Finanzielle Hilfen für Menschen mit Krebs? Jürgen Walther Dipl.-Sozialarbeiter Symposium für Pflegekräfte 31. März 2010

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Transkript:

Finanzielle Hilfen für Menschen mit Krebs? Jürgen Walther Dipl.-Sozialarbeiter Symposium für Pflegekräfte 31. März 2010

Armut und Gesundheit Der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Lebenslage ist durch zahlreiche Untersuchungen belegt. 3,4,5 Armut führt zu einem deutlich höheren Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko, Krankheit erhöht das Verarmungsrisiko. Bei Erwachsenen führt Krankheit in verstärktem Maße zu Armut, bei Kindern führt Armut in ihrem späteren Leben gehäuft zu Krankheit. 5 22% der von Armut bedrohten Menschen gehen wegen der finanziellen Belastung durch die Praxisgebühr und zu hoher Zuzahlungen für Medikamente nicht zum Arzt. 6 Die Angst vor sozialem Abstieg betrifft mittlerweile nicht nur Menschen der unteren Einkommensschichten, sie ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. 6 3 Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit, Robert-Koch-Institut 2005 4 Telefonischer Gesundheitssurvey des RKI zu chronischen Krankheiten und ihren Bedingungen Deskriptiver Ergebnisbericht, Robert- Koch-Institut 2005 5 Trabert, Gerhard Gesundheitsreform und nun? Was bedeutet die Gesundheitsreform für sozial benachteiligte Menschen? 6 Armut und Lebensbedingungen Ergebnisse aus Leben in Europa für Deutschland 2005, Statistisches Bundesamt Wiesbaden Quelle: J. Walther/I. Weis Wirtschaftliche Folgen einer Krebserkrankung FORUM DKG 3/2008

Bund niedergelassener Hämatologen und Onkologen F. Breuer präsentiert auf dem deutschen Krebskongress 2008

Bund niedergelassener Hämatologen und Onkologen F. Breuer präsentiert auf dem deutschen Krebskongress 2008

Kirsten Bikowski: Studie zur Wirtschaftlichen Auswirkung einer Krebserkrankung am NCT Heidelberg 2009 (n=156) 75% der Patienten erleben finanzielle Einbußen seit Erkrankungsbeginn 64,7% befürchten eine weitere finanzielle Verschlechterung Durchschnittliche monatliche Verluste durch Einkommenseinbußen und krankheitsbedingte Mehrausgaben: 100-200 36,5% 200-500 29,5% 500-800 12,2% 800-1200 6,4% Über 1200 12,2%

Kirsten Bikowski 2009 - Ergebnisse Einkommensarten Lohn / Gehalt 10,9 % Krankengeld 19,9 % ALG I 1,3 % Erwerbsminderungsrente 5,8 % Grundsicherung 1,9 % Altersrente 55,1 %

Kirsten Bikowski 2009 - Ergebnisse Beratungswunsch Rehabilitation: 50,6% Schwerbehindertengesetz: 53,8% Häusliche Hilfen: 45,5% Wirtschaftliche Hilfen: 55,1% Bewältigung: 73,7% (Alltagsbewältigung / Krankheitsbewältigung)

Bestandsaufnahme Psychosoziale Onkologie in der Schweiz - Schweizer Krebsliga 2005 Beratungsbedarf in finanziellen und beruflichen Fragen Unterstützungsbedarf in lebenspraktischen Angelegenheiten, z.b. bei der Organisation von Hilfen zur Führung des Haushaltes, bei Ämter- und Behördenangelegenheiten bei 20 % bis 30 % der Betroffenen Die Hilfe in finanziellen Belangen die Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen und Unterlagen die Unterstützung in Berufs- und Arbeitsfragen rangieren auf den Rängen eins und zwei der unbefriedigten Patientenbedürfnisse.

Kirsten Bikowski 2009 - Ergebnisse

Einkommens- und Ausgabenentwicklung im Verlauf einer Krebserkrankung Entwicklung der Ein- und Ausgaben im Verlauf einer Krebserkrankung Abwärtsspirale des Einkommens Aufwärtsspirale der Ausgaben Arbeitsentgelt Krankengeld Arbeitslosengeld I Erwerbsminderungsrente Arbeitslosengeld II/ Sozialhilfe/Grundsicherung Zuzahlungen für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel Komplementäre Verfahren, Versorgung von Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen Kosten für Haushaltsführung Fahrkosten zu Therapien, Untersuchungen Kosten für Pflege Quelle: J. Walther/I. Weis Wirtschaftliche Folgen einer Krebserkrankung FORUM DKG 3/2008

Rahmenbedingungen Konsequenzen der verschiedenen Stufen der Gesundheitsreformen 2004 und 2007 Stärkere Inanspruchnahme der Patienten durch Einführung der Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal Zuzahlung bei Arznei- Heil- und Hilfsmitteln (mind. 5.-, -höchstens 10.- ) Verlängerung der Zuzahlungsdauer bei Krankenhausaufenthalten von 14 auf 28 Tage ( tgl. 10,- ) Streichung der Kostenübernahme nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel Streichung der Übernahme ambulanter Fahrkosten Streichung der Sozialklausel, d.h. der generellen Zuzahlungsbefreiung bei Unterschreiten einer bestimmtem Einkommensgrenze Generellen Einführung von Belastungsobergrenzen (frühere Härtefallklausel) von 2 %, bzw. 1 % für chronisch Kranke des jährlichen Bruttoeinkommens. Medizinischer Fortschritt Krebs als chronische Krankheit Längere Überlebenszeiten Veränderte Therapieverfahren

Rahmenbedingungen Geänderte Krankenhausfinanzierung DRG/Fallpauschalen Kürzere Verweildauer Ambulante Versorgungsstrukturen sind noch in der Anpassungsphase Soziale Pflegeversicherung greift erst nach ½ Jahr Pflegebedürftigkeit, d.h. Auswirkungen für die Kurzzeitpflege Bildung von Behandlungszentren Ggf. Probleme bei der Übernahme Fahrkosten Keine Kostenerstattung für ambulante Behandlungen bei Fehlen bestimmter Voraussetzungen Sinkendes Rentenniveau bis 2030 um 20% EU Rente 2000: 738 EM Rente 2008 647 Drucksache 16/10872 v. 12.11.2008 der FDP-Fraktion Drucksache 17/1116 v. 18.03.2010 der Fraktion Die Linke Zuständigkeitskonflikte zwischen Leistungsträgern Beispiel 51 SGB V in Verbindung mit 116 SGB VI

Risikogruppen Erwerbstätige Selbständige Familien mit Kindern Alleinerziehende Was heißt Hilfe? Den Abstieg, soweit er eintritt bewältigen und erträglicher gestalten Über zustehende (Sozial)leistungen informieren, beraten und bei der Erschließung konkret unterstützen

Finanzielle Hilfen Krankengeld Arbeitslosengeld I Erwerbsminderungsrente Grundsicherungsleistungen Sozialhilfe Pflegegeld Entlastungen im Zusammenhang mit dem Schwerbehindertenrecht Fonds, Zuwendungen aus Stiftungen z.b. Deutsche Krebshilfe Landesverbände der DKG Stiftung des Bundespräsidenten Regionale Stiftungen

In diesem Sinne.Auf Wiedersehen.. Auszug aus der Präambel der Schweizer Verfassung v. 18.04.1999...dass die Stärke des Volkes, sich misst am Wohl der Schwachen... Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Jürgen Walther