit, es besteht aber bei ihnen das Risiko einer Gerinnselbildung im Bereich der Prothese. Die Thrombogenität (d. h. die Gefahr der Bildung von Blutgerinnseln) einer idealen Klappenprothese für Kinder sollte annähernd bei Null liegen, da sich auf Grund der längeren Lebenserwartung für Kinder auch ein relativ niedriges Risiko kumulativ deutlich summiert. Um eine Gerinnselbildung im Bereich einer mechanischen Herzklappe zu verhindern, erfolgt eine Behandlung mit sogenannten Antikoagulantien, d. h. Substanzen wie Marcumar, die die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabsetzen. Eine Antikoagulantienbehandlung ist im Kindesalter allerdings nicht problemlos, da Kinder aufgrund ihrer körperlichen Aktivität ein höheres Unfallrisiko haben. Darüber hinaus sind mechanische Herzklappenprothesen zu groß, um sie in Säuglingsherzen einzusetzen. Sie sind daher zum Herzklappenersatz bei kleinen Säuglingen nicht geeignet. Zum Herzklappenersatz im Kindesalter werden deshalb überwiegend biologische Herzklappen vom Menschen (sogenannte Homografts) oder von Tieren (sogenannte Allografts) verwendet. Bei diesen Herzklappen besteht keine Gefahr einer Blutgerinnselbildung, eine Antikoagulantientherapie ist deshalb nicht notwendig. Hauptproblem der biologischen Herzklappenprothesen ist die begrenzte Dauer ihrer einwandfreien Funktion. Durch Verdickung der Klappensegel und Verkalkung kommt es zu einer zunehmenden Einschränkung der Klappenfunktion mit Enge (Stenose), aber auch Undichtigkeit (Insuffizienz) der eingesetzten Herzklappe. Während in den ersten zehn Jahren nach der Klappenoperation noch die Mehrzahl der biologischen menschlichen Klappen (Homografts) gut funktioniert, muss man nach etwa zehn Jahren damit rechnen, dass eine zunehmende Zahl dieser Klappen nicht mehr ausreichend gut arbeitet und deshalb ein operativer Klappenwechsel notwendig wird. In Anbetracht der hohen Lebenserwartung von Kindern ist dieser Zeitraum natürlich nicht befriedigend. Auch wenn das Operationsrisiko für einen Herzklappenersatz sehr niedrig geworden ist und bei einer derartigen Operation kaum Patienten sterben, bedeutet die Notwendigkeit einer oder mehrerer späterer Operationen eine erhebliche psychische Belastung für heranwachsende junge Menschen. Ein weiteres Problem entsteht beim Herzklappenersatz im Säuglingsalter. Ein Herzklappenersatz mit biologischen Herzklappen ist in diesem Alter bereits möglich, der Säugling wächst jedoch relativ schnell aus der Größe der eingesetzten Herzklappenprothese heraus. Dies bedeutet, dass die eingesetzte Herzklappe meist im Alter von ein bis vier Jahren zu klein wird für das Kind und deshalb durch eine größere Klappenprothese ersetzt werden muss. Darüber hinaus bestehen derzeit Probleme, menschliche biologische Herzklappen in Größen zu erhalten, die für Säuglinge geeignet sind. Schafe, denen eine gezüchtete Herzklappe eingesetzt wurde 6

Wie Sie aus den Vorträgen von Prof. Haverich und Prof. Hagl entnehmen können, konzentrieren sich die derzeitigen Forschungsbemühungen im Bereich der Herzklappen auf das sogenannte Tissue Engineering, die Züchtung von Gewebe mit dem Ziel, eine ideale Herzklappe für das Kindesalter zu schaffen, welche alle besonderen Anforderungen dieser Patientengruppe erfüllt. Zu diesen besonderen Anforderungen gehören ein niedriges Risiko von Gerinnselbildung, eine gute Hämodynamik, die Verfügbarkeit auch in kleinen Größen und eine nahezu unbegrenzte Haltbarkeit. Und wunderbar wäre es natürlich, wenn eine derartige biologische Herzklappe auch noch mitwachsen würde ein unschätzbarer Vorteil, wenn ein Herzklappenersatz bei Säuglingen oder Kleinkindern erforderlich wird. Die Ausführungen von Prof. Haverich zeigen, welche großen Fortschritte in den letzten Jahren in der Schaffung einer neuen biologischen Klappengeneration gemacht werden konnten. Der von ihm geschilderte Ansatz basiert darauf, ein biologisches Grundgerüst einer Herzklappe, welches weitgehend von allen ursprünglichen, lebenden Zellen befreit wurde, mit lebenden Zellen des Patienten (der die Klappe erhalten soll) zu besiedeln. Im Idealfall entsteht dadurch eine Herzklappe aus überwiegend patienteneigenem Gewebe. Bei allem Optimismus zeigen allerdings die Einwände von Prof. Hagl, dass diese Forschungsbemühungen in den kommenden Jahren kontinuierlich mit weiteren Tierversuchen fortgeführt werden müssen. Zum einen muss die Haltbarkeit derartiger Herzklappen auf der linken Seite des Herzens getestet werden und zum anderen werden mehr Informationen über die Haltbarkeit und Funktion dieser Klappen im Langzeitverlauf benötigt. Ich persönlich glaube, dass das Tissue Engineering zur Entwicklung neuer biologischer Herzklappen Anlass zu großen Hoffnungen für die Zukunft gibt. Ich denke aber, dass man dieser Entwicklung auch entsprechende Zeit einräumen muss, und wäre nicht enttäuscht, wenn eine ausgereifte Klappe erst in zehn Jahren für Kinder verfügbar wäre. Prof. Dr. med. Michael Hofbeck ist Leiter der Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Kinderheilkunde II mit Poliklinik des Universitätsklinikums Tübingen.